Hahn Die Kunst, Elch-Urin frisch zu halten
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-18268-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 448 Seiten
ISBN: 978-3-641-18268-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rochus Hahn ist 54 Jahre alt. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Frankfurt / Main. Seit über dreißig Jahren arbeitet er als Drehbuchautor. Seine bekanntesten Arbeiten sind 'Das Wunder von Bern', 'Sketchup', 'Der Geschmack von Apfelkernen', 'Tatort' und 'Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken'. 'Die Kunst, Elch-Urin frisch zu halten' ist sein erster Roman.
Autoren/Hrsg.
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PROLOG
EIN UNERWARTETER BRIEF
Der Brief war schneeweiß. Die Postmarke saß exakt an der dafür vorgesehenen Stelle, und der Adressat war in Schönschrift auf das Kuvert gemalt worden: Tim Queck. Alles sah so perfekt aus, dass man es im ersten Moment für eine Werbesendung mit kursiv gedruckter Aufschrift hätte halten können. Nur war es das nicht. Leider nicht. Tim bekam nur noch selten handgeschriebene Briefe. Aber das war nicht der Grund für seine Bestürzung. Es war der Absender. Oder besser, die Absenderin. Das Schreiben war von Ellen Bethmann. Seit sieben Jahren hatte er nichts mehr von ihr gehört, sie weder gesehen noch gesprochen. Sie war völlig aus seinem Leben verschwunden. Und das hätte auch ruhig so bleiben dürfen.
Tim war knapp achtzehn Jahre alt gewesen, als die Sache sich zutrug. Ellen Bethmann war die Mutter von Richard »Hardy« Bethmann, dem Kumpel, der mit Tim in die dreizehnte Klasse ging. Sie hatten beide das gleiche Alter und waren Freunde seit der Fünften. Aber schon als sie in die Siebte kamen, war Tim aufgefallen, dass Hardys Mutter im Klassement der Frauen, die man sich beim Onanieren vorstellte, ausgesprochen steil ging. Ellen Bethmann, eine alleinerziehende Mutter, war schlank, feminin und groß gewachsen. Ihr Lächeln war immer sehr herzlich, wenn der Klassenkamerad ihres Sohnes zu Besuch kam.
Frau Bethmann mochte Tim. Seit der wohlerzogene, stille Junge mit ihrem Hardy befreundet war, war dieser nicht mehr der verträumte Außenseiter, der die Nase nur in Comics steckte. Frau Bethmann hätte ein weiteres eigenes Kind nicht freundlicher behandeln können als Tim Queck. Dabei ahnte sie nicht im Entferntesten, welch tragende Rollen sie in seinen erhitzten Jungmännerträumen spielte. Dass sie das tat, war kein Wunder.
Hardys Mutter war eine hübsche Blondine mit kräftigem Haar, das wie akkurat gebügeltes Stroh bis auf ihre Schultern hing. Sie trug einen Bob, der ihr die freche Note eines Teenagers gab. Es war wahnsinnig scharf. Ellen Bethmann hatte eine entzückende Nuance Babyspeck am Bauch und ein breit gebautes Becken. Für ihre zweiundvierzig Jahre war sie wirklich von besonderer Klasse. Ihre Brüste waren groß und mussten von gewebestarken Haltern gebändigt werden. Frau Bethmann trug zwei Sorten von BHs. Die einen hatten massive Schalen und verbargen alles. Die anderen waren weicher und erlaubten den Brustwarzen, sich keck abzuzeichnen. Tim liebte diese stoffbemützten Dorne und hätte sie stundenlang anstarren können.
Das Beste an Ellen Bethmann aber war ihr Hintern. Er hatte alles, was man sich wünschte, war kräftig und wölbte sich in einer Art, die jeder Südamerikanerin Ehre gemacht hätte. In der Regel trug Hardys Mutter locker sitzende Jeans. Tim liebte das, wenn die Hinterbacken den Hosen ein klein wenig Spiel ließen und neckische Falten warfen, sobald die Frau sich drehte oder das Standbein wechselte.
Und dann war da noch der Geruch. Ellen Bethmann roch ganz leicht nach einem milden, süßen Babybrei, den Tim einmal gegessen hatte, als er noch so klein war, dass man über seinem Kopf gefahrlos die Kühlschranktür aufmachen konnte. Jedes Mal, wenn Hardys Mutter aus irgendeinem Grunde ganz nahe war, inhalierte Tim ihren Duft. Es war immer wieder berauschend und bescherte ihm zahllose Erektionen.
Tim hatte seine Lieblingspornoaktricen, die er sich beim Onanieren vorstellte. Auch seine Klassenkameradinnen Nicole oder Debra strippten nach dem Schwimmunterricht gerne mal verdorben vor seinem geistigen Auge. Dennoch herrschte Frau Bethmann in seinen Masturbationsfantasien wie die Herzkönigin im Wunderland. Gewöhnlich stellte Tim sich harmlos beginnende Alltagsszenen vor, etwa, wie er allein mit ihr zu Hause war und sie ihm etwas Kirschsaft über die Hose schüttete.
»Tim, das muss man sofort einweichen! Das geht sonst nie mehr raus.«
Dann zog sie seine Hose herunter und spülte sie unter heißem Wasser aus.
»Die Unterhose hat auch etwas abgekriegt. Komm, das kann man nicht so lassen!«
Im Handumdrehen war dann auch diese Hülle entfernt und wurde der gleichen Prozedur unterzogen wie seine Jeans.
Dann sah Hardys Mutter verdutzt auf sein erigiertes Zepter, dem blind nach Eroberung war.
»Tim!«, sagte sie in einer Mischung aus Tadel und Faszination. »Was machst du denn da?« Sie schüttelte den Kopf, war aber nicht ernstlich schockiert. In solch fiktiven Situationen trat Frau Bethmann immer sehr souverän auf. »Du Frechdachs, du!«, sagte sie und gab dem Schwanz eine liebevolle Eichelfeige, worauf der Schlingel fröhlich wippte.
Ellen Bethmanns Gesicht bekam nun eine mütterliche Note. Sie lächelte den Freund ihres Sohnes an, als unterhielte man sich über seine Akne.
»Nein, wirklich, dein Glied ist sehr schön, Tim. Glaub mir, da gibt es eine Menge Penisse da draußen, die sind schief, krumm und knotig. Aber deiner ist wirklich eine Pracht.«
Nach diesem Ritterschlag für seinen Lümmel beugte sie sich etwas nach vorn, um das gepriesene Instrument einer noch genaueren Betrachtung zu unterziehen. Mit unschuldigem Interesse langte sie ihn an, zog mit wohldosierter Bewegung die Vorhaut herunter, um den Nillenkopf freizulegen, und unterzog ihn einer fachmännischen Begutachtung, ganz so, als sei sie eine urologische Kapazität.
»Einwandfrei!« Sie seufzte und sagte dann, sichtlich hingerissen von der ästhetischen Modellierung des Schwanzes: »Richtig prall und voll. Sehr schön!«
Sie nickte anerkennend und schenkte ihm ein Lächeln, während er bereits unter ihren Fingerkuppen seufzte.
»Magst du das, wenn man dein Glied anfasst?«, fragte sie interessiert, plötzlich mit frivolem Lächeln, und begann, die Hand verspielt am Schaft hinauf- und hinabgleiten zu lassen.
Eine Antwort wartete die Ellen seiner Fantasie in der Regel nicht ab. Stattdessen zwinkerte sie ihm verführerisch zu und begann dann, ihn auf eine Art und Weise zu verwöhnen, die weitere Kommentare ihrerseits nicht zuließ.
Und so ging es weiter. Nicht sehr lange meistens, denn diese lebhaften Vorstellungen brachten Tim schnell an den Rand des Hinauszögerbaren. Ja, Ellen Bethmann stand in der Reihenfolge unerreichbarer Erotik-Ikonen noch vor Wynona Ryder, JLo oder Christine Schwarz. Alles hatte seine Ordnung. Tagsüber streichelte Ellen Bethmann dem besten Freund ihres Sohnes liebevoll über den Kopf, nachts tanzte sie in seinen Fantasien an der Stange, mit nichts weiter bekleidet als einem Stringtanga. Und dann war jener Tag gekommen, an dem die unauslöschlichen Worte gesprochen wurden: »Na los! Nimm mich endlich!«
Es war ein Tag im Sommer gewesen, irgendwann kurz vor den großen Ferien. Hardy hatte Tim gebeten, bei ihm zu Hause vorbeizufahren, weil er seine Ballpumpe vergessen hatte und direkt von seiner Freundin zum Kicken in den Ostpark fahren wollte. Als es Zeit wurde, hatte Tim sich auf sein Fahrrad geschwungen und war die Seckbacher Straße entlanggeradelt.
Er selbst war kein begnadeter Techniker, wenn es um das Fußballspielen ging, aber er hatte ein zähes Wesen und gab keinen Ball verloren. Er war das, was man einen Terrier nannte. Kumpel Hardy hingegen war der seelenruhige Typ, der sich aufreizend langsam bewegte, aber elegant war und selten Ballverluste hatte. Das konnte Tim nicht von sich behaupten. Je mehr er sich vornahm, den einfachen Ball zu spielen, desto sicherer versiebte er ihn. Und wenn die Mitspieler erst mal anfingen zu meckern, war es bald ganz aus. Tim konnte rennen wie der Wind und so einsam am Flügel stehen wie ein Känguru am Nordpool, er wurde dann nicht mehr angespielt. So geriet der Fußball nie zu seiner größten Leidenschaft.
Tim bremste vor dem Haus der Bethmanns, stieg ab und schloss sein Fahrrad an. Er hatte zu dieser Zeit raspelkurzes blondes Haar und weiche Gesichtszüge. Tim war keiner, der in seiner Clique das große Wort führte. Es fiel ihm schwer, seine Schüchternheit abzulegen, und er trumpfte mit seinem Sarkasmus meist nur auf, wenn er einen im Tee hatte.
Tim trug meistens eine alte schmutzig grüne Bundeswehrjacke mit einem Einschussloch und dem Namenszug Wedekind und dazu eine seiner geliebten Cordhosen. Es hieß zwar, Cord gelte bei den Mädchen als die stoffgewordene Unsexyness, aber Tim war der Ansicht, dass eine Frau, die ihn wirklich liebte, auch Cord akzeptieren würde. Sinn für Romantik konnte man ihm nicht absprechen.
Das Fahrradschloss ging mal wieder nicht auf, und er nackelte ungeduldig an dem halb verrosteten Ding herum. Wie oft schon hatte er sich vorgenommen, der Sache mit etwas Grafit nachzuhelfen. Aber das Sieb in seinem Kopf, das dem Beruf eines Gedächtnisses nachging, speicherte gute Ideen nie lange.
Tim fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben in den sechsten Stock.
Als er vor das Apartment trat und die Hand zum Klingeln hob, sah er, dass die Tür nur angelehnt war. Das Schloss war schon seit Längerem defekt und funktionierte nur fehlerhaft. Tim war dennoch zu wohlerzogen, um einfach einzutreten. Also klingelte er.
»Ich bin hinten«, ließ sich eine weibliche Stimme vernehmen. »Nur herein!«
Das war eindeutig Frau Bethmann. Tim betrat die Wohnung und schloss die Tür. Hardys Mutter hatte wohl aus dem Küchenfenster geschaut und war über seine Ankunft bereits im Bilde. Die Hausherrin hielt sich am anderen Ende der schlauchartigen Wohnung auf. Wahrscheinlich in Hardys Zimmer, wo sie sicher bereits dabei war, die Ballpumpe herauszusuchen.
Tim marschierte den Flur entlang wie schon hundert Male zuvor. Bei den Bethmanns war es...