Hauptmann / Langemeyer | Vor Sonnenaufgang | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 170 Seiten

Reihe: Reclams Universal-Bibliothek

Hauptmann / Langemeyer Vor Sonnenaufgang

Soziales Drama. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen, Literaturhinweisen und Nachwort - Hauptmann, Gerhart - 19017
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-15-961203-4
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Soziales Drama. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen, Literaturhinweisen und Nachwort - Hauptmann, Gerhart - 19017

E-Book, Deutsch, 170 Seiten

Reihe: Reclams Universal-Bibliothek

ISBN: 978-3-15-961203-4
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Bauernfamilie kommt durch Kohlenfunde zu Geld. Doch der Alkohol, der »geliebte Fusel«, von dem man einfach nicht lassen kann, macht alles zunichte. Die Uraufführung von Hauptmanns sozialem Drama Vor Sonnenaufgang am 20. Oktober 1889 setzte das naturalistische Drama endgültig durch und machte den unbekannten Autor über Nacht berühmt. Die Textgrundlage dieser Ausgabe bildet der Erstdruck von 1889 im Abgleich mit späteren Ausgaben. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Gerhart Hauptmann (15.11.1862 Ober-Salzbrunn [Schlesien] - 6.6.1946 Agnetendorf [Schlesien]) gehört zu den bedeutendsten Vertretern des Naturalismus. Nach einer abgebrochenen Lehre als Landwirt und dem zweijährigen Studium der Bildhauerei in Dresden reifte während einer Italienreise und dem Umzug nach Erkner in der Nähe von Berlin der Entschluss, freier Schriftsteller zu werden. Seine Mitgliedschaft im naturalistisch geprägten Dichterverein 'Durch' prägte ihn stark. So befassen sich seine Werke überwiegend mit der Idee der Weichenstellung des Menschen durch seine Herkunft. Handelt beispielsweise 'Vor Sonnenaufgang' - sein erster Erfolg als Dramatiker - vom Niedergang einer Bauernfamilie, schildert Hauptmann in der novellistischen Studie 'Bahnwärter Thiel' die Ohnmacht der Arbeitergesellschaft gegenüber der aufkommenden Industrialisierung. Zu seinen bekanntesten Werken gehört das Familiendrama 'Die Weber', das den Weberaufstand im Jahre 1844 thematisiert. Für sein dramatisches Werk wird Hauptmann 1912 mit dem Literaturnobelpreis geehrt.
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[11]Erster Akt.


Das Zimmer ist niedrig; der Fußboden mit guten Teppichen belegt. Moderner Luxus auf bäuerische Dürftigkeit gepfropft. An der Wand hinter dem Eßtisch ein Gemälde, darstellend einen vierspännigen Frachtwagen von einem Fuhrknecht in blauer Blouse geleitet.

(Miele, eine robuste Bauernmagd mit rothem, etwas stumpfsinnigen Gesicht; sie öffnet die Mittelthür und läßt Alfred Loth eintreten. Loth ist mittelgroß, breitschultrig, untersetzt, in seinen Bewegungen bestimmt, doch ein [12]wenig ungelenk; er hat blondes Haar, blaue Augen und ein dünnes, lichtblondes Schnurrbärtchen, sein ganzes Gesicht ist knochig und hat einen gleichmäßig ernsten Ausdruck. Er ist ordentlich, jedoch nichts weniger als modern gekleidet. Sommerpaletot, Umhängetäschchen, Stock.)

MIELE.

Bitte! Ich werde den Herrn Inschinnär glei ruffen. Wolln Sie nich Platz nehmen?! (Die Glasthür zum Wintergarten wird heftig aufgestoßen; ein Bauernweib, im Gesicht blauroth vor Wuth, stürzt herein, sie ist nicht viel besser als eine Waschfrau gekleidet. Nackte, rothe Arme, blauer Kattunrock und Mieder, rothes punktirtes Brusttuch. Alter: Anfang 40, Gesicht hart, sinnlich, bösartig. Die ganze Gestalt sonst gut conservirt.)

FRAU KRAUSE

(schreit). Ihr Madel!! . . . Richtig! . . Doas Loster vu Froovulk! . . . Naus!!! mir gahn nischt! . . . (halb zu Miele, halb zu Loth:) a koan orbeita, a hoot Oarme. Naus! hier gibbt’s nischt! 

LOTH.

Aber Frau . . . Sie werden doch . . . ich . . . ich heiße Loth, bin . . . wünsche zu . . . habe auch nicht die Ab  . . . .

MIELE.

A wull ock a Herr Inschinnär sprechen.

FRAU KRAUSE.

Beim Schwiegersuhne batteln: doas kenn’ mer schunn. – A hoot au nischt, a hoot’s au ock vu ins, nischt iis seine! (Die Thür rechts wird aufgemacht. Hoffmann steckt den Kopf heraus.)

HOFFMANN.

Schwiegermama! – Ich muß doch bitten . . . (er tritt heraus, wendet sich an Loth) Was steht zu . . . Alfred!!! Kerl!!! Wahrhaftig ’n Gott Du!? Das ist aber ’mal . . . nein das is doch ’mal ’n Gedanke!

(Hoffmann ist etwa dreiunddreißig Jahre alt, schlank, [13]groß, hager. Er kleidet sich nach der neuesten Mode, ist elegant frisirt, trägt kostbare Ringe, Brillantknöpfe im Vorhemd und Berloques an der Uhrkette. Kopfhaar und Schnurrbart schwarz, der letztere sehr üppig, äußerst sorgfältig gepflegt. Gesicht spitz, vogelartig. Ausdruck verschwommen, Augen schwarz, lebhaft zuweilen unruhig.)

LOTH.

Ich bin nämlich ganz zufällig . . . .

HOFFMANN

(aufgeregt). Etwas Lieberes . . . nun aber zunächst leg ab! (Er versucht ihm das Umhängetäschchen abzunehmen.) Etwas Lieberes und so Unerwartetes hätte mir jetzt (er hat ihm Hut und Stock abgenommen und legt Beides auf einen Stuhl neben der Thür) hätte mir jetzt entschieden nicht passiren können, (indem er zurückkommt:) ent....schieden nicht.

LOTH

(sich selbst das Täschchen abnehmend). Ich bin nämlich – nur so per Zufall auf Dich (er legt das Täschchen auf den Tisch im Vordergrund).

HOFFMANN.

Setz’ Dich! Du mußt müde sein, setz’ Dich – bitte. Weißt De noch? wenn Du mich besuchtest, da hatt’st Du so ’ne Manier, Dich lang auf das Sopha hinfallen zu lassen, daß die Federn krachten; mitunter sprangen sie nämlich auch. Also Du, höre! mach’s wie damals.

(Frau Krause hat ein sehr erstauntes Gesicht gemacht und sich dann zurückgezogen. Loth läßt sich auf einen der Sessel nieder, welche rings um den Tisch im Vordergrunde stehen.)

HOFFMANN.

Trinkst Du was? Sag’! – Bier? Wein? Cognac? Kaffee, Thee? Es ist Alles im Hause.

(Helene kommt lesend aus dem Wintergarten; ihre große, ein wenig zu starke Gestalt, die Frisur ihres blonden, ganz [14]ungewöhnlich reichen Haares, ihr Gesichtsausdruck, ihre moderne Kleidung, ihre Bewegungen, ihre ganze Erscheinung überhaupt verleugnen das Bauernmädchen nicht ganz.)

HELENE.

Schwager, Du könntest . . . (sie entdeckt Loth und zieht sich schnell zurück). Ach! ich bitte um Verzeihung (ab).

HOFFMANN.

Bleib’ doch, bleib’!

LOTH.

Deine Frau?

HOFFMANN.

Nein, ihre Schwester. Hörtest Du nicht, wie sie mich betitelte?

LOTH.

Nein.

HOFFMANN.

Hübsch! Wie? – Nu aber erklär’ Dich! Kaffee? Thee? Grog?

LOTH.

Danke, danke für Alles.

HOFFMANN

(präsentirt ihm Cigarren). Aber das ist was für Dich – nicht?! . . . auch nicht?!

LOTH.

Nein, danke.

HOFFMANN.

Beneidenswerthe Bedürfnißlosigkeit! (Er raucht sich selbst eine Cigarre an und spricht dabei.) Die A . . Asche, wollte sagen der . . . der Tabak . . . ä! Rauch natürlich . . . der Rauch belästigt Dich doch wohl nicht?

LOTH.

Nein.

HOFFMANN.

Wenn ich das nicht noch hätte . . . ach Gott ja, das bischen Leben! – nu aber thu’ mir den Gefallen, erzähle was. – Zehn Jahre – bist übrigens kaum sehr verändert – zehn Jahre, ’n ekliger Fetzen Zeit – was macht Schn . . . Schnurz nannten wir ihn ja wohl? Fips, – die ganze heitere Blase von damals? Hast Du den Einen oder Anderen im Auge behalten?

[15]LOTH.

Sach ’mal, solltest Du das nicht wissen?

HOFFMANN.

Was?

LOTH.

Daß er sich erschossen hat.

HOFFMANN.

Wer? – hat sich wieder ’mal erschossen?

LOTH.

Fips! Friedrich Hildebrandt.

HOFFMANN.

I warum nich gar!

LOTH.

Ja! er hat sich erschossen – im Grunewald, an einer sehr schönen Stelle der Havelseeufer. Ich war dort, man hat den Blick auf Spandau.

HOFFMANN.

Hm! – Hätt’ ihm das nicht zugetraut, war doch sonst keine Heldennatur.

LOTH.

Deswegen hat er sich eben erschossen. – Gewissenhaft war er, sehr gewissenhaft.

HOFFMANN.

Gewissenhaft? Woso?

LOTH.

Nun, darum eben . . . . sonst hätte er sich wohl nicht erschossen.

HOFFMANN.

Versteh’ nicht recht.

LOTH.

Na, die Farbe seiner politischen Anschauungen kennst Du doch?

HOFFMANN.

Ja, grün.

LOTH.

Du kannst sie gern so nennen. Er war, dies wirst Du ihm wohl lassen müssen, ein talentvoller Jung. – Fünf Jahre hat er als Stuccateur arbeiten müssen, andere fünf Jahre dann, so zu sagen, auf eigene Faust durchgehungert und dazu kleine Statuetten modellirt.

HOFFMANN.

Abstoßendes Zeug. Ich will von der Kunst erheitert sein. . . . Nee! diese Sorte Kunst war durchaus nicht mein Geschmack.

LOTH.

Meiner war es auch nicht, aber er hatte sich nun doch einmal drauf versteift. Voriges Frühjahr schrieben sie da ein Denkmal aus; irgend ein [16]Duodezfürstchen, glaub’ ich, sollte verewigt werden. Fips hatte sich betheiligt und gewonnen; kurz darauf schoß er sich todt.

HOFFMANN.

Wo da die Gewissenhaftigkeit stecken soll, ist mir völlig schleierhaft. – Für so was habe ich nur eine Benennung: Spahn – auch Wurm – Spleen – so was.

LOTH.

Das ist ja das allgemeine Urtheil.

HOFFMANN.

Thut mir leid, kann aber nicht umhin mich ihm anzuschließen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LOTH.

Es ist ja für ihn auch ganz gleichgültig, was . . .

HOFFMANN.

Ach überhaupt lassen wir das. Ich bedauere ihn im Grunde ganz ebenso sehr wie Du, aber – nun ist er doch einmal todt, der gute Kerl; – erzähle mir lieber was von Dir, was Du getrieben hast, wie’s Dir ergangen ist.

LOTH.

Es ist mir so ergangen, wie ich’s erwarten mußte. – Hast Du gar nichts von mir gehört? – durch die Zeitungen mein’ ich.

HOFFMANN

(ein wenig befangen). Wüßte nicht.

LOTH.

Nichts von der Leipziger Geschichte?

HOFFMANN.

Ach so, das! – Ja! – Ich glaube . . . . nichts Genaues.

LOTH.

Also, die Sache war folgende:

HOFFMANN

(seine Hand auf Loth’s Arm legend). Ehe Du anfängst: willst Du denn gar nichts zu Dir nehmen?

LOTH.

Später vielleicht.

HOFFMANN.

Auch nicht ein Gläschen Cognac?

LOTH.

Nein. Das am allerwenigsten.

HOFFMANN.

Nun, dann werde ich ein Gläschen . . . . Nichts besser für den Magen (holt Flasche und zwei [17]Gläschen...



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