Grebe | Schlaflos | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 640 Seiten

Reihe: Die Profilerin

Grebe Schlaflos

Psychothriller
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-641-25200-7
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Psychothriller

E-Book, Deutsch, Band 3, 640 Seiten

Reihe: Die Profilerin

ISBN: 978-3-641-25200-7
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Böse lauert selbst in der friedlichsten Umgebung ... Der Nr.-1-Besteller aus Schweden.
Als der achtzehnjährige Samuel in einen schief gelaufenen Drogendeal verwickelt wird, ist er gezwungen, unterzutauchen. Zuflucht findet er auf dem Archipel nördlich von Stockholm bei einer Familie, die einen Betreuer für ihren schwerbehinderten Sohn sucht. Doch als Samuel bei der schönen Rakel und ihrem Sohn Jonas in das abgelegene Haus am Meer einzieht, merkt er bald, dass nichts so ist, wie es scheint ... In der Zwischenzeit werden in den Schären die Leichen junger Männer angeschwemmt. Kommissar Manfred Olsson sieht sich mit komplizierten Mordermittlungen konfrontiert und beschließt, sich an die in Ormberg lebende Profilerin Hanne zu wenden.

Camilla Grebe und Åsa Träff sind Schwestern, aufgewachsen in Älvsjö in der Nähe von Stockholm. Der Roman 'Die Therapeutin' war ihr erstes Gemeinschaftsprojekt, fast zwangsläufig entstanden aus ihrer Liebe zur Kriminalliteratur. Camilla, geboren 1968, lebt in Stockholm mit ihrem Mann, zwei Kindern und einem Dalmatiner. Sie ist studierte Betriebswirtin, hat den Hörbuchverlag 'StorySide' gegründet und betreibt ein Beratungsunternehmen. Åsa, geboren 1970, lebt in Gnesta mit ihrem Mann und zwei Kindern. Sie arbeitet als Psychologin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie und betreibt in Stockholm mit drei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis, die sich auf Angststörungen und neuropsychologische Störungen spezialisiert hat.

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Wir waren eine ganz normale Familie. Es war ein Morgen wie alle anderen. So einer, dem man eigentlich keine besondere Bedeutung zumisst. Einer von den vielen bedeutungslosen Tagen, denen man eigentlich kein Gewicht gibt, weil man zu wissen glaubt, dass sie sich nicht von den anderen unterscheiden werden. Es war einfach noch ein Tag, den ich hinter mich bringen, den ich durchleben musste. Den ich meistern und ausfüllen musste, wie einen Vordruck, der noch vor siebzehn Uhr auf die Post gebracht werden muss. Afsaneh stand als Erste auf, um Nadja ihren Brei zu geben. Ich hörte ihre Schritte: leicht, fast zaghaft, als sie von der Diele in die Küche tappte. Als ob sie sich über dünnes Eis bewegte. Danach das Klappern, das Rauschen des Wasserhahns und den kleinen Knall, als sie den Kochtopf auf den Herd stellte. Am Ende das rhythmische Kratzen des Quirls über das Metall, als sie das Breipulver mit dem Wasser vermischte. Von meinem Platz im Bett aus – das von Afsanehs Körper noch warm war – hörte ich im Kinderzimmer nebenan Nadja wimmern und husten. Es waren die Geräusche einer ganz normalen Familie; die der Frau, meiner jungen Gattin, die vielleicht zu jung war – jedenfalls gab es Leute, die das so sahen –, und die meiner Tochter. Und da war die Stille, hinterlassen von den drei älteren Kindern, die ausgezogen waren, und von meiner Exfrau, die die Wohnung an einem Frühlingsmorgen, gar nicht so anders als dieser, mit einer so schweren Reisetasche verlassen hatte, dass sie diese nicht hätte tragen können, wäre sie nicht so wütend gewesen. All das dachte ich nicht bewusst, als ich da lag, noch dösig von den Träumen der Nacht und der Wärme des Betts. Erst im Nachhinein gewinnen all diese kleinen Geschehnisse an Gewicht und zeigen ihre Bedeutung. Es war ein Morgen wie alle anderen. Außerdem war es Nadjas dritte Erkältung in ebenso vielen Wochen, und Afsaneh und ich waren beide todmüde von den Nachtwachen und dem Hin und Her mit unserer geliebten, aber trotzigen Zweijährigen. Wir konnten darüber Witze machen, dass Nadja sich wie ein Säugling aufführte, wenn sie Schnupfen hatte. Und Afsaneh sagte oft, dass ich mir all das selbst zuzuschreiben hätte, da ich mit über fünfzig noch einmal Vater geworden war. Afsaneh öffnete die Schlafzimmertür einen Spaltbreit. Sie setzte sich Nadja auf die Hüfte, und als sie sanft in die Knie ging und Nadja höher hob, um einen besseren Griff zu haben, öffnete sich ihr Bademantel und entblößte ihre Brust, diese schöne Brust, die gegen alle Wahrscheinlichkeit jetzt mir gehörte. Afsaneh fragte, ob ich mir freinehmen könnte, um mich um Nadja zu kümmern, und ich erklärte, dass ich doch vorhatte, einen Sprung ins Haus zu machen. Das Haus war das Polizeigebäude auf Kungsholmen in Stockholm. Mein Arbeitsplatz seit über zwanzig Jahren und gleichbedeutend mit Job und Tretmühle. Der Ort, an dem ich in Morden und anderen schweren Verbrechen ermittelte. Wo ich mich mit den allerschlimmsten Seiten der Menschheit beschäftigte, den widerwärtigen Abarten menschlichen Verhaltens, mit denen der Rest der Bevölkerung sich nicht abzugeben braucht. Wie konnte ich das für so wichtig halten? Sollen sie sich doch gegenseitig umbringen, dachte ich. Sollen sie sich gegenseitig vergewaltigen und zusammenschlagen. Sollen die Drogen alles überfluten und die Vororte in der Nacht wie Fackeln auflodern. Aber lasst mich aus diesem ganzen Dreck heraus. Ich weiß noch, dass Afsaneh die Stirn runzelte, als ich das Haus erwähnte. Sie erinnerte mich daran, dass Christi Himmelfahrt war, und fragte, was ich denn so wahnsinnig Wichtiges zu erledigen hätte. Dann erklärte sie geduldig, dass sie mit einer ihrer Doktorandinnen zum Kaffee verabredet war und dass sie das beim Essen am Vorabend zweimal erwähnt hatte. Und so ging es eine ganze Weile weiter. Wir stritten uns darüber, wer sich freinehmen sollte, als ob das wirklich irgendeine Bedeutung hätte. Wir stritten uns auf diese unreflektierte, ermüdende Weise, wie es wohl die meisten Familien an einem ganz normalen Morgen in dem sicheren und wohlmeinenden Land Schweden tun, dachte ich. Als Afsaneh dann zu dem Treffen mit ihrer Doktorandin gegangen war und Nadja neben mir in unserem breiten Bett lag und ihre verrotzte kleine Nase an meine Wange drückte, war das doch ein richtig gutes Gefühl. Was hätte ich im Haus auch ausrichten sollen? Die Toten konnten bis morgen warten, und die meisten meiner Kollegen hatten ohnehin frei. Ich erinnere mich nicht genau, aber ich glaube, dass ich am späteren Vormittag durch die Wohnung gewandert bin und ein bisschen aufgeräumt habe. Mein Knie tat verdammt weh, und ich nahm zwei Voltaren. Vielleicht rauchte ich auch heimlich unter der Rauchabzugshaube. Nadja saß vor dem Fernseher, und ich musste ihn lauter drehen, um den Lärm der Straßenarbeiten draußen im Karlaväg zu übertönen. Meine älteste Tochter, Alba, rief aus Paris an und wollte Geld leihen. Ich erklärte ihr ruhig, aber entschieden, dass sie sich an ihre Mutter wenden sollte, von mir hatte sie in diesem Monat schon dreitausend zusätzlich bekommen. Außerdem hatten ihre Geschwister, Alexander und Stella, gar nichts erhalten. Und man musste doch gerecht bleiben, oder? Gerechtigkeit, was für ein seltsames Konzept, so im Nachhinein betrachtet. Am Ende wurde Nadja vor dem Fernseher müde. Sie schrie und schrie, und ich trug sie in einem vergeblichen Versuch, sie zu beruhigen, durch die Wohnung. Ihr kleiner Körper war glühend heiß, und ich gab ihr ein Alvedon, obwohl Afsaneh damit sicher nicht einverstanden gewesen wäre – auch das war ein ständiger Grund für Auseinandersetzungen. Afsaneh fand, kleine Kinder dürften nur Medikamente bekommen, wenn sie fast im Sterben lagen. Vielleicht beruhigte sich Nadja durch das Alvedon, vielleicht war es auch das Butterbrot, das ich ihr gab. Oder die Straßenarbeiten draußen konnten sie endlich ablenken. Ich hob sie auf die Fensterbank im Wohnzimmer, wo sie lange wie verzaubert stand und den Bagger beobachtete, der sich drei Treppen tiefer langsam durch die Fahrbahn fraß, während sie mit ihrer spitzen kleinen Zunge gleichzeitig die Butter vom Brot und den Rotz von ihrer Oberlippe leckte. Wir plauderten eine Weile über Bagger und Autos und Lastwagen und Motorräder. Über alle möglichen Kraftfahrzeuge. Nadja liebte alles, was einen Motor hatte und Krach machte – das hatten Afsaneh und ich schon häufiger festgestellt. Ungefähr da rief Afsaneh aus dem Café an. Ich stellte die laut protestierende Nadja auf den Boden und ging in die Diele, um ungestört reden zu können – der Lärm der Straßenarbeiten ließ die gesamte Wohnung vibrieren. Afsaneh wollte wissen, wie es Nadja ging, und ich sagte, ihr gehe es ziemlich gut, sie verzehre gerade ein Butterbrot, und so schlimm könne es wohl nicht sein, wenn sie noch aß und trank. Natürlich sagte ich kein Wort von dem Alvedon. Als wir auflegten, merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Es war, als hätte sich die Luft verdichtet, als zöge sie sich um mich zusammen, eine greifbare Veränderung angesichts einer herannahenden Gefahr. Gleich darauf begriff ich, dass es eher das Fehlen von etwas war, das mich zu einer Reaktion veranlasste. Es war still. Die Straßenarbeiter hatten offenbar eine Pause eingelegt, und das Einzige, was ich hörte, waren meine eigenen Atemzüge. Ich ging ins Wohnzimmer, um nach Nadja zu sehen, aber das Zimmer war leer, bis auf ihre Nuckelflasche, die in einer Saftlache auf dem Boden lag, und den Haufen von Spielsachen, die sie im Laufe des Morgens angeschleppt hatte. Vielleicht geschah es in diesem Augenblick, dass die Unruhe zum Leben erweckt wurde, dieser Urinstinkt, den wir alle in uns haben, der Drang, unsere Kinder vor allem Bösen zu beschützen. Dann wurde ich von einem Sonnenstrahl geblendet, einem grellen Lichtstreifen, der dort nicht hingehörte, aus dem einfachen Grund, weil das Wohnzimmerfenster im Schatten lag. Ich drehte mich zu dem Licht um, kniff die Augen zusammen und schaute in die Küche. Das Fenster stand offen, und das Sonnenlicht spiegelte sich in der Scheibe. Plötzlich begriff ich: Afsaneh hatte am Vortag das Küchenfenster geputzt. Vermutlich hatte sie vergessen, die Kindersicherung zu aktivieren. Aber Nadja hatte doch wohl nicht nach oben klettern und das Fenster aufmachen können. Und warum hätte sie das überhaupt tun sollen? In der Sekunde, in der ich in Gedanken diese Frage formulierte, begriff ich auch schon: der Bagger, der verdammte Bagger! Ich stürzte zum offenen Fenster. Ich stürzte zum Fenster, weil das das Einzige war, was ich tun konnte. Ich stürzte zum Fenster, weil man das musste, weil man dazu gezwungen war. Man darf sein Kind nicht fallen, nicht sterben lassen. Das ist das Einzige, was man in diesem Leben nicht tun darf. Mit allem anderen kommt man auf irgendeine Weise durch. Draußen spielten die Sonnenstrahlen im zarten Grün der Bäume, und unten standen die Straßenarbeiter still da und schauten mit leeren Blicken zu mir hoch. Zwei von ihnen stürzten mit ausgestreckten Armen auf unser Haus zu. Nadja hing an der Fensterbank, und das Seltsame war, dass sie ganz still war, genau wie Kinder, die kurz vor dem Ertrinken sind, das habe ich gehört. Ihre Fingerchen klammerten sich fest, und ich warf mich auf sie, weil man das eben tut. Man wirft sich auf seine Kinder, man geht durch Feuer und Wasser. Man tut...


Haefs, Gabriele
Dr. Gabriele Haefs studierte in Bonn und Hamburg Sprachwissenschaft. Seit 25 Jahren übersetzt sie u.a. aus dem Dänischen, Englischen, Niederländischen und Irischen. Sie wurde dafür u.a. mit dem »Gustav-Heinemann-Friedenspreis« und dem »Deutschen Jugendliteraturpreis« ausgezeichnet, zuletzt 2008 mit dem Sonderpreis des »Deutschen Jugendliteraturpreises« für ihr übersetzerisches Gesamtwerk. Sie hat u.a. Werke von Jostein Gaarder, Camilla Grebe und Anne Holt übersetzt. Zusammen mit verschiedenen Kolleginnen hat sie mehrere Anthologien skandinavischer Schriftsteller herausgegeben.

Grebe, Camilla
Camilla Grebe und Åsa Träff sind Schwestern, aufgewachsen in Älvsjö in der Nähe von Stockholm. Der Roman "Die Therapeutin" war ihr erstes Gemeinschaftsprojekt, fast zwangsläufig entstanden aus ihrer Liebe zur Kriminalliteratur. Camilla, geboren 1968, lebt in Stockholm mit ihrem Mann, zwei Kindern und einem Dalmatiner. Sie ist studierte Betriebswirtin, hat den Hörbuchverlag "StorySide" gegründet und betreibt ein Beratungsunternehmen. Åsa, geboren 1970, lebt in Gnesta mit ihrem Mann und zwei Kindern. Sie arbeitet als Psychologin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie und betreibt in Stockholm mit drei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis, die sich auf Angststörungen und neuropsychologische Störungen spezialisiert hat.



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