Grebe / Träff | Das Trauma | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 448 Seiten

Reihe: Psychotherapeutin Siri Bergmann ermittelt

Grebe / Träff Das Trauma

Roman
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-641-07085-4
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 2, 448 Seiten

Reihe: Psychotherapeutin Siri Bergmann ermittelt

ISBN: 978-3-641-07085-4
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwei Schwestern aus Schweden und die Psychologie des Mordens ...
An einem verregneten Nachmittag in einem Vorort von Stockholm: Unter dem Küchentisch versteckt muss die fünfjährige Tilde mit ansehen, wie ihre Mutter bestialisch zu Tode getreten wird. Sie ist die einzige Zeugin dieses schrecklichen Verbrechens, kann sich nur vage an das Aussehen des Täters erinnern. Zur gleichen Zeit trifft die Psychotherapeutin Siri Bergmann fünf neue Patientinnen, die sich zu einer Selbsthilfegruppe zusammengefunden haben. Alle waren sie männlicher Gewalt ausgesetzt, alle haben sie schreckliche Geschichten zu erzählen über verratene Liebe, Schläge, Erniedrigungen. Doch schon bald schlägt das Bemühen um Heilung und die Suche nach Versöhnung um - in die Jagd nach einem besessenen Mörder, der seine erste Tat an einem verregneten Vormittag in einem Vorort von Stockholm beging ...

Camilla Grebe und Åsa Träff sind Schwestern, aufgewachsen in Älvsjö in der Nähe von Stockholm. Der Roman 'Die Therapeutin' war ihr erstes Gemeinschaftsprojekt, fast zwangsläufig entstanden aus ihrer Liebe zur Kriminalliteratur. Camilla, geboren 1968, lebt in Stockholm mit ihrem Mann, zwei Kindern und einem Dalmatiner. Sie ist studierte Betriebswirtin, hat den Hörbuchverlag 'StorySide' gegründet und betreibt ein Beratungsunternehmen. Åsa, geboren 1970, lebt in Gnesta mit ihrem Mann und zwei Kindern. Sie arbeitet als Psychologin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie und betreibt in Stockholm mit drei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis, die sich auf Angststörungen und neuropsychologische Störungen spezialisiert hat.
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Vijays Büro. Ein unendlich großer Schreibtisch, dessen Platte von Papieren überhäuft ist. Wie kann er zwischen diesen Tausenden von Papieren, Ordnern und Zeitschriften nur das zielsicher herausgreifen, was er sucht?

Auf einem Stapel von etwas, das aussieht wie Aufsätze, thront sein Laptop. Ein superdünner Mac. Vijay war schon immer ein Mac-Fan. Daneben eine Tasse Kaffee und eine Bananenschale. Eine Dose Lutschtabak liegt halb versteckt unter einem Rundschreiben der Universitätsleitung.

»Priemst du jetzt neuerdings?«

Aina schaut Vijay skeptisch an und verzieht angewidert das Gesicht.

»Mhm … notgedrungen, Olle hatte was gegen die Raucherei, aber mit Snus kann er leben.«

Vijay lacht, und Aina schüttelt mitfühlend den Kopf.

»Schade! Ich hatte gedacht, wir könnten mit dem Kaffee nach draußen gehen, um uns im kalten Wind eine Fluppe zu teilen, alte Erinnerungen wach werden lassen und so.«

Wir lachen alle drei und denken für einen Moment daran, wie wir einst in Regen, Schnee und sengender Sonne draußen standen, im Winter wie im Frühling. Zum Rauchen und zum Kaffeetrinken. Damals, als das Leben noch nicht so kompliziert war. Oder vielleicht wirkt es auch nur so, weil der Abstand zwischen damals und heute größer geworden ist. Weil das, was einmal Jetzt war, weit weg liegt, in der Vergangenheit.

Aina, Vijay und ich kennen uns noch aus alten Studententagen, wir studierten damals beide an der Universität von Stockholm Psychologie. Aina und ich entschieden uns dann nach dem Examen für die Praxis, Vijay wollte die akademische Laufbahn einschlagen und machte seinen Doktor. Jetzt, zehn Jahre später, ist er Professor für forensische Psychologie genau an dem Institut, an dem er damals studierte.

Ich betrachte ihn. Die schwarzen Haare, mittlerweile von grauen Schläfen durchzogen. Der wild wuchernde Schnurrbart, ein zerknittertes blau-weiß gestreiftes Baumwollhemd. Er sieht nicht aus wie ein Professor, aber vielleicht ist es ja das, was Professoren auszeichnet.

Das Fehlen eines gemeinsamen stilistischen Nenners. Was weiß ich, ich kenne nicht so viele. Aber wie auch immer, es lässt sich nicht leugnen, dass er älter geworden ist, genau wie Aina und ich. Älter, möglicherweise klüger, vielleicht auch nur müder und abgeklärter durch die Erkenntnis, dass das Leben nicht ganz so geworden ist, wie wir uns das damals vorgestellt hatten.

»Ich lasse mich ja gerne überreden. Olle ist zu einem Kongress nach Reykjavik gefahren, der kriegt also nichts davon mit.«

Vijay greift zur Tabaksdose und zupft zerstreut am Etikett herum. »Aber«, sagt er dann, »ich habe euch nicht deshalb hergebeten, weil ich mit euch über meine Rauchgewohnheiten diskutieren wollte.«

Aina und ich nicken zustimmend. Wir wissen, dass Vijay uns einbestellt hat, weil er eventuell einen Auftrag für uns hat, und dafür sind wir ihm dankbar. Auch Psychotherapeutinnen kennen Konjunkturtiefs, und größere Projekte von staatlichen Kunden sind immer herzlich willkommen.

»Es geht um ein Forschungsprojekt, in dem untersucht werden soll, welche Bedeutung Selbsthilfegruppen für Frauen mit Gewalterfahrungen haben. Unsere Zielgruppe sind Frauen, die gefährdet für die Entwicklung von posttraumatischen Belastungsstörungen sind, die aber aus unterschiedlichen Gründen keine herkömmliche Behandlung wollen. Das Ganze ist eine Kooperation der Gemeinde Värmdö mit der Universität Stockholm.«

Vijay ist in seine professionelle Rolle geschlüpft. Seine Augen glühen, und seine Wangen röten sich. Er hat eine leidenschaftliche Beziehung zu seiner Arbeit. Betrachtet sie nicht als Job, als Broterwerb, sondern eher als Lebensstil und möglicherweise auch als sinnstiftend. Außerdem könnte man sagen, dass es seiner Eitelkeit schmeichelt. Er liebt die Autorität, die der Professorentitel ihm verleiht. Der Experte sein zu dürfen, der es am besten weiß.

Vijay ist oft in den Medien präsent, wo er sich über Verbrechen und deren mutmaßliche Ursachen äußert. Es wäre leicht, zu psychologisieren, zu glauben, dies würde sein Bedürfnis nach Rache befriedigen. Der mit Vorurteilen kämpfende Zuwanderer, marginalisiert aufgrund ethnischer Herkunft und sexueller Veranlagung. Aber die Wahrheit sieht anders aus. Vijays Eltern sind gutbetuchte Akademiker, die im Zuge von Forschungsstipendien nach Schweden kamen und schließlich blieben. An seiner Homosexualität hat seine Familie nie Anstoß genommen. Es gibt noch drei Brüder, die den Eltern die ersehnten Enkelkinder liefern. Vijay gilt als exzentrisch, aber als nicht minder erfolgreich.

»Was hat das mit uns zu tun, wo es doch um Selbsthilfe geht?« Aina unterbricht Vijays Ausführungen, was ihm eigentlich überhaupt nicht gefällt.

»Dazu komme ich noch, ein wenig Geduld bitte.«

Er unterbricht sich, öffnet die Tabaksdose, stopft sich einen Priem unter die Oberlippe und redet dann weiter.

»Es geht darum, dass ihr die Pilotstudie leiten sollt. Um zu überprüfen, ob unsere Vorgehensweise stimmt, und herauszufinden, ob wir etwas vergessen haben oder andererseits etwas weglassen können.«

»Psychoedukation und Selbsthilfe, das klingt irgendwie nicht nach KBT, finde ich.« Aina sieht skeptisch aus, und Vijay lächelt fröhlich.

»Es geht auch nicht um KBT, jedenfalls nicht strenggenommen. Aber das bedeutet ja nicht, dass es wirkungslos ist. Ihr wisst, dass die Nachfrage nach ausgebildeten Psychotherapeuten mit Schwerpunkt KBT das Angebot übersteigt. Wir können aber ein niederschwelliges Angebot bieten, von dem wir wissen, dass es bei posttraumatischen Belastungsstörungen und Traumata hilft. Außerdem haben Selbsthilfegruppen, besonders für Menschen, die zum Opfer geworden sind, besondere Vorteile. Sie geben ein Gefühl von … von Kontrolle. Empowerment. Ach … ihr wisst schon, was ich meine.«

»Empowerment?«

Aina sieht noch immer skeptisch aus und schaut mich an, wie auf der Suche nach einem Zeichen, einem Signal dafür, was ich von dem Ganzen halte.

»Und wie ist der Plan?«

Ich bin neugierig und will mehr darüber hören, wie die Sache ablaufen soll.

»Regelmäßige zweistündige Treffen. Jeder Termin beginnt mit einem Unterrichtsteil, zu den Folgen eines Traumas, zu Männergewalt gegen Frauen, Informationen über übliche Symptome bei einer posttraumatischen Belastungsstörung, solche Dinge. Danach folgt ein freier Teil, die Teilnehmerinnen berichten von ihren Erfahrungen und hören sich die Erzählungen der anderen an. Die Gruppenleiterin soll das Gespräch lenken. Dafür sorgen, dass jede zu Wort kommt und dass keine zu dominant wird. Danach wird eine Hausaufgabe erteilt, zum Beispiel, darüber nachzudenken, wie sich durch das Trauma das Leben verändert hat, oder eine neue Zielsetzung zu finden, dafür, wie das Leben werden soll. Was jede verloren hat und was sie glaubt, neu erschaffen, vielleicht neu erobern zu können. Und dann die Frage, wie dies praktisch zu bewerkstelligen ist. Ihr werdet detaillierte Anleitungen bekommen, aber ihr könnt auch davon abweichen. Ihr wertet jedes Treffen gemeinsam aus und äußert euch zum Ablauf. Alles wird dokumentiert. Entscheidend ist, dass es sich um eine Selbsthilfegruppe handelt, das Niveau muss also entsprechend sein. Das Ganze muss Substanz haben und Veränderungen fördern, darf aber nicht zu kompliziert sein. Es ist keine Psychotherapie, und die Gruppenleiterinnen sind keine Psychotherapeutinnen, sondern Frauen, die selbst Erfahrungen mit Männergewalt gemacht haben …«

Vijay verstummt und sieht plötzlich verlegen aus. Ich weiß, was er denkt und was jetzt kommen wird.

»Ja, also, Siri … ich bitte dich nicht in deiner Eigenschaft als Gewaltopfer, sondern weil du eine verflucht gute Psychologin und Psychotherapeutin bist, nur deshalb. Du und Aina, ihr könnt das. Und zwar verdammt gut.«

»Aber die Tatsache, dass ich nicht nur Psychologin und Therapeutin bin, sondern auch Gewaltopfer, schadet vielleicht nicht?«

Ich mustere Vijay, sehe, wie er verschiedene Antworten abwägt. Ich kenne ihn so gut, dass ich seine Gedanken lesen kann. Es sagen, wie es ist, oder beschönigen? So tun, als wäre nichts geschehen, als wäre ich noch dieselbe wie vorher, oder zugeben, dass das, was geschehen ist, die Tatsache, dass ein anderer Mensch mich umbringen wollte, mich verändert hat?

»Stört dich das?«, fragt er.

Er sieht verletzt und zugleich neugierig aus. Ich überdenke seine Frage. Ob es mich stört, dass ich mit meinen ureigenen Erfahrungen besser als andere für diese Aufgabe geeignet bin? Ich erkenne, dass das nicht der Fall ist. Meine persönlichen Erlebnisse sind immer bei mir, aber es tut nicht mehr so weh wie früher, die Wunde ist nicht mehr offen. Ich glaube wirklich, die Kontrolle zu haben über meine Reaktionen, und habe Vertrauen in meine Fähigkeit, mit den Geschehnissen umzugehen.

»Nein, das stört mich nicht.«

Die Atmosphäre in dem vollgestopften Raum ändert sich so schlagartig, dass es fast greifbar ist. Eine Welle aus Erleichterung scheint durch Vijay und Aina zu gehen, und mir wird klar, dass die beiden die Sache vorher bereits besprochen haben, dass Aina mich aber nicht beeinflussen, sondern mir eine Möglichkeit bieten wollte, Vijays Angebot abzulehnen, ohne das Gesicht zu verlieren. Vijay beugt sich vor und streichelt in einer überraschend zärtlichen Geste meine Wange.

»Siri, meine Freundin. Es freut mich so, dass du hier bist.«

Ich staune über diesen plötzlichen Gefühlsausbruch, zugleich wärmt mich seine Aufrichtigkeit. Ich weiß, dass er meint, was er sagt. Aina fängt meinen Blick auf und hebt die Augenbrauen, und...


Grebe, Camilla
Camilla Grebe und Åsa Träff sind Schwestern, aufgewachsen in Älvsjö in der Nähe von Stockholm. Der Roman "Die Therapeutin" war ihr erstes Gemeinschaftsprojekt, fast zwangsläufig entstanden aus ihrer Liebe zur Kriminalliteratur. Camilla, geboren 1968, lebt in Stockholm mit ihrem Mann, zwei Kindern und einem Dalmatiner. Sie ist studierte Betriebswirtin, hat den Hörbuchverlag "StorySide" gegründet und betreibt ein Beratungsunternehmen. Åsa, geboren 1970, lebt in Gnesta mit ihrem Mann und zwei Kindern. Sie arbeitet als Psychologin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie und betreibt in Stockholm mit drei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis, die sich auf Angststörungen und neuropsychologische Störungen spezialisiert hat.



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