E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Heckmann / Karl Totalprothesen nach dem All-Oral-Verfahren
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-86867-634-1
Verlag: Quintessenz
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
ISBN: 978-3-86867-634-1
Verlag: Quintessenz
Format: EPUB
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Für unbezahnte Patientinnen und Patienten mit komplexer Mehrfacherkrankung und solche, bei denen keine implantatbasierten Therapiekonzepte möglich sind, lässt sich eine vergleichbare Lebensqualität mit optimal gestalteten Totalprothesen erreichen.
Ziel des vorliegenden Buches ist es, ein einfaches Vorgehen zur sicheren und wirtschaftlichen Anfertigung von Totalprothesen vorzustellen. Ihm liegt das Konzept des All-Oral-Verfahrens nach Professor Hofmann aus Erlangen zugrunde, das sich über viele Jahre bewährt hat. Es wurde besonderer Wert auf Praxisnähe gelegt, so dass die Prothesenanfertigung keiner aufwändigen Neuanschaffung bedarf. Mit dieser Intention richtet sich das Buch sowohl an Studierende der Zahnmedizin als auch an praktisch tätige Kolleginnen und Kollegen der Zahnmedizin und Zahntechnik.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Kapitel 1. Der unbezahnte Patient
• Rahmenbedingungen
• Anatomie des Zahnlosen
• Aspekte zur Anfertigung von Totalprothesen
Kapitel 2. Klinischer und labortechnischer Arbeitsablauf
• Anamnese/Untersuchung
• Behandlungssitzung I
• Behandlungssitzung II
• Behandlungssitzung III
• Behandlungssitzung IV
• Nachsorge/Sonderfälle
Kapitel 3. Implantatbasierte Versorgungen
• Zahnloser Oberkiefer
• All-on-Four
• Zahnloser Unterkiefer
Kapitel 4. Restbezahnung
Kapitel 5. Weiterführende Literatur
• Wissenschaftliche Publikationen
• Fachbücher
Kapitel 6. Stichwortverzeichnis
1.1 Rahmenbedingungen
Der in der zahnärztlichen Implantologie mittlerweile vorhandene und gut dokumentierte Erfahrungsschatz führte dazu, dass zur Versorgung des zahnlosen Unterkiefers zwei interforaminale Implantate und eine Deckprothese als sogenannter Standard of Care gesehen werden. Die großen Fortschritte in der Prophylaxe führen dazu, dass die natürlichen Zähne der Patienten länger erhalten werden können als in der Vergangenheit. Bedingt durch die gestiegene Lebenserwartung erhöht sich die Zahl hoch betagter und zugleich häufig multimorbider Patienten, die zumindest teilweise über limitierte finanzielle Ressourcen verfügen. Daher ist lediglich ein geringer Bevölkerungsanteil in der Lage, von implantatprothetischen Versorgungskonzepten zu profitieren. Die Versorgung mit konventionellen Totalprothesen wird mittlerweile – zumindest subjektiv – als zunehmend minderwertig eingeordnet, führt bei unzureichender Adaptation durch den Patienten zu vielen Korrekturterminen und ist spätestens dann nicht mehr lukrativ. Das vorliegende Konzept, bei dem es sich um die Weiterführung des All-Oral-Verfahrens handelt, zeichnet sich durch Einfachheit aus und führt ohne Bedarf an Spezialausrüstung in lediglich vier Behandlungssitzungen zu einem vorhersagbaren Ergebnis. Die Besonderheit an diesem Konzept ist der Verzicht auf eine Funktionsabformung, die durch die mundgeschlossene funktionelle Ausformung der fertig aufgestellten Prothese ersetzt wird. Um zu vermeiden, dass während des Kauvorgangs dislozierende Belastungen auf die Prothese wirken, wird eine balancierte dynamische Okklusion angestrebt. Bereits seit mehreren Jahren sind unterschiedliche Anbieter und Konzepte für CAD/CAM-gefertigte Totalprothesen auf dem Dentalmarkt präsent. Diese basieren zum Teil auf verkürzten Behandlungsprotokollen und reduzieren dadurch die Belastung für den Patienten. Neben der erforderlichen Lernkurve wird für deren erfolgreichen Einsatz aber häufig systemspezifisches Instrumentarium benötigt. Es scheint mittels CAD/CAM-gestützter Verfahren möglich zu sein, Prothesen mit besserer Materialqualität und ausreichender Passgenauigkeit zu realisieren. Die aktuell dünne Datenlage lässt eine sichere Einordnung noch nicht zu, und bislang scheint die Anwendung dieser neuartigen Herstellungsverfahren keinen substanziellen Vorteil mit sich zu bringen. Als Zielvorgaben für die Rehabilitation des zahnlosen Patienten mit Totalprothesen sind zu sehen: Wiederherstellung der Ästhetik, Kaufunktion und Phonetik, wobei eine vollkommene Wiederherstellung der ursprünglichen Kaufunktion mit Totalprothesen sicher nicht möglich ist. Jedoch sollen sich die Gewebe des stomatognathen Systems anpassen können und eine zufriedenstellende Kaufunktion ermöglichen. Adaptation (neue Funktions- und Bewegungsmuster) und Inkorporation (psychische Verarbeitung des Fremdkörpers „Prothese“) durch den Patienten, was – insbesondere bei betagten Patienten – die Aufarbeitung bestehender Prothesen sinnvoller erscheinen lassen kann als eine Neuanfertigung. Rein technische Aspekte wie Registriermaßnahmen und Okklusionskonzept spielen hierfür eine untergeordnete Rolle. Erzielen eines sicheren Prothesenhalts Ermitteln einer adäquaten statischen Okklusion durch Anordnen der Zahnreihen in einem funktionsneutralen Raum, mit dem Ziel, eine schubfreie Artikulation zu schaffen 1.2 Anatomie des Zahnlosen
Mit dem Verlust eines Zahnes geht auch der funktionelle Reiz verloren, der den Alveolarknochen im Gleichgewicht aus Resorption und Apposition hält (Abb. 1-1 und 1-2). Folglich überwiegen die Resorptionsvorgänge, und es bleiben lediglich die muskulär beanspruchten knöchernen Areale wie die Spina mentalis bestehen. Parodontale Vorschädigung, Trauma bei Extraktion sowie patientenspezifische Parameter beeinflussen das Ausmaß der Atrophie des Alveolarfortsatzes und resultieren in individuell unterschiedlich starken Ausprägungen. Der allgemein zu beobachtende vertikale Abbau des zahntragenden Kieferknochens führt dazu, dass die Tiefe der Umschlagfalte verringert wird, sodass Bänder und Muskeln nun direkt auf dem Kammfirst einstrahlen, anstatt – wie beim vollbezahnten Kiefer – vestibulär ihren Ansatzpunkt zu finden. Im Unterkiefer können die Resorptionsvorgänge dazu führen, dass der N. alveolaris inf. krestal auf dem Kieferkamm den Mandibularkanal verlässt. Dies kann erhebliche Beschwerden verursachen, wenn dort eine Totalprothese aufliegt und dadurch eine mechanische Belastung auftritt. Abb. 1-1 Position des natürlichen Oberkieferschneidezahnes anterior des eigentlichen Kieferkamms im Sagittalschnitt. Die dünne bukkale Knochenlamelle wird im Rahmen der Extraktion oder durch nachfolgende Resorption verloren gehen. Zum Erreichen einer harmonischen Gesichtsästhetik muss die Position der Schneidekante in der Totalprothese übernommen werden, weshalb der Prothesenzahn statisch ungünstig anterior des Kieferkamms positioniert werden muss. Abb. 1-2 Position des natürlichen Unterkieferschneidezahnes anterior des eigentlichen Kieferkamms im Sagittalschnitt. Die Resorptionsvorgänge nach Extraktion bedingen häufig lingual hochstehende und in oro-vestibulärer Richtung sehr schmale Kieferkämme. Nach ausgeprägter Resorption erscheint die knöcherne Maxilla in der Transversalen mit einer nach kaudal divergierenden Form schmaler als beim vollbezahnten Kiefer (Abb. 1-3 und 1-4). Bei Implantationen führt dies zu deutlich nach bukkal bzw. labial geneigten Implantaten. Vor allem der anteriore Kieferkamm ist meist stark resorbiert und die Tubera sind häufig im Sinne eines Schlotterkammes fibrotisch umgebaut. Der Unterkiefer erscheint in der Transversalen größer als beim Vollbezahnten, was in Analogie zum Oberkiefer ebenfalls auf die Form der knöchernen Mandibula zurückzuführen ist. Häufig imponieren schmale, dünn auslaufende Kieferkämme, die teilweise kaudal auf dem Niveau des Mundbodens verlaufen und nur über ein dünnes Band an fixierter Kammschleimhaut verfügen. Während früher bei schmalbasigen und stark atrophierten Alveolarfortsätzen präprothetisch-chirurgische Maßnahmen wie Kieferkammaufbau und Mundbodenabsenkung erwägt wurden, kann bei diesen Patienten heute mithilfe interforaminaler Implantate eine entsprechende Prothesenstabilisierung erreicht werden. Dabei darf jedoch selbst bei implantatgestützten Prothesen nicht außer Acht gelassen werden, dass deren Anfertigung besser gelingt, wenn die Prinzipien der Totalprothetik Anwendung finden. Die klassische präprothetische Chirurgie ohne Implantation führte häufig zu Narbenzügen, einer eingeschränkten Motorik und damit zu keiner wesentlichen Verbesserung der Prothesenfunktion. Abb. 1-3 Frontalschnitt aus einem digitalen Volumentomogramm (DVT), das den in der Horizontalen weiter bukkal verlaufenden Kieferkamm im Unterkiefer erkennen lässt. Abb. 1-4 Frontalschnitt aus einem digitalen Volumentomogramm (DVT), mit der vergleichsweise seltenen Situation eines in der Transversalen tendenziell breiteren Oberkiefers. Die Resorptionsvorgänge des Alveolarknochens scheinen in Umfang und Geschwindigkeit exponentiell abzunehmen. Die deutlichen Volumenänderungen unmittelbar nach Zahnverlust werden in den Folgejahren weniger. Inwieweit sich die Atrophie des Kieferkammes durch gut angepasste Totalprothesen verzögern lässt, ist nicht endgültig geklärt. In breitbasigen Alveolarfortsätzen ist jedoch bezüglich Lagestabilität und Totalprothesenhalt unzweifelhaft ein Vorteil zu sehen. Neben den knöchernen Verhältnissen sind die Dicke und Resilienz der Schleimhaut entscheidend für die mechanische Pufferwirkung und die Abdämmung der Prothese. Beides trägt maßgeblich dazu bei, dass eine Saughaftung erzielt wird. Unmittelbar einhergehend ist damit auch die Speichelsekretion, die hinsichtlich Entzündungsprozessen die Reaktionslage der Schleimhaut bestimmt. Im Unterkiefer kann die Prothese lediglich im Bereich der unverschieblichen Kammschleimhaut (auch als fibröse Randzone bezeichnet) gelagert werden, wobei das retromolare Polster (Tuberculum alveolare mandibulare) eine für die Abstützung der Prothese wichtige Struktur darstellt und deshalb umfasst werden soll (Abb. 1-5). Im Oberkiefer liegt die Prothese zusätzlich am Gaumengewölbe auf, das bezüglich Resilienz der Schleimhaut in drei Areale unterteilt werden kann (Abb. 1-6). • Raphe mediana: In der Median-Sagittalen verlaufende, sehr derbe Struktur, die ein Hypomochlion bildet und die daher keinen direkten Kontakt zur Prothesenbasis haben sollte. Anterior in diesem Bereich imponiert die Papilla incisiva, die als Referenzpunkt für die dentale Mittellinie herangezogen wird. • Fettgewebszone: Sie schließt sich im anterioren Gaumen rechts und links lateral an die Raphe mediana an und verfügt über eine höhere Resilienz als die Kammschleimhaut. Hier finden sich die Gaumenquerfalten, die als...