Hackett | Der Buchenwald-Report | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1458, 456 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Hackett Der Buchenwald-Report

Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar
3. Auflage 2018
ISBN: 978-3-406-72206-6
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar

E-Book, Deutsch, Band 1458, 456 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-72206-6
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als das Konzentrationslager Buchenwald am 11. April 1945 von Einheiten der 3. U.S. Army befreit wurde, befand sich in deren Gefolge ein Intelligence-Team unter der Leitung des jüdischen Offiziers Albert G. Rosenberg. Es hatte die Aufgabe, Erkenntnisse über die Geschichte Buchenwalds und die Zustände im Lager zu sammeln. Um dieses Team bei seiner Arbeit zu unterstützen, wurde von den befreiten Häftlingen ein Komitee ins Leben gerufen, das innerhalb von nur vier Wochen einen 125seitigen Bericht über das Konzentrationslager verfaßte. Federführender Kopf dabei war derÖsterreicher Eugen Kogon.Gleichzeitig haben ca. 120 Häftlinge ihre Lagererfahrungen dokumentiert. Ihre Aussagen haben sich in 168 Einzeltexten niedergeschlagen, in denen praktisch alle Aspekte des Lagerlebens und -sterbens festgehalten sind. Beide Textkörper, Bericht und Zeugenaussagen, eröffnen einen beispiellos detaillierten Einblick in den gesamten Mikrokosmos der Lagerwelt, seine Strukturen, seine Mechanismen, seinen 'Alltag' und seine vollkommene,jeden Lebensbereich erfassende Inhumanität. Geschrieben direkt nach der Befreiung, noch unter dem akuten Eindruck des Erlebten, vermitteln diese Berichte Innenansichten einer Welt des Grauens, die den Leser an die Grenzen der Vorstellungskraft führen. In der Literatur zur Geschichte des Holocaust darf dieses Buch der Häftlinge von Buchenwald Anspruch auf einen besonderen Platz erheben.

Hackett Der Buchenwald-Report jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;2
4;Über den Autor;2
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Vorwort;11
8;Karte von Buchenwald;15
9;Einführung;19
10;Erster Teil Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar;51
10.1;I Das Konzentrationslager Buchenwald;53
10.2;II SS und Konzentrationslager;53
10.3;III Zahl und Art der Konzentrationslager in Deutschland;54
10.4;IV Das Konzentrationslager Buchenwald;58
10.5;V Das Drohnendasein der SS;66
10.6;VI Die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Häftlinge;71
10.7;VII Strafen;84
10.8;VIII Die sanitären Verhältnisse;88
10.9;IX Sondereinrichtungen;97
10.10;X Sonderaktionen;103
10.11;XI Der permanente unterirdische Kampf zwischen SS und antifaschistischen Kräften im Lager;111
10.12;XII Das Lager seit Kriegsausbruch;117
10.13;XIII Das dramatische Ende des Lagers;127
10.14;XIV Nachwort;135
11;Zweiter Teil Einzelberichte;139
11.1;Kapitel I. Statistik und Allgemeines;141
11.1.1;1. Einige statistische Zahlen über Buchenwald;141
11.1.2;2. Die Toten von Buchenwald;144
11.1.3;3. Tabellarische Übersicht über die zahlenmäßige Entwicklung des Konzentrationslagers Buchenwald;145
11.1.4;4. Größenumfang Buchenwalds: Seine Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung;148
11.1.5;5. Die Politische Abteilung;150
11.2;Kapitel II. Schlemmerleben und Korruption der SS;154
11.2.1;6. Liste der SS-Angehörigen;154
11.2.2;7. Friseur beim Kommandanten;154
11.2.3;8. Als Masseur bei der SS;158
11.2.4;9. Gespräche von SS-Führern;159
11.2.5;10. Schlemmerleben auf Kosten der Häftlinge;160
11.2.6;11. Korruption bei der SS;161
11.2.7;12. Wofür alles gesammelt wurde!;162
11.2.8;13. Nazistische Kriegsgewinnler;163
11.2.9;14. Der Falkenhof;164
11.2.10;15. Foto-Abteilung und Kino;164
11.2.11;16. Erbprinz von Waldeck-Pyrmont;165
11.2.12;17. SS-Hauptscharführer Bayer, Verwalter der Gerätekammer;167
11.2.13;18. Hoher Besuch im Lager;168
11.3;Kapitel III. Allgemeines Lagerleben;170
11.3.1;19. Zählappell im KL Buchenwald;170
11.3.2;20. Lagerälteste und Lagerführung;171
11.3.3;21. Das Buchenwald-Lied;173
11.3.4;22. Die Block-Kontrollen;175
11.3.5;23. Aus der Aufbauzeit des Lagers;176
11.3.6;24. Streiflichter aus der ersten Zeit;177
11.3.7;25. Die Verpflegung des Konzentrationslagers Weimar-Buchenwald von 1937 bis 1945;179
11.3.8;26. Tiere leben besser als Menschen;182
11.3.9;27. SS-Leute als Posträuber;183
11.3.10;28. Ehescheidung von Häftlingen;184
11.3.11;29. Leichenreste in der Kanalisation;184
11.3.12;30. Nazibestien von Buchenwald!;185
11.3.13;31. SS-Sadisten;187
11.3.14;32. Eine Handvoll Pferdefutter!;188
11.3.15;33. Prügel gehören zum Tagesablauf;189
11.3.16;34. Kaltblütiger Doppelmord;191
11.3.17;35. Foltermethoden und Grausamkeiten der SS;191
11.3.18;36. Geschichte der Juden in Buchenwald;195
11.3.19;37. Erinnerungen eines jungen Juden;203
11.3.20;38. Ermordung Ernst Heilmanns in Buchenwald;205
11.3.21;39. Die Ermordung der Gebrüder Hamber;205
11.3.22;40. Die Situation der Homosexuellen im Konzentrationslager Buchenwald;206
11.3.23;41. Leiden der Bibelforscher;212
11.3.24;42. Wie Bibelforscher behandelt wurden;214
11.4;Kapitel IV. Die Arbeitskommandos;216
11.4.1;43. Die Gerätekammer;216
11.4.2;44. Die Wäscherei des KL Buchenwald;217
11.4.3;45. Der Steinbruch;219
11.4.4;46. Mordarbeit in Buchenwald;221
11.4.5;47. Der 1. Mai 1943;222
11.4.6;48. Die Fuhrkolonne;224
11.4.7;49. Sklavenhandel der SS;225
11.4.8;50. Tongrube Berlstedt;226
11.4.9;51. Die Hölle von Ohrdruf;227
11.4.10;52. Martyrium von Frauen in Altenburg;228
11.4.11;53. Arbeitskommando «Polizei Weimar»;229
11.4.12;54. Lebendig begraben;230
11.5;Kapitel V. Lagerstrafen;232
11.5.1;55. Erlebnisse im Bunker Buchenwald;232
11.5.2;56. «Vernehmung bis zur Aussage!»;235
11.5.3;57. Das Martyrium des Pfarrers Schneider;237
11.5.4;58. Die letzten Tage im Bunker;238
11.5.5;59. SS-Hauptscharführer Sommer;239
11.5.6;60. Mordmethoden Sommers;240
11.5.7;61. Im schwarzen Bunker;240
11.5.8;62. Geschichten vom Bock;242
11.5.9;63. «Auf der Flucht erschossen!»;243
11.5.10;64. Strafexerzieren!;244
11.6;Kapitel VI. Sanitäre Fragen;246
11.6.1;65. Geschichte des Krankenbaus Buchenwald;246
11.6.2;66. Das Judenrevier;251
11.6.3;67. Krankenbau-Saal 7;252
11.6.4;67. Die Tbc-Station im Krankenbau;252
11.6.5;68. Zahnbehandlung bei SS und Häftlingen;253
11.6.6;70. Das Schonungskommando;255
11.6.7;71. Massenmörder Dr. Plaza;256
11.6.8;72. Der Gesundschreibe-Doktor;257
11.6.9;73. Hauptsturmführer Dr. Hofer;257
11.6.10;74. Das Krematorium;258
11.6.11;75. Leichenträger in Buchenwald;259
11.6.12;76. Die Pathologie;260
11.6.13;77. Hungertod in Buchenwald;262
11.6.14;78. Menschen als Versuchstiere für SS-Ärzte;265
11.6.15;79. Versuche im Block 46;266
11.6.16;80. Opfer des Blockes 46!;267
11.7;Kapitel VII. Sonderaktionen und Sondereinrichtungen;268
11.7.1;81. Die Strafkompanie;268
11.7.2;82. Die I-Baracke;269
11.7.3;83. Die K-Kompanie;270
11.7.4;84. Der Sonderbau;272
11.7.5;85. Massenmorde an russischen Kriegsgefangenen;273
11.7.6;86. Kommando 99 – Pferdestall;274
11.7.7;87. Lebende unter Leichen;276
11.7.8;88. Exekutionen in Buchenwald;277
11.7.9;89. Liste der Offiziere des Secret Service, die im KL Buchenwald ermordet wurden;278
11.7.10;90. Liste der kanadischen Flieger;279
11.7.11;91. Erschießung eines englischen Fliegers in Arolsen;279
11.7.12;92. Massenmorde in der Heilanstalt Bernburg;279
11.7.13;93. Sonderaktionen im KL Buchenwald;281
11.7.14;94. Der Schafstall;282
11.7.15;95. Die «Rath-Aktion» November 1938;283
11.7.16;96. Die Aktion der holländischen Juden;287
11.7.17;97. Die Ermordung der holländischen Juden in Mauthausen;288
11.7.18;98. Der 9. November 1939 und seine Folgen;289
11.7.19;99. Die Dänen-Aktion;290
11.7.20;100. Prominente Persönlichkeiten in Buchenwald;291
11.8;Kapitel VIII. Antifaschistischer Kampf gegen die SS;293
11.8.1;101. Der endgültige Sieg über die Grünen;293
11.8.2;102. Entstehung und Entwicklung des Lagerschutzes;294
11.8.3;103. Aufgaben und Tätigkeit des Sanitätstrupps;296
11.8.4;104. Die Lagerfeuerwehr;297
11.8.5;105. Antifaschistischer Informationsdienst;298
11.8.6;106. Die Lagerkapelle;300
11.8.7;107. Kunst im KL Buchenwald;301
11.8.8;108. Die Häftlingsbücherei;303
11.8.9;109. Sport in Buchenwald;304
11.8.10;110. Von der Gestapo Weimar verhaftet;305
11.8.11;111. Der Fall Wolff;305
11.8.12;112. SS-Spitzel Stelzmann;306
11.8.13;113. Wie Spitzel erledigt wurden;307
11.8.14;114. Ein Verbrecher gerichtet;308
11.9;Kapitel IX. Verhältnisse während des Krieges;309
11.9.1;115. Das kleine Lager Buchenwald im Winter 1939/40;309
11.9.2;116. Polen im kleinen Lager 1939;313
11.9.3;117. Das «Zeltlager»;315
11.9.4;118. Kinder im Buchenwalder Konzentrationslager;316
11.9.5;119. Die ersten russischen Kriegsgefangenen im KL Buchenwald;317
11.9.6;120. Die illegale Organisation der Russen;318
11.9.7;121. Ukrainer und Russen im KL Buchenwald;321
11.9.8;122. Greuel gegen russische Häftlinge;323
11.9.9;123. Tätigkeit der Tschechoslowaken in Buchenwald;324
11.9.10;124. Bericht des Niederländischen Komitees;327
11.9.11;125. Jugoslawen im antifaschistischen Kampf;330
11.9.12;126. Vernichtung der Jugoslawen in Buchenwald;331
11.9.13;127. Der Kampf belgischer Antifaschisten in Buchenwald;332
11.9.14;128. Österreicher in Buchenwald;334
11.9.15;129. Die polnische Geheimorganisation in Buchenwald;336
11.9.16;130. Arbeitsstatistik und Transportschutz;339
11.9.17;131. SS-Bauinspektion Rußland;341
11.9.18;132. Bahnbau nach Buchenwald;342
11.9.19;133. Morde beim Bau der Gustloff-Werke;343
11.9.20;134. Fronarbeit in den Gustloff-Werken;344
11.9.21;135. Der Bombenangriff von 24. 8. 1944;345
11.9.22;136. Außenkommandos des KL Buchenwald und Art der Produktion in diesen Betrieben;347
11.9.23;137. Antifaschistische Sabotage-Arbeit in Rüstungsbetrieben;349
11.9.24;138. Sabotage in den Buchenwalder Gustloff-Werken;353
11.9.25;139. Sabotagearbeit in der DAW- Schlosserei;354
11.9.26;140. SS plündert Rote-Kreuz-Pakete;356
11.10;Kapitel X. Die Befreiung des Lagers;358
11.10.1;141. Massensterben im kleinen Lager;358
11.10.2;142. So sah es im kleinen Lager aus;360
11.10.3;143. Der Block des Todes 61;361
11.10.4;144. Rettung aus Todestransporten;363
11.10.5;145. Auf der Flucht erschossen;364
11.10.6;146. Schwarzsender in Buchenwald;365
11.10.7;147. Liste der 46 Antifaschisten;366
11.10.8;148. Vor der SS versteckt;366
11.10.9;149. 21 000 Häftlinge befreit;367
11.10.10;150. Der erste Befehl nach der Befreiung;374
11.10.11;151. Der 11. April 1945;375
11.11;Kapitel XI. Der Fall Koch 152. Als Kalfaktor bei Koch;378
11.11.1;153. Streiflichter zum Fall Koch;381
11.11.2;154. Kochs Silvesterfeier 1938;382
11.11.3;155. Der Prozeß Koch;383
11.12;Kapitel XII. Berichte aus andern Lagern;386
11.12.1;156. Von Buchenwald nach Auschwitz verschleppt;386
11.12.2;157. Selektion in Birkenau;391
11.12.3;158. «Abspritzen in Auschwitz»;392
11.12.4;159. Erlebnisse eines 15jährigen in Auschwitz;393
11.12.5;160. Vernichtungslager Treblinka;395
11.12.6;161. Massenverbrennungen in Skarzysko Kamienna;399
11.12.7;162. Das Lemberger Ghetto;402
11.12.8;163. Massenmorde im Rigaer Ghetto;405
11.12.9;164. Der jüdische Heldenkampf in Warschau;410
11.12.10;165. Der Dachauer «Himmelswagen»;415
11.12.11;166. Die Malaria-Versuche in Dachau;417
11.12.12;167. Konzentrationslager Natzweiler;418
11.12.13;168. SS-Sonderlager Hintzert;420
12;Anhang;423
12.1;Letter of Transmission;425
12.2;Anmerkungen;427
12.3;Auswahlbibliographie;442
12.4;Personenregister;447


Einführung
Buchenwald ist das erste größere nationalsozialistische Konzentrationslager gewesen, das den Westalliierten in die Hände gefallen ist, solange es noch voll mit Gefangenen besetzt war. Gegen Ende des Jahres 1944 entdeckte die amerikanische Armee ein verlassenes nationalsozialistisches Konzentrationslager im französischen Natzweiler. Die Sowjets stießen im Juli 1944 auf das verlassene und zum Teil zerstörte Lager von Maidanek und im Januar 1945 auf das Lager Auschwitz in Polen. Am 5. April fand die amerikanische Armee neue Hinweise auf Greueltaten großen Ausmaßes, als sie die kürzlich verlassenen Konzentrationslager bei Ohrdruf und Nordhausen-Dora einnahm. Doch nach allem, was sie bisher gesehen hatten, konnten sich die alliierten Soldaten und ihre Offiziere nicht vorstellen, was in dem großen Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar in Mitteldeutschland, das sie am 11. April 1945 erreichten, auf sie wartete.[1] Hier trafen sie auf einundzwanzigtausend verhungerte und zerlumpte Gefangene in einem mit Krematorien, Hinrichtungsstätten und einem für medizinische Experimente eingerichteten Lazarett ausgestatteten Lager. Vier Tage später, am 15. April, kam die Britische Armee nach Bergen-Belsen bei Hannover. Hier lebten noch mehr Gefangene, die meisten standen kurz vor dem Hungertod und waren an Typhus und Paratyphus erkrankt. Amerikanische Truppen befreiten am 29. April die Insassen des Lagers Dachau bei München und am 6. Mai die Gefangenen im Lager Mauthausen bei Linz in Österreich. Die Sowjetarmee befreite am 22. April das Konzentrationslager Sachsenhausen, am 30. April Ravensbrück nördlich von Berlin und am 8. Mai Theresienstadt nördlich von Prag. Allmählich zeigte es sich, daß es sich bei den Greueltaten, von denen zu Beginn des Krieges berichtet worden war, nicht um vereinzelte Übergriffe oder um Übertreibungen zu Propagandazwecken handelte, wie dies im Ersten Weltkrieg geschehen war, sondern um unwiderrufliche Beweise für die Brutalität und Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Systems. Der umfassende Bericht und die Sammlung der Aussagen von Gefangenen in Buchenwald wurden von einem Team der Abteilung für psychologische Kriegsführung der Amerikanischen Armee unmittelbar nach der Befreiung des Lagers zusammengetragen. Der Buchenwaldbericht ist ein einzigartiges Dokument, weil in keinem anderen Fall die Insassen eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers unmittelbar nach ihrer Befreiung und noch im Lager systematisch befragt worden sind. Der Bericht war der Versuch, die Geschichte, die Organisation und das Leben im Lager in ihrer Gesamtheit zu dokumentieren. Er wurde in Zusammenarbeit mit einhundertvier Gefangenen zusammengestellt, die einhundertachtundsechzig Berichte dazu beigetragen haben, und ist daher als eine kollektive Leistung anzusehen. In diesem Bericht kommen die Auffassungen von Menschen der verschiedensten Nationalitäten zum Ausdruck, und er ist nicht die Aussage eines einzelnen, wie die meisten später erschienenen Memoiren oder mündlichen Überlieferungen. Leider ist dieser einzigartige Bericht bisher nicht in seiner ursprünglichen Form veröffentlicht worden, und man hat noch kürzlich an der Existenz des Originalmanuskripts gezweifelt. Doch Gelehrte und Forscher, die den klassischen Bericht von Eugen Kogon über die nationalsozialistischen Konzentrationslager, Der SS-Staat, gelesen haben, wissen schon lange, daß ein solches Dokument existiert. In der Einführung zu der deutschen Ausgabe heißt es: Am 16. April 1945, fünf Tage nach der Ankunft der ersten amerikanischen Panzertruppen, traf im Konzentrationslager Buchenwald ein Intelligence Team der Psychological Warfare Division ein, um die Verhältnisse zu studieren und in einem umfassenden Bericht an das Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte (SHAEF) zu zeigen, wie ein deutsches Konzentrationslager eingerichtet war, welche Rolle es im nationalsozialistischen Staat zu spielen hatte, und welches Schicksal über jene verhängt wurde, die von der Gestapo in die Lager eingewiesen und von der SS dort festgehalten wurden. Kogon sagt über den Inhalt dieses Berichts das Folgende aus: [Der Bericht] umfaßte etwa 400 Schreibmaschinenseiten engzeilig: einen Hauptbericht von 125 Seiten, den ich selbst diktiert hatte, und annährend 150 Erlebnisberichte einzelner Kameraden, die gebeten worden waren, auf Grund ihrer Erfahrungen zu bestimmten Tatbeständen, Ereignissen, Personen oder Zusammenhängen Stellung zu nehmen.[2] Das Originaldokument, auf das sich Kogon in seinem Buch stützt, galt lange Zeit als verschollen. Doch dann stellte sich heraus, daß mindestens eine Durchschrift des von Kogon verwendeten Originalberichts noch existierte.[3] Sie fand sich unter einer ganzen Reihe von Durchschriften, die der amerikanische Offizier, der die Untersuchung geleitet hatte, Second Lieutenant (später Captain) Albert G. Rosenberg, zu seinen Akten genommen hatte. Er hat mir dieses Exemplar zur Verfügung gestellt. Es wird zum ersten Mal vollständig in dieser Ausgabe veröffentlicht. Ursprünglich sollte der Bericht schon 1945 erscheinen, damit sich die Weltöffentlichkeit ein Bild davon machen konnte, was in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern geschehen war. Man hat jedoch die Absicht, den Bericht ins Englische zu übersetzen, zunächst aufgegeben, da es gegen Ende des Krieges sehr viel wichtigere Aufgaben zu erledigen gab. Statt dessen erschien das Dokument in einer ganz neuen Form, und zwar in einer deutschen Fassung, für die einer der Hauptverfasser des Berichts, Eugen Kogon, verantwortlich zeichnete. Sein Buch wurde Anfang 1946 in München als schmaler Band für eine deutsche Leserschaft veröffentlicht.[4] Auf den folgenden Seiten berichten die in Buchenwald festgehaltenen Personen aus ihrer persönlichen Sicht über das Leiden der Menschen in diesem Konzentrationslager. Sie erzählen von Ereignissen, die nur kurze Zeit zurückliegen, so schmerzlich und so unvergeßlich sind, daß sie nur mit tiefer innerer Anteilnahme darüber sprechen können. Teile des Manuskripts behandeln Ereignisse in dem gemäßigten Ton des Gelehrten und Bürokraten, aber die Aussagen einzelner Gefangener im zweiten Teil des Berichts sind sehr viel stärker gefühlsbetont. Die ehemaligen Lagerinsassen sprechen anschaulich über die Leiden von Juden, politischen Gefangenen, Homosexuellen, Jehovas Zeugen, Geistlichen, Polen, russischen Kriegsgefangenen, Sklavenarbeitern, die außerhalb der Lager eingesetzt wurden, sowie Frauen und Kindern. Sie berichten nicht nur über Buchenwald selbst, sondern auch über das ganze Netz nationalsozialistischer Konzentrationslager, innerhalb dessen die Gefangenen immer wieder verlegt wurden. Die Aussagen enthalten gelegentliche innere Widersprüche, kleine Irrtümer, Vorurteile und eine ideologisch geprägte Ausdrucksweise, aber das Gesamtbild des Systems der nationalsozialistischen Konzentrationslager ist deutlich zu erkennen. Die umfangreiche spätere Geschichtsschreibung hat die in diesem Bericht vom Mai 1945 zum ersten Mal aufgezeichneten erregenden Aussagen von Zeitzeugen bestätigt. Wenn der Buchenwaldbericht, wie zunächst beabsichtigt, schon 1945 veröffentlicht worden wäre, dann hätte man ihn vielleicht, wie Deborah Lipstadt sagt, für «unglaublich» gehalten. Nun, zwei Generationen später, haben wir aus den Zeugnissen vieler tausend Überlebender erfahren, daß alles, was hier geschildert wird, nur allzu wahr ist. Die Befreiung und ihre Nachwirkungen Der Ostersonntag, der 1. April 1945, war ein besonderer Tag für die Gefangenen des Konzentrationslagers Buchenwald.[5] Die Nachricht, daß amerikanische Panzer durch das Fuldaer Becken vorgedrungen waren und sich Eisenach (etwa 65 Kilometer von Weimar) näherten, war, wie die Gefangenen sagten, ein «Ostergeschenk». Es bedeutete, daß sie schon nach wenigen Tagen mit ihrer Befreiung rechnen konnten. Die Gefangenen beschlossen, ihren Widerstand gegen die Lagerverwaltung der SS zu verstärken und sich auf eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der SS vorzubereiten, wenn sie versuchen sollte, das Lager vor ihrem Abzug zu zerstören (siehe Teil 1, XIII, und Teil 2, 10. Kapitel, Nr. 149).[*] Im Lager herrschte eine äußerst gespannte Stimmung, denn die Insassen wußten, daß die Nazis alle marschfähigen Gefangenen aus dem Lager Auschwitz evakuiert hatten, und sie glaubten, daß sie die kranken Gefangenen, die sie zurücklassen mußten, getötet und das Lager zerstört hätten. (In Wirklichkeit trafen die russischen Truppen früh genug ein, um die Kranken zu retten, und der größte Teil des Lagers Auschwitz wurde nicht zerstört.) Man fürchtete, daß sich in Buchenwald etwas Ähnliches ereignen könnte. Die Gefangenen hatten nach dem Fliegerangriff im August 1944 heimlich Waffen ins Lager geschmuggelt und militärische Verbände zusammengestellt. Sie wußten aber, daß diese leichtbewaffneten Verbände den sehr viel besser ausgerüsteten SS-Wachen unterlegen waren. Ein bewaffneter Widerstand der Gefangenen wäre also ein letzter Ausweg im äußersten Notfall gewesen. Die schlimmsten Befürchtungen der Gefangenen schienen...


David A. Hackett ist Professor für Geschichte an der Universität von Texas in El Paso.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.