E-Book, Deutsch, 416 Seiten
Hall The Couple
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-22217-8
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ihre Liebe ist vorbei. Ihr Spiel hat erst begonnen. - Thriller
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-641-22217-8
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mike und Verity sind das perfekte Paar. Und um seine Traumfrau glücklich zu machen, hat Mike nicht nur einen gut bezahlten Job angenommen, sondern auch ein wunderschönes Haus gekauft. Er würde alles für sie tun. Auch wenn das bedeutet, dass sie manchmal grausame Spiele spielen. Doch plötzlich trennt Verity sich von ihm und verliebt sich in einen anderen Mann. Mike wird der Boden unter den Füßen weggerissen. Sie antwortet nicht auf seine Anrufe und auch nicht auf seine Nachrichten. Aber dann wird ihm etwas klar: Ein neues Spiel hat begonnen und er muss Verity nun beweisen, wie weit er wirklich gehen kann …
Araminta Hall arbeitet als Journalistin, Lehrerin und Autorin. Derzeit unterrichtet sie Kreatives Schreiben in Brighton, wo sie auch mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt.
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II
Die Woche nach der Hochzeit war gar nicht gut.
Ich hatte schreckliche Probleme, zu schlafen, und tagsüber war mir ständig schlecht und schwindlig. In der Firma übertrug der Chairman mir unser neues Projekt, bei dem es um die Übernahme eines großen Konkurrenten namens Spectre ging. Die Sache war im Grunde ziemlich unkompliziert. Ein Großteil des Ladens musste eingestampft werden, und ein Haufen Leute würden ihre Jobs verlieren, aber mir war die Überempfindlichkeit fremd, mit der andere oft auf solche Situationen reagierten. Wenn jeder in einer Firma seine Arbeit anständig erledigt, dann läuft der Laden auch, so sehe ich das. Und wenn der Chef zu dämlich ist, sich rechtzeitig von überflüssigem Ballast zu trennen, dann muss es eben schiefgehen.
Als ich im noblen Büro des Chairman saß und ihm das sagte, musste er lachen. »Mal ganz unter uns«, antwortete er, »genau darin besteht der Grund, warum Frauen es in der Geschäftswelt so selten bis ganz nach oben schaffen. Zu viele Gefühlsduseleien.« Das war zwar ausgemachter Stuss, aber ich nickte dennoch lächelnd, wie es von mir erwartet wurde. Allerdings wollte mir die Aufgabe ungeachtet ihrer Anspruchslosigkeit einfach nicht leicht von der Hand gehen. Ich schleppte sämtliche Akten und Unterlagen zurück zu meinem Schreibtisch, loggte mich auf die geschützten Seiten ein, die alles relevante Zahlenmaterial enthielten, und brachte trotzdem nichts auf die Reihe. Die Zahlen schienen über den Bildschirm zu tanzen, hinter Algorithmen unsichtbar zu werden oder in Graphen zu verschwinden. Es gelang mir, eine grobe Marschrichtung zu entwerfen, die sich dann aber auf halbem Weg wieder zerschlug, weil mir Prognosen um die Ohren flogen, denen ich zuvor nicht die geringste Beachtung geschenkt hatte.
Das Problem war, dass mein Verstand komplett von V besetzt schien, als wäre sie eine Wühlmaus, die in meinem Schädel wohnte. Es kam mir absurd vor, mich mit Routinearbeiten abzugeben, wenn sie womöglich im selben Moment Dinge erlebte, die wir nie mehr gemeinsam zum ersten Mal erleben konnten. Ich ärgerte mich darüber, sie nicht detaillierter über ihre Reise befragt zu haben. Dann hätte ich viel besser einschätzen können, was sie wann gerade unternahm. Wir hatten selbst oft genug davon gesprochen, nach Südafrika zu reisen, und ich war mir sicher, dass sie einige der Orte aufsuchen würde, die wir ins Auge gefasst hatten.
Unablässig recherchierte ich im Netz nach »Südafrika«, verfeinerte oder erweiterte meine Suche, indem ich Begriffe wie »Tourismus«, »exklusiv«, »exotisch« oder »ungewöhnlich« hinzufügte. Die Bandbreite von Dingen, die man dort unternehmen konnte, war überwältigend, und die meisten davon entsprachen genau der Art von Abenteuer, die V gefallen würde. Und natürlich verfügte Angus über ausreichende finanzielle Mittel, alles besonders spektakulär zu machen, was er mit Sicherheit auch tun würde. Ich folgte virtuellen Rundgängen durch sämtliche Tophotels, buchte Hubschrauberflüge in seinem Namen, arrangierte Verköstigungen auf edlen Weingütern, verglich die besten Spas, las die Speisekarten der nobelsten Restaurants. Aber nichts davon genügte mir. Am liebsten hätte ich den Computerbildschirm zertrümmert und wäre hineingesprungen. Ich wollte all den Werbeschnickschnack rausschmeißen, wollte überall kleine Kameras installieren. Ich wollte haargenau wissen, was sie wann taten.
Zu Hause setzte ich meine Ermittlungen allabendlich fort. Ich stellte mir Wein neben den Laptop und aß Liefer-Essen direkt aus der Verpackung. V hätte solche Nachlässigkeiten nie geduldet, aber meine Verärgerung über sie wuchs mit jedem Tag. Was sie da unternahm, stand in keinem Verhältnis zu dem Fehltritt, den ich mir geleistet hatte. Mit Carly zu schlafen war natürlich totaler Mist von mir gewesen, aber das tat mir leid, und ich hatte mich dafür entschuldigt und auf Knien um Vergebung gebeten. Es musste ihr doch klar sein, dass es nicht die geringste Bedeutung besaß, dass sie für immer und ewig die Einzige für mich bleiben würde.
Das ist es auch, was mir bis heute nicht in den Kopf will, dass manche Männer ungestraft davonkommen für die Dinge, die sie tun, während andere, so wie ich, über glühende Kohlen kriechen müssen für eine dämliche Kurzschlusshandlung, die sie liebend gerne ungeschehen machen würden.
Ich habe noch immer dieses dumpf klatschende Geräusch von aufschlagender Haut in den Ohren, das einen Großteil meiner Kindheit begleitete. V hat niemals erfahren müssen, wie das ist, wenn man in seinem Bett liegt und hört, wie nebenan der Körper der eigenen Mutter gegen ein Möbelstück kracht. Wenn man auf allen vieren in den Flur krabbelt und durch den Türspalt sieht, wie ein Mann sie an den Haaren hochzieht und mit dem Gesicht voran gegen die Wand schleudert. Wenn man das unbändige Verlangen hat, etwas zu tun, und zugleich eine übermächtige Angst die Beine in Wackelpudding verwandelt. Ich bin jedes Mal wieder zurück zu meiner unbezogenen Matratze gekrabbelt, wo ich mir meine zerschlissene Decke über den Kopf zog und einen Schlaf herbeisehnte, der nie sofort einsetzte, sondern mich irgendwann nachts so unvermittelt überfiel, dass ich morgens voller Panik aufschreckte und fest damit rechnete, meine Mutter erschlagen in einer riesigen Blutlache zu finden.
V hat ja keine Ahnung, wie ein Körper nach solchen Prügeln tatsächlich aussieht. Wie er anschwillt und sich wölbt, wie er sich verfärbt und von ekelhaften lila und blauschwarzen Flecken bedeckt wird, die dann mit der Zeit zu Gelb und Grau verblassen. Sie weiß nicht, wie es sich anfühlt, mit der Hand über diese Haut zu streichen, wenn die betreffende Person besinnungslos betrunken auf dem Boden liegt. Wie hart und unnatürlich sie sich anfühlt, und wie man sich gar nicht vorstellen kann, dass sie je wieder normal wird. Sie weiß nicht, wie einfach es ist, Narben zu hinterlassen. Und selbst wenn manchmal nur ein winziger brauner Kreis zurückbleibt, bei seinem Anblick ist einem trotzdem sofort klar, warum er da ist.
Eine Woche nach ihrer Hochzeit schrieb ich V folgende E-Mail:
Verity,
ich finde das nicht fair. Wie oft soll ich dir denn noch versichern, dass es mir leidtut, was da in Amerika passiert ist? Es hatte gar nichts zu bedeuten. Weniger als gar nichts. Wenn ich wie Superman die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich nie im Leben auch nur ein Wort mit Carly wechseln. Wenn es dich glücklich macht, fliege ich mit der nächsten Maschine rüber und lösche sie aus, entferne sie ein für alle Mal von diesem Erdboden, damit sie sich nie wieder zwischen uns schieben kann. Aber die Sache jetzt sprengt einfach jedes Maß. Ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen. Ich hätte diese Ehe schon im Vorfeld verhindern sollen. Denn nun wird es irre schwer werden, da wieder rauszukommen, und ich bin mir noch immer nicht sicher, welches Vorgehen du genau von mir erwartest und wie wir unser Ziel am besten erreichen. Dabei ist es vollkommen lächerlich, wie viel Zeit du mit Angus bis dahin verbringen musst. Jede Sekunde, die du mit ihm zusammen bist, versetzt mir einen Dolchstoß mitten ins Herz. Ich habe es kapiert. Zum hundertsten Mal: Ja, ich habe es kapiert. Aber du bist mit ihm sogar auf Hochzeitsreise gegangen, und das ist etwas, das wir nie wieder zurückbekommen. Inzwischen fühlt es sich nicht mehr an, als wolltest du mir eine Lektion erteilen, sondern eher als ob du aus freien Stücken so grausam wärst.
Ich liebe dich, V. Du weißt genauso gut wie ich um die besondere Verbindung, die zwischen uns beiden besteht. Ich würde alles für dich tun. Ich giere nach dir. Und das wird immer so bleiben.
Dein Adler
Am nächsten Morgen drehte ich eine extragroße Runde. Ich lief durch den Park zum Fluss hinunter, und dann trommelten meine Füße neben dem schaumbedeckten Wasser den Leinpfad entlang. Der Himmel über mir war blitzblau, meine Atmung ruhig und gleichmäßig, und ich hatte das Gefühl, ewig so weiterlaufen zu können. Wenn V mich darum gebeten hätte, wäre es mir vielleicht sogar möglich gewesen, mein Versprechen einzulösen und so schnell um die Welt zu rennen, dass ich die Zeit zurückdrehen und alles Schlechte, das zwischen uns stand, ungeschehen machen konnte.
Wieder zu Hause fühlte sich mein Kopf bereits ein wenig klarer an, und ich ging Sachen einkaufen, die V gerne zu Mittag gegessen hätte. Frisches Gemüse und Fisch, Obst und Schlagsahne. Ich bereitete alles ganz schlicht zu, so wie sie es am liebsten hatte, und schenkte uns beiden dazu ein Glas gut gekühlten Sancerre ein. Wir aßen mit Blick in den Garten und besprachen, wie wir ihn im nächsten Frühling gestalten wollten. Durch ihre Sicht auf die Dinge begriff ich, dass er etwas zu nüchtern angelegt war, und es schöner wäre, wenn er stärker an Suzis Garten erinnerte. In Blumenbeeten sollte man niemals die Erde sehen können, hatte Suzi mir früher einmal erklärt, und ein Blick in meinen Garten genügte, um zu erkennen, dass dort überall Erde und Kies zum Vorschein kamen und streng geformte Pflanzen mit Dornen dominierten. Die Beete in Steeple House bildeten das exakte Gegenteil dazu. Sie waren farbenfroh, voller Blüten und weichem, zartem Blattwerk, das sich grün und silbrig in alle Richtungen schlängelte. Man konnte in Suzies Garten stehen und zusehen, wie der Wind in ihnen spielte, oder man konnte all die Formen und Farbtöne um einen herum bewundern. Man konnte über die Natur staunen, die für eine solch kurze Zeitspanne die schönsten und raffiniertesten Beispiele für Perfektion erschuf. Ich war plötzlich froh, dass V in diesem Moment nicht tatsächlich neben mir saß und mir noch ein wenig Zeit blieb, alles ganz nach ihrem Geschmack zu ändern, bevor sie kam.
Ich nahm mir einen Vormittag frei, um eine Gartenplanerin namens...