Harrow | Die Rückkehr der Hexen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 752 Seiten

Harrow Die Rückkehr der Hexen

Hexen-Thriller
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98676-078-6
Verlag: Festa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Hexen-Thriller

E-Book, Deutsch, 752 Seiten

ISBN: 978-3-98676-078-6
Verlag: Festa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Es gibt keine Hexen mehr. Aber sie werden zurückkommen. Früher, als die Luft so voller Magie war, dass sie einen Geschmack von Asche auf der Zunge hinterließ, waren die Hexen wild wie Krähen und furchtlos wie Füchse und die Nacht gehörte ihnen. Diese Zeiten sind vorbei. Die Frauen mussten lernen zu schweigen und ihr Wissen zu verbergen. Aber wahre Hexerei kann jederzeit erwachen. Etwa durch die Eastwood-Schwestern Bella, Agnes und Juniper, die sich zufällig wieder treffen, nachdem sie vor Jahren vor ihrem gewalttätigen Vater flohen … Alix E. Harrows meisterhafter Roman, der die Geschichte der Hexen neu erfindet. Ein Epos voller grenzenloser Fantasie … Laini Taylor: »Eine bezaubernde und mitreißende Hommage an die wilde Kraft der Frauen. Die Figuren leben, bluten und brüllen.« Booklist: »Dieser Roman verbindet raffiniert die Suffragettenbewegung der Vergangenheit und die MeToo-Bewegung von heute. Fesselnd, aufregend und magisch.«
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1

O welch feines Netz sie spinnt,

wenn sie auf Lug und Täuschung sinnt.

Hexenspruch, um jemanden zu verwirren und zu entmutigen. Man braucht bei Neumond gesammelte Spinnweben und muss sich in den Finger stechen.

Es waren einmal drei Schwestern.

Die jüngste von ihnen, James Juniper Eastwood, hatte Haare so schwarz und struppig wie das Gefieder einer Krähe. Sie war die wilde Schwester, listig und ungebärdig, die mit den zerrissenen Röcken, den aufgeschürften Knien und den funkelnden grünen Augen. Sah man in diese Augen, dann dachte man an Sommersonnenlicht, das durch Blätter fällt. Sie wusste, wo die Schwarzkehl-Nachtschwalben nisteten und die Füchse ihren Bau hatten; und nachts bei Neumond fand sie unbeirrt den Weg nach Hause.

Doch am Tag der Frühlingsgleiche des Jahres 1893 hat sich James Juniper verirrt.

Mühsam steigt sie aus dem Zug. Sie spürt noch das Rattern und Holpern der Fahrt in den Beinen und stützt sich schwer auf ihren Stock aus Virginischer Rotzeder. Sie hat keine Ahnung, wohin sie sich wenden soll. Zwei Punkte hat ihr Plan umfasst, mehr nicht: Punkt eins war Lauf!, Punkt zwei Bleib bloß nicht stehen!. Und jetzt ist sie 200 Meilen von zu Hause entfernt, hat nichts anderes in den Taschen als Kleingeld und Hexenwege und weiß nicht, wie es weitergehen soll.

Sie steht auf dem Bahnsteig und schwankt; die Leute drängen sich an ihr vorbei und rempeln sie an. Die wissen ganz genau, wohin. Die Lokomotive stößt zischend Dampf aus: Er wabert über den Steig und schmeichelt katzenhaft um ihren Rock. An der Wand flattern Plakate. Auf einem sind sowohl die städtischen Verordnungen New Salems aufgelistet als auch die Bußgelder für Übertretungen: Vermüllung, vulgäre Ausdrucksweise, Liederlichkeit, Unschicklichkeit und Landstreicherei. Auf einem anderen ist die Freiheitsstatue abgebildet: Wütend sieht sie aus; sie reckt eine Faust in die Luft und lädt ALLE DAMEN, DIE DER TYRANNEI MÜDE SIND, ein, sich zur Tagundnachtgleiche um sechs Uhr abends auf dem Platz des Heiligen Georg einzufinden, um der Kundgebung des New-Salem-Frauenvereins beizuwohnen.

Ein drittes Plakat zeigt Junipers Gesicht in einem verwischten Schwarz-Weiß-Druck. Darunter stehen die Worte MISS JAMES JUNIPER EASTWOOD. 17 JAHRE ALT. GESUCHT WEGEN MORDES & MUTMASSLICHER HEXEREI.

Verflucht! Also haben sie ihn wohl gefunden. Sie hat gehofft, es würde ausreichend Verwirrung stiften, das Haus niederzubrennen.

Juniper blickt sich selbst in die Augen und zieht sich die Kapuze ihres Umhangs tiefer ins Gesicht.

Dann hört sie schwere Schritte und sieht einen Mann in einer adretten schwarzen Uniform auf sich zukommen. Er hat die Augen verengt und klopft sich mit seinem Schlagstock in die offene Handfläche.

Juniper setzt ihr bestes weitäugiges Lächeln auf. Ihre Hand, die den Gehstock umklammert, ist schweißnass. »Guten Morgen, Mister! Ich möchte …« Sie braucht ein Ziel, ein Wohin-des-Wegs. Ihr Blick wandert zu dem Poster mit der wütenden Freiheitsstatue hinüber. »… zum Platz des Heiligen Georg. Wären Sie so freundlich, mir zu sagen, wie ich dorthin komme?« Mit ihrem Akzent trägt sie so dick auf, wie sie nur kann, dehnt die Vokale wie Honig.

Der Polizist mustert sie von Kopf bis Fuß – das abgesäbelte Haar, die schmutzumrandeten Fingerknöchel, die schlammigen Stiefel – und lacht hässlich auf. »Gott steh uns bei, sogar die Landpomeranzen wollen an die Urnen!«

Zwar hat Juniper noch nie groß über Wahlen und das Stimmrecht für Frauen nachgedacht, aber sein Ton bringt sie in Harnisch. Sie reckt das Kinn vor. »Und das ist wohl ein Verbrechen?«

Die Worte sind heraus, ehe ihr in den Sinn kommt, wie unklug es ist, einen Polizisten zu verärgern – zumal gleich hinter ihm ihr Gesicht von der Wand blickt.

Wenn du dein Temperament nicht zügelst, landest du noch auf dem verdammten Scheiterhaufen!, hat Mama Mags ihr oft genug gesagt. Eine kluge Frau hält ihr Feuer im Inneren. Aber die kluge Schwester ist immer Bella gewesen, und Bella ist schon lange von zu Hause weg.

Brennnesselscharf sticht Juniper der Schweiß in den Nacken. Die Adern im Hals des Polizisten schwellen an. Mit einem Mal spannt seine Jacke mit den polierten Silberknöpfen. Juniper schiebt die freie Hand in ihre Rocktasche und befingert zwei Kerzenstümpfe, einen Pechkiefernholzstab, einen Hufeisennagel, ein winziges Knäuel aus silbrigem Spinnennetz und zwei Schlangenzähne, die sie, das schwört sie sich, nie wieder verwenden wird.

Ihre Handflächen werden heiß; die Worte in ihrem Mund warten nur darauf, ausgesprochen zu werden.

Mit dem kurzen Haar und der hochgezogenen Kapuze erkennt der Polizist sie vielleicht nicht. Vielleicht brüllt er bloß ein bisschen herum, stolziert dabei auf und ab wie ein zerzauster Hahn und lässt sie dann gehen. Oder er schleppt sie auf die Wache, und sie baumelt bald in New Salem am Galgen, das Hexenmal mit klumpiger Asche auf die Brust geschmiert. Juniper hat nicht vor, es darauf ankommen zu lassen.

Der Wille. Die Hitze ist bereits über ihre Handgelenke gestiegen, flammt wie Whiskey durch ihre Adern.

Die Worte. Sie flüstert sie in den Bahnhofslärm, und sie verbrennen ihr die Zunge. O welch feines Netz sie spinnt …

Der Weg. Juniper sticht sich mit dem Hufeisennagel in den Daumen und hält das Spinnennetzknäuel fest umklammert.

Sie spürt, wie die Magie in die physische Welt eintritt, ein glühendes Kohlestück, das aus einem gewaltigen unsichtbaren Feuer zu ihr herübergeschleudert wird. Und schon wischt sich der Polizist mit beiden Händen heftig durchs Gesicht. Er prustet und flucht, als wäre er in ein großes Spinnennetz gelaufen. Die Leute, die vorübergehen, machen sich gegenseitig auf ihn aufmerksam und lachen.

Juniper entschlüpft ihm, während er sich noch die Augen reibt. Sie taucht erst durch eine Dampfwolke, dann durch eine Gruppe Eisenbahnarbeiter mit Brotbüchsen. Im Nu ist sie aus der Bahnhofstür heraus. Hinkend rennt sie fort, ihr Stock klappert über die Kopfsteine.

Als Kind hat Juniper geglaubt, New Salem müsse so ähnlich wie der Himmel sein, bloß mit Straßenbahnen und Gaslaternen – hell, sauber und reich, der Versündigung des alten Salem enthoben. Nun muss sie jedoch feststellen, dass die Stadt kalt und nichtssagend ist, als hätte das reinliche Leben hier den Glanz aus allem herausgeschrubbt. Die Gebäude, grau und nüchtern, haben weder Blumenkästen noch bunte Vorhänge in den Fenstern. Und auch die Leute wirken grau und nüchtern: An ihren Mienen kann Juniper ablesen, dass sie allesamt wichtige, aber mühevolle Aufgaben zu erledigen haben. Ihre Kragen sind gestärkt, alle Knöpfe sorgfältig geschlossen.

Vielleicht liegt es daran, dass es keine Hexerei in New Salem gibt: Mags hat gesagt, Magie sorge immer für ein bisschen Unordnung. Um ihr Haus herum ist das Geißblatt dreimal schneller gewachsen als überall sonst, und unter ihrer Dachtraufe nisteten zu jeder Jahreszeit Vögel. In New Salem – der Stadt ohne Sünde, in der die Bahnen stets pünktlich fahren und beinahe jede Straße den Namen eines Heiligen trägt – sieht man bloß Tauben, und das einzige Grün, das Juniper erspäht, kommt von dem blass glitzernden Schleim in den Rinnsteinen.

Nur Zentimeter vor ihren Zehen holpert eine Straßenbahn vorbei, der Fahrer brüllt ihr eine Beleidigung zu. Juniper brüllt zurück.

Sie geht immer weiter, weil sie nirgendwo haltmachen kann. Weder gibt es hier moosbewachsene Baumstümpfe noch bläulich-grüne Kiefernhaine. An jeder Ecke und auf jeder Treppe drängen sich Menschen: Arbeiter, Hausmädchen, Geistliche und Polizisten, Männer mit Taschenuhren, Damen mit großen Hüten, und Kinder, die Brötchen, Zeitungen oder verwelkte Blumen feilbieten. Zweimal versucht Juniper, nach dem Weg zu fragen, doch die rätselhaften Antworten verwirren sie nur. (Folgen Sie der Sankt Vinzenz, bis Sie die Ecke Vierte und Winthrop erreichen, überqueren Sie dann den Thorn und gehen Sie geradeaus.) Sie wird zu einem Boxkampf eingeladen, von einem Herrn angesprochen, der den Zusammenhang der Tagundnachtgleiche mit dem Ende aller Zeiten diskutieren möchte, und bekommt eine Karte überreicht, auf der nichts weiter als 39 Kirchen eingezeichnet sind – alles innerhalb einer Stunde.

Juniper starrt auf die Karte hinab, auf die verschlungenen, fremden Wege, das ganze Ding ist nicht im Geringsten hilfreich, und will verdammt noch mal nach Hause.

Ihr Zuhause umfasst 23 Morgen und liegt auf der Westseite des Big Sandy River. Dort öffnen sich die Blüten des Hartriegels wie Perlen mit rosafarbenen Rändern, und der scharfe Geruch nach Frühlingszwiebeln liegt in der Luft. Dort gibt es eine überwucherte Stelle, wo einmal die alte Scheune gestanden hat, und der Berghang ist so grün, nass und lebendig, dass Juniper die Augen schmerzen, wenn sie zu lange hinsieht. Wie ein zweites Herz schlägt dieser Ort in ihrer Brust.

Früher einmal haben auch ihre Schwestern dazugehört. Doch sie sind fortgegangen und haben sich nie wieder blicken lassen, haben nie auch nur für zwei Cent eine Postkarte geschickt. Und nun wird Juniper ebenfalls nicht mehr nach Hause zurückkehren.

Zorn flammt in ihr auf. Sie zerknüllt die Karte in der Hand und läuft weiter, weil sie entweder fliehen oder etwas in Brand stecken kann, und das hat sie schließlich schon getan.

Schneller und schneller geht sie und wankt ein bisschen wegen...


Harrow, Alix E.
Alix E. Harrow gelang mit ihrem ersten fantastischen Jugendroman THE TEN THOUSAND DOORS TO OF JANUARY sofort ein Bestseller, der für fast alle Preise des Genres nominiert wurde.

Alix E. Harrow: Ich war Lehrerin, Landarbeiterin, Kassiererin und Eisverkäuferin. Ich habe in Zelten und Autos, winzigen Stadtwohnungen und einsamen Hütten gelebt und mal einen Sommer in einem wirklich niedlichen 79er VW Vanagon Westfalia verbracht. Ich habe Bibliotheksausweise in mindestens fünf Staaten.
Jetzt bin ich Vollzeitautorin und lebe mit meinem Mann und zwei halbwilden Kindern in Berea, Kentucky. Für mich, da bin ich mir sehr sicher, ist es die beste aller möglichen Welten.



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