E-Book, Deutsch, Band 513, 64 Seiten
Reihe: Maddrax
Guth Maddrax 513
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7325-8485-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Über den Tod hinaus
E-Book, Deutsch, Band 513, 64 Seiten
Reihe: Maddrax
ISBN: 978-3-7325-8485-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Über den Tod hinaus
Die Parallelwelt-Areale halten für Matthew Drax und seine Gefährten nicht nur Gefahren und Schrecken bereit, sondern auch weit angenehmere Überraschungen. Eine solche eröffnet sich ihnen, als Coellen am Rhein von dem Phänomen betroffen wird. Die Stadt stammt aus einer Welt, in der die Daa'muren die Oberhand errungen haben und zum letzten Schlag gegen die Menschen ausholen - und es befinden sich gleich zwei alte Bekannte in diesem Areal. Für sie sind die Jahrzehnte anders verlaufen, doch manches ändert sich nie - im Guten wie im Bösen. Für Matt und Aruula ist es das Wiedersehen mit zwei Toten ...
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Ihre Warnung kam zu spät! Maddrax, der am Ufer hockte, schnellte herum und griff gleichzeitig nach seiner Pistool. Zwischen ihm und dem Nosfera waren es vielleicht vier Schritte; so breit war der kaum knöcheltiefe Bachlauf.
Vielleicht wäre Maddrax sogar schnell genug gewesen. Aber durch die abrupte Bewegung rutschte sein Fuß im schlammigen Untergrund weg und er verriss den Schuss, der ins Leere ging. Der Nosfera hingegen traf: In Maddrax’ Brust erschien ein winziges qualmendes Loch. Er brach aufstöhnend zusammen.
„Nein!“, schrie Aruula. Sie stand auf der gleichen Uferseite wie der Nosfera, riss ihr Schwert aus der Rückenkralle und schleuderte es auf den Blutsauger. Der fuhr zu ihr herum. Die Kapuze rutschte nach hinten und entblößte einen kahlen Kopf und tiefschwarze, bösartige Augen. Doch die Bewegung besiegelte seinen Tod: Der Bihänder traf ihm nicht seitlich, sondern durchbohrte ihn von vorn.
Die Waffe entglitt seiner Hand. Der Nosfera taumelte und ging in die Knie. Seine Hände krampften sich um den Bihänder, während er nach hinten kippte. Aruula lief auf den noch zuckenden Körper zu. Sie wollte ihm mit dem Schwert den Kopf von den Schultern trennen.
Doch als sie die Waffe aus der Brust des Nosfera zog, blähte sich der schwarze Mantel plötzlich auf und ein lautes Zischen erklang. Schockiert verharrte Aruula.
Der Nosfera stieß ein Röcheln aus, während heißer Dampf aus der Stichwunde hervorschoss wie aus einem Kessel.
Sein Kopf – was ist mit seinem Kopf?, dachte Aruula. Der bleiche Schädel schwoll an wie ein Kadaver in der Sommerhitze und verformte sich. Die schmalen Hände wurden zu krallenbewehrten Klauen, die ebenso wie der Kopf von winzigen silbrigweißen Schuppen besetzt waren.
Der scheinbare Blutsauger richtete sich auf. Durch die aufgerissene Kutte war die klaffende Wunde gut zu sehen. Auch, dass der Dampfstrahl plötzlich verebbte und sich die schuppigen Wundränder wieder schlossen.
Aruula erstarrte. Das ist kein Nosfera! Das ist …
Mit einem Fauchen stürzte sich der Daa’mure auf Aruula. Instinktiv sprang sie zurück, schwang das Schwert und trennte ihm den deformierten Schädel vom Leib. Der Daa’mure stürzte vor Aruulas Füßen zu Boden, und dieses Mal rührte er sich nicht mehr.
Aruula beachtete ihn nicht weiter und rannte durch das Wasser auf die andere Seite des Baches, wo Maddrax zusammengekrümmt lag. Sie kniete sich nieder und drehte ihn auf den Rücken. Er hustete und stöhnte schmerzerfüllt.
„Wudan sei Dank, du lebst“, sagte Aruula erleichtert. Sie sah allerdings sofort, dass es nicht gut um ihn stand. Er brauchte schnellstens Hilfe.
Sie schob ihren Arm unter seinen Oberkörper, um ihm hoch zu helfen. Maddrax stöhnte vor Schmerz. Dann riss er erschreckt die Augen auf, starrte an ihr vorbei. „Aruu-“, begann er – und brach ab. Ein kleiner schwarzer, leicht rauchender Punkt erschien auf seiner Stirn. Maddrax’ Blick brach.
Einige Sekunden starrte Aruula ihn verständnislos an. Dann begriff sie und fuhr herum. Hinter ihr stand die schuppige Nosfera-Kreatur. Zwischen ihren Schultern ragte ein neuer, rudimentärer Kopf auf. Ich hätte die Waffe an mich nehmen müssen, dachte Aruula noch, während sie auf den Abstrahlpol des Strahlers starrte.
Dann wurde alles dunkel – für immer.
Coellen im Jahr 2520
Die untergehende Sonne färbte den Abendhimmel rötlich. Von der Wildblumenwiese vor dem Haus wehte ein süßer, angenehmer Duft herüber, der vom nahenden Sommer kündete. Sie hatten im Freien gegessen, um den schönen Abend zu genießen.
Rulfan lehnte sich entspannt zurück und nippte an seinem Biir. Er musste aufpassen, dass er es dabei nicht versehentlich mit einem Schluck austrank.
„Das ist einfach kein Gefäß für ein richtiges Biir“, sagte der Albino mit widerwilligem Spott und reichte das Glas, das gerade mal so breit wie zwei seiner Finger war, an seine Frau Maleen weiter, damit sie es wieder auffüllte. Sie lachte leise und stand auf, holte den Krug aus der Küche und erfüllte seinen Wunsch.
„Sei froh, dass es kein Coelsch ist. Im Übrigen verstehe ich in dem Punkt die Coelleni genauso wenig wie du“, sagte sie und warf ihre hüftlangen braunen Haare zurück. „Das Biir, das wir in Dysdoor1) brauen, ist um Längen besser und wird in richtigen Krügen ausgeschenkt. Aber hier bekomme ich ja nur dieses dünne wässrige Gebräu.“
Rulfan packte sie um die Hüften und zog sie auf seinen Schoß. „Ich werde trotzdem beides vermissen – das Biir und dich.“
„Ist das nun ein Kompliment oder nicht?“ Maleen gluckste belustigt.
„Dein Lachen ist mein Lieblingsgeräusch“, sagte Rulfan und küsste sie lange und ausgiebig. Sie strich mit den Fingern zärtlich durch seine langen weißen Haare.
„Ich werde dich auch vermissen“, sagte sie, als sie wieder zu Atem kam. „Ich hasse es, dass du schon wieder gehen musst.“
Rulfan seufzte. „Fang nicht wieder davon an. Du weißt, dass ich keine andere Wahl habe.“ Sie schwiegen einige Augenblicke vertraut und genossen die kostbaren Sekunden, die sie gemeinsam vor ihrem kleinen Haus verbringen konnten.
„Was denkst du – wann wird Honnes in Coellen eintreffen?“, fragte Maleen schließlich, während das letzte Licht des Tages schwand und die Stadt mit dem dunklen Tuch der Nacht einhüllte.
„Es wird nicht mehr lange dauern.“ Rulfan runzelte die Stirn. „Vielleicht ist es schon morgen so weit. Und dann ziehen wir weiter zum Kratersee.“
Der Druck von Maleens Armen wurde fester, so als wollte sie Rulfan in Coellen festhalten. „Ihr seid nicht genug, und das weißt du auch. Ihr habt gegen die Daa’muren keine Chance.“
Rulfan runzelte die Stirn. Maleen war eine starke Frau – nur einer der Gründe, aus denen er sich vor zwei Jahren in sie verliebt hatte. Es sah ihr weder ähnlich, zu klammern, noch übertrieben ängstlich zu sein. Doch dumm war sie auch nicht. „Auf dem Weg nach Zentral-Ruland werden noch weitere Heere zu uns stoßen“, sagte er und strich ihr über die Unterarme. „Du weißt, es ist unsere …“
„… unsere letzte Chance, ich habe es verstanden“, unterbrach ihn Maleen. Es klang nicht ungeduldig, nur resigniert.
Ein helles Quäken ertönte im Haus: das unzufriedene Schreien eines Säuglings, der nach seiner Mutter verlangte.
„Das ist auf jeden Fall nicht mein Lieblingsgeräusch.“ Rulfan seufzte. „Du weißt, ich vergöttere Leonard, aber ich liebe ihn am meisten, wenn er satt und zufrieden ist.“
Malens fröhliche Natur setzte sich durch; sie lächelte wieder und löste sich von Rulfan. „Warte ab – wenn er etwas älter als vier Monate ist, wird er häufiger zufrieden sein. Aber momentan bleibt mir nichts anderes übrig, als dem Rufen des jungen Herrn zu folgen.“
Auch Rulfan erhob sich. Er atmete tief ein und streckte sich. „Es ist spät, wir müssen ohnehin hineingehen.“
Das Haus war nicht sehr groß und bestand aus nur einem großzügigen Raum und einer Küche.
Maleen hatte Leonard bereits aus seinem Körbchen genommen und an die Brust gelegt. Das Schreien verklang abrupt, als der kleine Junge gierig zu saugen begann.
Rulfan trat zu seiner Frau, die sich mit dem Kind auf das Bett legte, und hockte sich vor sie hin. „Du hast es gut“, sagte er zu seinem Sohn und stupste ihn liebevoll mit dem Finger an, was das Kind mit einem unwirschen Grunzen quittierte. Ganz offensichtlich wünschte der junge Gebieter, bei seinem Mahl nicht gestört zu werden. Rulfan lachte. „Ich bin froh, dass ihr hier in Sicherheit seid, wenn ich unterwegs bin.“
Maleen streichelte das Köpfchen ihres Sohnes, das von feinem hellblondem Flaum bedeckt war. „Was heißt schon sicher? Die Daa’muren können auch Coellen jederzeit überrennen.“
„Bisher konnten wir die Stadt erfolgreich gegen die Schuppenköpfe verteidigen, und dabei wird es bleiben.“
„Warum bist du dir da so sicher? Wenn du und die besten Kämpfer fort seid …“
„Dann sind immer noch genug gute Kämpfer hier, um Coellen weiterhin zu halten – und vergiss Kanzler Jannes Attenau nicht.“ Rulfan grinste breit. „Ich traue dem alten Haudegen zu, dass er zur Not mit der Mistgabel in der Hand selbst auf die Stadtmauer steigt, um sich den Daa’muren entgegen zu stellen.“
Das brachte Maleen zum Kichern. „O ja, das wäre ein schönes Bild.“ Sie wurde wieder ernst. „Aber was ist, wenn ihr keinen Erfolg habt?“
Rulfans Lächeln verblasste bei ihren Worten ebenfalls. „Dann sind wir alle verloren.“ Maleen wusste das genauso gut wie er; er brauchte ihr nichts vorzumachen. Die Daa’muren hatten in den vergangenen Jahren ihre Herrschaft auf der Erde gefestigt. Sie hatten Bomben aus der Zeit vor Kristofluu eingesammelt, wie Rulfans Verbündete herausgefunden hatten. Atombomben, um genau zu sein. Er hatte sich am Kratersee selbst davon überzeugt. Die Daa’muren hatten die Bomben strategisch platziert, angeblich, um durch gezielte Explosionen die Erde näher an die Sonne heranzuschieben – ohne Rücksicht auf die Zerstörung, die sie damit anrichten würden.
Welchen Grund sie dafür hatten, das war Rulfan und seinen Verbündeten nach wie vor ein Rätsel. Aber was es auch war: Sie mussten dieses Vorhaben verhindern, wenn die Erde nicht zu einem lebensfeindlichen, verstrahlten Gesteinsklumpen werden sollte.
Vielleicht hätte alles anders kommen können, wenn damals nicht … aber daran wollte er nicht...




