Heinrich / Engelmann | "Was denkt ein New Yorker, wenn er in einen Hamburger beißt?" | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Passagen forum

Heinrich / Engelmann "Was denkt ein New Yorker, wenn er in einen Hamburger beißt?"

Mikrophänomenologie der Macht am Beispiel des Referendariats
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7092-5011-2
Verlag: Passagen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Mikrophänomenologie der Macht am Beispiel des Referendariats

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Passagen forum

ISBN: 978-3-7092-5011-2
Verlag: Passagen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Gefahr für das Denken liegt heute nicht in dessen Bekämpfung, sondern in seiner Auflösung. Denn nichts ist dafür bedrohlicher als die Macht der Indifferenz.Die Macht, die in Opposition zum Denken steht, ist in autoritären Gesellschaften Realität, während in unseren Gesellschaften die Grenze zwischen Macht und Denken gefallen ist. Dies hat nicht zur Versöhnung geführt - zu einer Macht, die denkt - , sondern zur Entleerung von beidem: zur Situation der Anführungsstriche, zur Denkmacht, die weder Macht noch Denken ist, zu dem, was Jean Baudrillard als Simulation bezeichnet.Am Beispiel des Referendariats beschreibt die Autorin die buchstäbliche Verwirklichung des Simulationsprinzips: den Unsinn, den eine solche Denkmacht produziert einerseits, den Zwang, die Entleerung des Denkens als geglückte Versöhnung der Differenz zu verstehen, andererseits. Ein alltägliches Machtverhältnis wird so zur Parabel für die Gewalt der Indifferenz.Die Mischung von subjektivem Bericht und philosophischer Reflexion erweist sich als Anknüpfung an die antike Tradition, in der Leben und Denken noch nicht geschieden sind, sowie an die neuzeitliche Tradition der Essays von Michel de Montaigne.

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Anmerkungen
1Alain BADIOU, Das Ereignis denken, in: Alain BADIOU, Slavoj ŽIŽEK, Philosophie und Aktualität. Ein Streitgespräch, hg. von Peter ENGELMANN, Wien 2005, 16–33. Natürlich kann es sich auf der Mikroebene der Macht in der Grauzone rechtsstaatlichen Rechts nur um philosophische „Situatiönchen“ handeln. 2Michel de MONTAIGNE, Über den Dünkel, in: MONTAIGNE, Essais, hg. von Hans Magnus ENZENSBERGER, Frankfurt a. M. 1998, 322. 3Immanuel KANT, Die Metaphysik der Sitten, hg. von Wilhelm WEISCHEDEL (Band 8 der Werke in 12 Bänden), B 296, 865 Anm. 4Vgl. Immanuel KANT, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, in: Eberhard BAHR (Hg.), Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen, Stuttgart 1992, 11 f. 5Bertolt BRECHT, Maßnahmen gegen die Gewalt, in: BRECHT, Geschichten von Herrn Keuner, Frankfurt a. M. 1972, 9 f., abgedruckt im Nachwort. 6Jean BAUDRILLARD, Der unmögliche Tausch, Berlin 2000, 185. 7Es handelt sich hier und im Folgenden um Originalzitate. Weil ich von Anfang an mitgeschrieben habe, Informatives, Witziges, Erstaunliches, oft ziemlich wahllos alles Mögliche, sind über 1.000 DIN A5 Seiten gefüllt worden, die Akten, aus denen ich nun zitiere. Der Grund für das ständige Mitschreiben lag darin, dass es ein gutes Mittel war, der Langeweile auszuweichen, und dass es den Vorteil besaß, in Unterrichtsbesprechungen Zeit zum Reagieren zu gewinnen. Es gehörte allerdings zu den Dingen, die im Verlauf der Ausbildung ihren Charakter änderten. Während es anfangs wohl noch als Ausdruck fleißigen Bemühens aufgefasst wurde, wurde es mit der Zeit zunehmend als provozierend wahrgenommen. Während für mich die oben genannten Motive immer zentral waren, ich aber mein Verhalten auch nicht änderte, als ich mir des provokativen Charakters dieser Geste durch die Reaktionen auf sie: „Hören Sie doch mal auf zu schreiben!“, „Sie können mir nicht erklären, dass Sie sich das nicht merken können!“, bewusst wurde, billigte ich diese Provokation schlussendlich. (Zur Provokation wurde das Mitschreiben, weil es die Bedeutung annahm: Nicht nur Sie protokollieren, auch ich! Nicht nur Sie können Berichte anfertigen, ich könnte es auch tun.) Obwohl das philosophische Experiment, das ich anfangs verfolgte, den institutionellen Experimenten, die Foucault vorschwebten, entgegengesetzt gewesen ist, ist mein Referendariat im Ergebnis zu einem solchen geworden. Foucault wollte ein „Zentralbüro für institutionelle Herausforderungen“ gründen, das Fallen aufstellt und „Köder [auslegt], die dazu dienen sollen, in ihren tausend Formen die unerträgliche Macht, die uns überwacht und kontrolliert, in einen Hinterhalt zu locken.“ Ein solcher Hinterhalt wäre z. B., sich in die Psychiatrie einweisen zu lassen, um die „Geschichte jenes Patienten“ zu schreiben, „der eines schönes Tages mit einem Tonbandgerät zu seinem Psychoanalytiker gekommen ist, mit Bedacht die Tür verschlossen hat und gesagt hat: ‚Nun ist es an Ihnen, zu sprechen, an Ihnen, zu antworten – ich zeichne auf‘, solange und so sehr, daß der Psychoanalytiker ans Fenster gestürzt ist, um die Polizei zu rufen.“ Oder: „Ich denke an eine Gruppe von Rechtsanwälten, entschlossen, sich systematisch in ihren Klienten zu täuschen, sie plädieren für den Staatsanwalt, dessen Willfährigkeiten, Rechtsbeugungen, politischen Kriechereien und beruflichen Fehler sie sorgfältig berichten; und sie fordern vor Gericht, ihm mildernde Umstände zuzugestehen aufgrund seiner unglücklichen Kindheit, der Entzweiung seiner Eltern und der merklichen Verzögerung seiner geistigen Entwicklung.“ Michel FOUCAULT, Statt eines Schlußworts, Le Nouvel Observateur No. 435 (1973), in: FOUCAULT, Mikrophysik der Macht, Berlin 1976, 134. 8„Es bleibt dabei, dass es eine außerordentlich harte Zeit wird.“ 9„Sie dürfen immer denken!“ 10 Mit einer Ausnahme. In der Besprechung meiner Lehrprobe über Gustafssons Der Dekan sprach eine Referendarin offen: „Ich weiß ja nicht, worum es hier geht, aber sicher nicht um diese Stunde!“ 11Weil sich die Klappe des Projektors nicht feststellen ließ, hielt ich sie fest, was, um das an die Wand geworfene Bild nicht mit dem Körper zu verstellen, eine ungewöhnliche Haltung notwendig machte, die die Schüler und mich kurze Zeit zum Lachen brachte. 12„Die Erwachsenen machen die Kinder glauben, daß sie selbst erwachsen sind, während die Kinder die Erwachsenen glauben lassen, daß sie selbst Kinder sind. Von den beiden Strategien ist letztere die subtilere, denn während die Erwachsenen glauben, daß sie erwachsen sind, glauben die Kinder nicht, daß sie Kinder sind. Sie sind es, aber sie glauben es nicht.“ Jean BAUDRILLARD, Transparenz des Bösen. Ein Essay über extreme Phänomene, Berlin 1992, 194. 13Michel FOUCAULT, Recht der Souveränität/Mechanismus der Disziplin, Vorlesung vom 14. Januar 1976, in: FOUCAULT, Dispositive der Macht, Berlin 1978, 82. Vgl. Niklas LUHMANN, Macht, Stuttgart 2003, 39–41. 14„Die Mönche sind so sehr darauf versessen, uns bei irgendwelchen Verstößen zu ertappen und sich so das Vergnügen des Strafens zu verschaffen, daß sie sich täglich etwas Neues einfallen lassen.“ Marquis de SADE, Justine oder Vom Mißgeschick der Tugend, Frankfurt a. M.–Berlin 1996, 97. 15Brecht bezieht sich auf Hegel. Der Gegensatz Herr/Knecht findet in Genuss/Arbeit sein Äquivalent. Während jedoch das knechtische Dasein bei Hegel durch einen inneren Widerspruch gekennzeichnet ist, da der Knecht unselbstständig gegenüber dem Herrn, nicht aber gegenüber den Dingen im Prozess ihrer Bearbeitung ist, sieht Brecht – wie Marx – nur den einfachen Widerspruch zwischen Herr und Knecht, sodass die Arbeit allein durch die Abhängigkeit vom Herrn, der Entfremdung von sich, gekennzeichnet ist. Brecht sieht allerdings, und hier knüpft er wieder an Hegel an, im Dasein des Herrn einen inneren Widerspruch, da dieser frei ist, zu genießen, aber im Genießen unselbstständig ist, sodass ihn seine eigene Untätigkeit und Trägheit schließlich umbringen: Er stirbt „dick geworden […] vom vielen Essen, Schlafen und Befehlen […].“ BRECHT, Maßnahmen, 10. Während also der Knecht bei Marx nur den Widerspruch zum Herrn sieht, sieht der Knecht bei Brecht auch den Widerspruch im Dasein des Herrn. Während der eine den Herrn im offenen Kampf besiegt, besiegt ihn der andere mit der subversiven Strategie, den Herrn im einseitigen Genuss durch sich selbst zugrunde gehen zu lassen. Während der eine dabei seine Energie aus der Idee einer befreiten Zukunft bezieht, bezieht sie der andere aus der Erinnerung an seine freie Vergangenheit, die er bewahrt, indem er nicht ausdrücklich seine Knechtschaft bejaht. Vgl.: G. W. F. HEGEL, Phänomenologie des Geistes, hg. von Eva MOLDENHAUER, Karl Markus MICHEL, Frankfurt a. M. 1986 (Band 3 der Werke in 20 Bänden), 151–154. Zum Begriff der entfremdeten Arbeit und der Kritik an Hegel: Karl MARX, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, in: MEW, Band 40, Berlin (Ost) 1968, 510–522, 568–588. 16In der Amtssprache heißt es, X leistete in der Zeit von… bis… den Vorbereitungsdienst ab. 17Baudrillard ist der Ansicht, dass sich heute alle Formen von Arbeit als Dienst definieren lassen: „Arbeit ‚bekunden‘, wie man seine Anwesenheit bekundet, wie man seine Untertänigkeit bekundet. In diesem Sinne ist die Leistung tatsächlich vom Leistenden nicht trennbar. Der geleistete Dienst ist die Bindung des Körpers, von Zeit, Raum und grauer Materie. Ob das produziert oder nicht, ist gleichgültig im Hinblick auf diese persönliche Registrierung. […] Dies ist keine ‚Regression‘ des Kapitals zum Feudalismus, dies ist der Übergang zur realen Beherrschung, d. h. zur totalen Erfassung und Inbeschlagnahme der Personen. […] Alle Anstrengungen […] laufen darauf hinaus, aus der Arbeit einen totalen Dienst zu machen, dem sich der Dienstleistende immer weniger entziehen kann, in den er sich immer mehr persönlich verstrickt.“ Jean BAUDRILLARD, Der symbolische Tausch und der Tod, München 1991, 33 f. 18Anders als Foucault spricht Luhmann von „Organisationsmacht“, „organisierter Macht“ (vgl. LUHMANN, Macht, 98–115) oder „Organisation“: „Organisation ist ein soziales System, bei dem die Bedingungen von Eintritt und Austritt geregelt werden können. Es werden bestimmte...


Heinrich, Caroline
Caroline Heinrich, geboren 1972 in Bühl/Baden, studierte Philosophie und Germanistik in Münster und Mainz.

Engelmann, Peter
Peter Engelmann ist Philosoph, Herausgeber der französischen Philosophen der Postmoderne und der Dekonstruktion und Leiter des Passagen Verlages.

Caroline Heinrich studierte Philosophie und Germanistik in Münster und Mainz.



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