Hainer | Das weiße Herz | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 464 Seiten

Reihe: Das dunkle Herz

Hainer Das weiße Herz

Roman
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-492-99372-2
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 2, 464 Seiten

Reihe: Das dunkle Herz

ISBN: 978-3-492-99372-2
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Abschlussband der fesselnden Saga um das dunkle Herz! Drei Wochen sind vergangen, seit Anna und Nick aus dem Gefängnis des dunklen Herzens entkommen konnten. In der wirklichen Welt sind sie sicher - oder nicht? Als die beiden der Hilferuf Elifs aus der Türkei ereilt, machen sie sich auf den Weg nach Istanbul. Dort werden sie Zeugen brutaler Polizeigewalt und erleben, wie die Gefängniswelt des dunklen Herzens beginnt, diese Welt zu durchdringen. In vielen Ländern herrscht ein Klima von Angst und Konfrontation. In Großbritannien zu Straßenkämpfen. In Frankreich sind Kriminalität und Fremdenhass mehr und mehr an der Tagesordnung. Anna erkennt, dass nur der Alte allein das letzte Opfer bringen kann, um sein Volk und gleichzeitig das dunkle Herz endgültig erlöschen zu lassen. Doch er braucht dafür die Hilfe aller anderen. Ein gefährlicher Wettlauf mit der Zeit beginnt ...
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Ein Wiedersehen


Anna sah aus dem Fenster und nahm die Stadt kaum wahr, die vor ihren Augen vorbeizog. Die Züge der Ringbahn umkreisten Berlin wie ein nimmermüdes Karussell, das die Bewohner schluckte und um das Stadtgebiet verteilt wieder ausspuckte. Nach der Leere der Ruinen, in denen sie vor wenigen Wochen um ihr Leben gekämpft hatte, kam es ihr hier umso übervölkerter vor.

Menschen stiegen aus und andere ein, und Anna konnte den Gedanken nicht verdrängen, dass sie all diese Menschen vielleicht ins Unglück gestürzt hatten. Vielleicht würden sie dafür bezahlen müssen, dass Anna und Nick und hoffentlich noch viele der anderen überlebt und zurück nach Hause gefunden hatten.

Das dunkle Herz war frei … doch noch immer gab es keinen Anhaltspunkt dafür, ob es bereits hier war und wie es auf diese Welt reagieren würde.

Am Treptower Park stieg Anna um in Richtung Flughafen. Sie fieberte seiner Ankunft seit Tagen entgegen, sogar ihre Eltern hatten die Veränderung an ihr bemerkt. Es war, als ginge es um nichts weiter als ein Wiedersehen mit ihrem Urlaubsschwarm. Dabei hätte sie diese Zeit vermutlich gar nicht überstanden ohne Nick. Hätte er ihr nicht Kraft gegeben, gerade in dem Moment, als sie selbst keine mehr gehabt hatte, hätte sie vermutlich einfach aufgegeben.

Eine gute Woche nach ihrer Rettung hatte Nick sie in den sozialen Netzwerken ausfindig gemacht, und nun war er endlich auf dem Weg hierher. Der alte Mann war bei Nick gewesen. Er stand ihnen im Kampf gegen das dunkle Herz zur Seite, doch Anna war froh, dass er nicht mit Nick hatte reisen können und sie zunächst etwas Zeit für sich hatten. Da der Alte natürlich keine Papiere hatte und daher nicht fliegen konnte, hatte Nick ihn mit einem Smartphone ausgestattet und in den Zug gesetzt. In einem ihrer langen Chatgespräche hatte Nick angedeutet, dass der Alte nicht auf direktem Weg nach Deutschland kommen würde. Aber alles Weitere wollte er ihr erzählen, wenn er hier war.

Der Zug, in den Anna wechselte, war voll besetzt mit aufbrechenden Urlaubern. Sie blieb an der Tür stehen und betrachtete in dem zerkratzten Plexiglas ihr Spiegelbild mit dem nur mehr schulterlangen Haar. Als sie sich nach ihrer Rückkehr durch einige der verfilzten, dunklen Strähnen auch mit der Bürste nicht hatte durchkämpfen können, hatte sie es selbst zu Hause abgeschnitten. Es wäre ihr peinlich gewesen, damit zum Friseur zu gehen. Der moderne Schnitt, den sie dort im Nachgang bekommen hatte, gefiel ihr, und sie hoffte insgeheim, dass er auch Nick gefallen würde.

Draußen lichtete sich der Stadtrand, während sie dem Flughafen näher kamen. Feiner Staub lag in der Luft. Als sie die Endhaltestelle erreichten, sah Anna auf die Uhr ihres Smartphones. Es war kurz vor halb vier. Nicks Flieger würde erst um vier landen, sie hatte also genug Zeit, um zu seinem Ausgang zu kommen.

Ihre Eltern wussten noch immer nichts von den jüngsten Ereignissen in Annas Leben, obwohl Anna an ihren Blicken und Worten merkte, dass den beiden ihre Veränderung nicht verborgen blieb. Sie hatte viel hin und her überlegt und mit sich gerungen, vor allem wegen Ben: Für ihre Eltern galt ihr Bruder bis heute als vermisst. Einzig Anna wusste, dass er schon vor zehn Jahren Ähnliches in der Wüstenstadt hatte durchmachen müssen wie sie, und das als Siebenjähriger. Sie hätte ihren Eltern endlich Gewissheit geben können, aber es gab ein entscheidendes »wenn«, was das anging: Anna würde ihnen helfen können, wenn diese ihre unfassbare Geschichte glaubten und nicht als Traum oder Einbildung abtaten. Das war aber mehr als unwahrscheinlich, solange Anna keine Beweise dafür hatte.

Anna war klar, dass sie dem Gespräch nicht ewig aus dem Weg gehen konnte, und dass sie es ihren Eltern auch irgendwo schuldig war. Aber wenn sie es in den letzten Wochen geführt hätte, dann hätten ihre Eltern außer dem Vertrauen in ihre Tochter und ihren merkwürdig veränderten Zustand nach der Gedenkfeier nichts Greifbares gehabt, um ihre abstruse Geschichte zu glauben. So war es vorerst dabei geblieben, dass ihre Eltern ihre neue Frisur und ihre verschlossene Art wohl auf ihre Pubertät schoben und dass Anna auf Nick und den alten Mann wartete, um mit deren Hilfe ihre Eltern zu überzeugen.

In dem Pulk aus Menschen und Koffern, der aus ihrer S-Bahn strömte, betrat sie den unterirdischen Durchgang in Richtung Flughafengebäude. Seit einer Woche hatte sie Ferien, und ihre Eltern hatten mit ihr verreisen wollen, doch Anna hatte sich dagegen gewehrt. Sie hatte um Zeit für sich gebeten, und ihre Eltern waren einverstanden gewesen. Der Trauergottesdienst zum zehnjährigen Verschwinden ihres Bruders war ein Einschnitt für die ganze Familie gewesen, denn zu Annas Erstaunen hatte ihre Mutter es diesmal mit dem Abschied von Ben wohl ernst gemeint. Das Zimmer ihres Bruder hatte sie komplett leer geräumt, auch die Möbel waren fort.

Dort stand jetzt ein Gästebett für Nick, den Anna ihren Eltern als Bekanntschaft aus einem Trauerforum angekündigt hatte. Sie hatte erklärt, die Gedenkfeier habe den Anstoß gegeben, dass sie mal wieder in das Trauerforum geschaut habe. Ihre Eltern glaubten das gern und waren einverstanden gewesen, dass Nick in den Ferien kam. Es hatte ohnehin einige Zeit gedauert, bis er die Reise organisiert hatte: Seine Ankündigung, zu kommen, war nun schon drei Wochen alt.

Als sie ins Tageslicht hinaustrat, lag auch dort feiner Staub in der Luft, mehr als sie von der S-Bahn aus gesehen hatte. Er schien vom Himmel zu fallen und langsam zu Boden zu rieseln, als hätte jemand weit oben einen gigantischen Teppich ausgeklopft. Wo die Menschen zum Flughafengebäude hasteten, verwirbelten sie ihn. Jemand schob sich an ihr vorbei und bedachte sie mit einem genervten Blick, denn sie war mitten auf dem Weg stehen geblieben. Niemand außer Anna reagierte auf den Staub, ganz so als wäre er völlig selbstverständlich.

Ein Koffer schrammte an ihrem Bein entlang, und sie setzte sich wieder in Bewegung, blieb aber unter der Überdachung, die den Weg zum Flughafeneingang vor Regen schützte. Beunruhigt beobachtete sie abwechselnd die Leute und die Staubpartikel. Wo es kein direktes Licht gab, konnte man es übersehen. Aber es waren Dutzende Leute hier unterwegs, und niemand zeigte irgendeine Reaktion.

Laut den Ziffern auf ihrem Handy war es bereits zwanzig vor vier. Nicht mehr lange, bis Nick landen würde. Vielleicht sah sie nur Gespenster, und der Staub war doch nicht mehr als der Smog der Hauptstadt oder irgendein Wetterphänomen. Im letzten Sommer hatte es einen Saharawind gegeben, der alle Autos auf der Straße mit Sand verdreckt hatte, erinnerte sie sich.

Sie betrat das große Gebäude und folgte den Arrival-Schildern bis zum Ausgang der Gepäckausgabe.

Dank der Vorfreude auf Nicks Besuch fühlte sie sich seit Tagen das erste Mal richtig wach. Anders als sie zunächst gehofft hatte, waren die Albträume seit ihrer Heimkehr sogar noch schlimmer geworden. Sie sah noch immer Erics Gesicht vor sich, der sie unbemerkt bis unter die Wüstenoberfläche verfolgt hatte. Sie sah seine Wut, als das dunkle Herz ihn dort unten gegen sie aufgebracht hatte, und spürte ihre eigene, als er begonnen hatte, sie zu schlagen. Doch die schlimmste Erinnerung war seine Verblüffung, als er über den Abgrund hinausgetaumelt – und gestürzt war.

In ihrer ersten Nacht im eigenen Bett hatte Anna nicht Eric vor sich gesehen, sondern die Tür von Bens Zimmer. Sie hatte dahinter etwas rascheln und klopfen gehört.

Tok … tok

Anna konnte gar nicht sagen, was ihr an dem Geräusch solche Angst machte, doch ihr Herz raste. Sie musste zusehen, wie ihre eigene Hand sich nach vorn bewegte. Nicht auf die Klinke, sondern auf das holzfarbene Türblatt zu. Als sie es berührte, glitt die Tür zur Seite. Sie machte dabei ein schweres, schabendes Geräusch, wie die Scheibe über dem Eingang zur Unterstadt und zum dunklen Herzen in der Wüste.

Sofort quoll eine schillernde Schwärze wie eine zähe Masse aus Bens Zimmer hervor und umschloss ihre versteinerten Füße. Sie spürte den Sog und die Kälte in ihrer Brust, doch kein Laut entkam ihren zusammengepressten Lippen. Erst als die flüsternden Stimmen kamen, begann sie zu schreien. Die Echos von all den erloschenen Leben, die nun die Stimmungen des dunklen Herzens ausdrückten: Zorn, Hunger, Gier …

Anna hatte sich seit seinem Verschwinden kaum in Bens Zimmer aufgehalten, das für sie immer etwas zwischen Museum und Grabstätte gehabt hatte. Aber seit diesem Traum, aus dem sie sich keinen Reim machen konnte, beschleunigten sich ihre Schritte sogar, wenn sie nur an Bens Tür vorbeikam.

Wenn Nick hier war, konnte sie endlich wieder mit jemandem über diese Dinge sprechen.

Die ersten Passagiere von Flug RA 1147 aus Thessaloniki kamen durch die Absperrung. Die meisten von ihnen waren braun gebrannte, heimkehrende Urlauber, die gleich die erste Ferienwoche genutzt hatten. Da war eine Familie mit einem Hund, der in seiner Transportbox fiepte. Ihnen folgte eine Gruppe von einem guten Dutzend Jugendlicher mit Strohhüten und gleichfarbigen T-Shirts. Als Anna endlich Nicks Locken entdeckte, spürte sie, wie sich ein Teil ihrer Anspannung löste. Die jugendliche Strohhut-Gruppe zerstreute sich gerade mit großen Abschiedsgesten. Nick schlängelte sich zwischen ihnen durch.

Anna sah ihm sofort an, dass ihn etwas beschäftigte. Er hielt zwar Ausschau nach ihr, doch sein Blick wirkte dennoch abwesend und nachdenklich, als nähme er die Ankunftshalle kaum wahr. Dann erkannte Anna überrascht eine Gestalt an Nicks Seite. Es war die alte Griechin, die in der Ruinenkirche das Bewusstsein...


Hainer, Lukas
Lukas Hainer ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Songtexter. In Zusammenarbeit mit der Band »Santiano« startete er 2017 seine Kinderbuchreihe »König der Piraten«, zu der ein Hör-Musical mit der Band und mehrere Hörbücher erschienen sind. »Das dunkle Herz« ist der erste Jugendroman des Autors, der nach Lebensabschnitten in Brasilien und Norddeutschland derzeit wieder in seinem Geburtsort München lebt. Gemeinsam mit seiner Familie genießt er dort von ganzem Herzen die Freiheit, jeden Tag an seinen Geschichten und Songs arbeiten zu dürfen.



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