Buch, Deutsch, 215 Seiten, Format (B × H): 143 mm x 217 mm, Gewicht: 314 g
Beruflicher Erfolg, private Lebensführung und Chancengleichheit in akademischen Berufsfeldern
Buch, Deutsch, 215 Seiten, Format (B × H): 143 mm x 217 mm, Gewicht: 314 g
ISBN: 978-3-593-38736-9
Verlag: Campus
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Moderne Arbeitswelten, beruflicher Erfolg und private Lebensverhältnisse
Yvonne Haffner, Beate Krais, Ragna Schümann
Unter Männern: Der Arbeitsmarkt von Akademikerinnen im technischen Feld
Franziska Schreyer
Strukturelle Barrieren im Beruf: Die Arbeitskultur im Berufsfeld der Ingenieur- und Naturwissenschaften
Yvonne Haffner
Dynamik der beruflichen und privaten Lebensgestaltung von Frauen und Männern im IT-Bereich - Ergebnisse einer qualitativen Längsschnittstudie
Ulrike Schraps, Ernst-H. Hoff
Chancengleichheit und Work-Life-Balance in der Werbeindustrie
Cornelia Koppetsch
Erfolgreiche Erwerbsintegration bei anhaltender Ungleichheit - Die Berufssituation von Wirtschaftsakademikerinnen zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Friederike Maier
Alltägliche und biographische Synchronisation partnerschaftlicher Lebensläufe
Susanne Dettmer
"Ja, ab der Promotion wird es eng" - Zum Zusammenspiel individueller und struktureller Barrieren für Frauen in der Wissenschaft
Maria E. Harde, Lilian Streblow
Wissenschaft als Lebensform: Die alltagspraktische Seite akademischer Karrieren
Beate Krais
Die Autorinnen und der Autor
Seit den ersten sozialwissenschaftlichen Untersuchungen über die Erwerbstätigkeit und die beruflichen Karrieren von Frauen in der Bundesrepublik der 1950er Jahre hat sich die politische Diskussion ebenso wie die Forschungslage grundlegend verändert. Während die ersten einschlägigen Studien von der Müttererwerbstätigkeit als einem sozialen Problem ausgingen, entwickelte sich in den siebziger und achtziger Jahren mit der Frauenforschung eine Sichtweise, die in kritischer Auseinandersetzung mit der Industrie- und Betriebssoziologie nicht nur Fragen des Arbeitsmarktes und der Berufstätigkeit thematisierte, sondern auf der Betrachtung des Lebenszusammenhangs von Frauen in seiner "doppelten und widersprüchlichen Einbindung in Erwerbssystem und Familie" insistierte (Gottschall 1999: 21). In neuerer Zeit schließlich wird immer häufiger auch bei Studien zu beruflichen Karrieren und zu den Arbeitsverhältnissen von Männern nach dem gesamten Lebenszusammenhang gefragt. Die bislang weitgehend abgeschottet voneinander argumentierenden Bindestrich-Disziplinen Familiensoziologie, Frauen- und Geschlechterforschung sowie Industrie- und Betriebssoziologie haben daher den gemeinsamen Fluchtpunkt ihrer Analysen in der integralen Betrachtung des Verhältnisses von Produktions- und Reproduktionssphäre in der modernen kapitalistischen Gesellschaft wiederentdeckt.
Ein Forschungs-Schwerpunkt im letzten Jahrzehnt lag auf der Frage nach den Gründen für das Phänomen der so genannten "gläsernen Decke", das heißt dem Steckenbleiben von Karrieren hoch qualifizierter, akademisch gebildeter Frauen irgendwo im unteren und mittleren Bereich der Karriereleiter. Nachdem die Gründe hierfür lange Zeit vor allem bei den Frauen selbst gesucht wurden, in ihrer Sozialisation, ihren Interessen und Lebenskonzepten, richtete sich die neuere Forschung sehr viel stärker auf Strukturen und Bedingungen der Arbeitswelt und auf die unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten der Arbeitskultur. Da sich, wenn es um die berufliche Situation und die berufliche Leistung von Frauen geht, die Frage nach der privaten Lebenssituation geradezu aufzudrängen scheint - eine Frage, die bei der Untersuchung der Berufstätigkeit von Männern bislang meist wie selbstverständlich ausgeblendet wurde -, gerieten zugleich die Beziehungen von beruflichem Erfolg und privater Lebensführung in den Blick. Diesen Zusammenhang hatte bereits die ältere Forschung zu den Professionen thematisiert, die im professional nicht nur ein produktiv einsetzbares Humankapital verkörpert sah, sondern eine charakteristische Sozialfigur der modernen Gesellschaft mit einem besonderen, auch die Gestaltung des privaten Alltags erfassenden Lebenskonzept. Und da die einschlägigen Untersuchungen in der Regel vergleichend angelegt waren, entwickelte sich dieser zunächst von Fragestellungen der Frauen- und Geschlechterforschung ausgehende Forschungszweig unter der Hand zu einer umfassenden Forschung über die berufliche Situation, die Arbeitskultur und die private Lebensführung von Männern und Frauen in akademischen Berufen.
Im November 2006 haben wir auf einer interdisziplinären wissenschaftlichen Fachtagung an der Technischen Universität Darmstadt versucht, eine erste Bilanz dieser Forschung zu ziehen. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Tagung hatte zum Ziel, das komplexe Forschungsfeld zum Thema "Chancengleichheit von Frauen und Männern in akademischen Berufsfeldern" aus interdisziplinärer Perspektive zu beleuchten, Anknüpfungspunkte an bisherige Forschung herauszuarbeiten und neue Forschungsfelder zu erschließen.
Das Erkenntnisinteresse richtete sich dabei insbesondere auf
1. die Identifikation der strukturellen Barrieren, an denen - insbesondere im Beruf und auf dem Arbeitsmarkt - die Umsetzung gleichstellungspolitischer Maßnahmen scheitert;
2. die Entwicklung einer ganzheitlichen Sicht auf die Arbeits- und Lebenssituation von Frauen und Männern auch dann, wenn es im Kern um Chancengleichheit im Beruf geht;
3. die gleichgewichtige Einbeziehung von Frauen und Männern in die Ursachen- und Folgeforschung und eine darauf abgestimmte Datenerhebung. Fragen nach Chancengleichheit sind nur zu beantworten, wenn die Situation von Frauen und Männern betrachtet wird, insbesondere vor dem Hintergrund der Strategie des Gender Mainstreaming.
Die Forschungsergebnisse, die auf dieser Tagung präsentiert wurden, zeigen, dass es eine dominante Arbeitskultur gibt, die nicht nur erhebliche "gläserne Barrieren" für den beruflichen Aufstieg von Frauen errichtet, sondern auch komplexe Voraussetzungen in der privaten Lebensführung hat beziehungsweise tief in die privaten Arrangements eingreift. Es kommt nicht von ungefähr, dass in der Öffentlichkeit immer häufiger über eine Problematik diskutiert wird, die als Work-Life-Balance in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist: Eine Balance zwischen privatem Leben und Erwerbsarbeit herzustellen, erscheint im Bereich der hoch qualifizierten Berufe mittlerweile als ein nahezu unmögliches Unterfangen. Die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit erweist sich damit als ein gesellschaftspolitisches Ziel, das weniger durch Maßnahmen einer speziellen "Frauenförderung" zu erreichen ist - die, zugespitzt formuliert, in der Regel als Maßnahmen "zur Verbesserung der Frau" konzipiert sind -, sondern nur als Umgestaltung der Geschlechterordnung angegangen werden kann. Diese jedoch ist nur zu denken, wenn sie Hand in Hand mit der Umgestaltung der Arbeitsordnung geht. Die Arbeits- und Lebenskonzepte von Männern bleiben davon nicht unberührt: Neue Strategien zur Gleichstellungspolitik, wie sie durch die Forschung nahegelegt werden, haben nicht nur Auswirkungen auf Frauen, sondern implizieren auch Veränderungen in den Lebenskonzepten von Männern - Veränderungen, die im Übrigen, wenn auch nicht sehr beachtet, bereits im Gange sind.
Die neuere Forschung hat auch sichtbar gemacht, dass das Private - bei Männern wie bei Frauen - in das Berufliche hineinspielt und unter anderem die Wahrnehmung von beruflicher Leistung prägt. Und schließlich macht sie deutlich, wie die Arbeit die privaten Arrangements der Individuen mit gestaltet, wie und unter welchen Bedingungen beispielsweise Konkurrenzen aus dem Berufsleben in die Partnerbeziehung eingreifen oder die Organisation des Alltags von Eltern und Kindern beeinflussen. Die Diskussion, die Familienministerin Ursula von der Leyen mit ihren Vorschlägen zur Verbesserung der Situation junger Eltern angefacht hat, erhält durch diese Ergebnisse neue Argumente und zusätzliches Gewicht.
Problemaufriss
Zehn Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking schätzt die EU-Kommission ihre Doppelstrategie zum Erreichen von mehr Chancengleichheit als erfolgreichen Weg ein, den sie weiterverfolgen will: Einerseits die gezielte Förderung von Frauen in Einzelprojekten und andererseits die politische Verankerung der Geschlechterperspektive als Querschnittsthema durch die Einführung von Gender Mainstreaming auf allen Ebenen der EU und ihrer Mitgliedstaaten. In der Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen heißt es dazu:
"Die Mitgliedstaaten berücksichtigen aktiv das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Formulierung und Umsetzung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Politiken und Tätigkeiten […]." (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 2002: L269/17).
Von den Regierungen der Länder und des Bundes angestoßene Programme zur Erhöhung der Chancengleichheit in der Berufsausbildung und beim Zugang zur Beschäftigung waren dabei durchaus von Erfolg gekrönt: Die Schulabschlüsse der Mädchen sind seit Jahren im Durchschnitt höher als die der Jungen, im Jahr 2004 haben erstmals mehr junge Frauen als Männer ein Studium an einer Hochschule aufgenommen und es gibt Hinweise, dass das Interesse junger Frauen an so genannten Männerfächern, also ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern wie zum Beispiel Physik oder Maschinenbau, ansteigt. Maßnahmen, die hierzu sicherlich beigetragen haben, sind beispielsweise der Girls-Day, so genannte "Schnuppertage" für Schülerinnen an naturwissenschaftlichen und technischen Fachbereichen sowie die gezielte Förderung in der Schule etwa durch monoedukativen oder reflexiv-koedukativen Unterricht in naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern.
Auch im Bereich der Erwerbsarbeit gibt es eine Reihe von Ansätzen, die vielfältigen Chancen-Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen zu verringern. So gibt es seit etlichen Jahren Gleichstellungsbeauftragte in Betrieben und öffentlichen Verwaltungen, Quotenregelungen für die Stellenbesetzung, spezielle Mentoring-Programme für Frauen und ähnliches mehr. Darüber hinaus heißt es in der oben zitierten Richtlinie der Europäischen Union:
"Die Mitgliedstaaten ersuchen im Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften [oder] Tarifverträgen […], Maßnahmen zu ergreifen, um allen Formen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts […] am Arbeitsplatz vorzubeugen." (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 2002, S. L269/17)
Im Zuge der Bemühungen um die Gleichstellung der Geschlechter sind in Deutschland zahlreiche Gesetzesänderungen zu verzeichnen, die darauf abzielen, Frauen verstärkt in den Arbeitsmarkt zu integrieren, insbesondere durch öffentliche Unterstützung bei der Elternschaft. Zu denken ist hier etwa an den bestehenden Anspruch auf Kinderbetreuung und Elternzeit, das Teilzeit- und Befristungsgesetz und so weiter.
Auf den ersten Blick scheinen diese Bemühungen erfolgreich: Als ein zentraler Indikator für die Ungleichheit in den Geschlechterbeziehungen gilt die Erwerbsbeteiligung von Frauen. Diese ist in den vergangenen Jahren gestiegen, während die Erwerbsbeteiligung der Männer etwas gesunken ist, so dass sich die Erwerbsquoten von Frauen und Männern aufeinander zu bewegt haben (siehe Abbildung 1).
Allerdings stellt man bei genauerem Hinsehen fest, dass der Erfolg dieser Maßnahmen relativiert werden muss. Die gestiegene Erwerbsbeteiligung von Frauen ist in erster Linie auf gestiegene Teilzeitquoten von Frauen zurückzuführen. Zwar hat sich die absolute Anzahl weiblicher Arbeitnehmer erhöht, das tatsächlich von ihnen geleistete Arbeitsvolumen indes kaum (Abbildung 2).
Dieser Befund ist im Einklang mit Forschungsergebnissen, die zeigen, dass auf dem Arbeitsmarkt ebenso wie in der privaten Lebenssituation nach wie vor ausgeprägte Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen und dies, obwohl eine Reihe von Maßnahmen offensichtlich in der Absicht einer wachsenden Geschlechtergerechtigkeit implementiert wurden und zum Teil durchaus erfolgreich waren. Die geschlechterbezogene Segregation der Arbeitsmärkte besteht weitgehend fort. Sie drückt sich aus in den unterschiedlichen Beschäftigungsfeldern und -quoten von Frauen und Männern, in der niedrigeren Entlohnung von Frauen sowie in ihrer Unterrepräsentanz in Führungspositionen und ihren schlechteren Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten (Kleinert u.a. 2007; Klenner 2002; Könekamp/Haffner 2005, Statistisches Bundesamt 2005). Bemerkenswert ist auch, dass die Arbeitslosenquote von Absolventinnen aus natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern durchweg höher ist als die ihrer männlichen Kollegen, auch bei starker Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt (Wissenschaftsrat 1999: 30ff). Und hoch qualifizierte Frauen sind bei gleicher Ausbildung und entsprechender Berufstätigkeit deutlich seltener erfolgreich im Beruf als Männer (Haffner 2007; Haffner u.a. 2006).
Obwohl also kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Gleichberechtigungsnorm inzwischen bei politischen Akteuren ebenso wie in der Wirtschaft auf hohe Akzeptanz stößt, ist sie faktisch nach wie vor weit von ihrer Realisierung entfernt. Dieses klare, in der Regel auch als solches empfundene Demokratie-Defizit ist allein durch offene Diskriminierung oder fehlenden Willen zur Herstellung von Gleichberechtigung nicht zu erklären. Offenkundig ist die asymmetrische Geschlechterordnung in den Köpfen und in den gesellschaftlichen Institutionen so fest verankert, dass die Bemühungen um Gleichberechtigung im Arbeitsleben in den alltäglichen Routinen der Akteure immer wieder unterlaufen werden. In die gleiche Richtung weisen auch Forschungsergebnisse aus der Familiensoziologie, die zeigen, dass partnerschaftliche Arrangements der Arbeitsteilung in der Ehe nach wie vor selten sind. So konnte das für Westdeutschland repräsentative Bamberger Ehepaar Panel, das einen Erhebungszeitraum von 1988 bis 2002 umfasst, feststellen, dass das Idealbild der Geschlechtergerechtigkeit zwar in den Köpfen der Ehegatten existiert und sich besonders zu Beginn der Ehe oft auch in egalitären Arrangements häuslicher Arbeitsteilung realisiert, mit der Geburt des ersten Kindes setzen sich jedoch ältere, asymmetrische Modelle der Rollenteilung in der Praxis der Ehegatten wieder durch (Schulz/Blossfeld 2006). Um diesen Phänomenen auf die Spur zu kommen, reicht es nicht aus, so die einhellige Meinung in der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung, allein die Bereiche von Arbeitsmarkt und Beschäftigung in den Blick zu nehmen. Wetterer schreibt dazu:
"Die vordergründig geschlechtsneutralen Arrangements, die auf verdeckte Weise zur Reproduktion der herkömmlichen Geschlechterdifferenzierung beitragen, beziehen ihr ungleichheitsgenerierendes Potenzial nicht aus dem Berufsbereich allein, sondern aus der widersprüchlichen Verknüpfung von Berufs- und privatem Reproduktionsbereich und der virtuell wie real fortbestehenden Gleichung, dass Reproduktionsarbeit Frauenarbeit ist." (Wetterer 2006: 18)
Diese Einsicht nach über 50 Jahren Forschung zur Lage der Frauen in der Arbeitswelt hat dazu geführt, dass neuerdings mehr und mehr die Beziehungen zwischen privaten Lebensverhältnissen und beruflicher Situation zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen geworden sind. So richten Jurczyk und Oechsle, die mit ihrem Band Das Private neu denken eine erste Übersicht über diese neue Diskussion geben, ihren Blick auf die veränderten privaten Lebensverhältnisse und analysieren diese aktuellen Umbrüche aus verschiedenen disziplinären Perspektiven (Jurczyk/Oechsle 2008). Dabei wird deutlich, wie das Private durch die Entgrenzung der Erwerbsarbeit (Gottschall/Voß 2003; Pongratz/Voß 2004; Hochschild 2002) nachhaltig verändert wird und bislang fest gefügt erscheinende Grenzen zwischen den beiden Lebensbereichen verschoben werden (Jurczyk/Oechsle 2008: 26f.). Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang vor allem die "Überschneidungen und wechselseitigen Durchdringungen" (ebd.: 30) des Privaten und Öffentlichen, die einen Strukturwandel auf beiden Seiten nach sich ziehen.
Die europäischen Gesellschaften haben mit dem Eintritt in die Moderne eine neue, charakteristische Geschlechterordnung ausgeprägt, in der die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die gesellschaftliche Trennung in Wirtschafts- und Reproduktionssphäre, in Erwerbsarbeit und Familie, auf eigentümliche Weise verschränkt sind. Diese Geschlechterordnung, in der die Frau mit der Sorge um die Kinder und generell um das Wohl der Familienangehörigen, aber auch der privaten Beziehungen betraut und auf das Haus verwiesen ist, während der Mann als Familienernährer in die Dynamik von Markt, Konkurrenz und öffentlichen Angelegenheiten eingebunden ist, hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts, ausgehend von den bürgerlichen Klassen, auch in den Volksklassen weitgehend durchgesetzt. Von Anfang an stand dieses Modell des Geschlechterverhältnisses jedoch in Widerspruch zum Prinzip der Individualität als dem tragenden Element der bürgerlichen Gesellschaft und konstituierte damit ein strukturelles Problem der Moderne. Die schwierigen, sowohl am Privaten wie an der Organisation der Arbeit und an den wohlfahrtsstaatlichen Rahmenbedingungen ansetzenden Prozesse der Suche nach einer neuen Work-Life-Balance, die gegenwärtig zu beobachten sind, orientieren sich an der Individualität als einem für beide Geschlechter gleichermaßen geltenden Prinzip.