Groh-Samberg | Armut, soziale Ausgrenzung und Klassenstruktur | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 295 Seiten, eBook

Groh-Samberg Armut, soziale Ausgrenzung und Klassenstruktur

Zur Integration multidimensionaler und längsschnittlicher Perspektiven
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-531-91400-8
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Zur Integration multidimensionaler und längsschnittlicher Perspektiven

E-Book, Deutsch, 295 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-531-91400-8
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



In der Arbeit wird ein innovatives Konzept zur empirischen Messung von Armut entwickelt, das sowohl zeitliche Aspekte wie den Zusammenhang von Einkommen und anderen materiellen Lebenslagen berücksichtigt. Umfangreiche Analysen zur Trendentwicklung von Armut und von Prekarität sowie zum Zusammenhang von Armut mit weitergehenden Aspekten der sozialen Ungleichheit zeigen das hohe Ausmaß der 'strukturellen Verfestigung' der Armut in Deutschland.

Olaf Groh-Samberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.

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1;Vorwort;6
2;Inhalt;8
3;Verzeichnis der Abbildungen;11
4;Verzeichnis der Tabellen;12
5;Einleitung;14
6;Teil I: Armut und soziale Ungleichheit. Grundlagen und Konzepte der Armutsberichterstattung;21
6.1;1 Armutsberichterstattung zwischen Sozialpolitikberatung und Ungleichheitsforschung;25
6.2;2 Multidimensionale Armutskonzepte: Ressourcen und Deprivationen;52
6.3;3 Zeitlichkeit und Prekarität: Zur Kritik der dynamischen Armutsforschung;85
6.3.1;3.1 Die Bremer Sozialhilfestudie;87
6.3.2;3.2 Probleme der Längsschnittanalyse von Armut – aus multidimensionaler Perspektive;98
6.3.3;3.3 Armut und Prekarität: Ungleichheitssoziologische Differenzierungen;102
6.4;4 Armut und soziale Ungleichheit;107
6.4.1;4.1 Zur Integration multidimensionaler und längsschnittlicher Perspektiven;107
6.4.2;4.2 Wechselwirkung statt Kausalnexus: Zur Integration von Deprivations- und Lebenslagenansatz;109
6.4.3;4.3 Zur Abgrenzung von Armut: Armut und soziale Ungleichheit;111
7;Teil II: Zonen der Armut und der Prekarität;117
7.1;5 Datenbasis und Analysesetting;119
7.1.1;5.1 Datenbasis: Das Sozio-ökonomische Panel;119
7.1.2;5.2 Auswahl und Operationalisierung der Indikatoren;122
7.1.3;5.3 Entwicklung von Einkommensarmut und Lebenslagen-Deprivationen;126
7.1.4;5.4 Kumulative Deprivation: Zur Konstruktion des Lebenslagenindikators;129
7.2;6 Die Struktur der Armut – Zur Interaktion von Multidimensionalität und Zeitlichkeit;141
7.2.1;6.1 Zum mismatch zwischen Einkommens- und Lebenslagenarmut;144
7.2.2;6.2 Zeitlichkeit – Zur Dynamik von Einkommens- und Lebenslagenarmut;146
7.2.3;6.3 Resümee: Zur Integration von Multidimensionalität und Zeitlichkeit;156
7.3;7 Zonen der Armut und der Prekarität – Ein kombinierter Armutsindikator;158
7.3.1;7.1 Klassifikationsverfahren;159
7.3.2;7.2 Ein kombinierter Armutsindikator;162
7.3.3;7.3 Typen und Zonen der Armut und der Prekarität;165
7.4;8 Entstrukturierung oder Verfestigung? – Trendanalysen multipler Armut 1984-2006;167
7.4.1;8.1 Armutsdiskurse zwischen Spaltung und Entgrenzung;167
7.4.2;8.2 Datenaufbereitung und Operationalisierung;169
7.4.3;8.3 Trendanalysen multipler Armut;174
7.4.4;8.5 Zusammenfassung;183
7.5;9 Europäischer Vergleich;185
7.5.1;9.1 Datenbasis und Indikatoren;185
7.5.2;9.2 Multiple Armut im europäischen Vergleich;188
7.6;10 Zusammenfassung;190
8;Teil III: Armut, soziale Exklusion und Klassenstruktur;192
8.1;11 Klassentheorie und Klassenanalyse;195
8.1.1;11.1 Klassenschemata;196
8.1.2;11.2 Klassenanalyse als Kritik der meritokratischen Ideologie;197
8.1.3;11.3 Klassentheorie;201
8.1.4;11.4 Zusammenfassung und Ausblick: Soziale Klassen und Armut;204
8.2;12 Risikogruppen und Typen der Armut;207
8.2.1;12.1 Operationalisierungen der erklärenden Variablen;207
8.2.2;12.2 Kerngruppen der Armut;210
8.2.3;12.3 Trendanalysen 1984-2006;222
8.2.4;12.4 Zusammenfassung;228
8.3;13 Armut, soziale Exklusion und Klassenstrukturen;231
8.3.1;13.1 Indikatoren sozialer Exklusion;232
8.3.2;13.2 Armut und soziale Exklusion in vier Teilbereichen;241
8.3.3;13.3 Armut, soziale Exklusion und Klassenlage;248
8.4;14 Armut und Bildungschancen;254
8.4.1;14.1 Armutsbetroffenheit von Kindern und Jugendlichen;254
8.4.2;14.2 Auswirkungen und Bewältigungsstrategien von Kinderarmut;257
8.4.3;14.3 Armut und Bildungschancen;258
8.5;15 Schluss;261
9;Anhang;271
9.1;Anhang 1: Indikatoren des kombinierten Armutsindikators;272
9.2;Anhang 2: Indikatoren der Trendanalysen (1984-2006);278
9.3;Anhang 3: Ergänzende Tabellen;283
10;Literatur;284

Armut und soziale Ungleichheit. Grundlagen und Konzepte der Armutsberichterstattung.- Armutsberichterstattung zwischen Sozialpolitikberatung und Ungleichheitsforschung.- Multidimensionale Armutskonzepte: Ressourcen und Deprivationen.- Zeitlichkeit und Prekarität: Zur Kritik der dynamischen Armutsforschung.- Armut und soziale Ungleichheit.- Zonen der Armut und der Prekarität.- Datenbasis und Analysesetting.- Die Struktur der Armut — Zur Interaktion von Multidimensionalität und Zeitlichkeit.- Zonen der Armut und der Prekarität — Ein kombinierter Armutsindikator.- Entstrukturierung oder Verfestigung? — Trendanalysen multipler Armut 1984–2006.- Europäischer Vergleich.- Zusammenfassung.- Armut, soziale Exklusion und Klassenstruktur.- Klassentheorie und Klassenanalyse.- Risikogruppen und Typen der Armut.- Armut, soziale Exklusion und Klassenstrukturen.- Armut und Bildungschancen.- Schluss.


6 Die Struktur der Armut – Zur Interaktion von Multidimensionalität und Zeitlichkeit (S. 145-146)

Im Folgenden wird es darum gehen, die Interaktionen von Einkommens- und Lebenslagenarmut in der Zeit zu analysieren. Erst eine solche kombinierte Betrachtung der Multidimensionalität und Dynamik von Armut erlaubt Aussagen über den Grad der Strukturierung oder Entstrukturierung der Armut. Ein hoher Grad der Strukturierung von Armut wäre gegeben, wenn Einkommens- und Lebenslagenarmut sich bei einer kleinen Bevölkerungsgruppe konzentrieren, also eine Minorität von dauerhaft multiplen armen Personen einer Majorität von dauerhaft und konsistent nichtarmen Personen gegenübersteht.

Ein hoher Grad der Entstrukturierung wäre umgekehrt dann gegeben, wenn Einkommens- und Lebenslagenarmut sich über einen großen Anteil der Bevölkerung in eher zufälliger Weise verteilen, das heißt, wenn ein hoher Anteil von Personen nur kurzfristig und/oder nur in inkonsistenter Weise von Einkommens- oder Lebenslagenarmut betroffen ist. Bildlich gesprochen, geht es also um die Frage, wie sich das „Gesamtvolumen" an Einkommens- und Lebenslagenarmutsepisoden auf die betrachtete Längsschnittpopulation verteilt: trifft (resp. verschont) es immer wieder dieselben Personen, oder streut es relativ gleichförmig über die gesamte Bevölkerung.

Diese bildliche Redeweise hinkt freilich insofern, als dass Armut sich gerade nicht, wie der Wohlstand, als ein Kuchen vorstellen lässt, der mehr oder minder ungleich verteilt werden kann. Mit den beiden verschiedenen Szenarien verändert sich vielmehr der soziologische Gehalt des Armutsbegriffs. Das „klassische" Armutsverständnis setzt die innere Strukturiertheit von Armut voraus. Nur als dauerhafte und multiple Benachteiligung und Deprivation entfaltet Armut ihre ausgrenzenden und die Gesellschaft spaltenden Effekte, die traditionell mit dem Armutsbegriff assoziiert werden. Kurzzeitige und inkonsistente Armut entfaltet dagegen eher Effekte der allgemeinen Verunsicherung und der Prekarisierung.

Das Szenario der Entstrukturierung zielt damit, wie die Bremer Armutsforschung herausarbeitet, auf eine individualisierte Risikogesellschaft, in der die sozialen Ungleichheiten immer weniger entlang von Gruppenzugehörigkeiten strukturiert werden. Neue „Risse" entstehen dafür entlang von Lebenslaufrisiken und entlang der sich immer stärker entkoppelnden und funktional differenzierenden Lebensbereiche. Verzeitlichung und Status- Inkonsistenzen sozialer Ungleichheit sind die Folge. Die beiden stilisierten Szenarien der Strukturierung und der Entstrukturierung arbeiten jedoch gleichermaßen mit einer dichotomen Unterscheidung von Armut und Nichtarmut, die im einen Fall das eindeutige Bild sozialer Spaltung, im anderen das „postmoderne" Bild eines Neuarrangements von Gegensätzen im individualisierten Lebenslauf erzeugt.

Demgegenüber ist gerade in einer kombinierten Betrachtung systematisch mit den Erscheinungsformen der Prekarität zu rechnen. In der Literatur zu Armut und Exklusion ist das Thema der Prekarität zunächst nur zögerlich aufgenommen worden. Bei Werner Hübinger (1996) wie auch bei Robert Castel (2000) meint die Zone des „prekären Wohlstands" oder der „Vulnerabilität" die Grauzone zwischen Armut und Wohlstand, also das prekäre Leben an der Grenze zur Armut. In den zeitdiagnostischen Beobachtungen vieler Feuilletons, und etwas überraschend auch bei Pierre Bourdieu (1998), steht die ubiquitäre „Prekarisierung" und das neue „Prekariat" dagegen eher für die soziale Entgrenzung neuer sozialer Risiken, die sich einem diffusen Prozess von Individualisierung und Globalisierung verdankt.

Das noch unklare und umstrittene Bild der Prekarität enthält also von beiden Szenarien etwas. Es steht einerseits für ein ungleichheitssoziologisch differenzierteres Bild der Armut, andererseits für ein sozialkritisch radikalisiertes Bild der individualisierten und entsicherten Risikogesellschaft. Die Strukturanalyse von Armut liefert damit einerseits Antworten zu den Fragen der zeitdiagnostischen und gesellschaftstheoretischen Interpretation der Armut, und trägt zu einer Klärung und Konkretisierung des Verhältnisses von Armut und sozialer Ungleichheit bei. Aus der Strukturanalyse von Armut heraus lässt sich zugleich ein Messkonzept bzw. ein Indikator entwickeln, der zwischen unterschiedlichen Erscheinungsformen und Abstufungen von Armut zu differenzieren erlaubt.


Olaf Groh-Samberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.



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