Heering / Bürger | Der Sündenfall des Christentums | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 29, 316 Seiten

Reihe: edition pace

Heering / Bürger Der Sündenfall des Christentums

Eine Untersuchung über Christentum, Staat und Krieg - Aus dem Holländischen übersetzt durch Octavia Müller-Hofstede de Groot, 1930
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7693-9457-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Eine Untersuchung über Christentum, Staat und Krieg - Aus dem Holländischen übersetzt durch Octavia Müller-Hofstede de Groot, 1930

E-Book, Deutsch, Band 29, 316 Seiten

Reihe: edition pace

ISBN: 978-3-7693-9457-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der Erste Weltkrieg führte den niederländischen Theologen Gerrit Jan Heering (1879-1955), Hochschullehrer am Seminar der Remonstranten und Mitbegründer der Vereinigung "Kerk en Vrede" (Church and Peace), zu einem radikalen Antikriegsstandpunkt. Im Vorwort zu dem hier neu edierten Werk "Der Sündenfall des Christentums" (Erstauflage NL 1928, dt. Übersetzung 1930) schreibt er: Ich will "ernsthaft auseinandersetzen, dass Christentum und Krieg - jetzt mehr denn je - unversöhnliche Gegensätze sind. Ich will zwischen die christliche Lehre und die Ideologie des Krieges einen Keil treiben. Beide Systeme sind von der Geschichte zwangsweise zusammengeführt und werden jetzt in künstlicher Weise zusammengehalten. Ich will an das christliche Gewissen und an das von diesem Gewissen gelenkte vernünftige Denken appellieren und fragen, ob es nicht die höchste Zeit ist, dass Kirche und Christen sich prinzipiell gegen das ganze Kriegswesen auflehnen. ... Es war eine verhängnisvolle Wendung in der Geistesgeschichte, die während und nach der Zeit von Kaiser Konstantin sich vollzog; durch das enge Bündnis zwischen Staat und Kirche ging das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen Christentum und Krieg ... verloren ...; das schlimmste ist, dass man (seither) ... ruhig Böses gut nennt. ... Die Art, wie in allen christlichen Ländern die Kirche direkt in das gegenseitige Gemetzel des letzten Krieges hineingezogen worden ist, nämlich als unentbehrlicher, als inspirierender Faktor, demonstriert jenen Sündenfall in deutlichster und greulichster Weise. Es ist kein größerer Abstand und Gegensatz denkbar, als zwischen Christus und dem modernen Krieg. Wer dies verneint, hat die Realität eines von beiden oder beider nicht klar gesehen. Das militärische Christentum unserer Tage kann nicht schärfer gerichtet werden, als es durch das Christentum Christi geschieht." edition pace. Regal: Pazifismus der frühen Kirche 4. Herausgegeben von Peter Bürger, In Kooperation mit: Lebenshaus Schwäbische Alb, Ökumenisches Institut für Friedenstheologie, Thomas Nauerth (Portal: Friedenstheologie).

Gerrit Jan Heering, geboren am 15. März 1879 in Pasuruan/Indonesien, gestorben am 18. August 1955 in Oegstgeest, wurde nach seinem Theologiestudium Hochschullehrer am Seminar der Remonstranten in Leiden (NL). - Der Vater hatte seit 1868 Prediger in Indonesien gewirkt. Die Familie kehrte 1881 in die Niederlande zurück. - G.J. Heering ist Prediger geworden wie sein Vater, aber mit einer anders ausgerichteten Theologie, die er in seiner Zeit als Professor auch durch seine Werke fundiert hat. Als Prediger diente er den Remonstranten-Gemeinden von Oude Wetering (1904-1907), Dordrecht (bis 1913) und Arnheim (bis zum Beginn seines Hochschullehramtes, April 1917). G.J. Heering entwickelte eine eigene "Dogmatik auf der Grundlage der Evangelien und der Reformation" und schrieb u.a. über den "Platz der 'Sünde' in der freisinnigen-christlichen Dogmatik" (1912). Der Erste Weltkrieg führte ihn zu einem radikalen Antikriegsstandpunkt, beeinflusst von Hilbrandt Boschma. Heering fasste seine Erkenntnisse zum kriegsfreundlichen Kirchentum 1928 in dem Werk "Der Sündenfall des Christentums" zusammen (Übersetzungen in 4 Sprachen) und gründete mit anderen die Vereinigung "Kerk en Vrede", in der er viele Jahre zu den leitenden Persönlichkeiten gehörte. Auch in der internationalen pazifistischen Vernetzung engagierte er sich federführend. 1933 wurde der Niederländer für den Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen.

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Zweites Kapitel
Christentum und Staat
I. Die alt-christliche und die katholische Synthese. Notwendige Synthese und notwendige Spannung zwischen zwei heterogenen Mächten. Paulus. Augustinus „zwei Staaten“. Thomas von Aquino. Das „corpus christianum“.
Die Lage der Christen hatte sich infolge der Versöhnung des Staates mit der Kirche im 4. Jahrhundert in mancher Beziehung geändert. Zum erstenmal besaßen sie ein Land, das ihnen nicht fremd und feindlich war, sondern das sie lieben konnten: ein Vaterland; zum erstenmal einen kirchenfreundlichen Staat, der für die Ordnung sorgte, die zum ruhigen Ausbau der Kirche nötig war. Und ihre Augen öffneten sich für die recht- und kulturfördernde Macht, die von einem geordneten Staat ausgehen kann. Übrigens ein wachsender und dauerhafter Kirchenorganismus konnte sich in Zukunft von der festen Umrahmung des Staates und seiner Rechtsorganisation, in der die ganze menschliche Gemeinschaft sich bewegte, nicht frei halten. Diese beiden Mächte mußten sich auf irgendeine Weise finden. Zwei Dinge sind ja sicher: Keine Religion hält sich auf die Dauer ohne irgendeine Organisation, d. h. ohne Kirchenform. Als das Christentum begriff, daß diese Welt nicht so bald „vergehe“, und daß es sich also mit ihr abfinden müsse, wurde die Bildung einer Kirche Lebensbedingung. Der Kirche verdankt das Christentum denn auch unendlich viel. Keine geordnete menschliche Gemeinschaft ist in dieser Welt möglich ohne Geltendmachung des Rechts. Die Mächte der Selbstsucht, der niederen Leidenschaft und der Kurzsichtigkeit erfordern dies. Auch das Christentum kann sein Haus der Liebe und Barmherzigkeit nur auf den festen Boden des Rechts aufbauen. Darum hat es auch großes Interesse daran, daß das Recht gehandhabt wird, wenn es auch selbst mehr als Recht ist. Infolgedessen suchte das Christentum im 4. Jahrhundert den Staat. Und der Staat, der die gute Gesinnung seiner Bürger nicht entbehren kann, suchte die Kirche. Konstantins Übertritt zum Christentum vollzog sich in gewissem Sinn zur rechten Zeit. Aber das schwierige Problem war von nun an das Verhältnis zwischen Christentum und Staat, und blieb es durch die Jahrhunderte hindurch. Es schien erst so einfach: der Staat schützte die Kirche und die Kirche lieferte dem Staat die geistigen Kräfte. Aber wir sahen schon, welch schweren Tribut das Christentum, weil es seine Stellung zum Krieg ändern mußte, dem Staat sofort zu zahlen hatte. Es waren zwei verschiedene Größen mit ganz verschiedenem Lebensgebiet, die da zusammengeführt wurden, um künftig eine Gemeinschaft zu bilden. Man kann die Unterschiede in folgende Punkte zusammenfassen: a) Das Christentum ist seinem Wesen nach jenseitig, gerichtet auf das Ewige, das Reich Gottes. Es ist von Haus aus stark dualistisch (ein Dualismus, der nur seine Grenzen in Gottes Schöpfung und Allmacht fand) und es sah dieses Reich Gottes im Gegensatz zur Welt, die „im Argen“ lag und „vorübergehe“. Infolgedessen stand es – als die Feindschaft des Römischen Reiches aufhörte – den weltlichen Mächten und den diesseitigen Zielen des Staates und seiner Bestimmung fremd gegenüber. Als aber nach dem Zwiespalt der Kontakt gefunden wurde, traten die anderen hiermit zusammenhängenden Schwierigkeiten um so schärfer hervor. b) Das Christentum ist Weltreligion und kennt keinen Vorzug der einen Nation vor der anderen, der Staat dient ausschließlich den Interessen der eigenen Nation. c) Die Lebensluft des Christentums ist die Freiheit, die des Staates die Rechtsorganisation mit Befehl und Zwang. d) Da das Christentum das Verhältnis zwischen Gott und der menschlichen Seele in den Vordergrund stellt, hat es dem Menschen einen absoluten Wert und eine selbständige Bedeutung gegenüber allem, was von der Welt ist, zuerkannt96. Dadurch (und durch das sub b Genannte) mußte die antike Staatsidee, die mit national-religiöser Autorität auftrat, und die in dem Menschen nur den Untertan sah, wegfallen. Die römischen Kaiser haben es in der Verfolgungszeit wohl gespürt, wie die Christen sich bewußt waren, daß sie mehr seien als Untertanen und, daß dieses Mehr ihr eigentliches Leben sei. Durch all diese Faktoren hatte der „christliche Staat“ einen viel komplizierteren Charakter, eine viel schwierigere Existenz und eine viel schwerere Aufgabe als der heidnische. Die christliche Theologie hatte nun die Aufgabe, die Gedankenwelt des Christentums und die des Staates miteinander zu verschmelzen. Die Kirchenlehre ist in dieser schwierigen Frage, über die das Evangelium keinen Aufschluß gibt, in der Richtung, die von Paulus Röm. 13, 1-5 gezeigt war, weiter gegangen: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung. … Tust du aber Böses, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst: sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses tut. Darum ist's not, untertan zu sein, nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen.“ (Wir sahen, wie diese Wertschätzung der Obrigkeit in den ersten Jahrhunderten der Verfolgung ins Gegenteil umschlug.) Paulus gab die Richtung an, aber der Weg wurde von der stoischen Philosophie gebahnt, die zwischen dem vollkommenen, dem Menschen im goldenen Zeitalter angeborenen Sittengesetz und dem infolge des Niedergangs der Menschheit notwendigerweise vergrö-berten unterschied. Im goldenen Zeitalter herrschte das absolute Naturrecht, in der gegenwärtigen schlechten Zeit das relative. Die christliche Theologie hat die stoische Auffassung mit der Paradiesund Sündenfallgeschichte im Alten Testament verbunden; für diese gefallene Welt eignet sich nicht die vollkommene Moral des Evangeliums; diese kann nur in der Individualethik angewandt werden. Sie bleibe mit der übrigen Wahrheit des Evangeliums der Verkündigung in der Kirche überlassen. Für diese gefallene Welt verordnete Gott ein härteres Sittengesetz, die Einrichtung des Staates und die Staatsgebote; einerseits als Strafe für die Sünde, andrerseits als Heilmittel zu ihrer Bekämpfung: poena et remedium peccati. In dieses relative Naturrecht gehörte die Lehre von der von Gott eingesetzten Obrigkeit, der man gehorchen muß, hinein, weil ihre Autorität aus Gott ist. Dieser Gehorsam hat nur eine Grenze: wenn die Obrigkeit etwas fordert, was Gott verbietet. Da gilt das Apostelwort: „Man muß Gott mehr gehorchen, denn den Menschen“ (Apostelgeschichte 5,29)97. Augustin (354-430) war es, dessen Denken die christliche Theologie großenteils beherrscht hat; mit seinem mächtigen Werk „De civitate Dei“ (Über den Gottesstaat) bestimmte er das Verhältnis zwischen Christentum und Staat im Anfangsstadium; auch nahm er, wie wir erwähnten, den Kriegsdienst in Schutz. Unter dem Eindruck der verheerenden Einfälle der Goten und Vandalen ist jenes Buch verfaßt worden. Die Stellung und der Wert des Staates, der das Recht handhabt und das Christentum schützt, mußten dargestellt werden. Auch wurde Augustin, wie gesagt, durch seinen Kampf gegen den Dualismus der Manichäer, die den Weltgott dem Vater Jesu Christi entgegensetzten, zum Schreiben veranlaßt. Dieser Kampf führte ihn zu einem stärkeren Monismus, als ihn das Urchristentum gekannt hatte. Nachdrücklich betont der große Theologe Gottes Regierung und Vorsehung. Das Römische Reich hatte nicht ohne Gottes Absicht so vielen Jahrhunderten getrotzt. „Der eine und wahre Gott, der mit seinem Gericht und seiner Hilfe nicht von der Seite der Menschheit weicht, verlieh den Römern die Herrschermacht zu der Zeit, da er wollte und in dem Umfang, den er wollte98.“ „So steht es auch mit den Kriegen; sie finden ein baldigeres oder späteres Ende, je nachdem es in seinem Willen, seinem gerechten Ratschluß und in seinem Erbarmen liegt, um das Menschengeschlecht zu züchtigen oder zu trösten99.“ „Kriege können auf Gottes Befehl geführt werden, wer sich daran beteiligt, sündigt nicht gegen das fünfte Gebot100.“ „Wenn irdische Herrschsucht und Ruhm das Ziel des römischen Imperiums gewesen sind, so sind damit doch noch größere Laster im Zaum gehalten worden101.“ Und mit dem hingebenden Dienst der Römer an den Staat hat Gott gleichfalls beabsichtigt, „daß die Bürger des ewigen Staates, des Gottesstaates, solange sie hier auf ihrer Pilgrimsreise sind, dieses Vorbild eifrig beachten und erkennen sollen, welche Liebe dem himmlischen Vaterland des ewigen Lebens wegen gebührt, wenn dem irdischen Staat des weltlichen Ruhmes wegen schon so viel Liebe geschenkt wird“102. „Glücklich ist der Staat, der von christlichen Kaisern regiert wird. Gott schenkt ihnen auch irdisches Wohlergehen, wie dem Kaiser Konstantin, der in allen Kriegen siegte und lange regierte103.“ „Auch der irdische Staat sucht den Frieden und der Gottesstaat, insofern er sich auf Erden befindet (die Kirche) bedient sich dieses...



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