E-Book, Deutsch, Band 9, 191 Seiten, Format (B × H): 158 mm x 240 mm
Reihe: Super alta perennis
Funktionen der Beredsamkeit im kommunalen Italien / Funzioni dell’eloquenza nell’Italia comunale
E-Book, Deutsch, Band 9, 191 Seiten, Format (B × H): 158 mm x 240 mm
Reihe: Super alta perennis
ISBN: 978-3-86234-123-8
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Sprachwissenschaft Einzelne Sprachen & Sprachfamilien
- Geisteswissenschaften Sprachwissenschaft Sprechwissenschaft, Rhetorik
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Geschichte einzelner Länder Europäische Länder
- Geisteswissenschaften Sprachwissenschaft Historische & Vergleichende Sprachwissenschaft, Sprachtypologie
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;5
2;Vorwort;7
3;Funktionen der Beredsamkeit im kommunalen Italien. Befunde und Probleme;9
4;Mündliche Rhetorik in den Kommunen. Retorica orale nei comuni italiani;25
4.1;Zwischen demonstrativem Konsens und kanalisiertem Konflikt. Ein Essay über öffentliche Kommunikation in der italienischen Stadtkommune;27
4.2;Die Beredsamkeit des philosophus celestis. Predigt und Rhetorik bei den Mendikanten des 13. Jahrhunderts;41
4.3;Der performative Charakter brieflicher Kommunikation im kommunalen Italien;67
5;Formen schriftlicher Rhetorik in den Kommunen. Forme di retorica scritta nei comuni italiani;87
5.1;Lettere politiche nella storiografia comunale;89
5.2;Multas quoque preces feret vobis inclitus ordo virorum. Funktionen der ars dictaminis im kommunalen Italien;111
6;Formen der Rhetorik in außerkommunalen Machtzentren. Forme di retorica nei centri di potere extracomunali;133
6.1;Sprechen vor dem Kaiser. Gesandte aus italienischen Kommunen am Hof Friedrich Barbarossas;135
6.2;Rusticano stilo? Papst und Rhetorik im 11. und 12. Jahrhundert;153
6.3;Abstracts und Schlussbemerkungen;177
7;Ortsregister;185
8;Personenregister;187
Sprechen vor dem Kaiser. Gesandte aus italienischen Kommunen am Hof Friedrich Barbarossas (S. 135-136)
Knut Görich
In der Regierungspraxis der oberitalienischen Kommunen kam dem gesprochenen Wort besondere Bedeutung zu, und zumal für jene, die leitende Funktionen übernahmen, war die Fähigkeit, vor einer öffentlichen Versammlung zu sprechen, eine zunehmend unerläßliche Voraussetzung erfolgreicher Amtsausübung. Die politischen Repräsentanten der Kommunen verfügten damit über eine Fähigkeit, die Auswärtigen als besonders charakteristisch auffiel.
Der deutsche Bischof Otto von Freising bezeichnete es bekanntlich als mos italicus, sehr wortreich und sehr lange in vielfach gegliederten Perioden vor dem Kaiser über Rechte des Staates und des Reiches zu sprechen2. Auch der Freisinger Kleriker Rahewin registrierte einen im Vergleich zu Hoftagen im deutschen Reichsteil auffallend anderen Umgang mit dem Wort, als er 1158 in Roncaglia sah und hörte,wie die versammelten Repräsentanten aus dem regnum Italiae auf eine Ansprache Friedrich Barbarossas reagierten. Er berichtet:
Einer nach dem anderen erhob sich, wie es bei diesem Volk Sitte ist, entweder um dem Kaiser seine Zuneigung und besondere Ehrerbietung zu bezeugen oder um seine eigene Redekunst, mit der sie zu prahlen pflegen, zu beweisen, zuerst die Bischöfe, dann die Großen des Landes und danach die Konsuln und Gesandten der einzelnen Städte; so verbrachten sie diesen ganzen Tag bis in die Nacht hinein mit höchst kunstvollen Reden.3 Glaubt man Salimbene von Parma, so spottete Kaiser Friedrich II. über eine Eigenheit, die ihm an den Gesandten Cremonas auffiel – nämlich über ihre Angewohnheit, sich wechselseitig erst mit vielen Lobreden zu rühmen, »wie dieser und jener ein nobler, weiser, reicher und mächtiger Herr« sei, und erst nach diesem wechselseitigen Lob ihr Anliegen vorzutragen.
In Scherz- und Spottreden soll er die Redeweise der Cremonesen vor seinen Vertrauten nachgeahmt haben4. Allerdings hing das Ausmaß der Ehrerbietung, mit der eine Gesandtschaft am Hof rechnen konnte, nicht zuletzt auch vom Ansehen ihrer Teilnehmer ab5, so daß die von Salimbene berichtete Praxis im Gesandtschaftswesen durchaus ihren guten Sinn hatte. Auch die Verhandlungspartner am Kaiserhof wurden gelobt: Die genuesischen Konsuln bezeichneten Barbarossas Kanzler Rainald von Dassel als einen Mann, dem in allen Stücken »die Geistesschärfe und Beredsamkeit eines Cicero« innewohne.
Solche übertriebene Schmeichelei scheint durchaus gängige Praxis gewesen zu sein. Der englische Papst Hadrian IV. kannte sie jedenfalls von lombardischen Gesandtschaften. Johannes von Salisbury hörtewährend seiner Aufenthalte an der Kurie, wie sie der Papst mit recht blumigen metaphorischenWendungen beschrieb: die Lombarden würden vor ihren Verhandlungspartnern stets den Hut ziehen, indem sie zu Beginn ihrer Rede Wohlwollen erheischten und dann die Köpfe ihrer Verhandlungspartner mit dem Öl allerlei einnehmender Verbindlichkeit salbten. Der Vergleich des Grafen von Dassel mit dem berühmtesten Redner des antiken Rom ist ein schönes Beispiel für solche Schmeicheleien – auch wenn sie in diesem Fall von Genuesen und nicht von Lombarden ausging.