E-Book, Deutsch, Band 283, 124 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe TaschenGuide
Heim / Lindemann Beziehungskompetenz im Beruf
2. aktualisierte Auflage 2021
ISBN: 978-3-648-15751-0
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Brücken bauen mit Empathie und gewaltfreier Kommunikation
E-Book, Deutsch, Band 283, 124 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe TaschenGuide
ISBN: 978-3-648-15751-0
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vera Heim, ehemalige Börsenhändlerin, Führungskraft und Personalentwicklerin, gründete 2004 die Firma 'The Coaching Company' mit Sitz in Zürich. Als Coach und Trainerin etabliert sie mit ihrem Team, basierend auf dem Sprachmodell der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), eine wertschätzende Unternehmenskultur bei ihren Firmenkunden. Zudem bietet sie mit The Coaching Company ein breites öffentliches Seminarangebot zum Thema an. Die zertifizierte GFK-Trainerin kann dabei auf ein umfassendes Wissen aus zahlreichen Aus- und Weiterbildungen zurückgreifen, so u.a.: Hypno-Coach®, NLP-Lehrtrainerin, Einzel- und Teamcoaching in lösungsorientierter Kurzzeitberatung, WingWave Coaching®, Mediation (bei Friedrich Glasl), Empathisches Coaching® und Interpersonelle Neurobiologie.
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Wie wir in Gesprächen Brücken bauen
Wertschätzung gehört zu den universellen Bedürfnissen, die alle Menschen teilen. Sie ist kein statischer Zustand, sondern wird erst durch aktives Tun erlebbar.
In diesem Kapitel erfahren Sie,
- wie Sie Ihre empathischen Kompetenzen stärken,
- welche innere Haltung im Kontakt mit anderen hilfreich ist,
- wie die Gewaltfreie Kommunikation Sie dabei unterstützt, in eine wertschätzende Verbindung zu kommen,
- was Zuhören in der Gewaltfreie Kommunikation bedeutet und
- was Menschen befähigt, eigenverantwortlich zu handeln.
Die fünf Schlüsselfaktoren der Empathie
In unserer Arbeit als Trainerinnen und Coachs, aber auch einfach als Menschen haben wir uns die Frage gestellt, welche Faktoren Empathie begünstigen. Die für uns wichtigsten können Sie an einer Hand abzählen:
Die fünf Schlüsselfaktoren der Empathie
Schlüsselfaktor 1: Neugierde
Haben Sie echtes Interesse am Menschen – und seien Sie in diesem Sinne neugierig. Stellen Sie sich vor, Sie wüssten gar nichts über Ihr Gegenüber und Sie möchten herausfinden, was diese Person denkt, fühlt oder braucht. Lassen Sie sie erzählen.
Übung
Erinnern Sie sich an die letzten 48 Stunden: Was war die »fremdeste« Begegnung für Sie? Vom Obdachlosen bis zu jemandem im Arbeitsumfeld, dessen Verhaltensweise für Sie nur schwer verständlich war – stellen Sie sich vor, Sie würden diese Person in einem Film möglichst authentisch darstellen. Was würden Sie aus dieser Perspektive alles entdecken?
Schlüsselfaktor 2: Absichtslose Präsenz
Präsenz ist das Geschenk, das Sie anderen machen können, wenn Sie Ihr Herz öffnen und dem anderen Raum geben mitzuteilen, was in ihm gerade lebendig ist. Innerlich sind Sie ganz »leer« – ohne Gedanken oder Lösungsvorschläge. Dafür sind Sie konzentriert auf die Worte und Gesten Ihres Gegenübers. Atmen Sie ruhig und lassen Sie sich überraschen, was im Gespräch passiert. Sehen Sie sich nicht verantwortlich für die Lösung – sie wird in der Regel im Gegenüber von alleine entstehen. Und manchmal ist die Zeit auch noch nicht reif für eine Lösung – auch das ist dann gut so.
Übung
Achten Sie am Arbeitsplatz, in der Familie oder im Verein auf Menschen, die sich gerade über irgendetwas aufregen. Nehmen Sie einen tiefen Atemzug und nehmen Sie zuerst Ihre persönliche Befindlichkeit als Beobachterin wahr. Wie geht es Ihnen, wie reagiert Ihr Nervensystem auf das, was Sie sehen oder hören? Dann richten Sie Ihre Achtsamkeit auf diese Person. Atmen Sie dabei ruhig und sehen Sie den Menschen in seiner Verletzlichkeit vor sich. Schenken Sie ihm (innerlich) ein Lächeln des Mitgefühls und seien Sie nur präsent bei ihm. Lassen Sie sich überraschen, was das bewirkt. Mit dieser Übung, die Sie z. B. auch in der Straßenbahn machen können, trainieren Sie auch die Öffnung Ihrer Insula.
Absichtslose Präsenz kann in der Hektik des Alltags eine Herausforderung sein und etwas Übung brauchen. Seien Sie deshalb auch ehrlich zu sich selbst. Sobald Sie bemerken, dass Sie z. B. im Dialog nicht mehr uneingeschränkt aufmerksam beim anderen bleiben können, stehen Sie zu sich und sprechen Sie es an. Das kann in einer Weise geschehen, die wir im folgenden Kapitel als aufrichtige Selbstmitteilung beschreiben: »Ich merke, dass ich im Moment nicht die Aufmerksamkeit habe, um dir so zuzuhören, wie ich es gern täte«. Danach können Sie fragen, wie es dem anderen damit geht, das Gespräch beenden, eine Vertagung oder eine andere Handlung vorschlagen.
Schlüsselfaktor 3: Trennen von Ich und Du
Mitfühlende Menschen haben die Fähigkeit, ihre eigenen Emotionen von denen der anderen zu unterscheiden. Sie erkennen, was von dem, was sie wahrnehmen, bei ihnen selbst Schmerz anrührt und was davon der Schmerz des Gegenübers ist. Diese Fähigkeit hält sie handlungsfähig und wach. Sie ermöglicht es ihnen, die Aufmerksamkeit ganz beim Du zu behalten oder das Gespräch in einem Dialog bewusst auf die Ich-Seite zu lenken. Im letzten Beispiel ist es Claudia gelungen, die Emotionen auseinanderzuhalten und bewusst ihre Aufmerksamkeit auf die Du-Seite zu lenken.
Marshall B. Rosenberg, der geistige Vater der Gewaltfreien Kommunikation, hat die Fähigkeit des Trennens vom Ich und Du mit dem Bild des Surfens erklärt. Wenn Sie empathisch zuhören, dann reiten Sie mit dem Surfbrett auf der Energiewelle des anderen. Sie versuchen, die Welt aus seiner Perspektive anzusehen. Dabei erforschen Sie, wie es dem Gegenüber in seiner aktuellen Lebenssituation gehen und welche Gefühle und Bedürfnisse es haben könnte. Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Es braucht nicht viel, um wie beim Wellensurfen vom Surfbrett zu fallen. Wenn Sie das Gesagte an eigene Erlebnisse erinnert oder wenn Sie beim Zuhören an etwas ganz anderes denken, dann ist die Präsenz nicht mehr beim Gegenüber. Gestehen Sie sich zu, dass das in Gesprächen passieren kann. Wichtig ist nur, dass Sie es merken. Dann haben Sie die Wahl zu entscheiden, ob Sie die Kraft haben, dabei zu bleiben und Ihre Aufmerksamkeit wieder zum Gegenüber zu lenken, oder ob Sie das Gespräch lieber abbrechen oder vertagen.
Übung
Rufen Sie sich ein Gespräch in Erinnerung, in dem Sie jemandem zugehört haben. Fragen Sie sich: Wie viel Zeit habe ich auf dem Surfbrett des anderen verbracht? Welche Aussagen haben eigene Gefühle in mir hervorgebracht? Welche Gedanken hatte ich beim Zuhören auch noch nebenbei, die nichts mit dem Gespräch zu tun hatten? Wie ist mir der Übergang von meinem Surfbrett auf das des Gegenübers gelungen? Nehmen Sie wahr, ohne zu bewerten. Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, in einem zukünftigen Gespräch einmal die Vogelperspektive (Metaebene) einzunehmen. Wenn das gelingt, können Sie nämlich entscheiden, wohin Sie Ihre Präsenz als Nächstes richten möchten.
Schlüsselfaktor 4: Offenheit, Emotionen zu begegnen
Gerade im Businessumfeld sind Emotionen oft ein Tabu. Man zeigt sich nicht verletzlich. Wenn es dann doch jemand tut, läuft das Gegenüber Gefahr, das Gehörte persönlich zu nehmen und sich schuldig an den Gefühlen des anderen zu fühlen. Mit Schuldgefühlen lässt es sich nur schwer aufmerksam bleiben. Das Zuhören wird auch dann schwierig, wenn wir befürchten, starke Emotionen eines anderen Menschen nicht aushalten zu können. Manchmal lösen starke Angst oder großer Schmerz beim Zuhören einen Impuls aus abzulenken oder zu flüchten. Im Kapitel »Das mitfühlende Gehirn« vergleichen wir Gefühle mit Warnlampen, die uns darauf hinweisen, dass Bedürfnisse erfüllt oder nicht erfüllt sind. Wenn es uns gelingt, den Fokus neugierig beim anderen zu halten und herauszufinden, worum es der Person geht, entspannt sich die Situation in der Regel schnell. Zeigen Sie Stärke und geben Sie Gefühlen Raum. Gefühle sind wie Kinder, die gehört werden möchten. Einmal richtig gehört, ist die Sache oft »erledigt« und man kann sich auf die nächsten Schritte konzentrieren.
Übung
Das Benennen von Emotionen hat eine entspannende Wirkung. Studien an der University of California, Los Angeles (UCLA), haben ergeben, dass die Benennung eines Gefühls die limbische Aktivität der Amygdala eindämmt. Dort spricht man auch von »name it to tame it«, was so viel bedeutet wie: »benenne es, um es zu zähmen«. Hören Sie jemandem zu und sprechen Sie innerlich die Emotionen an, ohne diese nach außen kundzutun: »Die Chefin ist wütend, mein Partner ist traurig, mein Kind hat Angst …«. Atmen Sie dabei ruhig und seien Sie neugierig, wie sich das auf das Gespräch auswirkt.
Schlüsselfaktor 5: Bedürfnisse hinter dem Gesagten hören
Sind Menschen innerlich in Not und haben sie Angst, dass ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden könnten, verwenden sie in ihrer Verzweiflung manchmal eine Sprache, die nur schwer zu verstehen ist. Sie sagen dann vielleicht: »Lässt du dich auch wieder mal blicken?!?«, und meinen damit: »Ich bin so froh, dass du vorbeikommst. Ich fühle mich einsam und habe Lust auf Austausch«. Wenn wir die Menschen beim Wort nehmen und nicht beim Herzen, dann laufen wir Gefahr, dass wir uns selbst in Verteidigungsattacken...