Hauser | Die Frauen von Troja | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 432 Seiten

Reihe: Die Frauen von Troja

Hauser Die Frauen von Troja

Historischer Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-18500-8
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, Band 2, 432 Seiten

Reihe: Die Frauen von Troja

ISBN: 978-3-641-18500-8
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Vor dreitausend Jahren tobte ein Krieg, der die damalige Welt in ihren Grundfesten erschütterte: Der Trojanische Krieg hat viele Helden hervorgebracht. Hier erzählen die Frauen von Troja die Legende aus ihrer Sicht.
Dies ist die Geschichte von Atalante. Das junge selbstbewusste Mädchen ist eine geschickte Jägerin und schnelle Läuferin. Als Mann verkleidet gelingt es ihr, sich Jason und den Argonauten anzuschließen. Gemeinsam mit ihnen begibt sie sich auf eine lange Reise auf der Suche nach dem Goldenen Vlies, dem magische Kräfte nachgesagt werden. Als Jason jedoch hinter Atalantes Täuschung kommt, will er sie töten lassen. Doch Hippomenes rettet Atalante. Fortan sind beide untrennbar miteinander verbunden ...

Emily Hauser wurde in Brighton geboren und ist in Suffolk aufgewachsen. Sie hat in Cambridge und Harvard Altphilologie studiert und in Yale promoviert. In ihrer Trilogie über die Frauen von Troja erzählt sie den großen Mythos des Trojanischen Kriegs in moderner Sprache und aus weiblicher Sicht.
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Kaladrosos


Mittagsstunde
Dreizehnter Tag des Segelmonats


Einige Tage später, als die Sonne die halbe Höhe des Himmels erreicht hatte, verließ ich Kaladrosos. Vom Hang aus blickte ich zurück. Mein Vater sah mir von der Tür aus nach, meine Mutter blieb im verrauchten Innern bei den Kindern. Er stützte sich auf seinen Stock, den Hut schief auf dem Kopf, eine Hand an Auras Nacken. Die Hündin zerrte an dem Seil, mit dem sie am Türpfosten festgebunden war, sprang bellend hoch und versuchte, mir zu folgen. Tränen in den Augen, nickte ich meinem Vater zu, um ihm mit einer Geste zu sagen, warum ich gehen musste. Er rang sich ein Lächeln ab und verabschiedete sich mit einem Winken von mir. Als ich an meine Mutter dachte, schnürte es mir die Kehle zu. Fast wäre ich zurückgekehrt, um mich noch einmal von ihr umarmen zu lassen, den Geruch des Rauchs in ihrem Gewand einzuatmen, Korykia ein letztes Mal auf die Pausbacken zu küssen und Leon einzuschärfen, dass er in meiner Abwesenheit mit seinem kleinen Holzbogen üben müsse.

Ich wandte mich ab und machte mich auf den Weg.

Den Anhänger, den mein Vater mir gegeben hatte, trug ich unter meinem Gewand um den Hals. Er schwang beim Gehen gegen meine Brust. Anfangs folgte ich noch bekannten Pfaden durch den Wald, wo der Schatten meine Glieder kühlte und mir der Geruch der Kiefern in die Nase stieg. Hin und wieder blieb ich stehen, um zu trinken und mich mit Wasser aus einem Bach zu erfrischen. Der Weg wand sich am Fuß der Berge nach Süden und Westen dahin. Rechts von mir erhoben sich hoch aufragende, mit Olivenbäumen bewachsene Felsen. Die ersten Schritte fort von Kaladrosos fielen mir schwerer, als ich gedacht hatte, weil sie voller Erinnerungen waren: die Hütte des Schreiners in Lechonia, wo mein Vater den ersten Bogen für mich hatte fertigen lassen; das Tal, in dem ich Äste der Silbertanne für die Göttin Artemis geschnitten hatte, um damit unsere Tür zu bedecken, als meine Mutter mit Maia im Kindbett lag; das sandige Ufer des Bergsees inmitten von Kiefern, in dem Aura und ich so gern schwammen. Doch als der Himmel sich weitete und sich der Ausblick auf olivenbestandene Hänge bis zur breiten blauen Bucht auf der einen und die fernen Berge auf der anderen Seite eröffnete, wuchs meine Erregung, und meine Gedanken wandten sich von dem, was ich verlassen hatte, dem zu, was ich vor mir finden mochte.

Die Worte meines Vaters klangen mir beim Laufen in den Ohren, sie hallten mit dem Klatschen meiner Sandalen von den Felsen wider. So weit war ich noch nie zuvor von Kaladrosos weg gewesen – weiter hatten wir uns auch nicht entfernen müssen, denn wir tauschten das Holz, das mein Vater im Wald schlug, im Hafen von Kaladrosos gegen Fisch und Gewürze von den Händlern, die auf offener See segelten. Ich genoss die neuen Eindrücke und die Wärme der Sonne auf meinem Gesicht, die im Westen hinter den Bergen unterging und den Himmel in Orange- und Rottöne und schließlich in ein fahles Lila tauchte. Zikaden hielten leise in den Ästen der Kiefern Zwiesprache, während Mauersegler über mir kreisten oder kreischend auf die Bucht herniederstießen. Voller Vorfreude lief ich den sich dahinschlängelnden Pfad entlang.

Die Nacht verbrachte ich in der Hütte eines Holzfällers über dem Hafen des kleinen Ortes Aphussos und nahm meine Abendmahlzeit mit seiner Familie rund um ein kleines Feuer ein, das er aus trockenem Reisig entzündet hatte. Als ich unter den schimmernden Sternen Stücke vom Brot abbrach, Fleisch vom Spieß abschnitt und mich mit der Frau des Mannes unterhielt, blickte ich immer wieder zu den Lichtpunkten der Städte im Norden und Westen der Bucht hinüber und überlegte, welche zu Pagasä gehörten und was ich dort wohl finden würde.

Sobald die Strahlen der Sonne am folgenden Morgen den Dunst auflösten, der vom Wasser aufstieg, brach ich in Richtung Norden auf. Ich folgte dem sandigen Ufer der Bucht, watete durch Flüsse, die von den Bergen zum Meer hinabflossen, passierte Olivenhaine und kleine, von Zypressen umgebene Ansiedlungen, die grünen Hänge des Pelion-Gebirges zu meiner Rechten. Am nördlichen Ende der Bucht wurde der Boden trockener und staubiger, Schwalben flogen über mir, und das Gras wuchs in fahlgrünen Büscheln unter meinen Füßen. Der Pfad gabelte sich und führte nach rechts über die Ebene zu einer Festung auf einem fernen Hügel, doch ich folgte weiter meinem Weg, lief an Fischern, Händlern und Hausierern mit Bauchläden vorbei und hielt mich nahe der Bucht, wie mein Vater es mir geraten hatte. Ich wollte zu einer Landzunge, hinter der ein lang gezogener niedriger Hügel mit einer Stadt in Sicht kam. Der Pfad wand sich den Hang hinauf zu einem breiten Doppeltor und einem Turm. Als mein Magen zu knurren begann, wurde ich langsamer. Schwer atmend ließ ich die Fingerspitzen über Strandhafer und Binsen gleiten.

Ich schluckte. Zweifel und Angst loderten kalt in mir auf, als mir klar wurde, was ich mir vorgenommen hatte.

, dachte ich und richtete den Blick auf eine Kiefer in der Nähe, in der Hoffnung, dass die Göttin aus ihren Ästen zu mir sprechen würde.

Ich biss mir auf die Lippe und blickte über die Schulter zurück zu den dunstumhüllten Umrissen des Pelion-Gebirges auf der anderen Seite der Bucht. Dort hatte ich meine Familie zurückgelassen, mein gesamtes Leben: das vertraute Krähen der Hähne im Morgengrauen; den Geruch von Heu, Rauch und verbranntem Holz in unserem Haus; die leichte Brise in den Olivenbäumen im Hof, kurz bevor die Sonne hinter dem Berg verschwand; das Abendlicht, das die Blätter golden färbte wie frisch gepresstes Öl. Es schmerzte mich, an Aura zu denken, die bellend an ihrer Leine gezerrt hatte, als ich weggegangen war, an die Tränen auf den Wangen meiner Mutter und das Abschiedswinken meines Vaters. Hatte ich falsch gehandelt? Hätte ich bleiben und so tun sollen, als wüsste ich von nichts, wie meine Eltern so viele Jahre lang?

Ich riss mich zusammen. . Ich ballte die Hände zu Fäusten.

Ich straffte die Schultern und reckte das Kinn vor.

Ich holte tief Luft und stieg den Hügel hinauf zum Stadttor.

Als ich näher kam, sah ich oben auf dem Turm zwei mit Tunika und Umhang bekleidete Wachleute, Bronzeschild, einen langen Bogen mit Hornspitzen und Köcher auf dem Rücken. Eine kleine Bronzeglocke mit einem Seil am Klöppel hing neben ihnen an einem Holzgestell. Sie beobachteten mich.

»Ich will in die Stadt!«, rief ich ihnen zu, hob eine Hand zum Schutz gegen das grelle Licht der Sonne über die Augen und suchte Schatten unter einem knorrigen Olivenbaum in der Nähe.

»Wie heißt du, und woher kommst du?«, fragte einer der Wächter, ein dunkler, bärtiger Mann mit muskulösen Unterarmen, und musterte mein kurzes wollenes Gewand, meine Ledersandalen und meinen Köcher.

»Ich bin Atalante aus Kaladrosos.«

»Eine Bewohnerin der Stadt?«

Ich zögerte. Schließlich hatte ich keine Ahung, wer meine Familie war: Wie mein Vater gesagt hatte, konnte sie aus Edelleuten oder auch aus Sklaven bestehen. Wer wusste schon, ob mein Anhänger ihr gehört hatte, ob sie ihn geschenkt bekommen oder möglicherweise sogar gestohlen hatte? »Nein.«

Der andere Wachmann, ein kleinerer, stämmiger Mann mit lockigen roten Haaren, runzelte die Stirn. »Du bist also eine Jagdsklavin und deinem Herrn entlaufen? Es muss schon ein merkwürdiger Mann sein, der eine Frau für sich jagen lässt.« Die beiden lachten.

»Bestimmt spielt es keine Rolle, ob ich eine Sklavin bin, denn alle, egal, ob frei geboren oder nicht, sollten Zutritt zu eurer Stadt haben.« Ich versuchte, ruhig zu bleiben.

»Nicht während eines Fests«, entgegnete der erste Wächter. »Das verbietet Zeus. Das Fest des Gottes dauert vom zunehmenden bis zum abnehmenden Mond, und in dieser Zeit darf niemand in die Stadt, der die rituellen Waschungen nicht vollzogen hat.«

Ich sah ihn mit großen Augen an. Unser Schrein im Pelion-Gebirge hatte immer offen gestanden für jeden, der einen Olivenzweig oder eine schwarze Traube davor ablegen wollte. Die Priester – eigentlich waren sie eher Fischer, denn sie kamen nur an Festtagen vom Hafen herauf und schlüpften in die weiße Priesterrobe – hatten stets gesagt, es gebe mehr Götter im blauen Meer, im Himmel und in den dunklen Erdschollen als in von Menschen erbauten Tempeln. Ja, das stimmte, hatte ich gedacht, wenn ich an den Berghängen entlanglief.

»Zeus«, wiederholte der Wachmann, als wäre ich ein Trottel, der den Namen des Göttervaters nicht kannte, »der Schutzpatron unserer Stadt.«

»Ja, ich weiß«, sagte ich. »Und wo kann ich diese Waschungen vollziehen, um den Göttervater milde zu stimmen?«

Der Wächter schüttelte den Kopf ob meiner Ahnungslosigkeit. »Wer zum Fest kommt, badet zuvor im Gebirgsquell von Makronita.«

Allmählich wurde ich ungeduldig. »Dann gehe ich dorthin.«

»Warte!«, rief er, als ich Anstalten machte, den Hang wieder hinunterzulaufen. »Du weißt noch nicht alles. Vor zwei Tagen, zur heißesten Stunde des Tages, ist der Quell versiegt....


Hauser, Emily
Emily Hauser wurde in Brighton geboren und ist in Suffolk aufgewachsen. Sie hat in Cambridge und Harvard Altphilologie studiert und in Yale promoviert. In ihrer Trilogie über die Frauen von Troja erzählt sie den großen Mythos des Trojanischen Kriegs in moderner Sprache und aus weiblicher Sicht.



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