Haensch | Das autonome Nervensystem | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 391 Seiten

Haensch Das autonome Nervensystem

Grundlagen, Organsysteme und Krankheitsbilder
2. überarbeitete Auflage 2022
ISBN: 978-3-17-035567-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen, Organsysteme und Krankheitsbilder

E-Book, Deutsch, 391 Seiten

ISBN: 978-3-17-035567-5
Verlag: Kohlhammer
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Das autonome Nervensystem reguliert lebenswichtige Funktionen wie die des Herzens, des Kreislaufs, der Atmung, des Verdauungstrakts und des Urogenitalsystems und hat somit große Bedeutung für die wissenschaftliche und praktische Medizin. Mehr und mehr autonome Labore wurden in den vergangenen 20 Jahren insbesondere an neurologischen Kliniken gegründet. Begünstigt wird dies durch die größere Verfügbarkeit kommerziell erhältlicher autonomer Messplätze. Neben klassischen Untersuchungsmethoden wie der Kipptischuntersuchung, der Messung der Herzfrequenzvariabilität und der Darstellung der Schweißsekretionsstörungen sind jüngst weitere Analysen wie eine gezielte Antikörperdiagnostik entwickelt worden, die neue Erkrankungen nachweisen können, z.B. die autonome Gangliopathie.
Das vorliegende Werk ist die einzige umfassende deutschsprachige Darstellung der aktuellen Diagnostik und Therapie der Erkrankungen des Vegetativums. Ebenso bietet es eine detaillierte Einführung in die Grundlagen der vegetativen Anatomie und Physiologie. Der Band versammelt Beiträge eines Autorenkollektivs führender Experten.

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1          Anatomie des autonomen Nervensystems
Winfried Neuhuber
Dem Autonomen oder (besser im Deutschen) Vegetativen Nervensystem (ANS bzw. VNS) obliegt die Steuerung der Organfunktionen zur Aufrechterhaltung der Homöostase. Dabei wirkt es eng verbunden mit dem Endokrinium und dem Immunsystem. Diese lebenswichtige Bedeutung veranlasste den Erlanger Internisten L. R. Müller das Wort »Lebensnerven« für das vegetative Nervensystem zu prägen (Müller 1931). Als anatomische Strukturen, die dem ANS zugerechnet werden, sind der Sympathische Grenzstrang (Truncus sympathicus) mit seinen paravertebralen Ganglien, die Gangliengeflechte (Plexus) im Retroperitoneum (prävertebrale Plexus und Ganglien) und im Becken sowie in der Wand verschiedener Hohlorgane (intramurale Pl.), Ganglien im Bereich des Kopfes sowie Anteile der Hirnnerven III, VII, IX und X seit langem fest etabliert. Somit ist das ANS als Teil des peripheren Nervensystems (PNS) in unserer Vorstellung verankert. Aber auch weite Teile des Zentralnervensystems (ZNS), einschließlich der Großhirnhemisphären befassen sich mit autonomer Regulation. Im Folgenden soll die Anatomie der peripheren und zentralen Anteile des ANS kurz zusammengefasst werden. Dem Vorschlag Langleys entsprechend wird das ANS in Sympathikus,Parasympathikus und Enterisches Nervensystem (Darmnervensystem, ENS) gegliedert (Langley 1921). Für die Eigenständigkeit des Letzteren gab es bereits zu Langleys Zeiten genügend funktionelle Hinweise und die Besonderheiten des ENS wurden durch Forschungsergebnisse der letzten Jahre bestätigt und weiter ausgearbeitet (Furness 2006a). Ob und wie weit auch die lokalen Gangliengeflechte in anderen Organen zu komplexen Integrationsleistungen fähig sind, ist noch unklar (Furness 2006b). Im Gegensatz zum Sympathikus, der den gesamten Körper innerviert, beschränkt sich der Parasympathikus auf Kopf und manche innere Organe. Extremitäten und Leibeswand, Niere, Milz, Lymphknoten, Thymus und Knochenmark werden nur sympathisch innerviert. Deshalb ist die populäre Vorstellung eines generellen Antagonismus von Sympathikus und Parasympathikus allein schon aus anatomischen Gründen irreführend. Die »zweizügelige« Steuerung der Organfunktionen ist eher die Ausnahme als die Regel, und selbst bei jenen Organen, die von beiden Systemen versorgt werden, zeigt die funktionelle Analyse eher ein komplexes »Miteinander« als ein antagonistisches »Gegeneinander« (Jänig 2006). Die Begriffe Sympathikus und Parasympathikus beziehen sich nur auf den efferenten Schenkel des ANS. Da die Sicherung der Homöostase gegen Störungen jedoch vegetative Regelkreise erfordert, bilden afferente Neurone einen integralen Bestandteil des ANS. Obwohl sich diese Viszeroafferenzen in allen Nerven finden, die auch efferente sympathische bzw. parasympathische Fasern enthalten, wäre es irreführend, die jeweiligen Afferenzen als »sympathisch« oder »parasympathisch« zu bezeichnen, da spätestens mit ihrem Eintritt ins ZNS die scheinbare Zuordnung zu dem einen oder anderen System wegfällt. Neben diesen Viszeroafferenzen im engeren Sinn, die Informationen aus inneren Organen liefern, finden auch bestimmte Afferenzen aus »somatischen« Bereichen (Haut, Skelettmuskulatur) Eingang in vegetative Regelkreise. Es handelt sich in der Regel um dünnkalibrige (Ad- und C) thermo-, chemo-, nozi- und niederschwellig mechanozeptive Afferenzen, die z. B. bei der Thermoregulation eine Schlüsselrolle spielen. Als Überbegriff wurde dafür »homöostatische Afferenzen« vorgeschlagen (Craig 2003). Somit erscheint es angebracht, das ANS in periphere (Sympathikus,Parasympathikus,Darmnervensystem, viszerale Afferenzen) und zentrale Anteile zu gliedern. 1.1       Peripheres ANS
Ein Charakteristikum des ANS ist die Aufteilung seines efferenten Anteils auf dem Weg zum Erfolgsorgan in eine prä- und eine postganglionäre Strecke: Präganglionäre Neurone, deren Zellkörper im ZNS (Rückenmark und Hirnstamm) liegen, senden ihre Axone über Spinal- bzw. bestimmte Hirnnerven zu autonomen Ganglien, Nervenzellanhäufungen im Bereich des PNS (Langley 1921; Müller 1931). In diesen Ganglien sitzen die Perikaryen der postganglionären Neuronen (die eigentlich richtiger »ganglionär« zu nennen wären), deren Axone, dem Verlauf von Spinal- bzw. Hirnnervenästen oder Gefäßen folgend, zum Erfolgsorgan (glatte Muskulatur, Drüsen) ziehen. Die in den autonomen Ganglien erfolgende synaptische Umschaltung von prä- auf postganglionäre Neurone, im Wesentlichen cholinerg-nikotinisch vermittelt, ermöglicht durch Konvergenz (Projektion von mehreren präganglionären auf ein postganglionäres Neuron) als auch Divergenz (Projektion eines präganglionären auf mehrere postganglionäre Neurone) sowohl die Verstärkung als auch die weite Verteilung der präganglionären Signale. So wurde etwa für das Ggl. cervicale superius des Menschen ein prä- zu postganglionäres Verhältnis von ca. 1 : 100 beschrieben (Jänig 2006). Die Lage der autonomen Ganglien wird klassischerweise für den Sympathikus als organfern (paravertebrale und prävertebrale Ganglien), jedoch organnah oder gar intramural für den Parasympathikus beschrieben. Somit ist die Länge präganglionärer Axone im Parasympathikus, insbesondere im N. vagus größer als jene der postganglionären, während im Sympathikus auch postganglionäre Axone ziemlich lange Strecken überbrücken müssen, z. B. von einem lumbalen oder sakralen Grenzstrangganglion bis zur Zehenspitze, um dort Schweißdrüsen oder Gefäße zu innervieren. Andererseits liegen sympathische postganglionäre Neurone in Beckenganglien oft sehr organnahe, sodass ihre Axone oft nur wenige Millimeter lang sind. Die Kontakte zwischen postganglionären autonomen Neuronen und Effektoren wurden gern als Synapsen »par distance« beschrieben. Neuere Befunde zeigen jedoch, dass auch im ANS der typische Neuroeffektorkontakt eine sehr nahe Membranbeziehung von etwa 20 nm in einem umschriebenen Bereich darstellt (Luff et al. 1987). 1.1.1     Viszerale Afferenzen
Viszeroafferente Neurone besitzen ihre Zellkörper in thorakolumbalen und sakralen Spinalganglien der gleichen Segmente, in denen auch präganglionäre Neurone liegen (C 8–L 3 bzw. S 2–4; spinale Viszeroafferenzen) sowie in den sensorischen Ganglien des N. vagus (Ggl. nodosum/inferius und jugulare/superius) und N. glossopharyngeus (Ggl. petrosum/inferius). Ihre peripheren Axone, typischerweise dünne Ad- und C-Fasern, findet man in sämtlichen Wandschichten der Hohlorgane, in den Luftwegen und im Ösophagus dringen sie sogar bis ins Epithel vor. Auf ihrem Weg nach zentral durchziehen sie die ganglionären Plexus, wobei insbesondere thorakolumbale Afferenzen Kollateralen an Ganglienzellen abgeben können. Ihre zentralen Endigungen finden wir im oberflächlichen Hinterhorn des Rückenmarks (spinale Viszeroafferenzen) und im Nucleus tractus solitarii (vagale und glossopharyngeale Afferenzen). Verglichen mit somatischen Afferenzen, stellen viszerale Afferenzen nur einen kleinen Teil des gesamten afferenten Einstroms ins ZNS dar. Selbst in den Haupt-Eintrittssegmenten bilden z. B. afferente Neurone des N. splanchnicus major der Ratte nur etwa 10 % der Spinalganglienzellen (Neuhuber et al. 1986). Andererseits besteht der N. vagus zu etwa 80 % aus afferenten Fasern (Berthoud und Neuhuber 2000). Spinale Viszeroafferenzen
Die peripheren Axone spinaler Viszeroafferenzen zeigen oft das Bild »freier« Nervenendigungen in Schleimhaut und glatter Muskulatur. Thorakolumbale Afferenzen erscheinen dabei »einfacher«, weniger verzweigt als sakrale (Spencer et al. 2016). Viele dieser Neurone enthalten die Peptide CGRP und Substanz P sowie den pH-empfindlichen »Capsaicin«-Rezeptor TRPV1 und können aufgrund ihrer »lokalen Effektor-Funktion« durch Peptidfreisetzung Blutgefäße, glatte Muskulatur und Immunzellen beeinflussen. Thorakolumbale Afferenzen gelangen über Nn. splanchnici thoracici, lumbales bzw. mediastinale Äste des sympathischen Grenzstrangs, Rami communicantes albi und die jeweiligen Spinalnerven, sakrale Afferenzen über die Nn. splanchnici pelvici und die sakralen Spinalnerven zu ihren Spinalganglien. Über die Hinterwurzeln...


Prof. Dr. med. Carl-Albrecht Haensch ist ehem. Chefarzt der Klinik für Neurologie, Kliniken Maria Hilf Mönchengladbach.

Mit Beiträgen von:
Carl-Albrecht Haensch, Ralf Baron, Frank Birklein, Peter Flachenecker, Janne Gierthmühlen, Wilfried Jänig, Johannes Jörg, Wolfgang Jost, Gerhard Jan Jungehülsing, Istvan Katona, Albert Kaufmann, Heinz Krammer, Anke Lührs, Winfried Neuhuber, Tanja Schlereth, Hans-Peter Seelig, Rainer Surges und Joachim Weis.



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