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E-Book, Deutsch, 172 Seiten
Hahn Goethe in Schwaben
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-910228-20-7
Verlag: 8 grad verlag GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wer braucht da noch Italien? Nicht nur Kunst und Literatur im Südwesten beschäftigten den Dichter, sondern auch Natur und Architektur.
E-Book, Deutsch, 172 Seiten
ISBN: 978-3-910228-20-7
Verlag: 8 grad verlag GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als Goethe 1779 an der Seite seines Dienstherrn Herzog Carl August durch Schwaben reiste, begegnete er in Stuttgart unbewusst auch dem jungen Carlsschüler Friedrich Schiller. Er konnte damals nicht ahnen, dass er sich 1797 erneut in dem südwestdeutschen Herzogtum aufhalten würde – ausgerüstet mit Schillers Reiseempfehlungen. Heilbronn, Stuttgart und Tübingen waren dieses Mal die Hauptstationen des Dichters. Menschen, Bauwerke, Gesteinsarten, Pflanzen – detailliert hielt er in Briefen und Tagebüchern seine Eindrücke fest und zeichnete dabei ein Land, das sich eben auf den Weg in die Moderne machte. Bis heute klingt sein Bekenntnis gegenüber dem Bildhauer Johann Heinrich Dannecker nach: »Nun habe ich Tage hier verlebt, wie ich sie in Rom lebte.«
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Schwabenreise zum Ersten
Stürmer und Dränger unterwegs
Als Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und sein Minister Johann Wolfgang Goethe 1779 in die Schweiz reisten, waren sie vier Monate unterwegs. Eine Woche davon machten sie auf dem Rückweg in der württembergischen Residenzstadt Stuttgart Station, von wo aus sie verschiedene Besichtigungstouren unternahmen. Zuvor hatten sie am 10. Dezember noch Halt in der Universitätsstadt Tübingen gemacht, wo sie Carl Augusts früheren Lehrer Johann Christian Majer getroffen hatten. Der gebürtige Ludwigsburger, der in Tübingen Philosophie und Theologie studiert hatte, war außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Jena gewesen und hatte als solcher Carl August in Staatsrecht und Reichsgeschichte unterrichtet. 1776 war er als Professor der Rechte nach Kiel berufen worden, zwei Jahre später war er einem Ruf an seine alte Universität gefolgt und nach Tübingen zurückgekehrt. Als Lehrstuhlinhaber für Lehnrechtswesen und Staatsrecht stand er dort in großem Ansehen und wurde später nobilitiert. Von Tübingen aus, so schreibt der Weimarer Herzog an seine Gattin Luise, eine geborene Prinzessin von Hessen-Darmstadt, seien sie »in aller Stille« nach Stuttgart gefahren. Er erwähnt, dass geplant sei, die »Militar Schule« samt Examina, Rede des württembergischen Herzogs und Jahresfeier zu besuchen. Viel wichtiger schien ihm aber, zumindest in Anbetracht der weiblichen Adressatin, die Bemerkung zu sein: »Wie wir unsern Morgen zugebracht, liebe Frau, erräht[st] du gewiß nicht. Mit anmeßen der Prächtigsten Hofkleider, mit aussuchen der schönsten Waaren ist er vergangen, um?«3 Ja, warum? Um an der nächsten Station, Karlsruhe, von wo aus sie am 21. Dezember nach Mannheim weiterfuhren, dem Hofzeremoniell Genüge zu tun. Weder der Herzog noch Goethe beschrieben damals die württembergische Residenzstadt. Kurz nach ihnen kam aber ein Reisender nach Stuttgart, der in seinem Reisebericht ausführlich auf sie eingeht. Der Berliner Verleger und Schriftsteller Friedrich Nicolai, der zu Goethes Verdruss seinem Werther mit den Freuden des jungen Werthers eine Parodie mit Happy End entgegengestellt hatte, hielt sich 1781 in Stuttgart auf. Ein paar Jahre später urteilte er in seinem Werk Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz, im Jahre 17814: »Die Bauart der Häuser in Stuttgard ist sehr verschieden [von Berlin], und die Straßen sind hin und wieder ziemlich uneben; denn nach der sogenannten reichen Vorstadt steigt man mehrere Fuß herauf. In der eigentlichen Stadt sind die meisten Gassen krumm und unangenehm, und es giebt da mehrere enge und finstere Kehrwieder [Sackgassen].« Die Häuser findet er »obgleich zum Theile modern«, so doch ohne »vorzügliches Ansehn«. Bei denen, die seinen Gefallen finden, wundert er sich: »Aber bey diesen wirklich schönen Häusern fällt es doch einem Fremden auf, daß in einer Stadt, wo eine Academie des Arts ist, sich nicht mehr gute Architektur findet.« Rund um die Residenz hat es ihm offensichtlich besser gefallen: »Die Gegend um das Schloß ist die heiterste; auch stehen da einige schöne Häuser, besonders die ehemalige Hohe-Karls-Schule oder so genannte Militärakademie, ein sehr großes Gebäude, das der Einsicht und dem Geschmack des Baumeisters, Herrn Hauptmann Fischer, Ehre macht.« Die Militärakademie oder Hohe Karlsschule sollte beim Besuch der Weimarer eine besondere Rolle spielen. Man reiste standesgemäß, wenn auch unter falschem Namen. Der Weimarer Herzog Carl August verbat sich »die Ablegung des Inkognito und damit alle öffentlichen Ehrenbezeigungen«, der Württemberger Herzog Karl Eugen akzeptierte es und wollte »gleichwol alles unter dieser Bedingung Mögliche thun«5, um die Gäste ihrem hohen Rang gemäß in seinem Land zu beherbergen. Dabei war Sachsen-Weimar-Eisenach kein mächtiges Herzogtum. Es hatte gerade einmal rund hunderttausend Einwohner, und die Hauptstadt war kaum mehr als ein Dorf, in dem jeder jeden kannte. Das Land war arm, sehr arm, und mächtigere thüringische Herrscher lauerten darauf, es sich eines Tages einzuverleiben. Glücklicherweise war zur damaligen Zeit zumindest die dynastische Nachfolge gesichert. Herzogin Anna Amalia, eine gebürtige Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, hatte am 3. September 1757 ihren ersten Sohn, nämlich Carl August, zur Welt gebracht, ihr Zweitgeborener, Friedrich Ferdinand Constantin, war dem Bruder ein Jahr später gefolgt. Zum Zeitpunkt dieser zweiten Geburt war Anna Amalia bereits Witwe, ihr Mann Ernst August II. Constantin, Herzog von Sachsen-Weimar und Eisenach, war im Mai kurz vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag verstorben. Mit gerade einmal achtzehn Jahren übernahm Anna Amalia dem Testament ihres Mannes gemäß die Regentschaft und führte sie bis zur Volljährigkeit Carl Augusts fort. Die zerrütteten Staatsfinanzen konnte sie nicht in Ordnung bringen, aber sie schuf die Grundlagen für den angesehenen Musensitz, als den wir Weimar kennen und der es 1998 sogar unter die UNESCO-Welterbestätten geschafft hat. An seinem achtzehnten Geburtstag am 3. September 1775 wurde Carl August für volljährig erklärt und übernahm die Regierung. Kurz darauf reiste er nach Darmstadt, um Luise zu heiraten, dabei machte er in Frankfurt Station und lud zum wiederholten Mal Goethe nach Weimar ein. Erst im Jahr davor hatte der Dichter und Jurist seinen Briefroman Die Leiden des jungen Werthers veröffentlicht, der ihn schlagartig zum europaweit gefeierten Bestsellerautor machte, wobei er bereits durch sein Drama Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand in Deutschland zum gefeierten Dichter geworden war. Goethe, dessen Verlobung mit Lili Schönemann gerade in die Brüche gegangen war, nahm die Einladung an. Er wollte sich erst einmal in dem Herzogtum umschauen, doch Carl August wusste ihn durch seine Freundschaft, ansehnliche Geschenke und die Einbeziehung in die Regierungsgeschäfte zu binden. Der Geheime Legationsrat und langjährige Minister und Berater des Fürsten, Johann Wolfgang (von) Goethe, blieb bis zum Lebensende in Weimar. Gern gesehen wurde er dort nicht von allen. Da kam ein reicher Frankfurter Patriziersohn, ein Dichter noch dazu, der in seinen Werken einem Götz von Berlichingen einen saftigen Fluch in den Mund legte und einen Jüngling an einer Dreierbeziehung scheitern und im Selbstmord Zuflucht suchen ließ, und wurde der beste Freund des Herzogs. Ja, er mischte sich sogar in die Regierungsgeschäfte ein. Die eisernen Standesgrenzen, die zwischen dem Hochadel und dem Bürgertum herrschten, übergingen die beiden frech. Statt sich den Regierungsgeschäften und Nöten des Landes zu widmen, betrugen sie sich in einer Weise, die wir heute als pubertär bezeichnen würden. Dass Goethe die Weimarer Hofgesellschaft zum Schlittschuhlaufen animierte, mag da noch das kleinste Ärgernis gewesen sein. Sehr viel schlimmer war, dass die einfachen Mädchen vor dem jungverheirateten Herzog alles andere als sicher waren und die Schar der illegitimen Nachkommen stetig zunahm. Mit dem legitimen Nachwuchs haperte es allerdings eine ganze Weile, und dass es um die hochwohlgeborene Ehe mit Luise von Hessen-Darmstadt nicht gut bestellt war, pfiffen die Spatzen lautstark von den Dächern. Es wurde gezecht, getanzt, gespielt, gejagt. Oft dabei: Künstlerfreunde aus dem Kreis des »Sturm und Drang«, der Name ist Programm. Als einen weiteren Anreiz zum Bleiben bekam Goethe von Herzog Carl August den Garten an der Ilm geschenkt, in dessen Gartenhaus er zunächst lebte, bevor er 1782 das palastähnliche Haus am Frauenplan bezog. Im Ilmgarten etablierte er nach dem Philologen und Schriftsteller Karl August Böttiger seine »Geniewirtschaft«. So habe Goethe beispielsweise eines Tages im Haus des Weimarer Verlegers Friedrich Johann Justin Bertuch unter anderem »ein Geniegelag gehalten, das sich gleich damit anfing, daß alle Trinkgläser zum Fenster hinausgeworfen und ein Paar schmutzige Aschenkrüge, die in der Nachbarschaft aus einem Grabhügel genommen worden waren, zu Pokalen gemacht wurden«. Kritisch kommentiert Böttiger auch die Reise im Jahr 1779: »Zu den kostbarsten Geniestreichen gehörte eine Schweizerreise zu Pferde, die der Herzog mit Goethe machte. Man nahm, um compendiös und wohlfeil zu reisen, kaum ein paar Hemden in einem Mantelsacke mit, bezahlte aber alle Bedürfnisse desto theurer auf dem Wege. In Stuttgart bekam man den Einfall an den Hof zu gehen. Plötzlich mußten alle Schneider herbei und Tag und Nacht an Hofkleidern arbeiten.«6 Dass schnell prächtige Staatsroben angeschafft wurden, bestätigte ja Carl August selbst im oben zitierten Brief an seine Gattin. Nicht nur in Weimar, auch in der weit entfernten Stuttgarter Hofgesellschaft war bekannt, dass Carl August und Goethe keine unbeschriebenen...