E-Book, Deutsch, Band 1, 574 Seiten
Reihe: Große Emotionen, weites Land - Die Australien-Romane von Elizabeth Haran
Haran Im Land des Eukalyptusbaums
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-7259-4
Verlag: beHEARTBEAT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 574 Seiten
Reihe: Große Emotionen, weites Land - Die Australien-Romane von Elizabeth Haran
ISBN: 978-3-7517-7259-4
Verlag: beHEARTBEAT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine starke Frau, ein wundervolles Land und ein Neuanfang mit Hindernissen.
1900: Die junge Erzieherin Nola verlässt England, um als Hauslehrerin auf einer Farm in Australien zu unterrichten. Dort wurde jedoch ein Mann erwartet. Der verbitterte Besitzer der Farm sowie sein Verwalter Galen nehmen Nola widerwillig trotzdem auf. Nola muss beweisen, dass sie das raue Leben im australischen Outback meistern kann. Dabei fühlt sich zusehends zu dem attraktiven Galen hingezogen ...
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Elizabeth Haran wurde in Simbabwe/Afrika geboren, als es noch Südrhodesien hieß. In den 1960er-Jahren zog ihre Familie nach England. Später wanderten sie nach Australien aus.
Elizabeth Harans erstes Buch wurde im Jahr 2001 veröffentlicht. Seitdem verfasst sie jedes Jahr einen Roman. Für ihre Recherchen reist sie durch ganz Australien und besucht die Orte, die als Kulisse für ihr nächstes Buch dienen. Elizabeth lebt mit ihrer Familie und vielen Tieren an der Küste Südaustraliens. Nach dem Schreiben ist Kochen, vor allem von Curry-Gerichten, ihre zweite Leidenschaft.
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PROLOG
London 1910
Den Brief, den er gerade gelesen hatte, hielt Tilden Shelby noch in der Hand, als er die Fenster seines engen, im ersten Stock gelegenen Büros aufstieß. In der frischen Kühle des Herbstmorgens stieg sein Atem wie Rauch empor, während er zerstreut die gewohnte Betriebsamkeit auf der Oxford Street überblickte. Er hörte kaum die Schritte der Menschenmassen auf dem schmutzigen, nassen Pflaster; in Gedanken war er Tausende Kilometer entfernt. Erst das wütende Fluchen eines Mietkutschers, der seine elegante Kalesche an den Bordstein dirigierte, lenkte Tildens Aufmerksamkeit auf die Straßenszenerie.
Mitten im trüben Londoner Alltag war Tilden gedanklich im Outback Australiens gewesen, das in dem Brief als sonnenverbranntes Land mit riesigen, unerschlossenen Gebieten und endlos blauem Himmel beschrieben wurde. Von diesem entlegenen Kontinent wußte Tilden kaum etwas, weshalb er die detaillierte Schilderung des Absenders genoß, die seine Phantasie beflügelte: gnadenlose Hitze; Dürrezeiten, die manchmal jahrelang andauerten; und die Einsamkeit, mit der nur wenige fertigwurden ...
»O nein. Nicht schon wieder!« stöhnte er plötzlich, als er die Gestalt sah, die der Kutsche am Straßenrand entstieg. Nola Grayson, die den Kopf höher trug als die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen, war kaum zu übersehen. Obwohl sie sich mit natürlicher Grazie bewegte, unterstellte Tilden ihr ein übersteigertes Selbstwertgefühl. Sie arbeitete als Erzieherin und Lehrerin, behielt allerdings kaum eine Stelle länger als ein paar Wochen.
Mit wachsender Panik – und derselben unguten Vorahnung, die er jedesmal empfand, wenn Nola Grayson sein Büro aufsuchte – beobachtete er Nola. Plötzlich versperrte ihr ein junger Mann auf dem Bürgersteig den Weg. Die Neugier hielt Tilden am Fenster, denn der Herr war anscheinend von Adel. Selbst aus dieser Entfernung fielen Tilden der gekräuselte Hemdkragen und der elegante Schnitt seines Schwalbenschwanz-Mantels auf. Ein goldbeschlagener Spazierstock und ein seidener Zylinderhut gehörten ebenfalls zu seiner Ausstattung. Ganz in der Nähe wartete ein Diener neben dem offenen Schlag der auf Hochglanz polierten Phaeton-Kutsche, deren Pferde goldschimmernde Federbüsche trugen. Nola wollte ihren Weg fortsetzen, doch der Herr sprach sie erneut an. Er schien sie geradezu anzuflehen, was Tilden noch mehr wunderte. Wußte dieser junge Mann nicht, was er tat?
Tilden spitzte die Ohren, um dem Wortwechsel zwischen Nola und ihrem vornehmen Freund zu lauschen, doch die Stimmen drangen nur gedämpft zu ihm herauf. Sekunden später riß sie sich los und verschwand im Eingang des Bürogebäudes. Der junge Mann blickte ihr nach, während er das Gesicht kummervoll verzog. Er wirkte untröstlich, als er in seine Kutsche stieg.
Als Tilden Nolas raschen Schritt auf der Treppe hörte, die zu seinem Büro führte, überfiel ihn wieder Panik. Ob er sich in einem Schrank verstecken und die Türen verrammeln sollte? Dann schalt er sich selbst für sein kindisches Verhalten und nahm den Tadel doch gleich wieder zurück, denn Nola Grayson war keine gewöhnliche Vertreterin des schönen Geschlechts. Ihm blieb gerade noch Zeit, hinter seinem Schreibtisch Posten zu beziehen, aber seine Gemütsruhe war dahin, als die Tür geöffnet wurde.
»Guten Morgen, Mr. Shelby«, grüßte Nola nicht besonders herzlich.
Bis jetzt war er das auch, dachte Tilden im stillen und sank in seinen Stuhl zurück.
Ohne eine Antwort oder auch nur die Aufforderung, Platz zu nehmen, abzuwarten, zog Nola ihre Handschuhe aus und ließ sich auf einem Stuhl gegenüber dem Mahagonischreibtisch nieder. Einen flüchtigen Moment lang nahm Tilden eine winzige Unsicherheit in ihrem kühlen Benehmen wahr, die vielleicht noch von der Begegnung auf der Straße herrührte.
Ohne weitschweifige Einleitung kam er gleich zum Grund ihres Besuches. »So schnell wieder da, Miss Grayson?« Er riskierte einen Blick in ihre mokkabraunen Augen und unterdrückte, tief Luft schöpfend, das Bedürfnis, die Papiere auf der Ablage zu ordnen.
»Ich weigere mich, bei Leuten zu arbeiten, die mich nicht akzeptieren wie ich bin, Mr. Shelby«, stellte Nola ungerührt fest.
Mit anderen Worten: Sie war wieder entlassen worden.
Tilden stützte den Ellbogen auf die Tischplatte und barg die Stirn in einer Hand. »Sie haben die Erzieherinnenstelle bei den Gareth-Kindern doch erst vor drei Wochen übernommen ...«
»Ich weiß.«
Da war er wieder, dieser trotzige Unterton in ihrer Stimme.
Tilden Shelby seufzte unüberhörbar. Diese Situation war ihm nur allzu bekannt. Er versuchte, das Bild von Austin Gareths Miene aus seinem Kopf zu verbannen. Obwohl er es für seine Unterlagen wissen mußte, verspürte er nicht die geringste Lust, nachzuforschen, was diesmal hinter der Kündigung steckte.
Gerade sammelte er all seinen Mut, um Nola auszufragen, als das Telefon klingelte und ihn vorübergehend erlöste. »Sie erlauben, Miss Grayson«, unterbrach er sich.
Sie nickte kurz, während er sich räusperte und den Hörer abnahm.
»Guten Morgen ...«
Seine Stimme wirkte höflich und einladend, ganz anders als der Ton, mit dem er Nola wegen ihres Verhaltens zu tadeln pflegte.
»... Arbeitsvermittlung Shelby hier, Tilden Shelby am Apparat.«
Fast unmittelbar darauf erstarrten seine Gesichtszüge und er wurde kreidebleich. Nola, die ihn beobachtete, fühlte mit ihm. Sicher waren es schlechte Nachrichten! Möglicherweise ein Todesfall in der Familie?
»Guten Morgen, Mr. Gareth«, stammelte Tilden mit schreckgeweiteten Augen.
Nola seufzte. Austin Gareth! Sie lehnte sich im Stuhl zurück und blickte konzentriert auf ihre Handschuhe, während sie sich innerlich auf die bevorstehende Auseinandersetzung mit Tilden vorbereitete.
»Verstehe«, nickte Tilden. »Durchaus. Es tut mir furchtbar leid, Mr. Gareth. Ich konnte ja nicht ahnen ... Aber nein. Das ist wirklich nicht zumutbar.« Er riß die Augen noch weiter auf und blickte Nola entgeistert an. »Sehr begreiflich, Mr. Gareth. Sie hat ... o nein! Ist Mrs. Gareth wohlauf, Sir? Natürlich. Selbstverständlich erstatte ich Ihnen die Vermittlungsgebühr, wenn ich keinen passenderen Ersatz finde. Ich schicke Ihnen gleich jemanden vorbei, Sir ...«
Ein lautes Klicken am anderen Ende der Leitung signalisierte das abrupte Ende der Unterhaltung. Tilden Shelby legte vorsichtig den Hörer auf die Gabel. Als er aufblickte, um Nola vorwurfsvoll anzusehen, war er nicht mehr blaß, sondern dunkelrot im Gesicht aus Scham über die Demütigung. Nola verzog keine Miene.
»Sie haben ...« Tilden blinzelte und stockte, als könne er es kaum aussprechen. »... Georgina und Magdalene Gareth als Jungen verkleidet und in einer Cricket-Mannschaft angemeldet, in einem der vornehmsten Vereine Londons? Ich glaube das nicht ... selbst von Ihnen hätte ich so etwas nicht erwartet!«
»Warum nicht? Frauen sollten lernen, sich zu behaupten. Ich glaubte, dem alten Gareth einen Gefallen zu tun. Er hätte eindeutig lieber Söhne gehabt, und die Kinder mögen Cricket. Zu Hause dürfen sie spielen, warum also nicht in einem Verein?«
»Ich brauche Ihnen wohl nicht auseinanderzusetzen, daß es nicht nur gegen die Vorschriften verstößt, sondern gegen alle gesellschaftlichen Gepflogenheiten! Was die Kinder daheim machen, ist etwas ganz anderes.« Obwohl es ihm schwerfiel, die Fassung zu wahren, wirkte Tilden noch fast geduldig – obwohl er das, wenn es um Nola Grayson ging, ganz und gar nicht war.
»Deswegen kleidete ich sie doch als Jungs! Ein kleiner harmloser Spaß, mehr nicht. Übrigens hat ihre Mannschaft mit deutlichem Vorsprung gewonnen, was ihrem Selbstbewußtsein nur guttun wird. Wie leicht sich die Vereinsvorsitzenden auch hinters Licht führen ließen!«
Nolas Mangel an Verantwortungsgefühl und Takt überraschte Tilden Shelby immer wieder. Er hatte sogar den Eindruck, die Angelegenheit hätte ihr Vergnügen bereitet! »Glaubten Sie, Mrs. Gareth einen Gefallen damit zu tun? Wie beschämend das alles für die arme Frau gewesen sein muß!« Er wußte genau, daß es keinen Zweck hatte, an ihr Gewissen zu appellieren, aber was sollte er tun?
»Georgina, das Dummerchen, fiel aus der Rolle und winkte ihrer Mutter zu. Die saß neben dieser Lady Hartley, deren Sohn Napoleon heißt und auf der gegnerischen Seite spielte. Er ist ein so eingebildetes, verzärteltes ... ach, lassen wir das. Jedenfalls konnte ich nicht wissen, daß Mrs. Gareth sich derart vergessen und auf das Spielfeld laufen würde. Ich predige seit jeher, wie unpraktisch Damenkleidung ist. Man stolpert so leicht über all die Petticoats ... Der Ball hat sie übrigens nur knapp verfehlt. Sie kann von Glück sagen, daß sie keinen Kieferbruch erlitten hat!«
»In der Tat! Aber ein verstauchter Fußknöchel ist auch schon schlimm genug. Mr. Gareth sieht sich gezwungen, eine Pflegekraft für seine Frau einzustellen. Natürlich eine, die nicht durch diese Agentur vermittelt wird. Mein guter Ruf geht die Themse hinunter, zusammen mit Ihrem, Miss Grayson!«
»Ich finde, daß Sie jetzt wirklich übertreiben, Mr. Shelby.« Nola reckte energisch das Kinn vor. »Ich hatte das Pech, einen Arbeitgeber zu haben, der meine Auffassungen nicht teilt. Ich finde, Mädchen sollten für den Ernst des Lebens gerüstet sein, in dem sie sich alle Rechte erkämpfen müssen!«
Tilden spürte, wie er die Beherrschung verlor. »Bitte verzeihen Sie, wenn ich den Eindruck...