E-Book, Deutsch, 416 Seiten
Handel Rowan & Ash
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7641-9272-3
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Labyrinth aus Schatten und Magie
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-7641-9272-3
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sein Weg? Vorherbestimmt! Seine Verlobung? Arrangiert! Seine Gefühle? Verboten! Tritt ein in eine Welt voll dunkler Magie und geheimer Sehnsucht! Seit seinem dritten Lebensjahr ist Rowan O'Brien mit der Kronprinzessin von Iriann verlobt. Für seine Familie bedeutet die Heirat viel, versprechen sich die O'Briens mit der Verbindung doch eine Rückkehr an die Macht. Aber im Vorfeld der Hochzeit sorgen Gerüchte für Verstimmung: Rowans enge Freundschaft mit der gleichaltrigen Magierschülerin Raven wird von missgünstigen Stimmen aufgebauscht und großgeredet. Dabei empfindet Rowan nichts als Freundschaft für Raven. Die Wahrheit ist viel komplizierter: Rowan liebt keine andere Frau. Sondern den Königssohn Ash. Nominiert als 'Bester Roman' für den SERAPH 2021!
Christian Handel wurde in der Schneewittchen-Stadt Lohr am Main geboren, die im sagenumwobenen Spessart liegt. Inzwischen lebt er allerdings in Berlin und ist selbst davon überrascht, wie sehr er sich als Landpflanze im Großstadtdschungel wohlfühlt. Er begeistert sich für Stoffe über starke Frauen, märchenhafte Motive und queere Themen. Nachdem er lange Jahre als Blogger und freier Journalist über Bücher berichtet hat, schreibt er endlich auch selbst welche. Seine Bücher waren mehrfach für den SERAPH nominiert.www.christianhandel.de
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Schattenlabyrinth
Die Festung wirkt wie eine schwärende Wunde inmitten der grünen Hügellandschaft. Dieser Ort, den man das Schattenlabyrinth nennt, war einst die schönste Schlossanlage dies- und jenseits des Meeres. Unmöglich, sich das heute vorzustellen. Die kohlschwarzen Ruinen, die sich aus der Landschaft bohren, erinnern mich an das verfaulte Gebiss eines Riesen. Im Umkreis von einer Meile wächst nichts mehr um das einstige Herrscherhaus: kein Baum, kein Strauch, noch nicht einmal Gras. Magie hat das Schloss errichtet und Magie hat es zerstört. Was bleibt, ist ein verfluchter Schandfleck im grünen Herzen unseres Inselkönigreichs. »Das genügt. Viel näher heranzureiten wäre töricht.« Vater zügelt neben mir das Pferd und gleitet aus dem Sattel. »Komm«, fordert er mich auf, nachdem ich es ihm gleichgetan habe. Gemeinsam gehen wir zu Fuß weiter auf die Schattenfeste zu, während sich unsere Leibwächter um unsere Pferde kümmern. Erst am Hügelkamm bleiben wir stehen. Wider besseres Wissen wage ich einen Blick in die Tiefe. Der Hang vor uns fällt steil ab. Dorniges Astwerk krallt sich in die zerklüfteten Felsen. Die rostroten Gesteinseinschlüsse erinnern mich an geronnenes Blut. Mein Magen zieht sich zusammen und mir wird schwindlig. Schnell trete ich einen Schritt zurück und zwinge mich, meinen Blick in die Ferne zu richten, hinüber auf die Festung. Ich spüre Vaters Hand auf meiner Schulter und langsam beruhigt sich mein Herzschlag. Eine Weile lang sprechen wir nicht. Der Wind zerzaust mir das Haar, die Luft schmeckt nach Rauch und Verwesung und noch etwas anderem. Es ist weniger ein Geschmack als vielmehr ein Prickeln auf der Zunge. Magie. Nirgendwo auf der Welt ist die Magie so stark wie hier. Und nirgendwo so gefährlich. Die schwarzen Mauerreste des Schattenlabyrinths wirken selbst aus der Ferne brandnarbig, als bestünden sie aus Torf. »Geht es wieder?« Ich nicke. Vater drückt noch einmal fest meine Schulter, dann lässt er los. »In der Hauptstadt darfst du dir die Angst nicht anmerken lassen.« Meine Ohren beginnen zu glühen. »In Ionnach gibt es keine Gebirgsschluchten.« Natürlich weiß ich, dass Vater nicht das meint. In der Hauptstadt kann man auf viele Arten fallen, und viele Große Familien wären begeistert davon, uns stürzen zu sehen. »Du kannst dich auf mich verlassen«, schiebe ich deshalb hinterher. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Vater nickt. »Das weiß ich, Rowan.« »Und warum sind wie hierher gekommen?« »In Ionnach haben die Wände Ohren. Ich wollte noch einmal in Ruhe mit dir reden.« »Was ist mit Mutter?« »Ich habe keine Geheimnisse vor ihr oder deinen Schwestern. Aber es gibt Dinge, die ein Vater nur mit seinem Sohn besprechen kann.« Das erinnert mich an ein äußerst unangenehmes Gespräch vor ein paar Jahren und ich spüre, wie mir die Hitze erneut ins Gesicht steigt. Schon befürchte ich, er würde mit einem Vortrag über die Freuden des Fleisches und das Wunder der Zeugung beginnen, aber Vater wechselt, Briann sei Dank, abrupt das Thema: »Was glaubst du, wie sich die Akademie der Magier in der nächsten Ratssitzung entscheiden wird?« Das ist eine schwierige Frage. In den Dörfern überschlagen sich die Gerüchte über Schattenkreaturen, die durch die Lande streichen. Bald wird der Hexenbrand wieder in Iriann wüten. Das Schattenlabyrinth zu versiegeln scheint die einzige Möglichkeit, das zu verhindern. Aber damit würde man die Insel auch von der Quelle der Magie abschneiden, und das will eigentlich niemand, am allerwenigsten die Akademie. »Ich vermute, sie werden gegen die Versiegelung stimmen«, sage ich. »Schlussendlich sind und bleiben sie Magier.« »Du vermutest es oder du weißt es?« »Ich vermute es. Woher soll ich es wissen?« »Hat dir deine Freundin nichts verraten?« »Raven ist Lehrmädchen in der Akademie. Du kannst nicht ernsthaft annehmen, sie wüsste, wie sich der Rat entscheidet.« »Raven ist klug. Und was in diesem Fall noch wichtiger ist, sie vermag sich leise wie eine Katze zu bewegen. Du willst mir doch nicht erzählen, dass sie nichts gehört hat?« Ich schüttele den Kopf. »Du kennst sie doch. Sie ist vorsichtig. Sie tut nichts, wodurch sie Gefahr laufen könnte, von der Akademie geworfen zu werden. Außerdem haben wir in den letzten Wochen kaum miteinander gesprochen.« Vater wendet sich mir zu und hebt eine Augenbraue. »Es ist wahr«, verteidige ich mich und nestele an dem Lederband herum, das ich um den Hals trage und an dem ein daumennagelgroßer Silberknopf hängt. »Ich fürchte, seine Macht ist fast aufgebraucht. Wir versuchen, die Knöpfe so wenig wie möglich zu benutzen.« Der Silberknopf ist ein Artefakt. Vor Ravens Aufbruch nach Ionnach hat Vater uns identische Knöpfe geschenkt. Wir können damit auch über große Entfernungen hinweg sprechen. Aber mit jeder Benutzung schwindet die Kraft der Artefakte ein bisschen. Nur eine Magieschwemme kann sie wieder aufladen. »Ich kann sie fragen, wenn wir im Goldenen Wächter sind.« Vater nickt zufrieden. »Aber ich glaube nicht, dass sie etwas weiß«, schiebe ich hinterher und gebe mir Mühe, meine Stimme fest klingen zu lassen. »Und ich werde sie nicht dazu überreden, ihre Lehrer zu belauschen.« »Du solltest ohnehin nicht mehr so viel mit ihr sprechen, wenn du in der Hauptstadt bist.« Ich glaube, mich verhört zu haben. »Warum nicht?« »Ich will nicht, dass Alyss Gerüchte zu Ohren kommen. Oder Corwin.« Daher weht also der Wind. Natürlich geht es um den König. »Es wird keine Gerüchte geben, weil zwischen Raven und mir nichts passiert, was zu Gerüchten führen könnte.« »Gerüchte müssen nicht immer der Wahrheit entsprechen. Denk an Jonah O’Malley.« Ich senke den Kopf, weil ich nicht weiß, was ich darauf antworten soll. »Wir haben so lange auf diese Verbindung hingearbeitet, Rowan.« »Die O’Briens sind die mächtigste Familie in ganz Iriann«, halte ich dagegen. »Der König braucht uns.« »Der König hat auch die O’Malleys gebraucht.« Vater seufzt tief. »Die Situation in der Hauptstadt ist angespannt. Die nächste Magieschwemme ist erst in mehreren Sommern zu erwarten. Trotzdem hat man bereits Kreaturen gesichtet. Immer mehr Stimmen fordern, das Schattenlabyrinth zu versiegeln, ehe es zur nächsten Seuche kommt. Der Kronrat ist sich uneins und jeder bestürmt den König mit den eigenen Ängsten. Es ist jetzt wichtig, Stärke zu zeigen. Und Loyalität.« »Also wirst du für die Versiegelung des Schattenlabyrinths stimmen?« »Wenn es das ist, was der König will.« Wütend kicke ich einen Kiesel in die Schlucht. »Hast du keine eigene Meinung?« Mein Ausbruch bringt Vater nicht aus der Ruhe. »Natürlich habe ich die. Und die werde ich Corwin auch mitteilen. Aber wenn er sich anders entscheidet, kann er auf meine Stimme zählen. Der Kluge …« »… wählt seine Kämpfe stets selbst«, beende ich seinen Satz. Das ist einer seiner Leitsprüche. Ich muss mich dazu zwingen, nicht die Augen zu verdrehen. Mein Vater ist ein guter Mensch. Die Bewohner unseres Herzogtums schätzen ihn als gerechten Lehnsherrn und Beschützer. Meiner Mutter ist er ein treuer Ehemann, der sie stets bei seinen Entscheidungen mit einbezieht. Und er hat nicht nur dafür gesorgt, dass wir Kinder eine umfassende Ausbildung erhalten, sondern auch, dass wir nie an seiner Liebe zu uns zweifeln müssen. Meiner kleinen Schwester Willow erlaubt er sogar Unterricht im Schwertkampf. Aber es gibt eine Sache, in der er unerbittlich ist: die Rückeroberung des Throns von Iriann, auf dem einst unsere Vorfahren gesessen haben. Vor etwa dreihundert Jahren ist die Königswürde von den O’Briens auf die Byrnes übergegangen. Unser Herzogtum Ehrenfeld ist die ertragreichste und damit einflussreichste Region der Insel, aber der Verlust der Krone schmerzt unsere Familie bis heute. Seit er selbst die Herzogwürde von seinem Vater übernommen hat, zieht mein Vater Fäden und schmiedet Allianzen, die es uns O’Briens erlauben sollen, wieder aufzusteigen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er meine Mutter liebt. Dass sie als die Lieblingsbase der Königin galt, war aber damals sicher der maßgebliche Grund...