Hampe / Wigger | Heilpädagogische Kunsttherapie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Hampe / Wigger Heilpädagogische Kunsttherapie

Grundlagen, Methoden, Anwendungsfelder
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-17-032079-6
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen, Methoden, Anwendungsfelder

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

ISBN: 978-3-17-032079-6
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



This textbook provides an insightful introduction to the foundations of remedial art therapy, with a special emphasis on inclusion of individuals with disabilities and on art=s ability to build bridges. The book presents fields of application and methods in remedial art therapy in relation to the use of specific materials and different media & taking basic aesthetic and holistic perception-promoting horizons of experience into account. The book provides a fascinating range of example cases and projects, with extensive visual materials created in the therapeutic setting, ensuring its practical applicability.

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4          Grundlagen einer Heilpädagogischen Kunsttherapie
      Allgemein ist Heilpädagogische Kunsttherapie als ein vielschichtiges Feld der ästhetisch-gestalterischen Praxis zu verstehen und basiert auf Förderaspekten in der ästhetischen Ausdrucksfindung. Es kann unterschieden werden zwischen produktiven und rezeptiven Zugängen, die einander ergänzen oder als eigenständige Verfahren für sich stehen können. Abhängig von der Klientel und den individuellen, psychosozialen als auch physischen Kompetenzen ist eine methodische Kombination von Verfahren möglich. Die ästhetische Praxis lebt aus ihren Tätigkeitsfeldern, dem unmittelbaren Handeln in Erlebenszusammenhängen wie dem Resonanzerleben in Gestaltungsprozessen. Diese Stimulanz basiert auf Eigensinn und ist in ihrem projektiven Gehalt vielfältig, da sie uneindeutig und unabgeschlossen im gefühlsmäßigen Erleben bleibt. 4.1       Parameter des bildnerischen Gestaltens
Im Folgenden soll auf die Aspekte von Rahmen, Zeit, Ort, Container, Material und Licht als wesentliche Parameter des bildnerischen/plastischen Gestaltens exemplarisch Bezug genommen werden. So ist es der Rahmen, der der Kunsttherapie in der Heilpädagogik eine verlässliche Grundlage zur gemeinsamen Orientierung gibt. In der Wirtschaft spricht man beispielsweise von Rahmenbedingungen, um die Anliegen beider Seiten zu berücksichtigen und abzusichern. In kunsttherapeutischen sowie in heilpädagogischen Zusammenhängen gilt dies nicht nur hinsichtlich der formalen, sondern auch spezifisch medialer und psychologischer Aspekte. Bei Betrachtung der formalen Ebene wäre zunächst der Kontext des gemeinsamen Arbeitens bezogen auf Ort, Zeit, Dauer, Zielsetzung sowie besonderer personeller, medialer als auch situativer Bedingungen zu klären. Möglicherweise sind kontextbezogen auch schriftliche Schweigepflicht- oder Einverständniserklärungen zu regeln. Wenn diesbezüglich Klarheit geschaffen und der entsprechende formelle Rahmen abgesteckt ist, kann auch der Rahmen für die Begegnung kreiert werden. Wir bewegen uns tagtäglich in unterschiedlichsten Bezugsrahmen mit den entsprechenden Bedingungen. Ob Schule, Arbeitsplatz, Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen, Gesellschaft und Kultur – alle Bereiche obliegen ihren spezifischen Rahmen, an die wir uns anpassen und die wir fließend wechseln und verinnerlicht haben. Wir reagieren auf einen feierlichen Rahmen sowohl angemessen gekleidet als auch mit passender Stimmung, um im Rahmen zu bleiben und nicht aus dem Rahmen zu fallen (vgl. Dannecker 2015, S. 166). Rahmengebende Fassungen von digitalen Endgeräten, wie Bildschirm, Tablet, Smartphone und Fernseher geben informeller Vielfalt einen Rahmen und begrenzen Informations- und Bilderfluten. Der taktile Kontakt zum Rahmen eines Smartphones ist vielen von uns selbstverständlich geworden, ist handlich und handhabbar. Das iPhone, seit es 2007 auf dem Markt kam, und dessen Rahmenmaße sind seitdem vielfältig variiert worden, um Handhabbarkeit, taktile Organisation und Tragbarkeit zu optimieren. Zollgrößen von Bildschirmen und Oberflächen, sowie genormte Din-Größen von Papieren sind nicht nur Anhaltspunkte für die industrielle Fertigung derselben, sondern bestimmend für den Rahmen sowohl für bildnerische Rezeption als auch bildnerische Produktion.  Eine Ausstellung im Palais Lichtenstein in Wien mit dem Titel »Halt und Zierde. Das Bild und sein Rahmen« von 2009/2010 widmete sich ganz und gar dem Rahmen in der Kunst. Sie umfasste eine Retrospektive vom 15. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Vom vergoldeten, prachtvoll geschnitzten Rahmen bis zum völligen Verzicht auf denselben wurde in diesem Kontext die Frage nach Begrenzung und Grenzenlosigkeit beleuchtet. Rahmen bedeutet Grenze zwischen Architektur und Kunst. Selbst die Bearbeitung von der Außenkante eines Keilrahmens wirft die Frage nach Abstand, Trennung und Berührungspunkt zwischen Kunst und umgebender Architektur auf. Der Rahmen gilt als Trennung, Übergang oder gestaltete Grenze. Die Geschichte »Palast der Erinnerungen« von Debra Dean (2007) regt dazu an, den Rahmen unter dem Aspekt von Erinnerung und Imagination zu betrachten. Rahmen und Silhouetten real nicht mehr vorhandener Gemälde können hinreichend sein, um diese und aus dem Gedächtnis abrufen zu können. So werden beispielsweise Meisterwerke, die vor dem Krieg an den Wänden der Leningrader Eremitage hingen, vor dem geistigen Auge der Protagonistin Marina, einer jungen Museumsführerin, wieder sichtbar. Im Winter 1944 ist Marina allein, um das inzwischen leere Museum zu beaufsichtigen. Alle Gemälde sind abgehängt und zum Schutz an einem sicheren Ort untergebracht. Das Leben ist geprägt von Angst, Hunger, Not und Verzweiflung. Doch die Protagonistin hat ihren eigenen Weg gefunden, das Elend zu ertragen: Sie geht von Saal zu Saal und erinnert sich, allein durch die durch staub entstandenen Silhouetten, an die Meisterwerke, die vor dem Krieg dort hingen und die sie den Besucher*innen nähergebracht hat. Die minimalistischen, visuellen Strukturen, rahmengebende Hell-Dunkel-Kontraste reichen aus, dass ihr Gedächtnis für das geistige Auge anmutige Gesten, betörende Farben, die Strahlkraft des Lichts reproduzieren kann. So werden in der Geschichte des Romans durch die ›Rahmungen‹ in Marina sowohl die Werke als auch der museale Ort wieder lebendig.  Vergleichbar damit sind die Strukturen an den Wänden eines Ateliers nach dem Konzept von Arno Stern ( Abb. 1). Abb. 1: Atelierwand mit Rahmensilhouetten, Gouachefarbe »Wenn kein Blatt mehr an der Wand hängt, ist der Raum wieder bereit, eine neue Gruppe aufzunehmen. Leer scheint er nie, denn die schimmernden Farbspuren auf seinen vier Wänden sind der endlose Widerhall des Erlebten in so vielen Gemütern« (Stern 1998, S. 47). Die Farbspuren an den Wänden repräsentieren die Verdichtung malerischer Rahmen, unzählige Wechselspiele von Hoch- und Querformaten, malerisch bearbeitet von kleinen und großen Malenden. Der Raum ist fünfeinhalb Meter lang, vier Meter breit und drei Meter hoch, vier Wände, in der Mitte des Raumes ein zwei Meter langer Palettentisch mit 18 Farben. Neben jeder Farbe liegen zwei Pinsel einsatzbereit. Es gibt keine Fenster, die den Blick nach außen lenken könnten. Ein mit Kunstlicht beleuchtetes Labor mag der Nicht-Kennende meinen. Es wird auf weißem Offsetpapier gearbeitet, 70 auf 50 Zentimeter groß. Grundsätzlich wird im Stehen gearbeitet in einer altersgemischten Gruppe von 12 bis 15 Malenden, alle tragen Malkittel. Die Malenden werden bei Bedarf mit Wasser versorgt oder beim Anheften des Blattes und beim Versetzten der Reißnägel unterstützt. Die begleitende, im Sinne von Arno Stern »dienende« Person (vgl. Stern 1998, S. 53) rät weder, noch korrigiert oder vergleicht sie. Der Ort ist immer gleich, der Kontext bzw. die Rahmenbedingungen sind schnell klar. Es wird 90 Minuten gearbeitet, einmal die Woche und im Idealfall zeitlebens. Jedes Werk wird verlässlich datiert und in Mappen archiviert und verbleibt am Malort. Die Repräsentanz der Schichtungen malerischer Rahmen auf den Wänden des Ateliers und die gleichbleibenden strukturellen Bedingungen sind gleich einem stabilen Rahmen, der verlässlich Konstanz hat. Dieser kann entweder die nötige Sicherheit bieten, sich auf einen eigenen Malprozess einlassen zu können, oder aber das Bedürfnis nach Weite, Offenheit, Unberührtheit, Unbegrenztheit wach werden zu lassen. Das weiße Blatt auf der mit Malspuren gefüllten Wand kann explizit diese Konfrontation mit diesen Bedürfnissen bedeuten. Vergleichbare rahmenbasierte Konzepte mit den plastischen Materialien Ton und Sand im Kontext der Heilpädagogik sind die Arbeit am Tonfeld von Heinz Deuser (vgl. Deuser 2004; 2016) und die Sandspieltherapie der Schweizer Psychotherapeutin Dora Kalff (1904–1990) (vgl. Kalff 2000). Bei diesen beider Methoden definiert der Rahmen einen mit Material gefüllten (Spiel-)Raum. Er fungiert dabei nicht nur als Kiste, um das Material aufzunehmen, sondern definiert ein visuell und haptisch wahrnehmbares Innen und Außen. Bei Kalff obliegt dabei die Größe von 72 auf 57 auf 7 oder 9 Zentimeter den Ausmaßen des menschlichen Blickfeldes (vgl. Kalff 2000), während sich bei Deuser das quadratische Maß eher zufällig ergab, da die erste Tonkiste aus einem ausgedienten kleinen Fensterrahmen entstand (Gespräch zwischen Heinz Deuser und Monika Wigger). Die Proportion passt sich hier der ungefähren Körperbreite eines Erwachsenen an, so dass der*die Klient*in am Rahmen Halt finden...


Prof. Ruth Hampe teaches rehabilitation and art therapy at the Catholic University of Freiburg. Dr. Monika Wigger is Professor of Aesthetics and Communication at the same university, with a special focus on art and art therapy in psychiatry.



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