E-Book, Deutsch, Band 1, 280 Seiten
Reihe: Beautiful Secrets
Harrison Beautiful Secrets (1). Das Spiel beginnt
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-401-80319-7
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 280 Seiten
Reihe: Beautiful Secrets
ISBN: 978-3-401-80319-7
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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17.9.12
INNENRAUM. TAEKWONDO-STUDIO VON MEISTER LO – SPÄTER NACHMITTAG.
SHERIDANS N.L.S. IST VERFLOGEN. DIE ORDNUNG IST WIEDERHERGESTELLT.
Ist die Jury zu einem Urteil gekommen? Ja, Euer Ehren, die Angeklagte ist geistig vollkommen normal!
Dafür steht Mom jetzt kurz vor dem Ausflippen. Sie tigert in Meister Los Warteraum herum, weil H&M heute die Prüfung für ihre grünen Gürtel ablegen. Moms größte Angst? Dass einer besteht und der andere nicht. In dem Fall wäre es ihr lieber, dass beide durchfallen. Wie verrückt ist das?
Ich wollte sie danach fragen, beschloss dann aber, lieber meine Feder zur Hand zu nehmen. Ich werde mich auf die positiven Dinge konzentrieren. Zum Beispiel, dass ich heute als Sheridan Spencer zur Schule gegangen bin und es keine totale Katastrophe war.
Das Theaterstück unseres Jahrgangs wurde heute angekündigt und ich wollte ich selbst sein, wenn ich es erfahre. Ich trug nicht einmal ein Kostüm, nur enge Jeans, orangefarbene Ballerinas, ein schlichtes weißes Tanktop und eine marineblaue Strickjacke. Ich hatte eine Haarsträhne hinter dem Ohr festgesteckt und meine Wangen mit pinkfarbenem Rouge bestäubt. Audri sagte, ich würde auf eine sehr natürliche Weise hübsch aussehen.
Sie musste recht gehabt haben, denn dieser Null-Direction-Typ, der Audri am ersten Tag die Schuld für den Regen gegeben hatte, kam direkt auf mich zu, um mich auf Dads BMW M5 anzusprechen. Ich dankte ihm und erzählte ihm vom Autohaus. Er sagte, ich hätte ein Riesenglück, weil er verrückt nach Autos wäre und sein Dad einen langweiligen Job in einer Anwaltskanzlei hätte. Dann fragte er, ob ich schon mal vom M3 GTR gehört hätte. Ich sagte ihm, dass wir das 2013er-Modell hätten. Er fragte: Du meinst doch nicht den Gran Turismo? Genau den, antwortete ich. Ist nicht waaaaaahr, rief er und dann verbeugte er sich vor mir, als wäre ich ein Mitglied der königlichen Familie oder so. Jedenfalls kam ich mir vor wie etwas Besonderes.
Woher kennst du Logan? (Audri)
Ich kenne ihn nicht. Woher kennst du Logan?
Octavia ist total verknallt in ihn.
Zu spät.
Wieso?
Weil er in ein Modell verknallt ist.
In wen? (Audri, die ihre blaue Brille hochschiebt)
In den 2013er GTR.
Wir prusten beide gleichzeitig los.
Das diesjährige Theaterstück ist Die Hexen von Oz. Letztes Jahr war ich Elphaba, die böse Hexe, und ich träume davon, beim nächsten Mal Glinda zu spielen. In der Theater-AG haben alle gesagt, dass ich klinge wie Kristin Chenoweth, wenn ich »Heiß geliebt« singe, also werde ich das beim Vorsingen auf jeden Fall nehmen. Audri natürlich auch.
Alle finden es komisch, dass sie freiwillig meine zweite Besetzung sein will. Aber dann erklären wir ihnen, dass es Audris einzige Möglichkeit ist, eine Hauptrolle zu spielen. Das begreifen sie.
Audri ist gut. Sie hat ein breites Ausdrucksspektrum, kann sich konzentrieren und hat die einzigartige Fähigkeit, auf Kommando zu weinen. Aber ich bin besser. Das soll jetzt nicht nach Angeben klingen. Es ist eine Tatsache. Ich arbeite härter und studiere pausenlos das Handwerk. Deswegen bekomme ich immer die Hauptrolle. Ich weiß, dass Audri sich darüber ärgert, und deswegen habe ich ihr einen Deal angeboten. Wenn sie freiwillig meine zweite Besetzung ist, stelle ich mich an mindestens einem Abend krank (oder öfter, wenn das Stück länger läuft), damit auch sie ihren Auftritt im Rampenlicht hat. Als ich ihr dieses Angebot machte, hat sie echte Tränen vergossen und gesagt, ich wäre die beste aller besten Freundinnen. Da musste ich auch weinen, weil ich so glücklich war, dass sie so glücklich war. Und so machen wir es jetzt schon seit zwei Jahren. Hauptrollen gespielt zu haben, wird sich gut in unseren Lebensläufen machen. Wir werden morgen nach der Schule anfangen, unseren Vortrag einzustudieren. Das Vorsingen ist am Mittwoch. Ich hätte am liebsten heute schon mit dem Proben begonnen, aber Mom sagte, ich müsste mitkommen, weil die grünen Gürtel meiner Brüder wirklich wichtig wären. Ach, und Glinda ist es nicht?
Audri hat mir heute Mittag eine Nachricht in der Cafeteria hinterlassen! Sie hat mit Jagger gegessen. Er hat ihr erzählt, wie es abläuft, wenn er seine Eltern im Gefängnis besucht. Abgesehen davon, dass sie diesen brutalen Typen fertiggemacht haben, sind sie ganz normal und sollten nicht hinter Gittern sitzen. Er weiß, dass ihnen diese Sache mit seiner vorzeitigen Volljährigkeit das Herz bricht, aber was hätte er sonst tun können? Er kann ja nicht jedes Mal ins Gefängnis fahren, wenn er die Erlaubnis zu einem Schulausflug braucht oder sein Zeugnis unterschrieben werden muss.
Audri fragte sich, ob sie herzlos war, weil sie während Jaggers tragischer Geschichte nicht geweint hat. Sie konnte nur daran denken, ihn zu küssen. Also hat sie die Tränen vorgetäuscht. And the Oscar goes to Meryl Weep.
Normalerweise würde es mich deprimieren, wenn Audri verknallt ist und mit einem Typen herumknutschen will. Ich würde mich fragen, wieso ich nicht in jemanden verliebt bin und wieso ich immer noch ein bisschen Angst davor habe, einen Jungen zu küssen und sie nicht. Aber diese Gedanken gehen mir im Moment nicht durch den Kopf. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, mich darüber zu freuen, dass sie die Mittagspause nicht mit Octavia verbracht hat. Vielleicht haben sich die beiden gestritten.
Erinnert ihr euch an Duffy? Den Typen, der wegen mir lauter Herzchen gemalt hat? Sein Schließfach ist genau gegenüber von meinem und heute habe ich ihn pfeifen gehört. Das Lied kam mir bekannt vor, aber ich wusste nicht genau, was es war, und bin deshalb etwas näher an ihn herangetreten und habe gelauscht. Dann war mir alles klar. Es war »I Feel Pretty« aus dem Musical West Side Story. Ich war schockiert.
Also, mit viel Fantasie konnte ich mir vorstellen, wie Andrew Duffy »Jet Song« oder »Cool« pfeift. Aber »I Feel Pretty«? Ich musste ihn danach fragen.
Anscheinend hatte ich ihn erschreckt, denn er fuhr zusammen und stieß gegen sein Schließfach.
Häh?
Ich wollte wissen, ob du gerade »I Feel Pretty« gepfiffen hast.
Er wurde rot und kicherte verlegen. Oh, weiß nicht. War es das? Kann sein.
Im Ernst?
Zwei Schwestern. Er schaute den Gang entlang und beugte sich zu mir, als wollte er mir ein Geheimnis verraten. Er roch wie ein Mädchen, so nach Babypuder-Deo. Als ich klein war, haben sie mich mit Musicalmelodien zwangsernährt. Und jetzt kommt manchmal eine an die Oberfläche und bricht nach draußen.
Ich kicherte. Das war eine merkwürdige Formulierung für einen Basketballspieler. Das Klebeband an seinen Basketballschuhen verriet mir, dass er vermutlich noch andere merkwürdige Kommentare auf Lager hatte.
Und fühlst du dich heute hübsch?
Er streifte sich die Kapuze seines Hoodies über den Kopf und stopfte die Hände in die Taschen. Wenn du es genau wissen willst – ich habe den Text geändert zu »I Feel Happy«.
Wieso?
Weil ich mich heute nicht besonders hübsch fühle.
Nein, ich meine, wieso bist du happy?
Ich hab es in die Schulmannschaft geschafft. Genau wie meine besten Freunde.
Gratuliere.
Danke. Du bist in meinem Englischkurs, stimmt's?
Ja.
Du hast am ersten Schultag roten Lippenstift getragen.
Ich starrte auf meine orangefarbenen Ballerinas.
Daran erinnere ich mich. (Duffy)
Echt? (Ich, mit etwas zittriger Stimme)
Jepp.
Wow. Gutes Gedächtnis.
Ja, und als du gelächelt hast –
Was dann? (Ich wusste, dass er auf mich steht! Ich konnte es nicht erwarten, Audri davon zu erzählen.)
Du hattest das Zeug über den ganzen Zahn verschmiert. Es sah aus, als hätte dir jemand auf den Mund geschlagen.
Oh.
Normalerweise hätte ich jetzt am liebsten losgeheult und wäre gestorben, um dann wiedergeboren zu werden und noch etwas mehr zu schluchzen und dann erneut zu sterben. Aber die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen verriet mir, dass er vermutlich nicht erwartete, dass alle Menschen perfekt waren.
Wie wär's mit einem Deal? (Ich)
Was für einen?
Wenn du versprichst, es mir das nächste Mal zu sagen, wenn ich Lippenstift am Zahn habe, werde ich dir sagen, wenn du Pinkelflecke auf der Jeans hast.
Er lachte und dann stellte er sich vor. Ich tat dasselbe.
Nett, dich kennenzulernen, Sheridan.
Das brachte mich zum Lächeln, denn es war wirklich Sheridan, die er kennengelernt hatte. Und er schien sie zu mögen.
Ach, übrigens. (Duffy, der seine Schließfachtür anstarrte) Du brauchst gar keinen Lippenstift.
Und du keine Jeans. (Ich, die sich sofort die Hand vor den Mund schlägt.) Oh mein Gott, so habe ich das nicht gemeint. Ich weiß nicht einmal, wie ich es gemeint habe.
Wer’s glaubt. (Duffy, der sich abwendet und so tut, als glaube er mir kein Wort.)
Oh, die...