Hanson | Kinderlachen - Folge 014 | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 14, 64 Seiten

Reihe: Kinderlachen

Hanson Kinderlachen - Folge 014

Mami zeigt’s dem Rest der Welt
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7325-3263-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Mami zeigt’s dem Rest der Welt

E-Book, Deutsch, Band 14, 64 Seiten

Reihe: Kinderlachen

ISBN: 978-3-7325-3263-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Leicht hat es Katrin nach der Scheidung von Rüdiger nie gehabt. Der anstrengende Job, zwei kleine Kinder, die wenigstens am Abend ein Recht auf eine fröhliche Mutter haben - für ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse bleibt da keine Zeit.

Doch wenn Katrin geglaubt hat, dass es schlimmer nicht mehr kommen kann, dann wird sie an diesem nasskalten Tag eines Besseren belehrt: Job weg, Wohnung gekündigt, und Joschi, ihr Kleiner, fiebert.

Drei Katastrophen, von denen jede einzelne schon reichen würde, um einem Menschen den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Aber Katrin wäre nicht sie selbst, wenn sie jetzt aufgeben würde. Im Gegenteil, die besten Ideen kommen ihr immer dann, wenn Rettung nicht in Sicht ist ...

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Als der Bus um die Ecke bog, quietschend, doch mit fast einladend geöffneten Türen, seufzte Katrin zufrieden auf. Gott sei Dank, wenigstens an diesem Montag würde sie pünktlich ins Büro kommen.

»Moin, Moin«, grüßte der junge Fahrer und grinste ebenso breit wie anerkennend. »Na, wieder Frühstück in meinem Hundertachtundsechziger?«

Im Rückspiegel sah er ihr nach, wie sie trotz der nachfolgenden, nervös drängelnden Fahrgäste eine Plastiktüte vor ihrer Brust balancierte und bereits jetzt, als er anfuhr, im Stehen zu frühstücken begann.

Zwei Hörnchen und ein Plastikbecher mit Kaffee, aus einer kleinen Thermoskanne eingeschenkt. Sie hielt die veilchenblauen Augen dabei geschlossen, schien uninteressiert an allem, was sie umgab.

Was für ein Mädchen!, dachte er. Er schätzte sie auf Mitte zwanzig und gleichzeitig mit drei Männern verlobt. Na, was man heute so verlobt nannte, haha!

Für eine Schauspielerin wirkte sie nicht … ausgeglichen genug, äußerlich und innerlich wohl auch. Dazu war zu viel Unregelmäßiges in ihrem schmalen, lebendigen Gesicht. Aber genau das zog ihn an … und die anderen Männer wohl auch.

Er seufzte, weil sie ihn nicht beachtete … und auch keinen der anderen männlichen Fahrgäste.

Ja, Frühstück im Bus – anders klappte es halt nie. Wenn das rot-weiße Ungetüm vor dem Gebäude der Kellermann GmbH, so hieß die Spedition, bei der sie arbeitete, hielt, fühlte Katrin sich gesättigt und fast bereit, dem neuen Tag ins Gesicht zu sehen.

Dann malte sie sich im Lift noch etwas Rouge auf die Wangen und zeichnete die Lippen mit dem Konturenstift nach. Das reichte. Jedenfalls für diesen »Verein«, der seine Angestellten mit Überstunden ausbeutete und bei der Monatsabrechnung stets »vergaß«, die Mehrarbeit der Untertanen in bare Münze umzuwandeln.

»Tag, Katrin!« Georg Menzler, genannt Groggy, nickte ihr zu. Er war fünfundfünfzig, sah aber zehn Jahre älter aus. Kellermann-Jahre zählten doppelt, so hieß es überall in der Branche.

»He, heute mal pünktlich?« Das war Lissy, Schreibdame und Schlager-Expertin. Sie war siebenundvierzig und hatte noch beim alten Kellermann gelernt.

»Morgen, Katrin. Übrigens, du hast nur eine rote Wange heute. Ist das beabsichtigt?«

Puh, solche Sprüche machte nur Peter, der Bote, an die sechzig schon und wohl dazu verdammt, bis zum Rentnerdasein hier auszuhalten.

Diese Kollegen! Fast alle wesentlich älter als Katrin, angepasster an geschriebene und ungeschriebene Firmengesetze, aber alle recht lieb und freundlich.

Die Einunddreißigjährige huschte über den schmalen Flur, öffnete die Tür zum Chefsekretariat und blieb an der Schwelle überrascht stehen. Etwas war anders heute früh, obwohl sich doch kaum über Nacht etwas geändert haben konnte: Die billigen grauen Kunststoff-Schreibtische standen noch wie gestern Abend da. Der krumm gewachsene Gummibaum hielt sich immer noch so tapfer wie vor zwanzig Jahren. Leider hatte sich auch niemand der Mappe »Unerledigt« angenommen.

Katrin schnüffelte wie ein junger Hund, als könnte ihr von allen Sinnesorganen ihre hübsche, ein wenig himmelwärts geneigte Nase am leichtesten Auskunft geben.

In diesem Augenblick wurde die Tür des Chefzimmers geöffnet. Rosi, auch schon längst über fünfzig, eine fremd wirkende Rosi, stand vor ihr. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, und ungeachtet der Behauptung des Kosmetik-Herstellers, diese Wimperntusche würde nicht schmieren, sammelten sich schon kleine Mascara-Bäche auf ihren Wangen.

»Was ist los?« Katrin lief zu ihr und umarmte sie, ein wenig hölzern zwar, doch liebevoll. Rosi war schließlich die eigentliche Chefsekretärin, und selbst in einem »Laden« wie diesem hier gab es Hierarchien, festgelegte Abstufungen. Eine Hilfskraft im Chefsekretariat, wie Katrin, hatte keinerlei Befugnis, zwei Stufen einfach zu überspringen.

Rosi schloss die Tür zum Chef.

»Wir sind pleite«, stieß sie dann hervor. »Eben hat er’s mir gesagt. Wir sollen bloß noch alles abwickeln und dann – finito, vorbei. Vielleicht wird es einen Sozialplan geben …«

Knall machte es in Katrin. Knall, bumm, puff!

»Wieso pleite?«, hakte sie nach. »Der August-Auftrag war doch ein dicker Brocken. Ich habe allein die Papiere fertig gemacht. Wirtschaftlichkeit? Weit über normal. Zusatzaufträge? Vermutlich ja.«

Ja, aber jetzt war Januar, und Kellermann junior hatte einen Hang zu schrägen Vögeln, die mit Nachtklubs Geld verdienten, zu Spielbanken und Rennplätzen.

Verrückterweise sah sie auf ihre Uhr. Es war 8:09 Uhr an diesem Montag, und der Februar war noch weit. Wenn sie am Ende dieses Monats kein Gehalt bekam …

Die Sprechtaste ihres Telefons schnarrte.

»Um zehn ist Mitarbeiterkonferenz«, kündigte Kellermann an. Kein Wort mehr. So ein Affe!

Katrin hängte ihren Mantel an den Garderobenhaken, klappte die Puderquaste auf und erschrak über ihr verstörtes Gesicht. Vorhin beim »gemütlichen« Frühstück im Bus, ja, selbst im Neonlicht des Fahrstuhls war es ihr noch annehmbar hübsch erschienen. Vielleicht war ihre blonde Mähne, die sie seit Monaten achtlos wachsen ließ, inzwischen zu wild geraten – aber für diesen »Laden« und als berufstätige Mutter doch noch akzeptabel.

Und jetzt?

»Ach, was machen wir denn bloß?«, jammerte Rosi, und Katrin fühlte, dass leichter Ärger, vielleicht sogar der Anflug von Neid in ihr hochkroch.

»Du hast einen gut verdienenden Mann«, sagte sie. »Aber ich? Ich habe zwei Kinder, vergiss das nicht!«

Eine richtige Freundin war Rosi nicht. Katrin besaß überhaupt keine Freundin. Der Job, die Kinder, das manchmal verbissene, manchmal auch halbkomische Kämpfen um ein bisschen Normalität im Alltag – so etwas verschliss eine Frau. Ihr blieben wenig Raum und Zeit, um Freundschaften zu pflegen.

Doch, sie sehnte sich danach, nach kichernden, nächtlichen Unterhaltungen über Kinder, Beruf und – Männer. Aber wenn der Wecker um sechs Uhr klingelte, blieben solche durchdiskutierten Nächte wohl Hirngespinste.

»Du kriegst ja Arbeitslosengeld«, erinnerte Rosi. »Heutzutage ist doch für alles gesorgt.«

Ja. Wenn man das mochte! Wenn man das ertrug, andere für sich ackern zu lassen.

»Und außerdem ist dein geschiedener Mann ja auch noch da!«

O ja, klar! Rüdiger würde ihr sicher mit Freuden unter die Arme greifen! Bestimmt! Garantiert! Todsicher! Er vergaß ja höchstens neun Monate im Jahr, den Unterhalt für Joschi und Angie zu überweisen …

Katrin trödelte nur herum. Eine Firma, die sie entließ, hatte das Anrecht auf gute Arbeit ihrer Angestellten verwirkt – oder etwa nicht?

***

Sie waren pünktlich, die achtundvierzig Menschen, die bei Kellermann ihr Geld verdienten. Um 9:55 Uhr drängten sie bereits in die Versandhalle, in der es – Kellermann junior sparte gern und immer am falschen Platz – eiskalt war.

»Liebe Mitarbeiter, liebe … ich darf doch Freunde sagen …?«

Hoch aufgerichtet, in einer Blazer-Kombination, die den geschickten Schneider verriet, stand der Junior da.

Er ist erst neununddreißig, doch sein verlebtes Gesicht sagt alles, wütete Katrin im Stillen. Die Nächte bei den Dämchen im Klub haben ihre Spuren hinterlassen!

»… nichts unversucht gelassen, um in diesen schwierigen Zeiten eine Firma zu halten, die schon von meinem Großvater, dem stadtbekannten Eugen Kellermann …«

Blablabla. Katrin wäre gern aufgestanden und hätte ihn am Schlafittchen gepackt, damit er einen Einblick in ihre Brieftasche nehmen konnte. Hundertsechsundneunzig Euro und vierunddreißig Cent wies ihr letzter Kontoauszug auf, und im Portemonnaie war auch totale Ebbe.

Ich hätte den Roller für Joschi weiter herunterhandeln müssen, überlegte sie. So ein altes Ding – und die Secondhand-Tante hatte fünfzig Euro dafür verlangt!

»… so leid es mir, ach, was sage ich: uns allen, nicht wahr, Herr Dr. Stolze …?«

Stolze war das Buchhaltungs-As, ein schmieriger Typ, der in kleineren Unternehmen nur Gastspiele gab. Ein Jahr, anderthalb vielleicht … und die Firmen gingen grundsätzlich immer bankrott. Manchmal kaufte er sie dann, so hieß es, zu einem lächerlichen Preis.

Jetzt nickte Stolze eifrig.

»Ich versichere Ihnen, wir haben hart gekämpft …«

Ja, im Whirlpool des Klubs, dort vielleicht!

Von einem Sozialplan sagte niemand etwas. Auch nichts vom Januargehalt. Aber die Belegschaft wurde genötigt – Kellermann nannte es allerdings Bitten – die unerledigten Dinge samt und sonders abzuwickeln. Das würde etwa bis zum Monatsende dauern.

Alle Angestellten schwiegen und hielten die Köpfe gesenkt, als erwarteten sie bereits den nächsten Schlag.

»Und was heißt das für jeden Einzelnen?«, wollte Katrin wissen. »Wir dürfen hier noch vierzehn Tage weiterarbeiten – ohne Lohn etwa?«

Der Junior hatte sie nie gemocht, seit damals, als er ihr bei jener Freitags-Überstunde ein Glas Champagner … und mehr angetragen hatte. Beides hatte Katrin brüsk abgelehnt.

»Aber warum denn nicht? Eine Frau wie Sie! Sagen Sie, waren Sie mal Model?« Er hatte das Wort Englisch ausgesprochen. Es klang widerlich aus seinem Mund. »Und außerdem: Gehaltlich ließe sich durchaus noch etwas...



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