E-Book, Deutsch, 184 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm
Härle Von Christus beauftragt
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-374-05062-8
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein biblisches Plädoyer für Ordination und Priesterweihe von Frauen
E-Book, Deutsch, 184 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm
ISBN: 978-3-374-05062-8
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wilfried Härle, Dr. theol., Jahrgang 1941, ist Professor em. für Systematische Theologie. Nach dem Studium der Evangelischen Theologie in Heidelberg und Erlangen, Promotion und Habilitation lehrte er von 1975 bis 2006 an den Universitäten Kiel, Groningen (NL), Marburg und Heidelberg. Parallel dazu war er achtzehn Jahre lang Mitglied und zwölf Jahre lang Vorsitzender der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD und drei Jahre lang Mitglied der Enquetekommission des Deutschen Bundestages für Ethik und Recht der modernen Medizin. Seit seiner Emeritierung ist er als Buchautor, Vortragsreisender und Seelsorger am Augustinum in Stuttgart-Killesberg tätig.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christentum/Christliche Theologie Allgemein Christentum: Sachbuch, Erbauungsliteratur
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Das Priestertum
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Religiöse Fragen von Sexualität, Geschlecht und Beziehungen
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Religiöses Leben und religiöse Praxis
Weitere Infos & Material
1. Das Verhältnis von Mann und Frau aus biblisch-christlicher Sicht
1.1 MANN UND FRAU IN DEN BIBLISCHEN SCHÖPFUNGSAUSSAGEN
In der biblischen Schöpfungsgeschichte spielt das Verhältnis von Mann und Frau eine große Rolle. Und das gilt für die Schöpfungserzählungen, die in Gen 1,1–2,4 a und in Gen 2,4 b–24 überliefert sind. Dass die erste dieser beiden Erzählungen vermutlich die jüngere und die zweite vermutlich die ältere ist, spielt in Hinsicht keine nennenswerte Rolle. Auffallend und ausschlaggebend sind jedoch zwischen diesen beiden Erzählungen, aus denen ihre theologische Aussageabsicht zu erschließen ist.
Die Schöpfungserzählung in 1. Mose 1 beginnt36 mit der Erschaffung des Lichts und endet mit der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau und mit dem anschließenden Ruhen Gottes von seinen Werken. Aus dem Aufbau und Inhalt dieser Erzählung geht hervor, dass der von Gott männlich und weiblich erschaffene Mensch als der Höhepunkt von Gottes Schöpfungswirken verstanden wird. In ihm bringt Gott sein Schöpfungswerk zum Abschluss, das er selbst im Einzelnen und im Ganzen als „gut“, ja als „sehr gut“ beurteilt (Gen 1,4.12.18.21.31).
Dabei ist es in der Auslegung dieses Textes umstritten, ob das hebräische Wort „adam“, das „Mensch“ bedeutet, in dieser ersten Schöpfungserzählung als Bezeichnung für zwei Einzelwesen (also „zwei Menschen“) oder für die Gattung (also „Menschheit“ oder „Menschenwesen“) zu verstehen ist. Die Tatsache, dass zu ihrer Unterscheidung in Gen 1,27 nicht die Substantive „Mann“ und „Frau“, sondern die Adjektive „männlich“ und „weiblich“ verwendet werden, spricht eher für das Verständnis als Gattungswesen.37 Aber bei beiden Deutungen ist gemeinsam: Sie enthalten unterschiedliche Rangordnung oder Wertung. Das ist nach meiner Beobachtung der Hauptgrund dafür, dass diese erste Schöpfungserzählung bei vielen Kritikern der Frauenordination entweder völlig übergangen oder nur ganz beiläufig behandelt wird.38
Ein wesentlicher Teil dieser Schöpfungserzählung ist die Aufforderung sowohl an die Tiere wie an die Menschen, (Gen 1,22 und 28, ebenso Gen 9,1 und 7). Darin kommt – zusätzlich zu der Beurteilung der geschaffenen Welt als sehr gut – der Wille des Schöpfers zum Ausdruck, dass diese Welt 39 und sich weiterentwickeln soll.
Mit dieser Fokussierung auf die Erhaltung der geschaffenen Welt durch Fruchtbarkeit und Mehrung rückt zugleich das Verhältnis von Mann und Frau unter dem Aspekt von Zeugung und Empfängnis ins Zentrum der Betrachtung. Dabei wird ebenfalls keinerlei Über- oder Unterordnung des einen oder anderen Geschlechts erkennbar oder vorausgesetzt. Männer und Frauen sollen durch ihre geschlechtliche Fruchtbarkeit und – das ist das zweite Moment, das sich unmittelbar anschließt – durch die Wahrnehmung ihres Herrschaftsauftrags über die Tiere ihrer von Gott gegebenen geschöpflichen Bestimmung gerecht werden (Gen 1,28). Dabei ist diese Herrschaft nicht als Freibrief zur Ausbeutung und Misshandlung der Tiere zu verstehen,40 sondern bringt die „,königliche‘ Funktion des Menschen, für die Integrität und das Lebensrecht der Schöpfung (speziell der Tierwelt) zu sorgen“ zum Ausdruck.41
Die alttestamentliche und die systematische Theologie haben im 20. Jahrhundert gemeinsam entdeckt und herausgearbeitet, dass die Gottebenbildlichkeit nicht in einer Eigenschaft zwischen Gott und Mensch, und darum auch nicht in einer Ähnlichkeit zwischen Gott und Mensch besteht. Vielmehr ist die Gottebenbildlichkeit diejenige Beziehung und Gemeinschaft zwischen dem Schöpfer und seinem menschlichen Geschöpf, die den Menschen als Statthalter Gottes auf Erden auszeichnet und ihm die Verantwortung für die Bewahrung und Gestaltung der geschaffenen Welt überträgt und anvertraut. Dazu ist er von Gott als Mann und Frau erschaffen und bestimmt, und diese Bestimmung bleibt auch über den Sündenfall hinaus bestehen42, obwohl der Mensch ihr auf vielfache Weise nicht gerecht wird, sondern sie verfehlt und sich gegen sie vergeht.
Aber diese Bestimmung ist in Jesus Christus zur Erfüllung gekommen, der das Ebenbild Gott nicht nur sein soll, sondern , wie dies in 2 Kor 4,4, Kolosser 1,15 und Hebr 1,3 ausgesagt wird. Das ist er jedoch nicht nur für sich, sondern dazu, dass die von Gott dafür Ausersehenen „gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern“ (Röm 8,29). Die in der Schöpfungsmittlerschaft Christi43 angelegte heilvolle Bestimmung des von Gott geschaffenen Menschen kommt so an ihr Ziel.
Die Schöpfungserzählung aus Gen 2,4b–22 wird häufig als „Paradieserzählung“ bezeichnet, weil ihr Schauplatz der von Gott gepflanzte Paradiesgarten Eden ist. Das Verhältnis von Mann und Frau ist hier komplexer und komplizierter als in der ersten Schöpfungserzählung, steht aber ebenfalls im Zentrum dieses Bibeltextes. Ein wesentlicher Unterschied zur ersten Schöpfungserzählung besteht darin, dass der Mensch („Adam“) hier zunächst von Gott erschaffen wird und die Frau („Eva“) erst später folgt. Sie wird während eines Tiefschlafs, den Gott auf den Mann fallen lässt, von Gott aus einer Rippe Adams gebildet. An dem „Stoff“, aus dem sie geschaffen ist, erkennt Adam, dass Eva zu ihm passendes „Bein und Fleisch“ (Gen 2,23) ist.
Diesem glücklichen Ende geht freilich eine Suche nach einem für Adam passenden Gegenüber voraus, für das Gott zunächst die von ihm erschaffenen Tiere vorgesehen hatte. Aber unter den Tieren wurde „für den Menschen … keine Hilfe gefunden, die ihm entsprach“ (Gen 2,20). Erst die vom Mann genommene Frau kann diese Rolle ausfüllen.
Dabei hat Luthers Übersetzung dieser Stelle mit den Worten „eine Gehilfin, die um ihn sei“ dazu beigetragen, die Frau als ein dem Mann untergeordnetes Geschöpf zu verstehen. Aber im Alten Testament bezeichnet der Begriff „Hilfe“ (ezer) keine „Hilfskraft“, sondern wird in der Regel auf Gott angewandt, der für sein Volk oder für eine Einzelperson Hilfe ist und bringt. Andererseits hebt die Präposition „kenegdo“, zu Deutsch „als sein Gegenüber“ in Gen 2,18 gerade die Gleichrangigkeit von Mann und Frau hervor. Dem entspricht es schließlich auch, dass Adam die ihm von Gott zugeführte Frau sowohl als ihm gleichartig erkennt („Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“) und sie als „ischah“ bezeichnet, von Luther ungewöhnlich, aber treffend übersetzt mit „Männin“, als Pendant zu „isch“ als dem Mann.
Die Tatsache, dass Eva Adam und ihm geschaffen wurde, wird in 1Kor 11,8 f. und in 1Tim 2,13 in Erinnerung gerufen. Aus ihr folgert Paulus im 11. Kapitel des 1. Korintherbriefs
– erstens so etwas wie eine Ebenbildlichkeit : Der Mann „ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz“ (V. 7);
– zweitens, dass der Mann nicht um der Frau willen geschaffen wurde, sondern (V. 9);
– drittens, dass Frauen im Gottesdienst „um der Engel willen“ ihr Haupt Schleier44 sollen (V. 10).
Das klingt so, als würde Paulus aus der in Gen 2 überlieferten Schöpfungserzählung, eine über die Frau ableiten. Aber er schließt – – diesen Gedankengang mit dem Satz ab:
„Doch im Herrn ist weder die Frau ohne den Mann noch der Mann ohne die Frau; denn wie die Frau von dem Mann; so ist auch der Mann durch die Frau; aber alles von Gott.“ (V. 11 f.)
Damit bleibt Paulus bei dem grundsätzlich gleichrangigen Verständnis der Menschen als Mann und Frau aus Gen 1 und 2 und schärft sie als „im Herrn“, also in Jesus Christus bestätigt und gültig ein. Beide sind einander – bei aller Unterschiedenheit – völlig ebenbürtig und gleichrangig aufeinander verwiesen und aufeinander angewiesen.
In 1Tim 2,13 wird die Tatsache, dass Adam zuerst gemacht wurde und Eva erst nach ihm gebildet wurde, zur Begründung gemacht für das Verbot an die Frau, zu lehren und über den Mann zu herrschen sowie für das Gebot, still zu sein. Hier wird die Abfolge der Erschaffung von Mann und Frau allem Anschein nach tatsächlich als Begründung für eine verstanden. Das wird zwar nicht so gesagt, aber das kann man aus dem Verbot zu lehren und aus dem Verbot über den Mann zu herrschen folgern. Dem Wortlaut nach wird jedoch nur eine Überordnung (Herrschaft) der Frau über den Mann und das Lehren (d?d?s?e??) der Frau sowie das Schweigen bzw. die Ruhe (?s???a) .
Sollte aus der Reihenfolge der Erschaffung tatsächlich auf eine Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann geschlossen werden, so müsste man dagegen aus biblischer Sicht folgende Einwände bedenken:
gibt es in der Bibel an markanten Stellen mehrfach die Ordnung, dass der...




