E-Book, Deutsch, Band 5, 256 Seiten
Reihe: Pascal Chevrier
Heineke Revanche à la Provence
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98707-272-7
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 5, 256 Seiten
Reihe: Pascal Chevrier
ISBN: 978-3-98707-272-7
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Fesselnde Krimispannung in einer Welt der Mode, Macht und Moral.
Die Modewelt blickt gespannt auf Lacoste, einen kleinen Ort im Luberon, wo die letzte Kollektion eines kürzlich verstorbenen berühmten Designers enthüllt werden soll. Doch kurz vor der Premiere verschwindet eines der Topmodels spurlos. Dorfgendarm Pascal Chevrier und seine Kollegin Audrey ermitteln in der Fast-Fashion-Industrie und stoßen auf ein tödliches Netz aus Gier und Intrigen, das sich zwischen Modeschöpfern, Models und den Dorfbewohnern spannt.
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1 »Meine Ware riecht nicht. Hat sie nie. Wird sie nie. Verstanden?« Die Augen groß wie die seiner Fische hatte Louis auf den Kunden vor Pascal in der Schlange gerichtet. »Wenn ich es doch sage, Monsieur. Der Racasse für die Bouillabaisse roch in der letzten Woche nach Fisch. Meine Frau dachte, ich habe ihn im Supermarkt gekauft. Ich wäre fast rausgeflogen, quelle catastrophe.« Die Worte betonten nur Amerikaner so ungelenk, so unfranzösisch. Dazu die Baseballmütze, niemand brauchte die Nationalität des Kunden zu hinterfragen. »Monsieur.« Und jetzt sprach auch Louis lauter, sodass die umliegenden Stände und die Kunden weiter hinten in der Reihe ihn hören konnten, er wusste, noch ein paar Beschwerden in der Lautstärke, und er bräuchte auf dem Wochenmarkt von Lourmarin nicht wiederzukommen. Er musste sich wehren, hier und jetzt ging es um alles. »Ich bin jeden Morgen am Hafen von Marseille und kaufe meine Fische frisch von den Booten. Ich prüfe sie, ich drücke in die Haut, ich gucke ihnen in die Augen. C’est impossible.« Louis war der Fischhändler seines Vertrauens. Noch nie hatte Pascal in den vier Jahren, in denen er in der Provence lebte, schlechte Ware von ihm bekommen. Doch auch er wusste, nur eine einzige Beschwerde reichte aus, um die Markthändler in Verlegenheit zu bringen. Die provenzalischen Märkte waren seit fast fünfhundert Jahren eine Meile des Vertrauens. Wer hier einkaufte, wollte die besten Lebensmittel der Region bekommen. Auch für Pascal gehörte das Schlendern – und hier schlenderte jeder, noch nie hatte er jemanden mit hektischen Schritten über den Markt gehen sehen – zur lieb gewonnenen Gewohnheit. Der Einkauf war ein Ritual und kam einem Glaubensbekenntnis gleich. Der Anspruch war entsprechend hoch. »Wo kommen Sie eigentlich her?«, fragte Louis, der inzwischen die Farbe einer Rotbarbe angenommen hatte. Außer sich war er. »Ich habe Sie hier noch nie gesehen, und jetzt kommen Sie und beschweren sich?« Pascal erkannte den Fehler sofort. Louis wurde plötzlich persönlich, er verlor seine Contenance und geriet dadurch in die Defensive. Der Kunde vor der Auslage verlor jetzt ebenfalls die Nerven. »Was geht Sie das an? Verkaufen Sie gute Ware ausschließlich an Stammkunden?« Seine Augen funkelten, mit stechendem Blick musterte er die Fische vor sich, die auf Eis gebettet auf die Pfanne warteten. Dann überprüfte er mit einem Seitenblick auf die ständig anwachsende Schlange hinter ihm, ob ihm auch alle zuhörten. »Ich bin Amerikaner, von der Westküste. Ich weiß, wie ein guter Fisch zu schmecken hat. You know?« Ist ja gut, dachte Pascal. Ja, wir wissen es, wir verstehen es. Warum müssen die Amerikaner immer nachfragen, ob wir das wissen? Als Louis jetzt sein mit Schuppen überzogenes Messer zückte, befürchtete er einen Moment, eingreifen zu müssen, doch der Fischhändler griff mit der anderen Hand nach einer Dorade, entschuppte sie mit rasender Geschwindigkeit und zischte dabei undeutliche Worte auf Provençale, während er eine Seite filetierte. Der Kunde hatte seine Hände in die Hüften gestemmt und beobachtete teils fasziniert, teils verunsichert das Schauspiel. Dann hielt Louis das Fischfilet über den Tresen direkt vor sein Gesicht, in Höhe der Nase. »Und, Monsieur beziehungsweise Sir, riecht er?« Der Kunde schob seine Nase vorsichtig noch ein Stück nach vorn, sodass sie kurz vor dem Fisch verweilte. Louis gab dem Fisch einen kleinen Stoß, sodass das halb geöffnete Maul die Lippen des Amerikaners berührte. »Un baiser«, rief eine begeisterte Stammkundin in der Reihe hinter Pascal, sie war kurz davor, zu applaudieren. »Pardon«, sagte Louis mit seiner größtmöglichen Unschuldsmiene. Schwer zu sagen, ob der Amerikaner dem Fischhändler traute. Doch schließlich sagte er so gefasst wie möglich: »Non, Monsieur, er riecht nicht, so einen hätte ich gestern gern bekommen.« Ein kollektives Ausatmen in der Reihe der wartenden Kunden. Dann ein zufriedenes Nicken und Beobachten, wie Louis jetzt ein Stück Zeitung über die Auslage in Richtung des Amerikaners hielt. »Und die Zeitung? Riecht sie?« Der Amerikaner rümpfte die Nase. »Oui, sie stinkt, smells like hell.« Louis erhob die Stimme, war sich bewusst, dass jetzt alle in seinem Umkreis zuhörten. »Da haben wir also das Problem. Es ist die Zeitung, die stinkt. Kein Wunder, denn sie liegt bei den Fischresten, dort, wo ich sie seit Tagen liegen habe.« Pascal kam die kleine Inszenierung wie eine Theateraufführung vor, er vermisste den Applaus. Louis nahm eine neue Seite aus der Zeitung, schlug darin das Doradenfilet ein und reichte es dem Kunden. »Für Sie«, sagte er gönnerhaft. Er genoss diesen Moment, kostete aus, wie der Kunde den Fisch nahm, in die Runde nickte, ein »Merci« murmelte und seines Weges ging. Louis und Pascal schauten sich in die Augen. »Sie werden immer mehr«, schimpfte Louis. »Sie kaufen mit ihren Scheißdollars das ganze Dorf. Meine Tochter bekommt in Bonnieux keine Wohnung mehr. Sie kann nur noch über Airbnb buchen.« Louis’ Augen funkelten. »Und jetzt ist Lourmarin dran. Sie renovieren dort ein Hotel, wusstest du das, Pascal?« Pascal hatte davon gehört, außerdem war es zu sehen. Ein großes Plakat, wie es sonst an amerikanischen Highways steht, um auf XXXL-Burger oder Popcorn-Eimer aufmerksam zu machen, verschandelte seit Wochen das Straßenbild. »Ja, Louis, das habe ich.« Schließlich kam man nicht nur wegen der Lebensmittel auf den Wochenmarkt, ebenso wichtig war der Austausch über Neuigkeiten im Ort. »Sie nehmen uns unsere Kultur. Bald fordern sie auf dem Markt ihr XXXL-Toastbrot und ihren Heinz-Ketchup. Das ist unser Ende.« Pascal bemerkte, wie die Kunden hinter ihm in der Reihe ungeduldig wurden. »Genau«, sagte eine weitere Frau, die ihren Korb voll mit Früchten hatte, »und jetzt sollen wir alle Englisch lernen. Einen Teufel werde ich tun. Wenn ich dieses ›How are you?‹ schon höre. Und wieso ist alles so ›cute‹?« »Und ›amazing‹ und ›fucking great‹«, mischte sich ein dritter Mann in der Reihe ein, der lauter sprach als die anderen, weil er weiter hinten stand. »Sie nehmen uns auch die Sprache. Ich möchte nicht nur in Superlativen sprechen, damit die mich verstehen. Und warum soll ich jetzt kein Rendezvous mehr haben, sondern ein Date? Kann mir das mal jemand erklären? Ich will ein Rendezvous!« »Als hättest du jemals eines gehabt«, ärgerte die Frau ihn. Hier kannte jeder jeden, wie Pascal das genoss! Einige Kunden lachten, dann nahm ein weiterer Mann das Gespräch wieder auf. »Sollen sie doch versuchen, Französisch zu lernen«, befeuerte er das Wortgefecht weiter. »Mal schauen, wie sie klarkommen mit ihren Kaugummis im Mund.« Die Frau mit dem Korb voller Obst erhob die Stimme. »Die halten Gershwin für einen Klassiker.« Der Mann nickte. »Geht es mal weiter da vorne?«, fragte er Louis und Pascal, der auf dem Eis nach einem Saint-Pierre suchte und erleichtert ausatmete, als er den seltenen Fisch entdeckte. Er brauchte nichts zu sagen. Stattdessen griff Louis nach dem St. Petersfisch. »Voilà, ein Poule de Mer, für dich heute nur dreißig Euro das Stück.« Pascal war bewusst, dass fangfrischer St. Petersfisch, der als willkommener Beifang der Mittelmeerfischer galt, seinen Preis hatte, aber am Wochenende bekam er Besuch. Und was für ein Besuch das war. Seine Tochter Lillie und ihr Mann Claude würden zu ihm kommen und einen neuen Erdenbürger mitbringen. Die einen Monat alte Olivienne, seine Enkeltochter. Das Essen für den Abend wollte er gemeinsam mit Claude zubereiten, der richtig heiß aufs Kochen war, denn was bleibt einem Sternekoch wie ihm schon als Hobby, wenn er den ganzen Tag ein Baby wickelt, obwohl es eigentlich nur zu Mama will? Pascal reichte Louis seine Kreditkarte. »Gut, dass ich das Gemüse aus dem Garten holen kann«, bemerkte er. Louis zog die Karte durch den Kartenleser. »Bei dir würde sich ein Teich oder ein Aquarium lohnen.« Beide mussten lachten. Bevor Louis den Fisch in Zeitungspapier einrollte, zeigte er Pascal einen schwarzen Punkt auf der Flanke des Fisches. »Weißt du, woher der Petersfisch diesen Punkt hat?« Louis sprach jetzt ein wenig lauter, weitere Kunden in der Schlange rückten näher an den Verkaufsstand heran, Louis rühmte sich seines manchmal absurden, aber immer unterhaltsamen Wissens über Fische. »Das ist der Fingerabdruck des heiligen Petrus«, verkündete er geheimnisvoll. »Der Apostel hat dem Petersfisch ein Goldstück aus dem Maul gezogen, das zuvor in den See Genezareth gefallen war.« »Daher der Preis«, bemerkte Pascal, als er den heiligen Fisch über den Ladentisch gereicht bekam. »Wie bereitest du ihn zu?«, wollte Louis noch wissen. »Einfach. Ich werde damit wenig machen, wir werden ihn grillen, wie eine Dorade. Wenn Claude es zulässt«, fügte Pascal an. »Claude kommt?«, fragte Louis. Jeder hier auf dem Markt in Lourmarin kannte ihn. Schon an vielen Freitagen hatte er Pascal begleitet. Gelassen, freundlich, aber anspruchsvoll in der Auswahl, war er ein gern gesehener Gast. Für Pascal waren viele der Kochabende mit seinem Schwiegersohn prägende Erlebnisse gewesen. Pascal, der Hobbykoch, konnte eine Menge von einem Sternekoch aus Lyon lernen. Vor seiner Kunst am Herd hatte Pascal größten Respekt. Und so freute er sich schon auf das gemeinsame Wochenende. Der Gedanke, das erste Mal in seinem Leben seine Enkelin zu sehen, würde ihn hier auf dem Markt emotional überfordern, daher blendete er ihn aus. Der Weg zurück in den Ort dauerte lange. Jetzt in den...