E-Book, Deutsch, 241 Seiten
Harper DIE MORDE DER SCHWARZEN ROSE
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7438-7828-0
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Krimi-Klassiker!
E-Book, Deutsch, 241 Seiten
ISBN: 978-3-7438-7828-0
Verlag: BookRix
Format: EPUB
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Noch vor kurzer Zeit war ich ein Sportberichterstatter beim New York Globe. Meine Fähigkeiten weit überschätzend, beschloss Bob Gordon, mein Chef, mich mit der Berichterstattung über die sogenannten Schwarze-Rose-Morde zu betrauen, die so sehr an die längst vergangenen Morde von Jack the Ripper erinnerten. Wie jedermann weiß, muss ein Reporter ausgesprochen abgebrüht sein, hardboiled, wie die Amerikaner sagen - hartgesotten. Ich verfügte nicht über diese Eigenschaft. Ich hatte Nerven, und ich will sogar eingestehen, dass mir die Sache nichts als Angst einflößte, nackte Angst, und das ist zweifellos eine lächerliche Einstellung für einen Reporter. Nun, das werden Sie selbst bemerken, sobald Sie meine Aufzeichnungen lesen... Mit seinem meisterhaften Psycho-Thriller Die Morde der Schwarzen Rose fügt Frank Harper dem Mythos um Jack the Ripper ein neues, atemberaubendes Kapitel hinzu. Die Morde der Schwarzen Rose - ein düsteres, spannungsgeladenes Meisterwerk aus der Feder von Frank Harper!
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Zweiter Teil
Tag und Nacht parkte in meiner Straße eine doppelte Reihe von Wagen, und ich musste mehrmals um den Block herumfahren, bis mir ein abfahrender Wagen Platz machte. Ich wohnte in einem jener vernachlässigten Häuser, die viel typischer für New York sind als die großen Luxusbauten gleich um die Ecke am Central-Park. Mit den Büchern unterm Arm stapften wir die Treppe hinauf. Meine Wohnung lag im dritten Stock. Vor der Tür angelangt, läutete ich. »Haben Sie eigentlich einen Diener oder wem läuten Sie?« »Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich tue«, stöhnte ich, nach den Schlüsseln suchend. Nebel wallten in meinem Gehirn, und in den Nebeln geisterten seltsame Gestalten umher. Jack the Ripper... der Cowboy Peter Bragg... ein Männchen namens Atherton... der Filmschauspieler Edgar Swede... In meiner Wohnung drehte ich alle Lampen an. Das Zimmer schien riesig, da ich die ganze Einrichtung, das Bett, die Kommode, die Regale, die Stühle und den unvermeidlichen Fernsehapparat an die Wände geschoben hatte. Ich brauchte viel Platz, um auf und ab zu laufen. »Bitte, machen Sie sich's bequem«, sagte ich, verärgert, weil ich nachgegeben hatte. Die Bemerkung war unangebracht. Mit der Begabung fast aller Frauen, sich in fremden Wohnungen sogleich heimisch zu fühlen, hatte Cleo Moore bereits Beschlag auf das Zimmer gelegt. Bis auf die Leselampe auf dem Tisch drehte sie die Lampen wieder aus. Dann ging sie daran, mir das Bett zu machen. Sie schlug die Steppdecke zurück und legte die Kissen zurecht. »Legen Sie sich ins Bett«, sagte sie und warf mir meinen Pyjama zu. »Ich gebe Ihnen zehn Minuten, damit Sie sich auskleiden und baden können. Wo ist die Küche?« »Nebenan.« Ich warf mein Jackett ab. Für drei Minuten streckte ich mich auf dem Bett aus und schloss die Augen, bis mich Geräusche aus der Küche in die Höhe rissen. Da war ein Geklapper von Töpfen, und Wasser lief aus der Leitung. Bald darauf nahm ich das Aroma von Kaffee wahr. Ich ließ die Beine vom Bett gleiten. »Für mich auch. Schwarz«, rief ich, mich erhebend. Ich krempelte mir die Hemdärmel auf. Vor dem Tisch rückte ich die beiden Lederstühle zurecht. Ich saß schon, als Cleo Moore mit dem Kaffee kam. Der Lederstuhl knirschte, als sie darauf Platz nahm. Sie begann, ihren Kaffee zu schlürfen. Ein Tropfen davon blieb an ihrem bemalten Munde hängen. Ihr Gesicht war unabgeschminkt, und eine Flut roten Haares hing ihr bis auf die Schultern herab. Sie gemahnte mich an eine große rote Hyazinthe. »Welcher Band ist es?«, fragte sie. »Band eins.« Sie schlüpfte mit ihren Füßen aus den Schuhen, wie um sich auf eine lange Nachtsitzung vorzubereiten. »Wissen Sie auch die Seite?« »Seite hundertdreiundfünfzig.« Auf einmal ging es mir durch den Kopf, dass unzählige Männer jeden Betrag dafür gegeben hätten, mit dieser Frau die Nacht zu verbringen. Ich schlang meinen Arm um sie und zog sie an mich. Sie nahm es mir nicht übel, dass ich sie herzhaft auf den Mund küsste. Ihre Lippen waren weich und nachgiebig. »Auf gute Freundschaft«, sagte ich. »Für Freundschaft bin ich immer zu haben.« Mit festem Griff bog sie meinen Kopf zurück. Ihre Augen blieben offen, als sie mich küsste, aus Freundschaft. Sie blickten mich dabei an, kalt wie grüne Steine. »Darf ich jetzt zu lesen beginnen?«, fragte sie und zog ihr Zigarettenpäckchen hervor. Ich nahm das Buch. »Wir können beide lesen.« Es war gegen drei Uhr morgens, als Cleo Moore und ich in unserer Lektüre eine Pause einlegten. Unsere Augen tränten vor Überanstrengung. Wir hatten die ersten fünfzig Seiten des Kapitels gelesen, das sich mit den Untaten von Jack the Ripper beschäftigte, wir konnten nicht mehr. »Bitte Kaffee«, sagte sie. Ich setzte in der Küche noch einmal Wasser auf. Bedächtig häufte ich den Kaffee in die Karlsbader Kaffeemaschine, und als ich ihn mit kochendem Wasser aufgoss, wurde mir klar, dass nur jemand, der mit dem Fall von Jack the Ripper so vertraut war, wie der Schreiber dieses Buches, die Schwarze-Rose-Morde begangen haben konnte. Das Kapitel, das auf Seite 153 begann, trug die Überschrift: Wer war Jack the Ripper? Es war mit beinahe wissenschaftlicher Gründlichkeit abgefasst und in mehrere Teile eingeteilt: a) die persönlichen Aufzeichnungen des Autors, b) der Tatbestand, c) zahlreiche zeitgenössische Zeitungsstimmen und d) der Bericht des einzigen Augenzeugen, der den Ripper gesehen hatte, die Aussage des Obsthändlers William Parker. Gleich am Anfang ging Atherton auf die Rolle ein, die er selbst in dem grausigen Drama gespielt hatte. Der Verfasser von Die Kunst zu Morden war damals Student in London gewesen und hatte mit einer Gruppe von anderen Studenten Scotland Yard geholfen, in den Straßen Whitechapels nach Jack the Ripper zu fahnden. Er war also dabei gewesen und wie selten ein Autor dazu berufen, den berühmtesten Mordfall aller Zeiten für die Nachwelt niederzuschreiben. Auffallend war, dass sein Interesse vor allem der Frage zu gelten schien, wer Jack the Ripper - der bekanntlich nie gefasst wurde - gewesen war. Ähnlich, wie man sich heute über die Persönlichkeit des Schwarze-Rose-Mörders den Kopf zerbrach, erging Atherton sich in allen möglichen Vermutungen über den Ripper. Ein Bildhauer, der Anatomie studiert hatte? Ein Arzt, der aus einem Irrenhaus entwichen war? Ein verkommener Mann, der sich an den Frauen rächen wollte, weil eine von ihnen ihn ins Unglück gestürzt hatte? All diese Möglichkeiten verneinte der Autor. Er vertrat die Meinung, dass Jack the Ripper ein Student war, vielleicht sogar von der East London Universität, an der Atherton selbst studierte. Whitechapel, wo die Morde geschahen, war zu jener Zeit die übelste Gegend der Welt: enge Gassen, starrend vor Schmutz, schmutzige Geschäfte, in denen Diebesgut feilgeboten wurde... Viele der verkommenen Häuser hatten nicht einmal Fenster. Nachts lauerte männliches und weibliches Gesindel an den Straßenecken, und streng organisierte Banden wie die »Blinden Bettler« streiften auf der Suche nach Opfern umher. Oft vernahmen die verängstigten Bewohner gellende Hilfeschreie. Über Morde regte sich in dieser Gegend niemand besonders auf. Doch der Mord, der sich am 7. März 1888 in der Osborne Street zutrug, entsetzte selbst die Verbrecher von Whitechapel. Im Torweg einer Fabrik hatte ein Polizist den furchtbar zugerichteten Leichnam einer Frau gefunden, die unter dem Namen »Betty mit dem Silberblick« bekannt war. Ihr Herz war - wie Atherton sich ausdrückte - »kunstvoll entfernt«. Im Torweg entdeckte man einen Männerhandschuh, den der Mörder offenbar verloren hatte. Es war ein schwarzer Glacéhandschuh. Er stammte aus einem der teuersten Geschäfte Londons. Morde, die den in der Osborne Street noch an Grausamkeit übertrafen, ereigneten sich am 19. März, am 11. April und am 25. Mai. Nach dem fünften Mord am 20. Juni, der an einer gewissen Emma Smith begangen wurde, fand man die höhnende Botschaft, die - Jahrzehnte später - auch der Mörder Irene Alisons im Central-Park von New York hinterlassen hatte: »Dies ist nur der Anfang. Ich muss alle umbringen. Jack the Ripper.« Jetzt hatte man wenigstens einen Namen für den Mörder. Doch der Name war alles. Mehr hafte man nicht, von dem schwarzen Glacéhandschuh abgesehen. Jack the Ripper blieb ein Phantom, ungreifbar wie der Nebel in den Gassen Whitechapels. Der nächste Mord geschah am 9. Juli. Alle Opfer von Jack the Ripper führten einen zweifelhaften Lebenswandel, und fast alle... schielten. Es war aufregend, es war erschütternd, dass Jahrzehnte später der Mörder der Schwarzen Rose selbst in der Auswahl seiner Opfer Jack the Ripper nachahmte. Panik hatte Whitechapel befallen. Leute, die das Geld dafür aufbringen konnten, ließen sich schwere Eisenriegel an den Türen anbringen. Fast die gesamte Polizei von Scotland Yard wurde nach Whitechapel beordert. Viele Polizisten trugen Frauenkleidung und mischten sich unter die zweifelhaften Frauen des Viertels. Die Blinden Bettler hatten mit der Polizei nun Waffenstillstand geschlossen und nahmen an der Jagd auf den Ripper teil. Die Polizei kam sogar auf die Idee, Emma Smiths Augäpfel fotografieren zu lassen, in der Hoffnung, dass das Abbild des Mörders noch in den Pupillen sichtbar sein könnte. Auf über vierzig Seiten beschrieb Atherton jeden der Morde, nicht das geringste Detail war ausgelassen, und immer wieder wurde auf kunstvolle Sezierung der Leichen hingewiesen. Es folgten die Zeitungsberichte aus dem Jahr 1888, meistens der London Times entnommen. Einige davon seien hier wiedergegeben: London, 5. September. Gestern Nachmittag versammelten sich über fünftausend Personen im Victoria-Park. Sie fassten den Beschluss, dem Polizeiüberhaupt, Sir Charles Warren, den Rücktritt nahezulegen. Vom Innenminister wurde verlangt, er solle einen fähigen Mann einsetzen. Der Massenmörder, der in dieser sonst so zivilisierten Stadt sein Unwesen treibt, müsse zur Aburteilung gebracht werden, heißt es in einer Eingabe, die der Königin Victoria überreicht wurde. Eine andere Zeitungsstimme erklärte: London, 11. September. An die Schriftleitung der Times. Unter Bezugnahme auf den Vorschlag, Bluthunde in Whitechapel einzusetzen, erlaube ich mir, als Züchter von Bluthunden, diesem Vorschlag Nachdruck zu verleihen. Vorausgesetzt, dass die Tiere sofort nach...