Handler 43 Gründe, warum es aus ist
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-446-28432-6
Verlag: Hanser, Carl
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 368 Seiten
ISBN: 978-3-446-28432-6
Verlag: Hanser, Carl
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Chronik einer gescheiterten Liebe, von der ersten Begegnung bis zur Trennung - erzählt anhand von 43 Objekten. Der gutaussehende Ed ist der Star der Basketballmannschaft, die 16-jährige Min eine sensible, künstlerisch begabte Filmnärrin, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Als sich beide auf einer Party begegnen, funkt es gewaltig. Doch beim näheren Kennenlernen zeigt sich, wie grundverschieden sie sind. Ihre Beziehung ist kurz, aber heftig - voller Überraschungen und Entdeckungen, voll Bemühen und Enttäuschung. In einem glühenden Brief erklärt Min Ed, warum es aus ist - und gibt ihm all die Dinge zurück, die in ihrer Beziehung eine Rolle gespielt haben. Ein außergewöhnlich erzählter und gestalteter Roman.
Daniel Handler, 1970 in San Francisco geboren, ist ein erfolgreicher US-Schriftsteller und Drehbuchautor mit deutschen Wurzeln. Darüber hinaus ist er Musiker und war u. a. Mitglied der New Yorker Band Magnetic Fields. Unter dem Pseudonym Lemony Snicket veröffentlichte Handler 1999 A Series of Unfortunate Events (dt.: Eine Reihe betrüblicher Ereignisse), eine 13-bändige Kinderbuchreihe über drei Waisenkinder, die von ihren Verwandten um ihre Erbschaft gebracht werden sollen. Die Serie verkaufte sich weltweit 65 Millionen Mal und wurde mit Jim Carrey, Jude Law und Meryl Streep als Darsteller verfilmt. Für seinen ersten Jugendroman 43 Gründe, warum es AUS ist wurde Handler mit dem Michael L. Printz Honor Award ausgezeichnet. Das von Maira Kalman illustrierte Buch erschien 2013 erstmals bei Hanser und 2025 in einer Neuausgabe mit Farbschnitt.
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Das sind die Kronkorken von den beiden Flaschen Scarpia’s Bitter Black Ale, die du und ich an dem Abend in Als Garten geleert haben. Ich sehe noch die hell blinkenden Sterne und unsere Atemwölkchen in der kalten Luft, als wir da standen, du in deiner Mannschaftsjacke, ich in Als Strickjacke, die ich mir immer ausleihe, wenn ich bei ihm bin. Auch dieses Mal lag sie da, gewaschen und gefaltet, als ich nach oben ging, um ihm sein Geschenk zu geben, bevor die Gäste kamen.
»Du solltest mir doch nichts mitbringen«, sagte Al. »Die Party ist schon genug, habe ich dir gesagt, ohne das obligatorische —«
»Gar nicht obligatorisch«, unterbrach ich ihn. Al und ich hatten in unserem Freshman-Jahr die gleichen Wortschatzkarten gehabt. »Ich hab’s zufällig entdeckt. Es ist genial. Mach schon auf.«
Nervös nahm er mir die Tüte ab.
»Komm schon, herzlichen Glückwunsch.«
»Was ist es?«
»Ein Herzenswunsch von dir. Hoffe ich. Jetzt guck schon rein. Du machst mich noch wahnsinnig.«
dann schnappte er nach Luft. Ein höchst befriedigendes Geräusch. »Wo hast du die denn aufgetrieben?«
»Ist die nicht«, sagte ich, »haargenau wie die, die der Typ in der Partyszene in trägt?«
Lächelnd sah er in die schmale Schachtel. Darin lag eine Krawatte, dunkelgrün mit eingesticktem kleinem Rautenmuster. Seit Monaten hatte sie in meiner Sockenschublade gewartet. »Nimm sie heraus«, sagte ich, »und trag sie, heute Abend. Ist doch wahr — oder?«
»Als er aus dem Porcini XL 10 steigt«, sagte er, aber dabei sah er mich an.
»Deine absolute Lieblingsszene von allen Filmen überhaupt. Ich hoffe, du findest sie toll.«
»Und ob, Min, ganz toll. Wo hast du sie entdeckt?«
»Ich hab eine Spritztour nach Italien unternommen und Carlo Ronzi verführt, und als er eingeschlafen ist, bin ich in seinen Kostümfundus und —«
»Flohmarkt. Komm, ich binde sie dir um.«
»Das kann ich selber, Min.«
»Nicht an deinem Geburtstag.« Ich fummelte an seinem Kragen herum. »Damit werden sie dich alle vernaschen wollen.«
»Wer?«
»Mädels. Frauen. Auf der Party.«
»Min, es kommen dieselben Freunde wie immer.«
»Sei dir da nicht so sicher.«
»Min.«
»Bist du nicht langsam so weit? Also ich schon. Die Sache mit Joe ist aus und vorbei, absolut. Dieses Knutsch-Date im Sommer — unmöglich. Und was dich angeht — die aus LA, das ist doch glatt tausend Jahre her —«
»Letztes Jahr war das. Dieses Jahr, genau genommen, aber im letzten Schuljahr.«
»Ja, und jetzt hat unser Junior-Jahr angefangen, und das heute ist die erste große Party. Bist du nicht so weit? Für eine Party und eine Liebesgeschichte und ? Hast du nicht, wie soll ich sagen, Appetit auf —«
»Auf unser Pesto hab ich Appetit.«
»Al.«
»Und ich will mit Leuten Spaß haben. Das ist alles. Es ist ein Geburtstag, weiter nichts.«
»Es ist dein Bitter-Sixteen-Geburtstag! Und du willst mir weismachen, wenn ein Mädchen hier in einem Porcini Sowieso vorfährt —«
»Okay, ja, den Wagen würde ich nehmen.«
»Wenn du einundzwanzig wirst«, erklärte ich, »kaufe ich dir den. Heute Abend gibt’s erst mal nur die Krawatte und noch was —«
Er sah mich an und stieß einen langen, langsamen Seufzer aus. »Du kannst das nicht, Min.«
»Ich erfülle dir deinen Herzenswunsch. Schau mal, das hat schon einmal funktioniert.«
»Ich meinte die Krawatte — das kannst du nicht. Man könnte meinen, du willst eine Kordel drehen.«
»Okay, okay.«
»Aber danke für deine Bemühungen.«
Ich strich ihm übers Haar. »Herzlichen Glückwunsch.«
»Die Jacke liegt da, falls dir kalt wird.«
»Gut, denn ich werde irgendwo draußen zusammengekauert dasitzen, während du dich in der Welt der Abenteuer und Leidenschaften vergnügst.«
»Und des Pestos, Min. Vergiss das Pesto nicht.«
Unten hatte Jordan schon den bitteren Musikmix gestartet, über dem wir stundenlang gebrütet hatten, und Lauren ging mit einem Kaminstreichholz herum und zündete die Kerzen an. so fühlte es sich an, zehn Minuten lang lag ein Knistern in der Luft, und nichts geschah. Dann flog mit Schwung die Tür auf, und eine erste Wagenladung, bestehend aus Monica und ihrem Bruder und diesem Tennistypen, stürmte herein, unterm Arm eine Flasche Wein, die sie bei Monica zu Hause stibitzt hatten (noch in kitschigem Geschenkpapier, sie stammte nämlich von der Hauseinweihung), sie drehten die Musik voll auf, und es konnte losgehen. Was meine eigene Suche anging, hielt ich mich komplett zurück, doch ich sah mich die ganze Zeit nach jemandem für Al um. Leider waren an dem Abend einfach nicht die richtigen Mädchen da, alle hatten sie Glitzer im Gesicht oder waren furchtbar hektisch, hatten keine Ahnung von Filmen oder bereits einen Freund. Irgendwann war es dann schon spät, das Eis in der großen Glasschale war weitgehend geschmolzen und erinnerte an das Ende der Polkappen. Al sagte dauernd, es sei noch zu früh für den Kuchen, und dann, wie ein Song, von dem wir ganz vergessen hatten, dass er auch zu unserem Mix gehörte, tratest du in das Haus und in mein Leben.
Du wirktest stark, Ed. Vermutlich war das immer schon so. Deine Schultern, dein Kinn, deine Arme, mit denen du dir einen Weg durch den Raum bahntest, dein Hals, von dem ich jetzt weiß, dass du dort gern geküsst wirst. Stark und frisch geduscht, selbstbewusst, sogar freundlich, aber nicht wie einer, der gefallen will. Gewaltig wie ein lauter Ruf, entspannt, athletisch. Frisch geduscht habe ich gesagt. Was ich gemeint habe, Ed, war wohl eher: umwerfend. Ich schnappte nach Luft, so wie Al, als er mein geniales Geschenk sah.
»Ich liebe diesen Song«, sagte jemand.
So musst du das immer machen, Ed, wenn du auf eine Party gehst — langsam, lässig durch die Räume schlendern, allen zunicken, aber den Blick immer schon aufs nächste Ziel gerichtet. Einige Leute starrten dich an, ein paar Jungs klatschten dich ab, während Trevor und Christian dich fast wie Bodyguards abschirmten. Trevor war schon völlig blau, und als er durch die Tür verschwand, bist du hinter ihm her. Ich zwang mich, noch so lange abzuwarten, bis der Refrain des Songs wieder losging, dann ging ich hinter euch her. Warum, weiß ich selbst nicht, Ed. Es war ja nicht so, als hätte ich dich bis dahin noch nie gesehen. Jeder kennt dich, du bist so was wie, sagen wir, ein Kinofilm, den jeder irgendwann im Leben mal geschaut hat, alle kennen dich, keiner meint, er hätte dich noch nie gesehen. Es war nur ganz plötzlich so, dass ich dich ganz dringend noch einmal anschauen musste, sofort. Ich quetschte mich also an dem Typen vorbei, der den Preis im Wettbewerb Naturwissenschaften gewonnen hat, warf einen Blick ins Esszimmer und das kleine Nebenzimmer mit den gerahmten Fotos von Al, auf denen er auf den Stufen vor der Kirche steht und sich offensichtlich sehr unbehaglich fühlt. In allen Räumen war es zu voll, zu heiß und zu laut, und ich rannte nach oben, klopfte erst an, für den Fall, dass schon irgendwer in Als Bett gelandet war, schnappte mir die Strickjacke und verdrückte mich unauffällig nach draußen, um Luft zu schnappen und um nachzusehen, ob du vielleicht im Garten warst. Und so war es tatsächlich. Was brachte mich bloß dazu, so was zu tun, dabei zuzusehen, wie du grinsend dastandest, zwei Bier in den Händen, während Trevor ins Blumenbeet von Als Mutter kotzte? Es gehörte sich nicht, dass ich ihn so anstarrte. Es war schließlich nicht Geburtstag, dachte ich. Es gab keinen Grund, weswegen ich da draußen stehen sollte, im Garten, total exponiert. Das ist Ed Slaterton, sagte ich mir, Herr im Himmel, und eingeladen ist er auch nicht. Was war in mich gefahren? Was tat ich da? Aber laut sagte ich etwas anderes, laut fragte ich dich, ob ihr ein Problem hättet.
»Ich nicht«, sagtest du. »Trev geht’s nur gerade nicht so gut.«
»Scheiße«, gurgelte Trevor aus dem Gebüsch.
Du hast gelacht, und ich auch. Dann hast du beide Flaschen ans Licht...