Grill | Schöne Künste | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Grill Schöne Künste

Kriminalroman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7099-3702-0
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-7099-3702-0
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Leiche im Museum - Spurensuche zwischen Monet und Picasso.

Nachts im Museum …
… wird der Museumsdirektor Carlo Morwitz tot aufgefunden: nackt liegt er am Boden, der Kopf in eines der Kunstwerke gekippt, neben ihm sein Äffchen, ebenfalls tot, erstochen. Eine grausam-groteske Szene, die dem Direktor auch im Tod noch Schlagzeilen verschafft. Nicht nur die Polizei ermittelt in diesem brutalen Mordfall, auch Viktor Escher, reicher Privatier und Schwager des Toten, begibt sich auf die Spur des Mörders.

Viele Verdächtige und dunkle Geheimnisse
Es bleibt nicht lange bei einer Leiche, und auch die ersten Verdächtigen sind schnell gefunden. Denn der exzentrische Museumsdirektor war offenbar ein äußerst unangenehmer Zeitgenosse: launisch und voller Verachtung für jeden, der seinen exquisiten Kunstgeschmack nicht teilte. Je tiefer Viktor Escher in das Privatleben des Mordopfers vordringt, desto mehr dunkle Geheimnisse treten ans Tageslicht - und desto größer wird der Kreis der möglichen Täter …

Bitterböse Unterhaltung in der Kunstszene
Evelyn Grills Roman ist spannender Kunst-Krimi und bitterböse Satire in einem. Mit ihrem unverkennbaren Charme, ihrem trockenen Humor und dem doppelbödigen Witz verpasst sie dem Kunst- und Kulturbetrieb einige spitze Seitenhiebe. Ein klug arrangierter Roman, der bis zur letzten Seite Spannung und Humor verspricht.

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1
„Da hat Morwitz offenbar wieder einen Coup gelandet“, dachte Kurt Kauz, als er sah, wie das Publikum in die ehemalige Skulpturenhalle strömte, die für diesen und ähnliche Anlässe bis auf den Fettstuhl von Beuys freigeräumt worden war. Er hatte dem Direktor des Neuen Kunstmuseums davon abgeraten, das umstrittene Südtiroler Gesamtkunstwerk Ganymed von Schmoizz für eine Performance zu verpflichten. Aber wie gewöhnlich hörte jener nicht auf die Ratschläge seines Assistenten. Carlo Morwitz wollte keine Figuren aus Gips, Terrakotta, Bronze oder Stein ausgestellt haben, die auch in anderen Museen zu betrachten waren. „Ich bevorzuge den Menschen aus Fleisch und Blut“, hatte er Kauz gegenüber seinen Entschluss begründet. Und der Kunsthistoriker musste zugeben, dass Morwitz mit seiner Programmatik, dem radikalen Bruch mit der abendländischen Repräsentationstradition, bisher Erfolg gehabt hatte. In der Tat lockten seine spektakulären Happenings eine ganz neue Besucherklientel an. „Mir ist es gelungen“, sagte er zu seinem Assistenten triumphierend, „mit meinen Events auch Menschen ohne kunsthistorische Vorkenntnisse an das Museum heranzuführen. Kunst soll doch Spaß machen.“ Und Kauz wusste nichts dagegen zu sagen. Gegen den Erfolg konnte er nicht argumentieren. Kauz selbst suchte mit Besuchern das Gespräch, die zum ersten Mal, geködert von Carlos geschickter Werbestrategie, in das Museum kamen, sie äußerten sich positiv überrascht vom Gebotenen und wollten wiederkommen. Aber heute, das wusste Kauz, sollte ein erster, allerdings riskanter Höhepunkt an künstlerischer Unterhaltung erreicht werden. Im hohen klassizistischen Foyer drängten sich bereits die Interessierten, darunter befanden sich auffallend viele junge Männer und Frauen in Jeans und Sweatshirts, wie Kauz feststellte, ein Publikum, das man sonst eher auf Popkonzerten oder Fußballplätzen anzutreffen gewohnt war, zwischen arrivierten älteren Herrschaften. Die Damen in teuren Designerkostümen, die Herren im dunklen Anzug, alle balancierten Sektgläser und Häppchen und warteten auf den Einlass in den Ausstellungsraum. Kauz drückte sich in eine Nische und beobachtete die Versammlung. Der Einladungsflyer hatte die Geladenen darüber informiert, dass die als „Verfügungspermanenz“ überschriebene Performance zu ihrem vollen Gelingen auf die handgreifliche Mitwirkung der Besucher angewiesen sein würde. Die Wartenden diskutierten dieses Ansinnen, was eine fiebrige Spannung erzeugte. Kauz verschwand rechtzeitig aus seiner Nische und begab sich durch eine geheime Tür in den Ausstellungsraum, in dem ihm eine bescheidene Tätigkeit zugedacht war. Als endlich die hohe zweiflügelige Tür geöffnet wurde, empfing der Museumsdirektor, auf den der Blick der Gäste zwangsläufig zuerst fallen musste, die Hereinströmenden mit der Geste eines Monarchen. Kauz konnte nicht umhin, das Inszenierungstalent seines Chefs zu bewundern. Morwitz, der wie gewöhnlich sein Totenkopfäffchen Tootoo auf der Schulter sitzen hatte, spielte mit seiner Linken mit der strassbesetzten Leine aus Känguruleder, die um den Hals des Tieres befestigt war. An seiner Rechten führte er seine schöne jüngere Halbschwester Margot. Neben ihr hielt sich Margots Gesellschafterin, eine Cousine unbestimmten Alters. Morwitz war eine glanzvolle Erscheinung, und sein bunter, schimmernder, bis zu den Füßen reichender ärmelloser Brokatmantel erinnerte an die prächtigen Pluviale der römisch-katholischen Geistlichen vor der Liturgiereform und vermittelte damit den Anschein, hier handle es sich nicht um eine Ausstellungseröffnung, sondern um einen sakralen Akt. Morwitz pflegte seine extravagante Kleidung selbst zu entwerfen und von einem Antwerpener Couturier anfertigen zu lassen. Aber auch Margot, Carlos Halbschwester, zog die Blicke der Hereinströmenden auf sich, denn sie trug ihre nilgrün schimmernde Delphos-Robe von Fortuny, die sie, wie Eingeweihte zu wissen vorgaben, seinerzeit von ihrem Bräutigam zur Verlobung erhalten hatte und deren seidiges Plissee ihre makellose Figur auf atemberaubende Weise umfloss. Ihre Frisur war derart kunstvoll gebaut, dass man nicht sofort unterscheiden konnte, ob es sich um ein Werk des Friseurs oder der Hutmacherin handelte. Das zierliche Stöckchen aus Ebenholz mit dem elfenbeinernen Knauf, auf das sie sich stützte, wirkte in ihrer Hand wie ein Schmuckstück, war ein Zierrat ihrer Erscheinung. Neben Margot ergänzte dieses Mal auch die Base im schwarzen Helmut-Lang-Smoking mit glatt zurückgestrichenem, glänzend gegeltem Haar und weiß gepudertem Gesicht die Inszenierung. Kauz gehörte zu den Bewunderern der schönen Margot; er konnte seinen Blick lange nicht von ihrer Gestalt abwenden. Sie war selten an der Seite ihres Bruders zu sehen, lebte mit ihrer Verwandten seit ihrem Unfall, bei dem ihr Verlobter auf nie ganz geklärte Weise ums Leben gekommen war, zurückgezogen im Haus ihres Halbbruders. Kauz empfand immer Mitleid mit der schönen Frau, auch wenn er nicht wusste, was es an ihr zu bemitleiden gab, da sie von ihrem Bruder verwöhnt wurde. Während Carlo mit seiner munter auf seiner Schulter zwitschernde Laute ausstoßenden Äffin den Gesichtsausdruck eines Siegers hatte, lag auf Margots Antlitz ein melancholischer Schatten, der auf romantisch gestimmte Männer, und zu denen konnte Kauz gezählt werden, immer eine besondere Anziehung auszuüben pflegte, und auch die Cousine starrte düster den Hereinströmenden entgegen. Das alles freilich entging dem heiteren Museumsdirektor, denn er hatte seine Augen auf die Geladenen gerichtet. Der Aufzug dieser drei verhinderte es, dass die Gäste mit ihren Blicken zunächst den Aktionskünstler suchten, der sich in der Tiefe des Raums hingestreckt hatte und durch einen Schleiervorhang nur in Umrissen sichtbar war. Carlo Morwitz ergriff das Mikrofon und begrüßte die Anwesenden, während Kauz seinen Platz einnahm, von dem aus er auf ein Stichwort agieren sollte. Morwitz verlieh seiner Freude Ausdruck, dass so viele seiner Einladung gefolgt waren. Sein Museum breche ganz bewusst die altbekannten Strukturen auf, um ein größeres Ganzes zu schaffen, das die Betrachtung der Kunst zu einem lustvollen Erlebnis werden lasse. Es sei weltweit eines der ersten ­Museen, das nicht mehr auf der Rekonstruktion von Geschichte aufbaue, sondern die Kunstwerke in einen neuen dialogischen Zusammenhang stelle. Das Wesen des Kunstwerkes und die ästhetische Wahrnehmung träten in den Vordergrund. Es solle im positiven Sinn aufregen und aufrütteln, stutzig und nachdenklich machen. Dann kam er auf den Aktionskünstler ­Ganymed von Schmoizz zu sprechen, der sich selbst als Gesamtkunstwerk bezeichne. Ganymed hatte bisher in einer Galerie in Bozen und in Basel unter beträchtlichem Aufsehen durch Publikum und Medien seinen Körper präsentiert. Wer die Ausnahmeerscheinung des Künstlers begreifen wolle, brauche mehr als nur Mut zum Voyeurismus, behauptete Morwitz. Schmoizz stelle sich nicht dar, er stelle sich zur Disposition und fordere somit eine Stellungnahme ein. Er spiele keine Rolle, habe keine Maske, die er zu Hause ablegen könne. In seiner Nichtinszenierung jedoch liege die Irritation des Publikums. Dann bat der Museumsdirektor die Umstehenden noch um Aufmerksamkeit für den Untertitel, auf den der Künstler besonders hinzuweisen gebeten hatte, und verlas ihn: „Ganymed von Schmoizz begeht fünf Jahre ohne Sex und gibt einer breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit, Versäumtes nachzuholen.“ Da hörte man aus dem Auditorium ein eigenartiges Geraune, das einerseits Neugier, andererseits lustvollen Abscheu verriet. Der Museumsdirektor gab durch eine rasche, aber elegante Bewegung ein Zeichen, daraufhin raffte Kauz den Schleiervorhang zur Seite. Rücklings, auf einem filzigen grauen Kotzen hatte sich Ganymed von Schmoizz ausgebreitet. Die Arme hatte er von sich gestreckt und die feisten Schenkel lagen gespreizt. Er war vollständig nackt, und seine Nacktheit wurde noch dadurch betont, dass sein Körper keinerlei Behaarung aufzuweisen schien. Um ihn herum im Kreis verstreut lagen Kondome, Gummihandschuhe, Peitschen und andere befremdliche Utensilien. Nach einem Augenblick der Stille brauste es aus der Menge in einer Mischung von Ekel und Lüsternheit, auch Gelächter war zu hören, ein unfrohes, gepresstes Gekecker. Morwitz lud die Gesellschaft mit einer höflichen Armbewegung ein, näher an den Kotzen heranzutreten, sodass man den Unbekleideten, der seinen Blick gegen die Decke gerichtet hatte und seine Umgebung anscheinend nicht wahrnahm oder nicht wahrzunehmen beschlossen hatte, genau betrachten konnte. Der Direktor beugte sich mit einem Lächeln zu seinen Begleiterinnen und schien sie aufzufordern, näher zu treten. Manche der mondänen Damen, die nun herantraten und ihren Hals vorstreckten, hielten sich die Hand vor Mund und Nase, als ströme das Kunstwerk zusätzlich zu seiner unwahrscheinlichen Hässlichkeit auch einen Gestank aus. Kecker waren naturgemäß die jungen Leute, die sich ohne Scheu und grinsend über den Körper beugten. Hier also lag ein Mann, dessen gewaltiger Bauch sich wie ein riesiger teigiger Fladen um seinen Rumpf legte und auch sein Geschlecht...


Evelyn Grill, geboren in Garsten in Oberösterreich, lebt als freie Schriftstellerin in Freiburg im Breisgau. Sie zählt zu den wichtigsten österreichischen Erzählerinnen, die nicht zuletzt für ihren schwarzen Humor und die Beschäftigung mit eigenwilligen Charakteren geschätzt wird. Für ihren Roman "Der Sammler" wurde sie 2006 mit dem Otto-Stoessl-Preis ausgeszeichnet. Bei Haymon erschienen: "Der Sammler". Roman (HAYMONtb 2010) und "Fünf Witwen". Erzählungen (2015).



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