Heinrich | Es war einmal... | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 140 Seiten

Heinrich Es war einmal...

Vier moderne Märchen über die Kunst des Selbstbetrugs und ein Weihnachtsmärchen für den Papageienfreund
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7504-5446-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Vier moderne Märchen über die Kunst des Selbstbetrugs und ein Weihnachtsmärchen für den Papageienfreund

E-Book, Deutsch, 140 Seiten

ISBN: 978-3-7504-5446-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zynisch, aber immer mit einem Augenzwinkern - so könnte man die modernen Märchen charakterisieren, die Michael Heinrich im vorliegenden Band veröffentlicht. Ob es sich um das Gebaren von Politikern, das Bildungswesen oder die Unsitte des Beratertums handelt, niemand bleibt hier ungeschoren. Spaßig, aber mit ernsten Hintergrund wird die Doppelmoral der heutigen Gesellschaft vorgeführt. Ein Weihnachtsmärchen rundet die Sammlung ab. Gerald Mickisch liefert zu den Texten treffende und erheiternde Illustrationen.

Michael Heinrich hat selbst eine Naturwissenschaft studiert und ist seit vielen Jahren in der Großindustrie tätig. Er lebt in Nordwestdeutschland.

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Vom Wesen der Prophetie
Es war einmal eine kleine Bananenrepublik, die hatte einen Präsidenten. Das ist für kleine Bananenrepubliken nichts Ungewöhnliches, manchmal haben sie auch Fürsten, Kaiser oder Könige. Nur daß man sie dann Bananenfürstentümer, Bananenkaiserreiche oder Bananenkönigreiche nennt. Also, in unserer kleinen Bananenrepublik gab es einen Präsidenten, der vor langer, langer Zeit, man weiß nicht wie, an die Macht gekommen war. An seiner Intelligenz oder seinen Fähigkeiten konnte es nicht liegen, denn beides besaß er nicht. Aber niemand, der in der kleinen Bananenrepublik lebte, konnte sich daran erinnern, daß jemals jemand anders Präsident gewesen war. Das ging so weit, daß man den Namen des Präsidenten gar nicht mehr wußte, er hieß einfach immer nur „der Präsident“. Nun hatte das Schicksal es so gewollt, daß die kleine Bananenrepublik – die im übrigen auch von den Bewohnern der Nachbarstaaten immer nur „die kleine Bananenrepublik“ genannt wurde, niemand konnte sich erinnern, wie sie eigentlich hieß – völlig unbedeutend war. Sie verfügte über keinerlei Bodenschätze, das Militär bestand aus einer Kompanie älterer Herren, die sich gelegentlich in einem Wäldchen zu Manövern trafen, bei denen trefflich gezecht wurde, und das Wort „Wirtschaft“ hatte in der kleinen Bananenrepublik nur eine einzige Bedeutung. Eine Wirtschaft war ein Ort, an dem es Bier vom Faß gab. Was den Präsidenten aber besonders verdroß, war, daß es in seiner kleinen Bananenrepublik praktisch ständig regnete. Seine Untertanen – die gibt es zwar in Bananenrepubliken eigentlich nicht, man nennt sie dort „Bürger“, aber für den Präsidenten war es leichter, sie als Untertanen zu bezeichnen – waren hierin mit ihm einer Meinung. Dieses ständige Regenwetter verdroß auch sie zutiefst. Im übrigen waren die Untertanen sowieso immer einer Meinung mit dem Präsidenten, es lebte sich wesentlich leichter so. Denn eins funktionierte in der kleinen Bananenrepublik hervorragend, und das war die Geheimpolizei. Sie war nach den Wirtschaften der größte Arbeitgeber im Lande. Der Präsident ging also mit sich zu Rate, wie dem schlechten Wetter beizukommen sei. Nachdem er mit seinen eigenen Überlegungen nicht weiterkam, berief er eine Kabinettssitzung ein und setzte als einzigen Punkt das Wetter auf die Tagesordnung. So versammelten sich eines Morgens der Außenminister, der Innenminister, der Kriegsminister und der Leiter der Geheimpolizei im Präsidentenpalast, um gemeinsam mit dem Präsidenten über das Wetter zu beraten. „Die Leute sind unzufrieden mit dem Wetter“, sagte der Chef der Geheimpolizei. „Sie murren und sagen, daß der Präsident für den Regen verantwortlich ist.“ Der Innenminister pflichtete ihm bei: „Und sie sitzen fast nur noch in der Kneipe. Es gibt Aufruhr und Prügeleien. Zwei Polizisten wurden bereits mit Steinen beworfen.“ Denn neben der Geheimpolizei gab es auch noch eine richtige Polizei. Die regelte in der Hauptstadt der kleinen Bananenrepublik den Verkehr. Bloß daß dort kaum Fahrzeuge fuhren. „Das Wetter eignet sich nicht für die Kriegführung“, sagte der Kriegsminister. „Meine Männer wollen ihre Manöver nicht mehr im Wäldchen durchführen. Sie üben jetzt im Saal der Wirtschaft ,Hirschen‘. Draußen ist es ihnen zu naß.“ Und der Außenminister ergänzte: „Im Ausland ist das Wetter viel besser.“ Da horchte der Präsident auf. Er selbst war noch nie im Ausland gewesen, niemand von seinen Präsidentenkollegen aus den Nachbarländern hatte ihn je zu einem Staatsbesuch eingeladen. Auch der Außenminister war noch nie in offizieller Mission im Ausland gewesen. Aber gelegentlich fuhr er mit der Staatskarosse über die Grenze in das Nachbarland, um dort zu tanken. In der kleinen Bananenrepublik gab es keine Tankstelle. „Was sagst du da? Im Ausland ist das Wetter besser als bei uns?“ „Nun“, beschwichtigte der Außenminister, der wußte, daß der Präsident es am liebsten hörte, wenn man sagte, in der kleinen Bananenrepublik sei es am schönsten. „Gesehen habe ich es natürlich noch nicht richtig lange, das Wetter dort, meine ich. Aber was man so im Radio hört...“ Der Leiter der Geheimpolizei sprang auf. „Radio? Habe ich gerade das Wort ,Radio‘ gehört?“ Der Präsident beugte sich vor. „Schon in Ordnung. Der Außenminister darf Radio hören, wenn er in der Staatskarosse unterwegs ist.“ Worauf der Leiter der Geheimpolizei sich einige Notizen auf dem vor ihm liegenden Block machte. In der kleinen Bananenrepublik durfte nämlich niemand Radio hören (außer dem Leiter der Geheimpolizei und dem Präsidenten). Für Radiohören gab es Stockhiebe auf die Hinterbacken. „Was sagen sie denn über das Wetter im Ausland?“ wollte der Präsident wissen. „Ach“, murmelte der Außenminister verlegen und strich sich unwillkürlich über sein Hinterteil, „nichts Besonderes. Einmal pro Stunde machen sie dort eine Ansage, wie das Wetter wird.“ „Und? Wird es dann so?“ „Hm.“ Der Außenminister war unschlüssig, so lange war er ja noch nie im Ausland gewesen, um das herauszufinden. „Ich denke ja, mein Präsident.“ Der Präsident überlegte und faßte dann einen Entschluß. „Außenminister, hör gut zu. Du fährst morgen mit der Staatskarosse über die Grenze zum Tanken. Der Leiter der Geheimpolizei fährt mit. Ihr findet heraus, wie sie das da machen mit der Wetteransage, und dann bringt ihr einen Wettermann mit. Das Volk ist unzufrieden mit dem Wetter, und wenn das Volk unzufrieden ist, gibt es Revolution. Das können wir hier nicht gebrauchen. Also: ihr beschafft einen solchen Ansager, und daß ihr mir nicht ohne einen wiederkommt!“ Am nächsten Morgen holte der Außenminister die Staatskarosse aus dem Stall (eine Garage gab es nicht) und fuhr zum Palast der Geheimpolizei. Dort stieg der Leiter der Geheimpolizei zu. Er war noch nie in der Staatskarosse gefahren und war gehörig beeindruckt. Denn in der Staatskarosse fuhren sonst nur der Präsident, wenn er am Wochenende zum Angeln wollte, und der Außenminister, wenn er die Staatskarosse betanken mußte. Andere Anlässe hatte es seit Menschengedenken nicht gegeben, zu denen die Staatskarosse bewegt worden war. Wenn der Präsident am Wochenende zum Angeln fuhr, jubelten ihm seine Untertanen vom Straßenrand aus zu. So sparte man sich die teuren Nationalfeiertage und feierte überdies auch viel öfter. Denn jedesmal, wenn die Untertanen dem Präsidenten zugejubelt hatten, bekamen sie Durst und gingen in die Wirtschaften. Der Leiter der Geheimpolizei holte eine geheime Karte aus seiner Aktentasche. Landkarten waren in der kleinen Bananenrepublik verboten. Darauf hatte der Kriegsminister bestanden. „Landkarten fallen bloß in die Hände des Feindes und nützen unseren Männern nichts.“ Für den Besitz von Landkarten setzte es Stockhiebe. „Du hältst sie verkehrt herum“, sagte der Außenminister. „Aber laß nur, ich kenne den Weg. Ich fahre ja jeden Monat zum Tanken dorthin.“ Bald waren sie an der Grenze angekommen, die Bananenrepublik war wirklich sehr klein. Ein Zöllner mit glänzendem Lederkoppel winkte sie durch und salutierte ehrerbietig. Die Staatskarosse war das einzige Auto, was hier jemals durchkam. Der Tag, an dem der Außenminister tanken fuhr, war immer der Höhepunkt des Monats für ihn. So hatte er abends seiner Frau und seinen Kindern etwas zu erzählen. Kurz darauf erreichten sie die Tankstelle. Der Tankwart kannte den Außenminister seit Jahren, und so kamen sie ins Gespräch. Der Außenminister fragte: „Sag, wie ist das bei euch eigentlich mit dem Wetter?“ „Wie soll es schon sein? Siehst du doch, es regnet.“ „Nein, das meine ich nicht. Ihr habt doch im Radio einen, der euch sagt, wie es wird.“ „Ja, das stimmt. Jede Stunde sagen sie, wie das Wetter wird, und oft stimmt das sogar.“ „Weißt du, wie sie das machen?“ „Keine Ahnung. Mußt du in die Hauptstadt fahren, da sitzt einer, der weiß, wie das geht mit dem Wetter.“ Der Außenminister wurde verlegen. Er fragte den Leiter der Geheimpolizei: „Haben wir eine Straßenkarte von diesem Land?“ „Nein“, sagte der Leiter der Geheimpolizei. „Aber ich glaube, hier sind Landkarten erlaubt.“ So kauften sie in der Tankstelle eine Karte, auf der der alle Straßen eingezeichnet waren, bezahlten ihr Benzin und fuhren los. Nach einer Stunde kamen sie in die Randbezirke der Hauptstadt. Der Außenminister hielt an, und der Leiter der Geheimpolizei kurbelte die Scheibe herunter. Sie fragten einen Fußgänger: „Wo bitte geht es hier zur...



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