Handel / Summer / Fuchs | In Hexenwäldern und Feentürmen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 2, 508 Seiten

Reihe: Eine märchenhafte Anthologie

Handel / Summer / Fuchs In Hexenwäldern und Feentürmen


Erstauflage 2017
ISBN: 978-3-95991-267-9
Verlag: Drachenmond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 2, 508 Seiten

Reihe: Eine märchenhafte Anthologie

ISBN: 978-3-95991-267-9
Verlag: Drachenmond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Tief verborgen in verwunschenen Wäldern leben magische Wölfe, weben finstere Hexen mächtige Zauber und suchen mutige Recken nach Erlösung. Lausche dem Gesang der Sirenen, triff den König der Feen und tanze mit den Wesen der Anderswelt im Mondlicht. Doch achte auf deine Schritte. Denn wer sich in den Schatten dieser Welt verliert, bleibt auf ewig verschwunden. Eine märchenhafte Anthologie

Christian Handel wurde in der Schneewittchen-Stadt Lohr am Main geboren, die im sagenumwobenen Spessart liegt. Inzwischen lebt er allerdings in Berlin und ist selbst davon überrascht, wie sehr er sich als Landpflanze im Großstadtdschungel wohl fühlt.Er begeistert sich für Stoffe über starke Frauen, märchenhafte Motive und queere Themen. Außerdem ist er einer der größten Buffy-Nerds überhaupt.Sein Debut ROSEN & KNOCHEN bezeichnet es selbst gern als dunkles Märchen.

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Weitere Infos & Material


Schneefieber
Nina Blazon
www.ninablazon.de Schneefieber Wir kannten alle Arten von Schnee. Doch in diesem Winter hatte er ein neues, viel erschreckenderes Gesicht bekommen. »Ich habe es euch doch gesagt«, jammerte die alte Irmid. »Die Dunkle ist zurückgekehrt. Sie ist hungrig, also kriecht sie in uns hinein und verschlingt uns von innen. Und das Schneefieber wird nicht aufhören, bis die Sonne stark genug ist, um die schwarze Percht zu vertreiben.« »Falls wir das noch erleben«, murmelte einer der Totenträger, der den Leichnam von Irmids Mann auf eine Kirchenbank bettete. Seit Wochen war es zu kalt, um Gräber auszuheben. Und seit das Fieber auch den Pfarrer geholt hatte, gab es keine Predigten mehr in unserer Dorfkirche, keine Beichten und keine Taufen. Die Kirche war zu einer Eisgruft geworden. Verhüllt schliefen hier die Toten, bis der Frühling die Erde auftauen und das Tor zu ihrer letzten Ruhestätte öffnen würde. Ich versuchte, nicht zu den vorderen Bänken zu schauen, dort, wo auch mein Vater ruhte. Aber es war, als würden die Toten nach mir rufen. Im flüsternden Klagen hörte ich meinen Namen – Marie! – und schauderte. Meine Freundin griff ängstlich nach meiner Hand. »Das ist nur der Wind, der um den Turm streicht«, flüsterte ich ihr beruhigend zu. Stumm lauschte die Trauergesellschaft, wie Irmid Abschied von ihrem Mann nahm. Solche Klagen waren seit Wochen unser tägliches Gebet, keine Familie war verschont geblieben. Das Fieber ergriff Kinder und Greise, Schwache und Starke. Es färbte ihre Lippen weiß und gaukelte ihnen unerträgliche Hitze vor, wo in Wirklichkeit nur tödliche Kälte war. Kürzlich war der Dorfälteste aus dem Fenster gesprungen und barfuß in den Geisterwald gelaufen. Dort hatte er sich bei der Ruine des heidnischen Tempels im Schnee eingegraben und war erfroren. Wie alle, die von diesem Wahn befallen waren, hatte er geglaubt, sich abkühlen zu müssen. Und jetzt sind auch noch Anna und die Kleine krank. Natürlich erlaubte ich mir auch jetzt nicht zu weinen, aber meine Augen brannten so heiß, dass es schmerzte. Seit drei Tagen ertrug meine ältere Schwester weder die Wärme des Ofenfeuers noch die Decke aus vielerlei Pelz, die sie warm halten sollte. Unsere Mutter und eine kräftige Nachbarin bewachten sie Tag und Nacht und verhinderten, dass sie ihr neugeborenes Kind aus dem Wochenbett riss und barfuß in den Schnee floh. Anna wird nicht sterben, wiederholte ich wie eine Beschwörung. Und auch kein anderer mehr. Weil ich es heute Nacht beenden werde. Meine Freundin, die stets auch die kleinste Regung dunkler Gedanken spürte, sah mich ängstlich von der Seite an. Doch als jemand »Marie, gehen wir« flüsterte, wandten wir beide den Kopf. Vor fünfzehn Jahren waren wir am Marientag geboren worden und trugen denselben Namen. Die Kinder im Dorf nannten uns meist Tagmarie und Nachtmarie – nicht nur, weil mein Haar hell und ihres dunkel wie eine sternenlose Raunacht war. Sondern auch, weil wir so unterschiedlich waren wie Sonne und Mond. Hinter vorgehaltener Hand fand mancher Dorfbewohner auch weniger schmeichelhafte Vergleiche für uns. »Da kommen die Schöne und die Hässliche«, das hatte ich die Leute schon flüstern gehört. »Der Hitzkopf und das Hasenherz. Das Scharfzüngige und die Stumme.« Nun, aber scharfzüngig war ich schon lange nicht mehr. Und auch hitzköpfig und wagemutig fühlte ich mich in diesem Augenblick nicht. »Bitte tu es nicht.« Marie umschloss meine Linke fester. Ich konnte ihre Angst spüren – so vertraut, dass es fast tröstlich war. Maries Zaudern machte es mir stets leichter, voranzugehen und mutig zu sein, auch wenn mein Herz etwas ganz anderes sagte. »Ich habe keine Wahl«, gab ich ebenso leise zurück. Die Dorfbewohner verließen die Kirche, gebeugte Gespenster mit weiß gefrorenen Wimpern und Wolkenatem. Draußen ließ Eiswind die Fackeln fauchen. Die Äxte, die an der Mauer lehnten, waren bereits von einer dickfrostigen Silberschicht überzogen. Die Holzfäller schulterten ihr Werkzeug und machten sich auf den Weg. Zwar rückte schon die Dämmerung heran, aber die Feuer im Dorf waren hungrig. Marie und ich folgten den Frauen, die ins Dorf zurückkehrten. Unauffällig ließen wir den Abstand größer werden und blieben schließlich stehen. »Gib mir das Seil«, sagte ich zu Marie. »Und wenn du zu Hause bist, bete für mich.« Aber heute überraschte meine Freundin mich. Sie schüttelte den Kopf und umschloss meine Hand so fest, dass es fast schmerzte. »Dein Weg ist auch meiner«, flüsterte sie mir zu. Und ich liebte sie dafür, dass sie an meiner Seite blieb, obwohl sie viel mehr Angst hatte als ich. Schon von Weitem hörten wir die Axtschläge. Den Dörflern war es bei Strafe und Verbannung verboten, auch nur einen Fuß in den Geisterwald zu setzen, nur die Holzfäller, zu denen auch mein Vater gehört hatte, durften ihn betreten. Marie und ich schlüpften ins Unterholz und schlichen geduckt weiter. Die Dämmerung hatte sich schnell über den Wald gesenkt, das Zwielicht gaukelte mir Gespenster vor. Denk an Anna, redete ich mir zu. Denk an all die Kranken. Ich spürte, wie Marie zitterte. Doch als wir das Waldstück unentdeckt durchquert hatten und das Tal in Sicht kam, atmete auch sie erleichtert auf. »Die Ruine«, raunte ich ihr zu. Genau so hatte mein Vater sie beschrieben. Früher musste dieser Kultplatz groß gewesen sein, doch heute ragte nur noch eine einzige Säule wie ein verwitterter weißer Felsen aus einer Felskante hervor. Genau hier, so hatten die Männer erzählt, hatte der Älteste im Schnee gekauert, als hätte er sich im Tod vor der schwarzen Göttin auf die Knie geworfen. Marie prallte zurück. »Die … Dunkle!« Jetzt sah ich es auch: Im Stein der Säule prangte eine Fratze. Das Wesen hatte wirres Haar und Teufelshörner. Zwei scharfe Hauer wuchsen aus dem Maul. Mit einem Schaudern erinnerte ich mich daran, was die Frauen im Dorf erzählten: »Die schwarze Percht stiehlt Kinder und tötet faule Mädchen. Mit ihrer Axt schneidet sie Menschen die Bäuche auf, füllt sie mit Steinen und näht sie wieder zu. In den Raunächten ist niemand vor ihr sicher.« Mit klopfendem Herzen ließ ich den Blick in das dunkle Tal schweifen. Es war ihr Reich. Lauf!, flüsterte es in mir. Doch zwischen Bäumen und Felsnadeln, kaum eine Meile von hier, erahnte ich eine Nebelwolke und darin das Schimmern, von dem mein Vater erzählt hatte. »Siehst du den Nebel und das Glänzen?«, fragte ich leise. Maries Augen waren so groß und furchtsam, dass sie jung wie ein Kind wirkte. »Ja«, hauchte sie. »So schimmert keine Eisfläche, nur Wasser«, wisperte ich. »Das ist der See, der niemals zufriert, daher steigt Nebel über dem Wasser auf. Mein Vater sagte, am Ufer steht ein Holunderbaum. In der Zeit der Raunächte trägt er auch im Winter Blüten. Aber nur bei Vollmond, nur eine Nacht lang, nur … heute.« Marie biss sich auf die Unterlippe. »Was, wenn es nur ein Märchen ist? Oder ein Fiebertraum deines Vaters?« Ich weiß nicht, warum ich bei diesen Worten so erschrak. Vielleicht, weil es einfach nicht sein durfte. »Was, wenn nicht?«, fuhr ich Marie so grob an, dass sie zusammenzuckte. »Soll ich lieber feige sein? Und zusehen, wie wir alle sterben?« Erst als sie warnend den Zeigefinger über die Lippen legte, merkte ich, wie laut ich geworden war. »Ist da jemand?«, erklang die Stimme eines Holzfällers. Jetzt war mir so heiß, als hätte das Schneefieber von mir Besitz ergriffen. »Das Seil!«, zischte ich Marie zu. »Schnell!« Sie holte es unter ihrem Mantel hervor, ich band es um die Säule. Die vertrauten Handgriffe beruhigten mich. Flink seilte ich mich ab und landete in einer Schneewehe. Ich kannte jede Art von Schnee, den losen, den haftenden und den, der unter den Füßen wegrutscht wie ein Schlitten. Doch diesen kannte ich nicht. Er war wie weißes Wildwasser. Er riss mich so schnell talwärts, dass ich das Seil verlor. Der Himmel trudelte über mir und dann gab es kein Oben und Unten mehr, nur meine Nägel, die über Fels kratzten, als ich versuchte, mich wie eine Katze festzukrallen. Ein Schlag raubte mir kurz die Besinnung. Als ich zu mir kam, bekam ich kaum Luft. Stein drückte gegen meine Rippen. Schnee rutschte von oben nach, als wollte er mich ins Tal schieben. Nun sah ich, dass ich fast bis in die Talsenke gerutscht war. »Marie!« Der gellende Schrei meiner Freundin riss mich aus meiner Benommenheit. Ich rappelte mich hoch. Marie starrte mich an und schlug ertappt die Hände vor den Mund, als könnte sie ihren Schrei jetzt noch zurückhalten. Aber es war zu spät. »Das war doch eines der Mädchen«, hallte es im Wald. Ich...



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