Hammer | Allet Schnee von gestern | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 248 Seiten

Hammer Allet Schnee von gestern


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-4182-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 248 Seiten

ISBN: 978-3-7448-4182-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Weißt du noch ..." fragt man sich so manches Mal, wenn man im letzten Drittel des Lebens, also kurz vor dem "finalen Fangschuss", angekommen ist. Erinnerungen werden wach, an die Kindertage, die Jugendzeit mit der ersten, wahnsinnig komplizierten Hürde des Lebens (genannt Pubertät), an die Eltern, die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, die erste große Liebe, an das Eheleben, das Kinderkriegen und -erziehen etc. pp. ... Die Autorin zeichnet mit ihren Geschichten Erlebnisse auf, die für sie wichtig und prägnant waren. Geschichten, in denen sich so mancher Leser vielleicht wiedererkennt, oder ihm einiges bekannt vorkommt. Geschichten zum Schmunzeln, zum Nachdenklich werden, und auch zum Ein bisschen traurig werden. Wie im wirklichen Leben, wechseln sich Freud und Leid ab, reichen sich manchmal sozusagen die Hand.

Im Jahre 1947 im Herzen des Ruhrgebiets geboren, blickt Renate Hammer auf eine ereignisreiche Vergangenheit zurück, an der sie den geneigten Leser in ihren ebenso unterhaltsamen wie nachdenklich stimmenden Kurzgeschichten teilhaben lässt.

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„In Oppa seine Bude“
Kindheitserinnerungen sind oftmals das schönste (und manchmal sogar einzige) Vergnügen älterer Menschen. Wenn das Gehirn nicht mehr so funktioniert, wie es eigentlich sollte, man vorne nichts Packendes mehr sieht, blickt man als alter Mensch gerne zurück. Kindheits- und Jugenderlebnisse erfahren ihre Auferstehung; in fröhlicher Freundesrunde oder beim Kaffeeklatsch zu zweit mit dem Sohnemann werden sie an ihn weitergegeben. (Ob er das nun hören will oder nicht; er muss in den sauren Apfel beißen und gute Miene zum bösen Spiel machen, denn er hört die alten Geschichten sicherlich nicht nur einmal. Häufige Wiederholungen der Erzählungen über Jugenderlebnisse der Alten sind vorprogrammiert, weil das Langzeitgedächtnis das einzige ist, das noch hervorragend funktioniert ...). „Weißt du noch, damals ...“ So beginnen sie meistens, die Berichte über Kindheits- und Jugenderlebnisse. Damals war alles anders, alles besser, zumindest in der Erinnerung der alten Menschen. Unangenehme Ereignisse wurden vom Selbstschutz-Mechanismus in den grauen Zellen ad acta gelegt. Das Gehirn breitet den Schleier des Vergessens über so manche Vergangenheit aus, die nicht mehr aufgerührt werden soll. Meine Wenigkeit, als Nachkriegskind im Jahre 1947 geboren, erinnert sich schwach an beengtes Wohnen in zwei untergemieteten Zimmern. Unter der Fuchtel der Hauptmieterin, der man eine fünfköpfige Familie (bestehend aus zwei erwachsenen Personen nebst zwei halbwüchsigen Kindern und mir) wie ein faules Ei ins Nest gelegt hatte, ereigneten sich Dinge, die man sich heutzutage nicht mehr vorstellen kann. Wen wundert es da, dass man zu vergessen versucht, was einst sehr unschön verlaufen war? Wie die Rosinen aus einem Kuchen, pickt das alte Gedächtnis am liebsten die Erlebnisse heraus, über die man heute lachen kann und dies auch herzhaft tut. Ich war sechs Jahre alt, als ich zum Spielen nach draußen geschickt wurde, damit Mama sich in der engen Wohnküche frei und ungehindert bewegen konnte. Für viereinhalb Personen ein Mittagessen zuzubereiten, war seinerzeit mit einem kleinen Abenteuer vergleichbar. Obwohl ich aufgrund meines zarten Alters und vom Körperbau her nur „eine halbe Portion“ war, bekam ich die gleiche Menge zu essen wie meine älteren Geschwister. Schließlich sollte ich möglichst schnell „groß und stark“ werden. Wozu, leuchtete mir seinerzeit noch nicht ein; die Räumlichkeiten waren schließlich damals schon viel zu eng ... Da ein Haushalt seinerzeit noch nicht so gut und üppig ausgestattet war wie heutzutage, musste Mama bei der Vorbereitung und Herstellung einer warmen Mahlzeit oftmals Kreativität an den Tag legen. Für die Vorbereitung einer Grünkohl-Mahlzeit zum Beispiel benutzte sie die Allround-Zinkbadewanne. Schließlich musste die Unmenge dieses Wintergemüses, bevor sie in das Behältnis, das mein Bruder als „Hordentopf“ bezeichnete, umgelagert wurde, gründlich gewaschen werden; genauso wie ich, wenn ich vom aushäusigen Herumstromern zurückkehrte ... Selbstredend wurde die Badewanne nach der Grünkohl-Wäsche genauso penibel ausgescheuert wie am Samstag nach der Beendigung des Familien-Reinigungsprogramms ... Wenn ich Mama zu sehr genervt hatte (man mag es heute nicht mehr glauben, aber ich war ein quirliges Kind mit einem so gut wie niemals still stehenden Mundwerk), sagte sie: „Kind, tue mir einen Gefallen, besuche mal wieder den Opa in seiner Bude und fall dem auf den Wecker!“ Nur allzu gern erfüllte ich Mama jeweils diesen Wunsch. Opa war - genauso wie fast alle Männer in unserer Siedlung - beim Bochumer Verein beschäftigt. Als er Frührentner wurde, sich aber noch zu fit fühlte, um das Arbeiten gänzlich aufzugeben, ließ er sich seinem Hobby entsprechend als Schrankenwärter bei der werkseigenen Eisenbahn verdingen. Er nannte diese Umstrukturierung dem neuen Job entsprechend „ausrangieren“. (Böse Zungen behaupteten, dass Oma ihn aus dem Weg haben wollte, oder er ihr freiwillig aus demselben ging, weil sie es nicht gern sah, dass er „für längere Durststrecken“ stets einen Flachmann in der Westentasche bei sich trug. Die Füllung dieses Behältnisses bestand allerdings niemals aus Wasser, sondern aus wesentlich hochprozentigeren Flüssigkeiten ...) Wenn ich mich dem Gebäude, in dem Opa seine immens wichtige Tätigkeit verrichtete, näherte, sah ich schon von weitem sein schneeweißes, gelocktes Haar, das er sich vom Wind zerzausen ließ. Stets winkte er mir zu; und er lächelte so breit, dass seine Augen, in denen der Schalk nur so blitzte, sich zu Schlitzen zusammenzogen. Obwohl das Betreten des Werksgeländes, zu dem der Schienenstrang und auch das Wärterhaus gehörten, durch werksfremde Personen strengstens untersagt war, brach Opa alle diesbezüglichen Schranken und ließ mich zu sich hinauf kommen. „Na, Mädelchen, willste mal wieder an der Kurbel drehen?“, fragte er jeweils. „Mein Reißmatismus in den Schultern und Armen ist heute wieder so schlimm, dass ich mir gar nicht zu helfen weiß. Ich glaube, ich schaff das mal wieder nicht allein. Aber einer muss es ja tun, sonst rumsen die Züge mit den Autos zusammen, und die Fußgänger kommen ebenfalls unter die Räder. Und dat wollen wir ja vermeiden, woll?“ Überglücklich drehte ich an der großen Kurbel, die die Schranken hinunter und nach Passieren der Waggons wieder herauf beförderte. Wieder herauf war wesentlich schwerer, sodass Opa mich trotz seiner geschummelten Zipperlein unterstützen musste. „Ping ping ping“ ertönte ein gleichmäßiges Signal, das mich für die anstrengende Tätigkeit belohnte, denn für meine Ohren war es schöner als Musik. Schon von weitem hörte man die mit Eisen und Schrott beladenen Waggons der Werksbahn langsam herannahen. Wenn die Lok das Häuschen passierte, winkte der Lokführer Opa jeweils freundlich zu. Oftmals musste ich mich allerdings ducken, um nicht entdeckt zu werden, denn man wusste ja nie, ob der Mann dort in der Lok nicht eventuell doch ein „übler Verräter“ oder „Kameradenschwein“ war und Opa wegen seiner illegal engagierten Aushilfe bei der Werksleitung verpfeifen würde! „Weißte, Kindchen, die Menschen sind nicht alle nett; merke dir das fürs Leben. Man guckt allen nur vor den Kopp, nicht hinein. Manche lächeln dich vorne an, aber, Schwups, haste hinten ein Messer im Rücken. ... Aaaah, jetzt sehe ich den Kerl in der Lok. Es ist der dicke Otto. Vor dem musste dich nicht verstecken, der ist in Ordnung.“ Trotz Opas Entwarnung blieb ich vorsichtshalber in meinem Versteck. Die Vorstellung, den Heimweg mit einem Messer im Rücken antreten zu müssen, jagte mir eine dicke Gänsehaut über denselben. Mama würde sicherlich mit mir und Opa fürchterlich schimpfen ... „Na, August, alles klar?“, rief Otto im Vorbeifahren. Unter wissendem Grinsen kniff er Opa ein Auge zu. Anscheinend wusste er genau, dass Opa nicht allein an der Kurbel gedreht hatte. „So, Mädelchen, jetzt wollen wir uns nach der anstrengenden Maloche erstmal stärken“, sagte Opa, als wir gemeinsam die Schranken wieder in die Senkrechte befördert hatten. „Das dauert jetzt eine Weile, bis der Otto mit dem Zug wieder zurückkommt. Der muss ja den ganzen Krempel erstmal abladen lassen, woll?“ Flugs holte Opa die Blechbüchse hervor, in der Oma die reichlich mit Wurst und Käse belegten Stullen deponiert hatte. Opas Aufforderung, nun mal kräftig zuzulangen, kam ich nur zu gern nach, denn Omas Stullen waren eine Wucht in Tüten! Einen Schluck aus dem Flachmann verweigerte Opa mir allerdings. „Dafür biste noch viiieeeel zu klein“, erklärte er. Leicht errötend überreichte er mir ein Glas mit Limonade, die er „für alle Fälle“ stets heimlich in seinem Spind vorrätig hielt. Als der Zug mit den entleerten Waggons zurückkam, kurbelten wir nochmals gemeinsam die Schranken hinunter und herauf. Noch einmal vernahmen meine Ohren das „Ping ping ping“. Wenn die eventuelle „Gefahr“ vorüber, der Lokführer außer Sichtweite war, schickte Opa mich zu meiner Familie zurück. Niemals in meinem Leben werde ich die für mich abenteuerlichen Erlebnisse in Opas Wärterhäuschen vergessen. Opa gibt es schon längst nicht mehr. Neunzehnjährig begleitete ich ihn mit meiner Familie, seinen Freunden und Werksbahn-Kollegen auf seinem letzten Weg auf dem Freigrafendamm. Heute bin ich bereits älter als Opa damals war. Auch das Wärterhäuschen existiert nicht mehr. Die Werksbahnlinie dagegen gibt es noch immer. Wie es in der Neuzeit so üblich ist, wurde die seinerzeit von Hand zu bedienende Kurbel durch eine Automatik ersetzt. Der Schrankenwärter ist überflüssig geworden. Das melodische „Ping ping ping“ allerdings kann man, wenn man gute Ohren hat und der Wind...



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