Hanks | Schräge Typen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Hanks Schräge Typen

Stories
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-97771-5
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Stories

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-492-97771-5
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ob ein Junge wie Forrest Gump, ein einsamer Schiffbrüchiger oder ein Lehrer, der an Aids erkrankt - der Schauspieler Tom Hanks interessiert sich für besondere Menschen und verkörpert sie auf mitreißende Weise. Eigensinnige, phantasievolle Typen begegnen uns auch in ersten literarischen Stories von Tom Hanks: Eine von ihnen ist Steve Wong, den die Natur mit dem feinsten Ballgefühl der Welt ausgestattet hat, keinesfalls aber über eine Bowlingkarriere nachdenken will. Oder die vier Freunde, die sich eine gebrauchte Raumkapsel besorgen, um mit ihr einmal den Mond zu umrunden. Hobbyastronauten, Heimwerker, Schauspielanfänger und andere Figuren bevölkern Tom Hanks' erstes Buch. Sein genauer Blick und seine große Gabe zu erzählen machen die Lektüre zu einem eben solchen Vergnügen wie seine Filme.

Tom Hanks, geboren 1956 in Concord/ Kalifornien, ist Regisseur, Filmproduzent und Schauspieler. Er gehört zu den profiliertesten Charakterdarstellern Hollywoods und wurde zweimal in Folge für seine Rollen in den Filmen »Philadelphia« und »Forrest Gump« mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. »Schräge Typen« ist sein erstes Buch.
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1. Tag


Anna sagte, es gebe nur eine Möglichkeit, ein bedeutungsvolles Geschenk für MDash zu finden: das Antikkaufhaus im alten Lux Theater, das weniger ein Ort für alte Kostbarkeiten als eine Tauschbörse für Ausrangiertes ist. Wie viele Stunden habe ich in dem ehemals großartigen Kino gesessen und Filme angesehen, bevor Netflix, HBO und 107 andere Auswüchse der Unterhaltungsindustrie das Lux bankrottgehen ließen. Jetzt reiht sich hier Verkaufsstand an Verkaufsstand mit sogenannten Antiquitäten. Anna und ich klapperten sie alle ab.

MDash sollte eingebürgert, ein regulärer Staatsbürger der Vereinigten Staaten werden, was für uns eine ebenso große Sache war wie für ihn. Steve Wongs Großeltern waren in den 1940ern zu Amerikanern geworden, mein Dad in den 1970ern den kommunistischen Schmalspurgangstern Osteuropas entkommen, während Annas Vorfahren bereits ewig früher über den Nordatlantik gepaddelt waren, um zu erbeuten, was es in der Neuen Welt zu erbeuten gab. In Annas Familie wird erzählt, dass sie Martha’s Vineyard entdeckten.

Mohammed Dayax-Abdo sollte so amerikanisch werden wie durchwachsener Speck, und deshalb wollten wir ihm etwas Altes schenken, ein patriotisches Objet, das für die Tradition und den Humor seines neuen Landes stand. Ich hielt den Radio-Flyer-Bollerwagen gleich am zweiten Stand für perfekt. »Wenn er mal amerikanische Kinder hat, kann er denen das Ding schenken«, sagte ich.

Aber Anna wollte nicht gleich das erste alte Stück kaufen, das wir sahen. Also suchten wir weiter. Ich erstand eine amerikanische Flagge aus den 1940ern mit achtundvierzig Sternen. Die Flagge würde MDash daran erinnern, dass sein neues Land nie aufhört, sich weiterzuentwickeln, und gute Bürger einen Platz auf seiner fruchtbaren Erde finden, genau wie sich weitere Sterne in das blaue Feld über den rot-weißen Streifen einfügen. Anna stimmte zu, suchte aber weiter. Sie wollte ein noch viel besondereres Geschenk, etwas Einzigartiges, nicht weniger als ein absolutes Unikat. Nach drei Stunden entschied sie, dass der Bollerwagen tatsächlich eine gute Idee war.

Als wir in meinem alten VW-Bus vom Parkplatz auf die Straße bogen, fielen die ersten Regentropfen. Wir mussten langsam fahren, da meine Wischblätter so alt waren, dass sie das Wasser in breiten Streifen über die Windschutzscheibe schmierten. Es goss bis in den Abend hinein, und so blieb Anna bei mir, statt nach Hause zu fahren, hörte die alten Mixtapes meiner Mutter (die ich von Kassetten auf CDs überspielt hatte) und wusste sich kaum einzukriegen über ihren wilden Geschmack, über die Pretenders, die O’Jays und Taj Mahal.

Als Iggy Pops Real Wild Child kam, fragte sie: »Hast du nichts aus den letzten zwanzig Jahren?«

Ich machte Burritos mit Pulled Pork. Sie trank Wein, ich Bier. Sie feuerte meinen Franklin-Ofen an und sagte, sie fühle sich wie eine Siedlerin in der Prärie. Wir saßen auf meinem Sofa, die Nacht brach herein, und das einzige Licht kam vom Feuer und von den Tonpegelanzeigen der Musikanlage, die vom grünen in den orangefarbenen und gelegentlich in den roten Bereich hochzuckten. Fernes Wetterleuchten flammte am Himmel auf.

»Weißt du was?«, sagte sie. »Es ist Sonntag.«

»Ich weiß«, sagte ich. »Ich lebe ganz im Hier und Jetzt.«

»Das bewundere ich an dir. Klug. Einfühlsam. Locker wie ein Faultier.«

»So werden aus Komplimenten Beleidigungen.«

»Mach aus dem faul ein wohlig«, sagte sie und nippte an ihrem Wein. »Was ich sagen will, ist: Ich mag dich.«

»Ich dich auch.« Ich fragte mich, wohin diese Unterhaltung führen sollte. »Flirtest du mit mir?«

»Nein«, sagte Anna. »Ich baggere dich an. Das ist was völlig anderes. Flirten ist wie Fischen. Vielleicht schleppst du jemanden ab, vielleicht auch nicht. Anbaggern ist der erste Schritt zum Deal.«

Zu sagen ist, dass Anna und ich uns seit der Highschool kennen. (Der St. Anthony Country Day! Los doch, Kreuzfahrer!) Wir hatten nie was miteinander, gehörten aber zur selben Clique und mochten uns. Nach ein paar Jahren College und noch einigen, während deren ich mich um meine Mom kümmerte, machte ich meine Maklerlizenz und tat so, als verdiente ich mein Geld mit Immobilien. Eines Tages dann kam Anna in mein Büro marschiert, weil sie Räume für ihr Grafikdesignbüro suchte. Ich war der einzige Makler, dem sie vertraute, war ich doch mal mit einer ihrer Freundinnen zusammen gewesen und hatte mich bei der Trennung nicht als Arschloch erwiesen.

Anna war immer noch sehr hübsch. Sie hatte nie den schlanken, straffen Körper der Triathletin verloren, die sie tatsächlich einmal gewesen war. Einen ganzen Tag lang zeigte ich ihr verfügbare Räumlichkeiten, die sie alle nicht wollte, ohne dass ich wirklich kapiert hätte, warum. Es war offensichtlich, dass sie immer noch so getrieben, so fokussiert und angespannt war wie an der St. Anthony Country Day. Sie beschäftigte sich zu intensiv auch noch mit dem kleinsten Detail, drehte jeden einzelnen Stein um, inspizierte, notierte und wollte alles ausgetauscht sehen, was ihrer Ansicht nach ausgetauscht werden sollte. Anna, die Erwachsene, war anstrengend, war nicht mehr mein Typ, als es Anna, der Teenager, gewesen war.

Komisch, dass wir dennoch so gute Freunde wurden, weit bessere, als wir es je gewesen waren. Ich gehöre zu diesen lahmärschigen Einzelgängern, die einen Tag komplett verbummeln können, ohne das Gefühl zu haben, auch nur eine Sekunde zu verschwenden. Tatsächlich ließ ich, nachdem ich das Haus meiner Mutter verkauft und den Ertrag investiert hatte, mein vorgebliches Büro hinter mir und richtete mich im Besten Vorstellbaren Leben ein. Gib mir ein paar Wäscheladungen zu waschen und ein Hockeyspiel im NHL-Channel, und mein Nachmittag ist gesichert. In der Zeit, die ich mit Weiß- und Buntwäsche verplempere, vertäfelt Anna ihren Speicher mit Gipsplatten, bereitet ihre Steuererklärung vor, macht frische Pasta und gründet eine Kleidertauschbörse im Internet. Von Mitternacht bis zum Morgengrauen schläft sie, schreckt hoch, schläft und schreckt hoch und hat doch die Energie, den ganzen Tag Vollgas zu geben. Ich schlafe wie ein Toter, so lange es geht, und lege nachmittags um halb drei zusätzlich noch ein Nickerchen ein.

»Ich küsse dich jetzt.« Anna tat, was sie gesagt hatte.

Wir hatten uns noch nie geküsst, sieht man von den flüchtig hingehauchten Küsschen ab, die mit kurzen Umarmungen einhergehen. Plötzlich ließ Anna eine völlig neue Version ihrer selbst erkennen, und ich verkrampfte mich verblüfft.

»He, entspann dich«, flüsterte sie. Ihre Arme lagen um meinen Hals. Sie roch verdammt gut und schmeckte nach Wein. »Es ist Sabbat. Der Tag des Ausruhens. Das hier artet nicht in Arbeit aus.«

Wir küssten uns wieder, und ich wurde zum gefassten, engagierten Teilnehmer. Meine Arme legten sich um sie und zogen sie fest an mich. Wir drückten uns aneinander und wurden lockerer, fanden unsere Hälse und den Weg zurück zu unseren Lippen. So hatte ich fast ein Jahr lang keine Frau mehr geküsst, nicht seit Die Üble Freundin Mona mich nicht nur abserviert, sondern auch noch das Geld aus meiner Brieftasche hatte mitgehen lassen. (Mona hatte ihre Probleme, aber küssen? Da war sie fabelhaft gewesen.)

»Bestens, Baby«, seufzte Anna.

»Was für ein friedvoller Sabbat«, seufzte ich zurück. »Das hätten wir vor Jahren schon tun sollen.«

»Ich denke, ein bisschen Zeit mit Haut auf Haut täte uns gut«, flüsterte Anna. »Zieh dich aus.«

Das tat ich. Als sie es mir nachmachte, war ich erledigt.

2. Tag


Mein Frühstück am Montagmorgen bestand aus Buchweizenpfannkuchen, Chorizos, einer großen Schüssel Beeren und Filterkaffee. Anna fand eine Schachtel Kräutertee hinten in meiner Vorratskammer und aß ein winziges Schüsselchen Nüsse, die sie mit meinem Wiegemesser zerkleinerte. Um ihr nahrhaftes Frühstück abzurunden, zählte sie zusätzlich acht Blaubeeren ab. Ich sollte nicht erzählen, dass wir beim Frühstücken nichts anhatten, weil es uns wie Nudisten erscheinen lässt, Tatsache ist jedoch, dass wir ohne alle Hemmungen aus dem Bett gefallen waren.

Während sie sich anzog, um zur Arbeit zu gehen, erklärte sie mir, dass wir einen Tauchkurs belegen würden.

»Tun wir das?«, fragte ich.

»Jepp. Wir erwerben eine Lizenz«, sagte sie. »Und du musst dir ein paar Sportsachen kaufen. Laufschuhe und so weiter. Geh zum Footlocker in der Arden Mall, und komm gleich danach zum Mittagessen zu mir ins Büro. Bring den Bollerwagen und die Fahne für MDash mit. Dann packen wir beides ein.«

»Okay«, sagte ich.

»Ich koche heute Abend für uns. Bei mir. Anschließend sehen wir uns eine Dokumentation an, und dann tun wir in meinem Bett, womit wir die letzte Nacht in deinem verbracht haben.«

»Okay«, wiederholte ich.

3. Tag


Am Ende ging Anna mit mir in den Footlocker, sorgte dafür, dass ich fünf verschiedene Paar Schuhe anprobierte (am Ende einigten wir uns auf Cross Trainer) sowie vier Laufhosen und Laufhemden (Nike). Anschließend kauften wir Essen und Getränke für die Party, die Anna für MDash geben wollte. Sie sagte, mein Haus sei der einzig geeignete Ort für so eine Sause.

Gegen Mittag war MDash einer der tausendsechshundert zukünftigen Amerikaner auf dem Feld der Sports Arena, die Amerika mit gehobener Rechter die Treue schworen und wahren, schützen und verteidigen würden, was jetzt genauso sehr ihre Verfassung wie die des...


Hanks, Tom
Tom Hanks, geboren 1956 in Concord/ Kalifornien, ist Regisseur, Filmproduzent und Schauspieler. Er gehört zu den profiliertesten Charakterdarstellern Hollywoods und wurde zweimal in Folge für seine Rollen in den Filmen »Philadelphia« und »Forrest Gump« mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. »Schräge Typen« ist sein erstes Buch.

Löcher-Lawrence, Werner
Werner Löcher-Lawrence studierte Journalismus, Literatur und Philosophie, arbeitete an der Universität München und als Lektor in verschiedenen Verlagen. Heute ist er als literarischer Agent und Übersetzer tätig (www.loecher-lawrence.de). Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören u.a. John Boyne, Nathan Englander, Hilary Mantel, Hisham Matar, Lionel Shriver und Meg Wolitzer.



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