Harper | DIE NÄCHTE DER WEISSEN LILIE | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 262 Seiten

Harper DIE NÄCHTE DER WEISSEN LILIE

Der Krimi-Klassiker!
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7438-7812-9
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Der Krimi-Klassiker!

E-Book, Deutsch, 262 Seiten

ISBN: 978-3-7438-7812-9
Verlag: BookRix
Format: EPUB
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Mein Blick glitt über die Gesichter. Dabei vermied ich sorgfältig, die große rothaarige Frau anzusehen, deren voller, etwas feuchter Mund mehrmals fast auffordernd zu mir hingelächelt hatte. Sie fiel etwas aus dem Rahmen, woran vielleicht nur die Haarfülle und die auffallend grünen Augen schuld waren. An feineren Gesichtern fehlte es nicht, nur dass es mir unmöglich war, sie zu einem Lächeln zu bewegen, zu einem kleinen Zeichen, dass ich willkommen war. Ganz im Gegenteil, gelangweilt saßen die Schönen da wie eine Geheimverbindung von Jungfrauen. Endlich, als ich fast schon aufgab, nickte mir ein betörend blonder Kopf zu, doch gerade in diesem Augenblick trat jemand neben mich, und eine etwas heisere Stimme sprach über meine Schulter hinweg: 'Laden Sie mich zu einem Martini ein?' Licht und Schatten von New York sind die Kulissen dieses außergewöhnlichen Thrillers... und Frank Harper ist in dieser Umgebung keinesfalls der trockene Mathematiker des kriminalistischen Einmaleins: Er formt mit seiner lebendigen Sprache - und oft mit feinem Humor - die Figuren der Handlung zu realen Menschen und Charakteren. Die Nächte der weißen Lilie - ein düsteres, spannungsgeladenes Meisterwerk aus der Feder von Frank Harper!

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  Zweiter Teil
      Meine Idee, auch Amys Freunde und Verwandten auszufragen, lehnte FBI-Agentin Nummer m ab. Sie zog ihre eigenen Methoden vor, die darin bestanden, von diesem Abend an den Palast von Latham James unter Beobachtung zu halten. Vor allem interessierte sie sich für Lyle. So saßen wir, wie schon einmal, in meinem geparkten Wagen vor der Sowjetbotschaft und starrten auf die hellerleuchtete Straße. Die Straße mit der Kunsthandlung Duveen an der einen und der grandiosen Residenz der Familie James an der anderen Ecke war mir nun schon hinlänglich bekannt, doch erst am Abend schufen die Lichter, die Baldachine und die Portiers in Livree darunter, das Dunkel des nahen Parks und selbst der weiße Pudel, der von einem Diener am Park entlang spazieren geführt wurde, einen unvergleichlichen Eindruck von Reichtum und Pracht. Übrigens war im James-Palast nur die große Küche im Keller beleuchtet, und darin sah ich die alte Helen mit mehreren Kupfertöpfen am Herd hantieren. Sicher kochte die schwarzhäutige Fee aus Louisiana etwas Gutes. Ich spürte den Duft von southern fried chicken, meinem Leibgericht. Davon abgesehen geschah nichts. »Übrigens vielen Dank für die Rosen«, sagte ich gereizt zu Carlotta. »Es war zu aufmerksam von Ihnen!« »Hat es gewirkt?« »Gewiss, Es hat sie verärgert.« Das war nicht ganz wahr, doch Amys erste Reaktion war Arger gewesen. »Erzählen Sie mir das nicht! Blumen verärgern niemand, nicht einmal mich. Mir schicken Sie allerdings nie welche.« »Meiner Schwester werde ich doch keine Blumen schicken! Niemand glaubt übrigens, dass Sie meine Schwester sind.« »Dabei muss es aber bleiben.« Nichts geschah bis gegen neun Uhr. Um diese Zeit fuhr vor der James-Residenz ein Taxi vor, dem Paul Lalonde entstieg, dieses Mal im Smoking. Gleich darauf wurde es hell über dem Portal, und Amy glitt auf die Straße. Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich die beiden in das Taxi steigen sah. Vielleicht war ich genauso eifersüchtig wie Lalonde. Eine weitere halbe Stunde, in der nichts geschah, verging. »Ist das Lyle?«, fragte Carlotta plötzlich und deutete auf den blonden Menschen, der sich in diesem Augenblick aus einem Seitenausgang des Hauses auf die Straße schlich. Dort blickte er sich um, als suchte er jemanden. Im nächsten Augenblick lief er quer über die Straße genau auf meinen Wagen zu. Ich stellte die Scheinwerferlampen an. Sie blendeten ihn, so dass er weder mich noch Carlotta sehen oder gar erkennen konnte. In dem gleißenden Licht sah ich ihn umso besser. Es lag nicht nur an dem Licht, dass er erschreckend aussah. Das Haar hing ihm in Strähnen in die Stirn. Besessenheit war in seinen Augen. Sein Gesicht schien älter als das von Geraldine James. Er war offensichtlich nicht normal, und es war schwer zu glauben, dass er im vornehmsten Hause dieser vornehmen Straße zu Hause war. Erst jetzt, als er wieder aus dem Scheinwerferlicht verschwand, erkannte ich, dass er gar nicht auf meinen Wagen zugelaufen war, sondern auf eine Frau, die in der Nähe der Sowjetbotschaft stand. Es war eine elegante Frau mit einem schönen, doch etwas harten Gesicht. »Die habe ich schon einmal irgendwo gesehen«, flüsterte ich Carlotta zu. »Ja, in der Zebra-Bar. Sie heißt Nikki.« »Die Frau, mit der sich Harry Kan eine Stunde vor seinem Tod getroffen hat?« Carlotta ließ das Fenster herab. Bis auf einige Worte, die uns entgingen, vernahmen wir folgendes Gespräch: »Hast du die zehn Gramm?«, fragte Lyle. »Das Gramm kostet 50 Dollar. Hast du das Geld?« »Ich habe den Scheck.« »Deine Schecks sind nichts wert, Liebling. Du musst bar bezahlen. 500 Dollar für zehn Gramm.« »Komm. Hier kann man uns sehen...« Er ergriff sie beim Arm und zog sie fort. Es kostete mich eine Minute, bis ich meinen Cadillac aus der Reihe der geparkten Wagen herausgesteuert hatte, und als ich schließlich losfuhr, hatten die beiden schon die 5th Avenue überquert und den Parkeingang erreicht. Sie gingen der Mall zu. Ich überholte sie, wendete den Wagen und fuhr langsam zu der Stelle zurück, wo sie stehengeblieben waren. Dort war es sehr dunkel, und ich konnte darauf bauen, nicht gesehen zu werden, als ich hielt. Es war sehr still und sehr dunkel, und der einzige Laut in dieser Stille war mein Herzschlag. Jetzt vernahmen wir die Fortsetzung des Gesprächs. »Mach keine Sachen, Liebling. Ich habe das Geld in bar für dich ausgelegt, und du musst es mir zurückgeben.« »Ich gebe es dir ja zurück«, sagte Lyle. »Es muss gleich sein. Du bekommst nichts, bevor ich nicht das Geld habe.« »Traust du mir nicht?« »Nein, mein Liebling. Dir kann man nicht trauen.« »Nenn mich nicht mein Liebling. Merk dir, dass ich zu allem fähig bin, wenn ich das Dope nicht bekomme. Ich spaße nicht.« »Du brauchst nur zu bezahlen.« »Ich habe kein Geld. Man gibt mir ja nichts mehr!« »Ohne Geld geht's nicht.« »Überleg dir's, Nikki.« »Da gibt's nichts zu überlegen.« »Nein?« Plötzlich schlug Lyle der Frau mit dem Handrücken ins Gesicht. »Lass mich sofort gehen!«, schrie sie. »Wo sind die zehn Gramm?« Im Dunkeln sah ich gerade nur, dass er nach ihrer Kehle griff. Ich konnte sie auch röcheln hören, und dann sah ich sie nach rückwärts fallen. Während sie fiel, entriss er ihr die Handtasche aus Krokodilleder, die er jetzt hastig zu durchsuchen begann. In dem Augenblick, als ich die Scheinwerfer aufleuchten ließ, warf Lyle die Handtasche fort. Wild um sich starrend, lief er zur 5th Avenue zurück. Ich blickte auf Carlotta. »Wir müssen wohl Nikki helfen?« »Helfen? Dieser elenden Person, die mit Dope hausiert?« Ich gab Gas und jagte hinter Lyle her, den ich am Parkausgang in ein Taxi springen sah. Es hatte mich etwas erschüttert, dass Carlotta es fertigbrachte, die Frau, die rückwärts ins Gebüsch gefallen war, liegenzulassen. Was wir mit angesehen hatten, war einem Mord sehr nahegekommen, und das Gefühl, hinter einem Mörder herzujagen, hatte mich gepackt. Als wir die 110. Straße passierten, dort wo der Park endete, begann ich mich zu wundern, wohin die Fahrt eigentlich ging. Dies war Harlem. Fast ohne Übergang hatte sich die 5th Avenue, die man die reichste Straße der Welt nennt, in die ärmste und schäbigste verwandelt, mit Haufen von Unrat und Abfällen, in denen Ratten vor den baufälligen Häusern wühlten. Ich folgte dem Taxi, das in die 134. Straße einbog, dem berüchtigten Loch des Negerviertels. Jetzt ahnte ich, was Lyle hier suchen mochte: Morphium. Gleich nach dem Krieg hatte er damit begonnen, die Spelunken des »Lochs« aufzusuchen. Kurz vor der Ecke der Lenox Avenue, in der Nähe von Smalls Paradies, hielt das Taxi. Hinter dem wartenden Taxi parkte ich erst, nachdem Lyle in einer der vielen Bars verschwunden war. In welcher, konnte ich nicht sagen. Ich ließ keine der vielen Bars aus den Augen. Jede von ihnen war grell erleuchtet, und vor jeder standen Scharen von Negern. Sie starrten auf die Mädchen, die um die Laternen strichen oder sich um die Karren drängten, an denen Krebse verkauft wurden. Die Mädchen bissen in die roten Krebsschalen und sogen das Fleisch heraus. Achtlos warfen sie die Schalen weg. Die ganze Straße stank nach Krebsen. Carlotta griff in meine Tasche nach den Camels. »Wenn er kein Geld hat, wird er auch hier kein Dope bekommen.« »Wer weiß?« Ich rieb ein Zündholz für sie an. »Es ist ja nicht unmöglich, dass man ihm hier Kredit gibt.« »Kredit in diesen Spelunken?« Denken konnte ich nicht. Dazu war ich zu sehr aufgewühlt von der Tatsache, dass Lyle mit Nikki bekannt war, die zu Harry Kan in Beziehungen gestanden hatte. War Lyle vielleicht auch mit Kan bekannt gewesen? Lange brauchten wir nicht warten, und es kam ärger, als wir befürchtet hatten. Die Tür einer der Bars flog auf. Ein paar Neger erschienen, die Lyle gepackt hatten. Er war kreidebleich, seine Augen waren schwärzlich verfärbt von Schlägen. Trotz allem hatte ich das Gefühl, ihm zu Hilfe eilen zu müssen, als er auf die Straße geworfen wurde, und zwar mit solcher Heftigkeit, dass ich seinen Körper gegen eine Hauswand krachen hörte. Er blieb unter den Fensterscheiben von Smalls Paradies liegen, hinter denen etwas von der Schau drinnen auf der Bühne zu sehen war: drei halbnackte Tänzerinnen im Jazztempo. Es sah so aus, als ob die Füße der Tänzerinnen auf seinen flach hingestreckten Körper stampften. »Ein Fläschchen Whisky haben Sie wohl nicht bei sich, Al?« »Leider nicht, Hohokus. Nur mein Riechfläschchen. Manchmal hilft's.« »Mir nicht.« Es war der Fahrer des Taxis, der Lyle schließlich half, sich aufzurichten. Taxifahrer wissen ja immer alles, und möglicherweise wusste er, dass es der entmündigte Erbe der James Milliarden war, dem er in den Wagen zurückhalf. Abermals folgte ich dem Taxi. Es ging denselben Weg zurück, den wir gekommen waren, die 5th Avenue hinunter. An der 110. Straße verließen wir Harlem, und ich atmete auf. Wenige Minuten später sah ich ein, dass zum Aufatmen kein Grund bestand.                     Lyle hatte Geld genug, den Fahrer zu entlohnen, als das Taxi vor der James-Residenz hielt. Er ging auch auf das Portal zu, wandte sich aber plötzlich wieder ab und ging langsam weiter. Vor dem-Sanatorium von Dr. Ross blieb er...



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