Grisham | Der Gefangene | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Grisham Der Gefangene


1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-641-11029-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 464 Seiten

ISBN: 978-3-641-11029-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Hölle auf Erden - Die Geschichte eines Justizskandals
Debbie Carter arbeitet als Bardame im 'Coachlight Club' in Ada, Oklahoma. Sie ist beliebt bei den Gästen. Auch der ehemalige Baseballprofi Ron Williamson sitzt oft bei ihr an der Bar. Eines Morgens wird die junge Frau erwürgt in ihrer Wohnung aufgefunden. Ron Williamson wird der Tat bezichtigt und zum Tode verurteilt. Er verbringt elf Jahre in der Todeszelle. Kurz vor der Hinrichtung zeigt eine DNA-Analyse, dass Williamson die Tat nicht begangen hat. Er wird freigesprochen. Der wahre Täter, damaliger Hauptbelastungszeuge der Anklage, wird kurz darauf verhaftet. Fünf Jahre später stirbt Ron Williamson an den Folgen der Haft.

In der Tradition von Truman Capotes 'Kaltblütig' widmet sich John Grisham einem Kriminalfall, der Zeugnis ablegt über die Ungerechtigkeit eines modernen Rechtssystems. Ein erschütternder Bericht, der wie ein packender Thriller nicht mehr aus der Hand zu legen ist.

John Grisham ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Seine Romane sind ausnahmslos Bestseller. Zudem hat er ein Sachbuch, einen Erzählband und Jugendbücher veröffentlicht. Seine Werke werden in fünfundvierzig Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.

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1

In sanften Wellen erstrecken sich die Hügel des südöstlichen Oklahoma von Norman bis nach Arkansas. Wenig erinnert hier an die Ausbeutung der riesigen Ölvorkommen, die einst unter der Erde lagen. Da und dort sind noch einige träge, alte Ölförderpumpen in Betrieb, doch der Vorbeikommende fragt sich, ob sich der Aufwand lohnt. Viele andere wurden irgendwann stillgelegt, und ihre reglosen, rostigen Skelette erinnern an die glorreichen Tage, als man hier bei Erstbohrungen Springquellen entdecken und im Handumdrehen ein Vermögen machen konnte.

Solche Ölförderpumpen finden sich auch gelegentlich noch in der Umgebung von Ada, einer Stadt mit sechzehntausend Einwohnern, einem College und dem Gericht der County. Aber diese Pumpen sind nicht mehr in Betrieb, die Ölvorkommen ausgebeutet. Heute werden die Einwohner nach Stunden bezahlt und sind in Fabriken, der Tierfutter- oder Holzverarbeitung beschäftigt.

Ada ist eine geschäftige Stadt. An der Main Street finden sich keine unbewohnten Häuser mit zugenagelten Fenstern. Der Einzelhandel hat überlebt, obwohl viele Geschäfte an den Stadtrand umgezogen sind. Die Lokale im Zentrum sind um die Mittagszeit sehr gut besucht.

Das Gerichtsgebäude von Pontotoc County ist ein altes, schmales Haus, in dem sich die Anwälte und ihre Mandanten drängen. In der Nachbarschaft findet man die übliche Ansammlung von Kanzleien und kommunalen Einrichtungen. Das Gefängnis, ein flacher, fensterloser, an einen Bunker erinnernder Bau, wurde aus irgendeinem vergessenen Grund auf dem Rasen vor dem Gericht errichtet. Die Schwemme synthetischer Drogen sorgt dafür, dass es immer gut belegt ist.

Die Main Street endet am Campus der East Central University, an der viertausend Studierende eingeschrieben sind, von denen viele zwischen Ada und ihrem Wohnort pendeln. Die jungen Menschen tragen zur Vitalität und Vielfalt des Lebens in Ada und im südöstlichen Oklahoma bei.

Den aufgeweckten Journalisten der Ada Evening News entgeht nur wenig – die Tageszeitung der Region gibt sich viel Mühe, im Konkurrenzkampf mit dem Oklahoman zu bestehen, der größten Zeitung des Bundesstaates. Auf der Titelseite finden sich internationale und nationale Nachrichten, gefolgt von Neuigkeiten aus dem Staat, der Region und wichtigen örtlichen Themen – Highschool-Sport, Lokalpolitik, Veranstaltungen, Nachrufe.

In der Bevölkerungsstruktur Adas und der Pontotoc County mischen sich auf sympathische Weise Einflüsse des kleinstädtischen Südens und des freiheitsliebenden Westens. Der Akzent mit den lang gezogenen Vokalen erinnert an den von Osttexas oder von Arkansas. Es ist das Land der Chikasaw. In Oklahoma gibt es mehr Nachfahren amerikanischer Ureinwohner als in jedem anderen Bundesstaat, und nach einhundert Jahren der Vermischung fließt auch in den Adern vieler Weißer indianisches Blut. Heutzutage ist das längst kein Makel mehr; tatsächlich ist man zunehmend stolz auf dieses Erbe.

Ada liegt mitten im »Bible Belt«. In der Stadt gibt es fünfzig Kirchen und ein Dutzend verschiedene christliche Glaubensgemeinschaften. Die Gotteshäuser sind gut besucht, nicht nur an Sonntagen. Es finden sich eine katholische Kirche und eine für die Episkopalen, aber weder ein Tempel noch eine Synagoge. Viele Einwohner sind Christen oder geben vor, es zu sein. Dass man zu einer Glaubensgemeinschaft gehört, wird mehr oder weniger erwartet. Oft ist die gesellschaftliche Stellung von der religiösen Zugehörigkeit abhängig.

Mit seinen sechzehntausend Einwohnern gilt Ada im ländlichen Oklahoma fast schon als Großstadt, und die Beschäftigten und Kunden vieler Fabriken und Discounter kommen aus mehreren Countys hierher. Ada liegt hundertzwanzig Kilometer südöstlich von Oklahoma City und drei Autostunden nördlich von Dallas. Alle kennen jemanden, der in Texas lebt oder arbeitet.

Der größte Stolz der Einwohner ist das Quarter-Horse-Business. Viele der besten Pferde stammen von Züchtern aus Ada. Und wenn die Ada High Cougars wieder einmal die Footballmeisterschaft des Bundesstaates gewinnen, ist das noch lange ein Grund zum Prahlen.

Es ist ein angenehmer Ort, in dem die Menschen miteinander reden, Fremden gegenüber aufgeschlossen und stets hilfsbereit sind. In den schattigen Vorgärten spielen Kinder. Tagsüber stehen die Haustüren offen. Die Teenager machen nachts kaum einmal Ärger.

Wären nicht die beiden berüchtigten Morde zu Beginn der Achtzigerjahre gewesen, hätte die Welt nie von Ada Notiz genommen. Was den Einwohnern der Pontotoc County ganz recht gewesen wäre.

Als hätte ein ungeschriebenes Gesetz der Stadtverwaltung existiert, befanden sich in Ada die meisten Kneipen und Bars am Stadtrand, damit ihre zweifelhafte Klientel, die nur Unglück bringen konnte, die rechtschaffenen Bürger nicht behelligte. Einer dieser Läden war das Coachlight. In dem schummrig beleuchteten, höhlenartigen Metallschuppen gab es billiges Bier, Jukeboxes, eine Tanzfläche und Liveacts am Wochenende. Auf dem großen, mit Kies bestreuten Parkplatz vor dem Eingang standen deutlich mehr staubige Pick-ups als gepflegte Pkw. Die Stammkundschaft entsprach den Erwartungen – Fabrikarbeiter, die nach Feierabend einen Drink kippten, Landjugendliche auf der Suche nach Spaß, Endzwanziger, die spätnachts kamen, Musikliebhaber und Tanzwütige, die sich von den Liveacts angezogen fühlten. Im Frühstadium ihrer Karriere hatten auch die Countrysänger Vince Gill und Randy Travis hier gespielt.

Das Coachlight war beliebt und gut besucht, und die Inhaber beschäftigten etliche Teilzeitkräfte – Barkeeper, Rausschmeißer und Kellnerinnen. Eine von ihnen war Debbie Carter, eine einundzwanzigjährige Frau aus der Stadt, die vor ein paar Jahren in Ada die Highschool abgeschlossen hatte und das Leben als Single genoss. Sie hatte zwei weitere Teilzeitjobs und arbeitete gelegentlich auch als Babysitterin. Debbie besaß ein Auto und lebte allein in einer Drei-Zimmer-Wohnung über einer Werkstatt in der Eighth Street nahe der East Central University. Sie war ein gut aussehendes, dunkelhaariges Mädchen, schlank und athletisch, bei den Jungs beliebt und sehr auf ihre Unabhängigkeit bedacht.

Ihre Mutter, Peggy Stillwell, war der Ansicht, Debbie verbringe zu viel Zeit im Coachlight und anderen Bars. Sie hatte ihre Tochter nicht nach den Vorschriften des Glaubens großgezogen, damit sie so ein Leben führte. Doch nach der Highschool war sie abends immer häufiger ausgegangen und spät nach Hause gekommen. Gelegentlich führte ihr neuer Lebensstil zu Streit. Debbie beschloss, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu führen, suchte eine Wohnung und zog aus, ohne jedoch das sehr enge Verhältnis zu ihrer Mutter aufzugeben.

Am Abend des 7. Dezember 1982 arbeitete Debbie im Coachlight. Während sie Drinks servierte, schaute sie immer wieder auf die Uhr. Es war nicht viel los, und sie fragte ihren Chef, ob sie ihre Schicht beenden und sich zu ein paar Freunden setzen könne. Er hatte nichts dagegen, und bald saß sie mit einem Drink bei einigen Bekannten am Tisch, unter ihnen Gina Vietta, eine Freundin von der Highschool. Ein Freund aus dieser Zeit war auch Glen Gore, der kurz darauf hereinschneite und Debbie zum Tanzen aufforderte. Sie willigte ein, hatte aber nach der Hälfte des Songs die Nase voll und ließ Gore wütend stehen. Später sagte sie auf der Damentoilette, sie würde sich sicherer fühlen, wenn eine ihrer Freundinnen bei ihr übernachte, aber über den Grund ihrer Besorgnis äußerte sie sich nicht.

Das Coachlight machte zeitig dicht, etwa um halb eins, und Gina Vietta lud einige aus der Gruppe auf einen Drink in ihre Wohnung ein. Die meisten stimmten zu, aber Debbie sagte, sie sei müde und hungrig und wolle nach Hause. Sie verließen das Lokal ohne besondere Eile.

Als das Coachlight schloss, sahen mehrere Leute, wie sich Debbie auf dem Parkplatz mit Glen Gore unterhielt. Tommy Glover kannte Debbie gut, weil beide bei einer örtlichen Glasfirma arbeiteten. Auch Gore kannte er. Als er in seinen Pick-up stieg, sah er, wie Debbie auf der Fahrerseite die Tür ihres Autos öffnete. Wie aus dem Nichts tauchte Gore auf. Sie redeten ein paar Sekunden miteinander, dann stieß Debbie ihn weg.

Mike und Terri Carpenter arbeiteten im Coachlight, er als Rausschmeißer, sie als Kellnerin. Auf dem Weg zu ihrem Wagen kamen sie an Debbies Auto vorbei. Sie saß hinter dem Steuer und sprach mit Glen Gore, der neben der Tür stand. Einen Monat zuvor hatte Debbie Mike erzählt, Gore mache ihr wegen seines Charakters Angst.

Toni Ramsey arbeitete als Schuhputzerin im Coachlight. Im Jahr 1982 boomte das Ölgeschäft in Oklahoma noch, und in Ada wurde jede Menge hübsches Schuhwerk spazieren geführt. Irgendjemand musste es auf Hochglanz polieren, und Toni verdiente auf diese Weise dringend benötigtes Geld. Sie kannte Gore gut. Als sie in dieser Nacht Feierabend machte, sah sie Debbie hinter dem Lenkrad ihres Autos sitzen. Gore kauerte vor der offenen Tür auf der Beifahrerseite. Sie unterhielten sich auf eine offenbar zivilisierte Weise. Alles schien in Ordnung zu sein.

Gore, der kein eigenes Auto besaß, hatte sich von einem Bekannten namens Ron West zum Coachlight mitnehmen lassen. Als sie gegen halb zwölf eingetroffen waren, hatte West Bier bestellt und sich mit seinem Glas an einen Tisch gesetzt, während Gore eine Runde durch den Laden machte. Er schien jeden zu kennen. Als die letzte Bestellung angekündigt wurde, zog West Gore am Ärmel und fragte ihn, ob er mit ihm mitfahren wolle. Gore bejahte, und West trat auf den Parkplatz hinaus, um auf ihn zu warten. Ein paar Minuten später kam Gore angestürmt und stieg...


Grisham, John
John Grisham ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Seine Romane sind ausnahmslos Bestseller. Zudem hat er ein Sachbuch, einen Erzählband und Jugendbücher veröffentlicht. Seine Werke werden in fünfundvierzig Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.



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