E-Book, Deutsch, Band 9, 352 Seiten
Reihe: Proteo-Laurenti-Krimi
Heinichen Die Zeitungsfrau
16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-492-97518-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Commissario Laurenti in schlechter Gesellschaft
E-Book, Deutsch, Band 9, 352 Seiten
Reihe: Proteo-Laurenti-Krimi
ISBN: 978-3-492-97518-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Veit Heinichen, geboren 1957, lebt seit über fünfundzwanzig Jahren in Triest. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und erfolgreich verfilmt. Ausgezeichnet u.a. mit dem Radio Bremen Krimipreis und dem Premio Internazionale Trieste, gilt Veit Heinichen nicht nur als glänzender Autor, sondern auch als »großartiger Vermittler italienischer Lebensart« (FAZ).
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Gute Reise
Mild spiegelte sich die Beleuchtung der Uferstraße auf dem glatten Meer. An den Anlegern in der Sacchetta warteten Hunderte Segeljachten und Motorboote darauf, mit dem Frühjahr aus der Winterruhe geführt zu werden. Nur vereinzelt vernahm der Maresciallo mit der Uniform der Guardia di Finanza, der sich auf dem Molo Fratelli Bandiera hinter einem Müllcontainer verbarg, das melodische Klingeln und Klappern der Wanten und Stege, wenn eine Brise übers Wasser hauchte. Mit weit geöffneten Augen folgte er in der Dunkelheit des neuen Monds und der matten Kaibeleuchtung den flinken Bewegungen eines schlanken Mannes, der keine hundert Meter weiter aus einem BMW Touring gestiegen war, dessen Tür er leise ins Schloss drückte, und dann die Absperrung eines Stegs überwand.
Mit einem katzenhaften Sprung landete der akrobatische Kerl an Bord einer enormen Motorjacht, wo er sich sogleich an der Tür zur Kabine zu schaffen machte. Metallisches Kratzen drang herüber. Der Klang eines schweren Vorhängeschlosses, das auf das Deck aus Edelholz fiel, zerriss wie ein Hammerschlag die Stille der Nacht, dem das Geräusch einer Schiebetür folgte, die bis zum Anschlag geöffnet wurde.
Ein greller Blitz zerriss die Dunkelheit, meterhohe Stichflammen jagten zeitgleich mit der Druckwelle der Explosion empor und setzten auch die beiden Segelboote neben der Jacht in Brand. Trümmer fielen in weitem Umkreis herab. Der Maresciallo taumelte ein paar Schritte zurück und fand an einer grauen Hauswand Halt, deren von salzigen Meerwinden mitgenommener Putz unter seinen Händen abbröckelte. Er klopfte sich eilig den Staub von der Uniformjacke, stieg in seinen ginstergelben Lancia Delta in Rallyeausstattung und hielt neben dem Fahrzeug des Einbrechers, aus dessen Kofferraum er drei flache Kartons zog, die er gerade noch mit seinen gespreizten Armen zu umfassen vermochte. Er überprüfte die Aufschriften und hievte sie eilig auf den Rücksitz seines Wagens, den er sogleich wendete und wieder die Mole entlangfuhr, um wenige Meter weiter in den Hof der Guardia di Finanza einzubiegen, aus der bereits die Kollegen der Nachtschicht gelaufen kamen und zum Ort der Explosion hinüberschauten.
»Haben Sie das gesehen, Maresciallo?«, rief ein aufgeregter junger Brigadiere und fuchtelte mit dem ausgestreckten Arm, als hätte er sich verbrannt.
»Alles habe ich gesehen, von Anfang an. Es war Diego Colombo. Er ist in die Jacht eingebrochen. Ich wollte euch gerade rufen, um ihn endlich einzulochen, als die Bombe hochging. Diesmal hat er ganz offensichtlich einen Fehler gemacht. Seinen letzten. Früher oder später passiert das jedem. Es war auf die Sekunde 4 Uhr 44. Montag der 14. April 1991, um 4 Uhr 44.«
Er wiederholte noch einmal Datum und Uhrzeit, als wollte er sie dem jungen Beamten einbläuen, doch das Sirenengeheul der herbeirasenden Feuerwehrautos und Streifenwagen der Polizia di Stato und der Guardia Costiera überlagerte seine Stimme.
»Nach dem Schreck brauche ich eine Zigarette. Hast du eine, Brigadiere?«
»Aber dann ist das unser Fall, Maresciallo.« Der Kollege reichte ihm aufgeregt die Packung und das Feuerzeug. »Worauf warten Sie?«
»Lass das die anderen erledigen. Schau, wie eilig sie es haben. Die Ersten von ihnen laufen schon hinüber. Ich war doch erst auf dem Weg zum Dienst. Ich sage als Zeuge aus. Falscher Ehrgeiz lenkt nur von der eigenen Arbeit ab. Merk dir das. Wir haben schon genug zu tun mit Steuersündern, illegaler Devisenausfuhr und Geldwäsche.« Er tat ein paar tiefe Züge, dann stampfte er mit dem Stiefel auf den Asphalt. »Mit Colombos Tod ist wenigstens Schluss mit den Raubzügen und seinen Bombenanschlägen in der Stadt. Eine wahre Befreiung.«
»Sind Sie sicher, dass er tot ist, Maresciallo?«
»Er hat ein großes Paket hineingeschleppt.« Er spreizte beide Arme. »Wenn du die Detonation so wie ich gesehen hättest, würdest du nicht so dämlich fragen. Von dem blieb höchstens Frikassee übrig, und das werden die Fische fressen, noch bevor die Kriminaltechniker etwas aus dem Wasser ziehen können.«
»War er denn drinnen?«
»Ja. Da ist er nicht mehr rausgekommen.«
Das Heck der Jacht versank immer tiefer, während sein Bug mit der Vertäuung bedrohlich am Steg zerrte. Vom Kabinenaufbau war lediglich ein metallener Stumpf übrig geblieben. Dampfwolken stiegen auf. Oder war es der Rauch von einem Feuer unter Deck? Die Polizisten auf dem Steg wichen zurück, um den Feuerwehrleuten Platz zu machen, die ihre Wasserkanonen auf die in Flammen stehenden Schiffe neben dem Wrack richteten. Trotz der frühen Stunde standen bereits Schaulustige an der Uferstraße.
»Brigadiere, ich hoffe nur, dass mein Wagen nichts abbekommen hat.«
»Solch einen würde ich auch gerne fahren, Maresciallo.«
»Dann musst du sparen. Du bist grad halb so alt wie ich.« Der Rallye-Lancia kostete mehr als drei seiner Jahresgehälter, doch niemand fragte danach, wie er ihn bezahlt hatte.
»Wie viele Exemplare wurden davon gebaut?«
»In Ginstergelb nur 220.« Der Marescallio trat die Kippe aus. »Den Staub allein kann man abwaschen. Kümmere dich darum, aber mach keine Kratzer in den Lack. Ich will, dass er wie immer glänzt, sobald es hell wird. Und sag mir dann Bescheid, ob der Wagen mehr abbekommen hat. Ich spendier dir später einen Kaffee.«
Der junge Beamte salutierte beflissen und machte sich an die Arbeit, während Maresciallo La Rosa sich am Empfang der Dienststelle in die Anwesenheitsliste eintrug.
Die Nachricht von der Explosion im Sporthafen verbreitete sich wie ein Lauffeuer und erreichte Teresa Fonda, kurz nachdem sie ihren kleinen Zeitungsladen an der Piazza San Giovanni geöffnet hatte und die ersten Kunden bediente. Vor wenigen Monaten hatte sie das neun Quadratmeter große Geschäft gegen eine erhebliche Abstandszahlung übernommen, für die Diego Colombo aufgekommen war. Sie waren ein Paar seit Teresas achtzehntem Geburtstag, und sie kannte den acht Jahre älteren, in Argentinien aufgewachsenen Cousin zweiten Grades, seit sie vierzehn war und er in Triest Unterschlupf bei den Verwandten gesucht hatte. In den Falklandkrieg hätte er damals ziehen sollen, stattdessen war er mit einer gestohlenen Jacht aus dem Hafen von Mar del Plata geflohen und hatte es über Brasilien mit dem Boot bis nach Europa geschafft. Rasch fasste er Fuß in der fremden Stadt und hatte sich als Skipper auf den Segeljachten reicher Leute verdingt oder für einen Finanzpolizisten Jobs erledigt, über die er selbst auf die Fragen Teresas schwieg. Erst kurz vor ihrer Hochzeit letztes Jahr hatte Diego sie eingeweiht.
Dank der stets guten Laune der 1,85 Meter großen jungen Frau mit dem schulterlangen dunklen Haar und den üppigen Formen, die sie nicht versteckte, schnellte der Umsatz der Bude an der belebten Piazza rasch empor. In vier Monaten erwartete sie ihr erstes Kind, was ihr noch mehr Energie zu verschaffen schien. Aber als sie das Gesicht des Inspektors sah, der mit einem Kollegen darauf wartete, dass sie alleine im Laden war, verflog ihr strahlendes Lächeln.
»Teresa Fonda?«, fragte der Polizist, der Jeans, T-Shirt und eine Lederjacke trug und seine Dienstmarke zückte.
Teresa schätzte ihn auf Mitte dreißig. Trotz seines Ernstes prägte ihn ein sympathischer Gesichtsausdruck. Blaue Augen, südlicher Teint, leicht welliges, schwarzes Haar. Sie nickte.
»Und wer sind Sie?«
»Ispettore Laurenti, Questura di Trieste. Wo ist Diego Colombo?«
Sein noch jüngerer, blässlicher und schlecht rasierter Kollege starrte wie gebannt auf das tiefe Dekolleté der Ladenbesitzerin.
»Im Urlaub, weshalb?«
Sie zupfte an ihrem leichten zitronengelben Pullover. Der jüngere Polizist errötete.
»Wann kommt er zurück?«
»Weshalb wollen Sie das wissen?«
Der Inspektor hob eine versiegelte Plastikhülle mit einem durchnässten Dokument empor. »Sein Personalausweis schwamm im Sporthafen in der Sacchetta zwischen den Trümmern einer Motorjacht, die mit Sprengstoff in die Luft gejagt wurde.«
Teresas Blick verfinsterte sich, als sie das Passbild erblickte. Rasch sperrte sie vor dem nächsten Kunden die Ladentür ab. »Diego kommt heute aus den Bergen zurück. Er war ein paar Tage im Urlaub.«
»Kann man ihn dort telefonisch erreichen?«
Laurentis Blick war streng. Teresa Fonda biss sich auf die Lippen und schüttelte stumm den Kopf.
»Wohin ist er gefahren? Wir werden die Kollegen bitten, ihn ausfindig zu machen.«
»In die Berge, hat er gesagt. Er nannte keine Adresse. Diego ist schon seit Jahren sauber, Ispettore, dass er ein halbes Jahr im Knast saß, war eine Intrige von diesem ...




