E-Book, Deutsch, 119 Seiten
Reihe: nuggets
Hauff Nachhaltigkeit - Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-381-11283-8
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 119 Seiten
Reihe: nuggets
ISBN: 978-3-381-11283-8
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Bundesregierung hat sich in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ein hohes Ziel gesetzt. Im Rahmen einer Selbsteinschätzung stellt sie jedoch fest, dass das bisherige Handeln bei weitem nicht ausreicht um einen politisch erwünschten nachhaltigen Entwicklungspfad konsequent zu gehen. Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche des Landes, auch wenn es in Wissenschaft, Forschung, Bildung, Wirtschaft und der Gesellschaft ermutigende Beispiele gibt.
In den beiden ersten Kapiteln werden einige Grundlagen zur nachhaltigen Entwicklung vorgegeben, um den Anspruch des Paradigmas zu verdeutlichen. Begründung: Der Grundkonsens in der Fachwelt hat sich in Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft noch nicht in gewünschtem Maße durchgesetzt. Danach geht es primär darum das Spannungsfeld zwischen ermutigenden und unzureichenden Entwicklungen zur nachhaltigen Entwicklung deutlich zu machen.
Prof. Dr. Michael von Hauff war Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der TU Kaiserslautern.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Nachhaltigkeits- und Entwicklungsökonomie. Er hat eine Vielzahl von Arbeiten über den Zusammenhang von Ökologie und Ökonomie und über die ökonomische und ökologische Entwicklung von Entwicklungsländern wie Indien, Vietnam und Myanmar publiziert.
In den letzten Jahren hat er sich besonders dem Leitbild Nachhaltiger Entwicklung im Rahmen von Publikationen und Forschungsprojekten zugewandt. Der Studiengang 'Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit' am Fernstudienzentrum der TU Kaiserslautern geht auf seine Initiative zurück.
Autoren/Hrsg.
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1.3 Der Rio-Prozess
1992 verpflichteten sich auf der United Nations Conference on Environment and Development in Rio de Janeiro 178 Nationen zu dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung. Diese Konferenz leitete den Rio-Prozess ein Es folgten eine Reihe weiterer Konferenzen. Das Leitbild erlangte in der Folge international eine große Beachtung und Popularität. Das beruhte wesentlich auf der ungewöhnlich guten Verhandlungsatmosphäre, dem starken Engagement einiger Staaten und dem ausgeprägten Medieninteresse und -berichterstattung. Eine besondere Beachtung fand die handlungsleitende Agenda 21, die auf der Konferenz vorgelegt wurde. Das umfangreiche Aktionsprogramm, das auch heute noch eine hohe Aktualität aufweist, enthält viele und sehr konkrete Handlungsempfehlungen für das 21. Jahrhundert. Eine zentrale Forderung ist eine neue Entwicklungs- und Umweltpartnerschaft zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern anzustreben. Zentrale Ziele sind die Armutsbekämpfung und die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Boden und Wald. Sie enthält auch umweltpolitische Ziele wie die Reduzierung des Treibhausgaseffektes. Auf der Konferenz in Rio de Janeiro wurden weitere Beschlüsse vorgelegt, die auch heute noch auf der Agenda internationaler Konferenzen stehen: Rio Deklaration zu Umwelt und Entwicklung (das Recht auf Entwicklung der heutigen und der zukünftigen Generationen entsprechend ihren Bedürfnissen), die Klimarahmenkonvention (Stabilisierung der Treibhausgasemissionen zur Vermeidung einer Störung des Klimasystems), die Konvention über biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention) und die Waldkonvention (Bewirtschaftung und Erhaltung der Wälder nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit). Keine der Konventionen enthielt jedoch eine überprüfbare Verpflichtung, was die Umsetzung beeinträchtigte. Sie hatten nur den Charakter von Rahmenbedingungen. Daher folgten nach der ersten Rio-Konferenz weitere Konferenzen wie die Weltbevölkerungskonferenz (1994), der Weltsozialgipfel (1995) und die Klimakonferenz (Kyoto-Protokoll 1997). 2002 fand die in Rio de Janeiro beschlossene Folgekonferenz, d. h. der zweite Weltgipfel in Johannesburg statt. Im Mittelpunkt stand die Verabschiedung des Implementierungsplans, in dem neue Ziele und Programme für Umweltschutz und Armutsbekämpfung enthalten waren. Bereits 1997 vereinbarte die Ländergemeinschaft bis 2002 eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Dieser Vereinbarung folgten jedoch nur wenige Länder, weshalb in Johannesburg die Vereinbarung noch einmal eingefordert wurde. Die Aufbruchstimmung, die die Konferenz in Rio de Janeiro noch auszeichnete und oft mit dem Slogan „the Spirit of Rio“ betitelt wurde, war einer gewissen Ernüchterung gewichen. Parallel zu dem Rio-Prozess folgte die 55. Generalversammlung der Vereinten Nationen, die im September 2000 stattfand. Auf ihr wurde die „Millennium Declaration“ vorgelegt, die von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der Vereinten Nationen, der Weltbank, des IWF und des Entwicklungsländerausschusses der OECD ausgearbeitet wurde. Auf dieser Generalversammlung wurde die Millenniumserklärung von 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen beschlossen. Damit einigten sich die Vertreter der Mitgliedstaaten auf einen Maßnahmenkatalog von acht Zielvorgaben, die bis zum Jahr 2015 realisiert werden sollten. Es handelte sich um folgende Ziele: den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet, halbieren; allen Kindern eine Grundschulausbildung ermöglichen; die Gleichstellung der Geschlechter fördern und die Rechte von Frauen stärken; die Kindersterblichkeit verringern; die Gesundheit der Mütter verbessern; HIV Aids, Malaria und andere übertragbare Krankheiten bekämpfen; den Schutz der Umwelt verbessern; eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen. Im Gegensatz zur Agenda 21 bzw. dem Rio-Prozess kam es mit den acht Millennium Development Goals (MDG) zu konkreten, messbaren und für die gesamte Weltgemeinschaft gültigen Zielen. Die Millennium Development Goals hatten eine stark soziale Ausprägung, weshalb sie im Kontext nachhaltiger Entwicklung vielfach als nicht ausgewogen kritisiert wurden. Weitere Kritikpunkte waren die mangelnde Kohärenz, da manche Ziele nur auf Kosten anderer erreicht werden können und die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit in den MDGs zu wenig berücksichtigt wurde. Schließlich sei die Rio-Vision der untrennbaren Verknüpfung von Umwelt- und Entwicklungspolitik verloren gegangen. Besonders problematisch war jedoch, dass es sich schon früh abzeichnete, dass die MDGs bis 2015 nur bedingt erfüllt werden können. Der Rio-Prozess fand 2012 durch die Konferenz Rio+20, die erneut in Rio de Janeiro stattfand, seine Fortsetzung. Im Mittelpunkt dieser Konferenz stand das Thema „Green Economy“. Die Europäische Kommission interpretierte die Green Economy als eine Wirtschaftsweise, „die Wachstum generiert, Arbeitsplätze schafft und Armut bekämpft, indem sie in das Naturkapital, von dem langfristig das Überleben unseres Planeten abhängt, investiert und dieses erhält.“ (Europäische Kommission 2011). Entscheidend war jedoch, dass von den Vereinten Nationen eine Arbeitsgruppe gegründet wurde, die eine Liste mit universellen Entwicklungszielen zusammenstellen sollte. Auf der Grundlage dieser Ziele sollten die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an den Schnittstellen von menschlicher Wohlfahrt und dem Umwelt- und Ressourcenschutz gelöst werden. Teilweise kam es zu intensiven und auch kontroversen Diskussionen. Besonders umstrittene Themen waren die Geschlechtergerechtigkeit, mit der sich der Vatikan und Russland besonders schwertaten und die Verringerung der Ungleichheit zwischen und innerhalb von Staaten. Als besonders innovativ gehalten wurden die Bemühungen zum Schutz der Ozeane (Scholz 2017, S. 24). Im Herbst 2015 wurde in New York die Agenda 2030 als Folgedokument zu den Millennium Development Goals verabschiedet. Sie wurde unter dem Begriff der „Post-2015-Agenda“ eingeordnet. Den Sustainable Development Goals (SDGs) wurden fünf Kernbotschaften vorangestellt, wobei die englischen Begrifflichkeiten zu den 5 Ps führten: Menschen (People): Armut und Hunger sollen in all ihren Formen und Dimensionen beseitigt werden Planet (Planet): Der Planet Erde soll vor Schädigungen geschützt werden. Wohlstand (Prosperity): Alle Menschen sollen ein von Wohlstand geprägtes erfülltes Leben wahrnehmen. Frieden (Peace): Friedliche, gerechte und inklusive Gesellschaften, die frei von Furcht und Gewalt sind, sollen gefördert werden. Partnerschaft (Partnership): Die für die Umsetzung der Agenda benötigten Mittel sollen durch eine mit „neuem Leben gefüllte Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung“ mobilisiert werden. Im Mittelpunkt der Agenda 2030 stehen die 17 Ziele, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), die mit 169 Unterzielen weiter ausdifferenziert wurden. Bis 2030, also 15 Jahre nach dem Beschluss, sollten alle UN-Mitgliedstaaten die Ziele umsetzen, um die globale Entwicklung gemäß der nachhaltigen Leitprinzipien zu gestalten (UN 2015). Die Agenda 2030 zeichnet sich durch Unteilbarkeit aus, wonach nicht nur einzelne Ziele ausgewählt, sondern die Agenda 2030 in ihrer Gesamtheit angestrebt und umgesetzt werden soll. Sie gilt erst dann als realisiert, wenn auch die Ärmsten eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen erfahren, was zu dem viel beachteten Slogan „leave no one behind“ führte. Die Unteilbarkeit verdeutlicht, dass sich die Ziele gegenseitig bedingen: Ein gesundes Leben setzt die Überwindung von Armut voraus und die Überwindung der Armut ist die Voraussetzung für eine gleichberechtigte und hochwertige Bildung. Das Novum war, dass im Gegensatz zu den MDGs nicht nur Entwicklungsländer, sondern auch die Industriestaaten sich zu der Umsetzung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf der Grundlage der Agenda 2030 verpflichteten. Für die Beurteilung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie gibt es eine Vielzahl von Bewertungskriterien wie beispielsweise die Dringlichkeit der Implementierung von Zielen und die Berücksichtigung von Zielbeziehungen und möglichen Synergieeffekten aber auch die Vermeidung von Zielkonflikten. Da die Voraussetzungen für die Ausgestaltung und Umsetzung der Agenda 2030 in Ländern teilweise sehr unterschiedlich sind, gilt es von dem konkreten Entwicklungsniveau bzw. von der jeweiligen Entwicklungsstufe eines Landes auszugehen. Entsprechend sind nationale Prioritäten zu setzen und die notwendigen nationalen Planungsprozesse zu initiieren. Dadurch wird jedoch das globale Verständnis zu nachhaltiger Entwicklung nicht beeinträchtigt. Fazit: Die Agenda 2030 lässt sich dadurch kennzeichnen, dass es zu einer Zusammenführung von zwei getrennten UN-Verhandlungsprozessen kam: den 1992 begonnenen...