Harris | Angst | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Harris Angst


1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-641-07055-7
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-641-07055-7
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der beklemmend aktuelle Thriller von Bestsellergarant Robert Harris
Für die Öffentlichkeit ist er ein Unbekannter, aber in den geheimen inneren Zirkeln der Superreichen ist Alex Hoffmann eine lebende Legende - ein visionärer Wissenschaftler, der eine Software entwickelt hat, die an den Börsen der Welt Milliardengewinne erzielt. Nun hat es jemand auf ihn abgesehen, und es beginnt für ihn eine albtraumhafte Zeit aus Angst und Schrecken. Kann er die Geister, die er rief, wieder loswerden? Oder stürzt er unaufhaltbar in den Abgrund - und mit ihm die Finanzmärkte der Welt?

Robert Harris wurde 1957 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Seine Romane 'Vaterland', 'Enigma', 'Aurora', 'Pompeji', 'Imperium', 'Ghost', 'Titan', 'Angst', 'Intrige', 'Dictator', 'Konklave', 'München', 'Der zweite Schlaf', 'Vergeltung' und zuletzt 'Königsmörder' wurden allesamt internationale Bestseller. Seine Zusammenarbeit mit Roman Pola?ski bei der Verfilmung von 'Ghost' ('Der Ghostwriter') brachte ihm den französischen 'César' und den 'Europäischen Filmpreis' für das beste Drehbuch ein. Die Verfilmung von 'Intrige' - wiederum unter der Regie Pola?skis - erhielt auf den Filmfestspielen in Venedig 2019 den großen Preis der Jury, den Silbernen Löwen. Robert Harris lebt mit seiner Familie in Berkshire.
Harris Angst jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Zwei

Ein Gran in der Wage kann den Ausschlag geben, welches Individuum fortleben und welches zu Grunde gehen […] soll.

Charles Darwin
Die Entstehung der Arten, 1859

An nichts von dem, was danach geschah, konnte Hoffmann sich erinnern – keine Gedanken oder Träume störten seinen sonst ruhelosen Geist. Bis er schließlich in all dem Nebel – wie eine flache Landzunge am Ende einer langen Reise – allmählich wieder Sinneseindrücke wahrnahm: eisiges Wasser, das ihm am Hals und dann den Rücken hinunterlief, ein kalter Druck auf der Schädeldecke, ein stechender Schmerz im Kopf, ein mechanisches Plappern in den Ohren, der vertraute, süßlich durchdringende Duft des Parfüms seiner Frau. Er begriff, dass er auf der Seite lag und etwas sanft auf seine Wange drückte. Er spürte einen Druck auf seiner Hand.

Er öffnete die Augen und sah nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt eine weiße Plastikschale, in die er sich sofort übergab. Die Fischpastete vom Vorabend hinterließ einen säuerlichen Geschmack in seinem Mund. Er würgte und übergab sich noch einmal. Die Schale verschwand. Ein grelles Licht leuchtete erst in das eine, dann in das andere Auge. Man wischte ihm Nase und Mund ab, ein Glas Wasser wurde ihm gegen die Lippen gedrückt. Patzig wie ein Baby stieß er es erst weg, nahm es dann doch und trank es aus. Dann öffnete er die Augen wieder und schaute sich blinzelnd seine neue Welt an.

Er lag in stabiler Seitenlage auf dem Boden des Hausflurs, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Im Fenster blitzte ein Blaulicht wie ein endloses Gewitter, aus einem Funkgerät drang unverständliches Geplapper. Neben ihm kniete Gabrielle und hielt seine Hand. Sie lächelte und drückte seine Finger. »Gott sei Dank«, sagte sie. Sie trug Jeans und Pullover. Er stützte sich auf einen Ellbogen und schaute sich verwirrt um. Ohne Brille sah er alles leicht verschwommen: zwei Sanitäter, die sich über einen Koffer mit glänzenden Apparaturen beugten; zwei uniformierte Gendarmen, einer stand mit dem plärrenden Funkgerät am Gürtel neben der Tür, der andere kam gerade die Treppe herunter; ein weiterer Mann – müdes Gesicht, in den Fünfzigern, dunkelblaue Windjacke, weißes Hemd mit dunkler Krawatte – musterte Hoffmann mit distanzierter Anteilnahme. Alle waren angezogen, nur Hoffmann nicht, und plötzlich erschien es ihm von äußerster Wichtigkeit, dass auch er sich anzog. Aber als er versuchte, sich weiter aufzurichten, versagten ihm die Arme. Ein stechender Schmerz fuhr ihm durch den Schädel.

Der Mann mit der dunklen Krawatte sagte: »Kommen Sie, ich helfe Ihnen.« Er trat auf ihn zu und streckte die Hand aus. »Inspektor Jean-Philippe Leclerc, Polizei Genf.«

Einer der Sanitäter nahm Hoffmanns anderen Arm, und zusammen mit dem Inspektor zog er Hoffmann in die Höhe. An der Stelle, wo sein Kopf an der cremefarbenen Wand gelehnt hatte, blieb ein federartiger Blutfleck zurück. Auf dem Boden war noch mehr Blut – in schmierigen Streifen, als ob jemand darin ausgerutscht wäre. Hoffmanns Knie knickten ein. »Ich habe Sie«, versicherte ihm Leclerc. »Tief durchatmen. Lassen Sie sich Zeit.«

»Er muss ins Krankenhaus«, sagte Gabrielle besorgt.

»Der Krankenwagen ist in zehn Minuten da«, sagte der Sanitäter. »Er wurde aufgehalten.«

»Warum warten wir nicht da drin?«, schlug Leclerc vor. Er öffnete die Tür, die in den kühlen Salon führte.

Hoffmann wollte sich nicht hinlegen. Nachdem er sich aufs Sofa gesetzt hatte, ging der Sanitäter in die Hocke und hielt seine Hand vor Hoffmanns Gesicht.

»Wie viele Finger sehen Sie?«

Hoffmann sagte: »Kann ich meine …?« Wie hieß das Wort? Er zeigte auf seine Augen.

»Er braucht sein Brille«, sagte Gabrielle. »Hier, Liebling.« Sie schob ihm die Brille auf die Nase und küsste ihn auf die Stirn. »Immer schön langsam, okay?«

»Können Sie jetzt meine Finger sehen?«, fragte der Sanitäter.

Hoffmann zählte sorgfältig. Bevor er antwortete, fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. »Drei.«

»Und jetzt?«

»Vier.«

»Wir müssen Ihren Blutdruck messen, Monsieur.«

Hoffmann saß friedlich da, während man ihm den Pyjamaärmel hochkrempelte, die Plastikmanschette um den Bizeps legte und sie aufpumpte. Der Kopf des Stethoskops fühlte sich auf seiner Haut kalt an. Sein Gehirn schaltete Stufe um Stufe wieder in die Gegenwart zurück. Systematisch ging er die Einrichtung des Zimmers durch: die blassgelben Wände, die mit weißer Seide bezogenen Polstersessel und Chaiselongues, der Bechstein-Stutzflügel, die leise tickende Louis-Quinze-Uhr auf dem Kaminsims, die dunklen Grautöne der Auerbach-Landschaft darüber. Vor ihm auf dem Couchtisch stand eines von Gabrielles frühen Selbstporträts: ein 50-mal-50-Zentimeter-Kubus, der sich aus hundert Mirogard-Glasplatten zusammensetzte, auf die sie mit schwarzer Tinte die Schichtbilder einer Kernspintomografie ihres eigenen Körpers nachgezeichnet hatte. Die Wirkung war die eines fremdartigen, verletzlichen, in der Luft schwebenden außerirdischen Wesens. Hoffmann schaute es an, als sähe er es zum ersten Mal. Und da war noch etwas, woran er sich eigentlich hätte erinnern müssen. Was war das? Es war eine neue Erfahrung für ihn, eine bestimmte Information nicht sofort abrufen zu können. Als der Sanitäter seine Arbeit beendet hatte, fragte er Gabrielle: »Hast du heute nicht noch etwas Besonderes vor?« Er legte die Stirn in Falten, während er angestrengt das Chaos seines Gedächtnisses durchforstete. »Ich weiß«, sagte er schließlich erleichtert. »Deine Ausstellung.«

»Ja, aber die sage ich ab.«

»Nein, kommt gar nicht infrage, nicht deine erste Ausstellung.«

»Gut«, sagte Leclerc, der in einem der Sessel saß und Hoffmann beobachtete. »Das ist sehr gut.«

Hoffmann drehte sich langsam um und schaute ihn an. Bei der Bewegung schoss ihm wieder ein krampfhafter Schmerz durch den Kopf. Er musterte Leclerc. »Gut?«

»Es ist gut, dass Sie sich erinnern können.« Der Inspektor hob ermunternd den Daumen. »Was ist das Letzte von heute Nacht, woran Sie sich erinnern können?«

Gabrielle unterbrach ihn. »Ich glaube, erst sollte sich ein Arzt Alex anschauen, bevor er irgendwelche Fragen beantwortet. Er braucht jetzt Ruhe.«

»Das Letzte, woran ich mich erinnere?« Hoffmann dachte sorgfältig darüber nach, so als versuchte er, ein mathematisches Problem zu lösen. »Ich schätze, das war, als ich wieder ins Haus gegangen bin. Er muss hinter der Tür auf mich gewartet haben.«

»Er? Es war nur ein einziger Mann?« Leclerc öffnete den Reißverschluss seiner Windjacke und kramte aus irgendeinem verborgenen Schlupfwinkel ein Notizbuch hervor, neigte sich in seinem Sessel etwas zur Seite und brachte noch einen Stift zum Vorschein. Dabei schaute er Hoffmann die ganze Zeit über aufmunternd an.

»Soweit ich weiß, ja. Nur einer.« Hoffmann fasste sich an den Hinterkopf. Er ertastete einen stramm sitzenden Verband. »Womit hat er mich niedergeschlagen?«

»So wie es aussieht, mit einem Feuerlöscher.«

»Mein Gott. Wie lange war ich bewusstlos?«

»Fünfundzwanzig Minuten.«

»Nur?« Hoffmann kam es vor, als wäre er stundenlang bewusstlos gewesen. Als er zum Fenster schaute, sah er, dass es noch dunkel war. Auf der Louis-Quinze-Uhr war es noch keine fünf Uhr. »Ich habe nach dir gerufen«, sagte er zu Gabrielle. »Das weiß ich auch noch.«

»Stimmt, ich habe dich gehört. Ich bin die Treppe runter und habe dich gefunden. Die Haustür stand offen. Und dann war auch schon gleich die Polizei da.«

Hoffmann schaute wieder zu Leclerc. »Haben Sie ihn geschnappt?«

»Leider war er schon weg, als unsere Streife eingetroffen ist.« Leclerc blätterte in seinem Notizbuch zurück. »Merkwürdig. Sieht so aus, als wenn er einfach durchs Tor rein- und dann wieder rausmarschiert ist. Obwohl man, wenn ich das richtig verstehe, zwei Codes braucht, um erst das Tor und dann die Haustür zu öffnen. Ich frage mich, ob Sie diesen Mann vielleicht irgendwoher gekannt haben. Ich gehe mal davon aus, dass Sie ihm nicht aufgemacht haben.«

»Ich habe ihn noch nie im Leben gesehen.«

»Ah.« Leclerc machte sich eine Notiz. »Dann konnten Sie ihn also ganz gut erkennen?«

»Er war in der Küche. Ich habe ihn durchs Fenster beobachtet.«

»Ich verstehe nicht. Sie waren draußen, und er war drinnen?«

»Ja.«

»Entschuldigung, aber wie ist das passiert?«

In anfänglich stockenden Worten, mit zurückkehrender Kraft und Erinnerung aber immer flüssiger, berichtete Hoffmann, was passiert war: wie er ein Geräusch gehört hatte, nach unten gegangen war, die ausgeschaltete Alarmanlage entdeckt und die Tür geöffnet hatte, wie er die Stiefel und das aus einem Erdgeschosszimmer in den Garten fallende Licht gesehen hatte und wie er dann am Haus entlanggegangen war und den Einbrecher durchs Fenster beobachtet hatte.

»Können Sie ihn beschreiben?« Leclerc schrieb schnell mit und hatte kaum eine Seite vollgeschrieben, als er schon zur nächsten blätterte und weiterschrieb.

»Alex«, sagte Gabrielle.

»Schon gut, Gabby«, sagte Hoffmann. »Wenn sie den Dreckskerl schnappen sollen, dann brauchen sie unsere Hilfe.« Er schloss die Augen. Er sah den Mann deutlich vor sich – fast zu deutlich, wie er mit seinen wilden Augen durch die hell...


Harris, Robert
Robert Harris wurde 1957 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Seine Romane »Vaterland«, »Enigma«, »Aurora«, »Pompeji«, »Imperium«, »Ghost«, »Titan«, »Angst«, »Intrige«, »Dictator«, »Konklave«, »München«, »Der zweite Schlaf«, »Vergeltung« und zuletzt »Königsmörder« wurden allesamt internationale Bestseller. Seine Zusammenarbeit mit Roman Polanski bei der Verfilmung von »Ghost« (»Der Ghostwriter«) brachte ihm den französischen »César« und den »Europäischen Filmpreis« für das beste Drehbuch ein. Die Verfilmung von »Intrige« – wiederum unter der Regie Polanskis – erhielt auf den Filmfestspielen in Venedig 2019 den großen Preis der Jury, den Silbernen Löwen. Robert Harris lebt mit seiner Familie in Berkshire.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.