Heidrich | Go!Dessia | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Heidrich Go!Dessia

Das Möhrchen-Massaker
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-945230-33-6
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Das Möhrchen-Massaker

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-945230-33-6
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Roman "Go!Dessia - Das Möhrchen-Massaker" ist das Debut vom Marina Heidrich. In humorvoller Weise widmet sie sich dem Leben als Götter, die sich als Hardrock-Band getarnt ein ruhiges Leben machen wollen, wenn da nicht immer wieder Bedrohnugen auftauchen würden, welche die Band dazu zwingen, immer wieder die Welt zu retten.

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Autoren/Hrsg.


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  1.
  What if God was one of us? Just a slob like one of us? (Joan Osborne: One of us)   Deutschland 2017. Süddeutschland. Ein kleines Städtchen in der Nähe von Stuttgart. Die Kamera zoomt raus aus der Stadt, umrundet fröhlich ein robustes Mischwäldchen, verschreckt einen Taubenschwarm und stürzt sich kopfüber in ein Industriegebiet. Eine alleinstehende Fabrikhalle kommt ins Bild und wird rasant größer. Kameraschwenk auf das Fenster. Man kann einen hohen Büroraum erkennen, in einer Ecke steht eine große Theke. In der Innenraumwand ist eine dicke Glasscheibe angebracht. Im Raum dahinter stehen Musikinstrumente, ein Schlagzeug, Verstärker, Lautsprecher. Auf einem Barhocker an der Theke sitzt eine Frau Mitte fünfzig. Ihr Haar ist dunkel gefärbt und sie hat circa dreißig Kilo Übergewicht. Sie blättert gelangweilt in einer Zeitschrift, nippt an einem Glas Sekt und greift in eine Tüte Kartoffelchips, während sie über den Rand ihrer Brille hinweg immer wieder auf die Uhr an der Wand blickt. Es ist Freitagabend. Die Frau bin ich. Mein Name ist Mia und dies ist mein Proberaum. Seit über dreißig Jahren singe ich in einer Rockband namens Go!Dessia und jeden Freitag treffe ich mich hier mit meinen vier Männern zum Üben. Ach ja, und ich bin eine Göttin. Nicht so eine, wie sie in diversen esoterischen Frauenzeitschriften stehen, so nach dem Motto: Entdecke die Göttin in dir. Ich bin echt. Genauso wie meine Jungs. Wir sind uralte Gottheiten, die aus irgendeinem Grund seit Jahrtausenden regelmäßig in Menschenkörpern wiedergeboren werden. Wir leben meistens die normale Zeitspanne, die so ein gewöhnlicher Sterblicher halt hat. Dann geben wir den Löffel ab; wie jeder. Und jetzt kommt das, was uns hauptsächlich von den sterblichen Normalos unterscheidet: Wir werden in neuen Körpern und neuen Epochen wiedergeboren. Wir reinkarnieren. Warum? Das wissen wir selbst nicht. Diese Frage gehört zu den großen Mysterien, die uns jedes Mal begleiten. Es gibt da noch mehr Punkte. Zum Beispiel treffen wir in jeder, aber auch wirklich jeder einzelnen Reinkarnation wieder aufeinander und ziehen dann als, wie man früher sagte Fahrende Musikanten oder in neuerer Zeit Band gemeinsam durch die Gegend. Und meistens retten wir die Welt oder zumindest einen Teil davon. Gelegentlich sterben wir dabei. Dann geht es im nächsten Leben wieder von vorne los. Wir werden geboren, wachsen heran, landen irgendwie bei der Musik und treffen meistens im Alter zwischen sechzehn bis sechsundzwanzig aufeinander; das Schema läuft stets gleich ab. Sal und Didi begegnen sich und entdecken am selben Tag irgendwo Ansgar. Ein paar Tage später laufe ich den dreien über den Weg. Und als letzter stößt nach wenigen Monaten Oliver zu uns. Aber wir nennen ihn alle nur Bimmel. Es rumpelt an der Tür und Didi betritt als erster den Proberaum. Ich schlürfe an meinem Sekt und mustere lächelnd meine Männer, die einer nach dem anderen an diesem Freitagabend eintrudeln. Wieso muss ich ausgerechnet heute an unsere erste Begegnung in diesem Leben denken? Da war diese kleine Musikkneipe in den Achtzigern. Ziemlich verratzt, höllisch verraucht, aber irgendwie auch Kult. Dort wurde Live-Musik gespielt, Bands traten auf, es gab jede Menge Cross-over-Sessions und man lernte tolle Leute kennen. Ich spielte dort an einem lauen Abend im Frühsommer mit meiner damaligen Punkband. Drei Songs. Mehr Repertoire hatten wir nicht, aber gemäß dem Motto No future machten wir uns keinerlei Gedanken, wie wir einen ganzen Abend füllen sollten. Wir spielten halt alles noch mal. Und noch mal. Nach einer Stunde hatten wir jeden Song fünfmal durch – und keiner im Publikum merkte es. Mein Gitarrist war so zugedröhnt, dass er ohnehin jedes Mal einen vollkommen anderen Song bretterte, als der Rest der Band. Und da ich permanent meinen Text vergaß, brüllte ich irgendwann nur noch auf Englisch Beleidigungen ins Mikrofon und grölte dazu düster die Worte »Anar- chy!«, »Destroy!«, und »Faschist! Establishment!« Wir waren Rebellen und wollten bewusst schockieren, uns abgrenzen. Ich hüpfte auf meinen hohen Bundeswehrstiefeln auf der Bühne herum, meine verchromte Rasierklinge am rechten Ohr blitzte, die schwarzen Ponyfransen fielen mir auf der linken Gesichtshälfte bis über den Mund und mein grün gefärbter Undercut rechts stand ab wie kleine Igelstacheln. Zerfetzte schwarze Jeans, ein Netz-Shirt, eine mit Stachelnieten besetzte Lederjacke, schwarzer Lippenstift, schwarzer Nagellack, zwei Zentimeter dicker Kajalstrich bis zu den Schläfen und ein Hundehalsband bildeten mein Bühnenoutfit. Hach, es war toll! Irgendwann fielen mir dann diese drei seltsamen Typen vor der Bühne auf, die dastanden und mich doof anglotzten. Ein dürrer Hungerhaken und ein Muskelmacho, die beide wie Haarsprayrocker wirkten. Und ein auf Mister Cool machender, weiß- blond gelockter Gothicfreak, ganz in Schwarz. Ok, auch ich trug Schwarz, aber sein Schwarz war definitiv das Falsche! Meins: Anarchoschwarz, eine klare Aussage gegen die Regierung. Rebellion pur. Seins: Angeberschwarz. Nach Konzertende stapfte ich zur Bar und bestellte ein Bier. Ich hätte zwar lieber einen Cocktail gehabt, am liebsten einen richtig bunten mit Schirmchen, aber das war ein absolutes No Go. Als Punk trinkst du Bier. Und zwar aus der Flasche. Basta. Auch wenn es dir überhaupt nicht schmeckt. So war das damals eben. Und wenn ich es recht bedenke – es hat sich bis heute nicht geändert. Mir ist zumindest von 1977 bis 2017, also innerhalb der letzten vierzig Jahre noch kein Punker aufgefallen, der genüsslich einen Mai Tai durch einen Strohhalm schlürft. Oder einen Sex on the beach. Ich nuckelte also leicht angewidert an meiner Pulle, was aber auch ok war, denn dadurch hatte ich den perfekten Die-ganze-Welt-kotzt-mich-an-Gesichtsausdruck. Irgendwann fühlte ich ein seltsames Kribbeln an meinem Hinterkopf. »Hallo, Mia!« Ich drehte mich um. Die drei Musketiere standen hinter mir. »Nettes Outfit«, grinste der Hungerhaken. »Verpiss dich! Und nimm deine Wichserfreunde gleich mit.« Ich zeigte dem Kerl den Mittelfinger. »Sie erkennt dich nicht«, meinte der Muckityp. »Wie immer«, antwortete Vokuhila. Der blasse Weißblonde sah mir tief in die Augen. »Mia, wir sind’s. Wir kennen uns. Von früher.« Ich war verwirrt. Irgendwie wurde das komische Trio mir von Sekunde zu Sekunde vertrauter. In meiner Herzgegend breitete sich ein eigentümliches, warmes Gefühl aus. Mist, ich hätte doch kein Bier trinken sollen. Der Gothicfreak lächelte amüsiert. »Ich bin Ansgar. Und du – bist eine Göttin.« Das Seltsame war, dass ich keine Sekunde lang an dem zweifelte, was der Typ mir gerade gesagt hatte. Mir war schlagartig bewusst: Das ist keine blöde Anmache. Dann erzählten sie mir die ganze Geschichte. Und nach zwei Stunden wusste ich, dass alles real war. »Aber was für eine Göttin bin ich denn?«, fragte ich neugierig. »Und warum kann ich mich nicht erinnern?« Sal seufzte. »Das ist eins der Probleme. Du leidest an postletaler Amnesie. Heißt übersetzt: Du kannst dich nach deinem Tod an nichts erinnern. Du weißt nicht, wer du bist, beziehungsweise warst. Und daher kennst du auch deine Fähigkeiten nicht. Und wir haben in all den zahllosen Jahrhunderten noch nicht rausgekriegt, wer du mal warst.« »Aber ihr könnt euch an eure frühere Funktion erinnern?« Sal nickte. »Ja. Wir beherrschen nur nicht mehr alle unsere Fähigkeiten; aber ein paar sind noch vorhanden und funktionieren ganz gut. Mit leichten Handicaps.« Seit jenem Abend sind wir wieder vereint. Und machen zusammen Musik. Meistens Hardrock. Wir sind Go!Dessia. Miteinander sind wir reifer, grauer und übergewichtiger geworden, haben in über drei Jahrzehnten vieles gemeinsam durchgestanden und so ganz nebenbei in den letzten fünfzehn Jahren dreimal die Welt gerettet. Natürlich führen wir auch bürgerliche Leben, mit sterblichen Partnern und langweiligen Jobs. Aber an den magischen Freitagen, den Freu-tagen, wenn wir uns wöchentlich zum Proben treffen, da sind wir ganz Gottheit. Die Jungs schwelgen in uralten Erinnerungen – und ich werde sauer bei meinen vergeblichen Erinnerungsversuchen. Den Göttern sei Dank, dass ich nun wenigstens Sekt trinken kann und nicht mehr Biervorliebe heucheln muss. Ich mustere meine Männer, die sich an die Theke zu mir setzen. Ja, in den letzten dreißig Jahren haben sie sich schon ein klein wenig verändert. Ansgar trägt immer noch schwarz, wenn auch weniger körperbetont. Mein Gitarrist ist allerdings nicht mehr weißblond und vor allen Dingen kann er seine Mähne nicht mehr schütteln. Die rudimentäre Haarpracht hat sich in den Ruhestand zurückgezogen, der Rest schimmert friedhofsblond und kopfhautfarben. Über den perfekt gebügelten tiefschwarzen Hemden trägt er nun immer öfter eine mitternachtsfarbene Strickjacke, weil er friert. Was für einen Gott aus dem hohen Norden recht ungewöhnlich ist. Lange vor Odin herrschte Ansgar als weises, allwissendes Oberhaupt einer chaotischen Götterfamilie. Das hat er mir erzählt. Die Menschen verehrten und fürchteten ihn, opferten ihm das Blut und die Herzen besiegter Feinde. Wenn er manchmal zu viel getrunken hat, sehnt er sich nach diesen Zeiten zurück. So ein, zwei frisch geopferte Jungfrauen im Jahr, das fehlt ihm einfach. Die guten alten Zeiten! Ansgar trägt...



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