Gray Spellcaster - Finsterer Schwur
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95967-616-8
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fantasyroman
E-Book, Deutsch, Band 3, 304 Seiten
Reihe: Spellcaster
ISBN: 978-3-95967-616-8
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Um die Bewohner von Captive's Sound zu retten, hat Nadia dem Herrscher der Unterwelt die Treue geschworen. Nun muss sie Jenem dort unten an der Seite der Zauberin Elizabeth dienen und wird von ihr in der dunklen Magie unterwiesen. Doch anstatt dadurch mehr über ihre bösen Pläne zu erfahren, droht Nadia der Verlockung ihrer neuen Macht zu verfallen. Abgeschottet von ihren Freunden, ist sie so empfänglich für die Dunkelheit wie noch nie...
Das fulminante Finale der Spellcaster-Reihe!
Claudia Gray hat als Rechtsanwältin, Journalistin, Discjockey und Kellnerin gearbeitet. All das hat sie aufgegeben, um ganztags zu schreiben. In ihrer Freizeit liest sie, kocht gern und hört Musik. In New Orleans lebt sie in einem über hundert Jahre alten, purpurfarbenen Haus.
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1. KAPITEL
„Die ultimative Waffe ist aus Hass geschmiedet.“
Nadia schaute zu, wie Elizabeth in den glühend heißen Holzofen griff, der in der Ecke des Raums stand und in dem ein Feuer brannte, das nicht von Holz gespeist wurde. Elizabeth zuckte nicht zusammen, obwohl die Flammen ihre Finger versengen mussten. Wurde man unempfindlich gegen Schmerzen, wenn man als Zauberin Jenem dort unten Treue geschworen hatte?
Nadia würde es bald herausfinden, denn auch sie war nun seine Dienerin.
Es war kein freiwilliger Handel gewesen. Nicht Machtlust hatte sie dazu getrieben, wie einst Elizabeth, die vierhundert Jahre alte Hexe, die nun ihre Lehrerin war. Nadia hatte dem Herrn der Hölle gezwungenermaßen Treue schwören müssen, um die Bewohner von Captive’s Sound von Elizabeths grässlichem Fluch zu befreien. Jetzt saß sie in der Falle – und lernte die schwärzeste Magie, die eine Zauberin lehren konnte.
„Die Leute versuchen so zu tun, als sei Hass so etwas wie … Schutt“, fuhr Elizabeth fort. „Nur die Trümmer von etwas anderem.“ Sie zog ihre Hand zurück, die Finger gerötet von der Hitze. Nadia sah, dass sie etwas Kleines festhielt, das in einem überirdischen, wunderschönen Licht erstrahlte. Obwohl ihre Haut schon anfing zu schwelen, hob Elizabeth das Ding näher an ihr Gesicht. „Aber Hass hat eine eigene Macht. Eine eigene Rolle in der Welt. Wenn du dunkle Magie begreifen willst, musst du Hass begreifen.“
Nadias Mutter hatte ihr gesagt, dass Opfer ebenfalls eine eigene Macht hatten. Bei dieser Gelegenheit hatte Nadia auch erfahren, dass Mom ihre Familie nicht einfach verlassen hatte, ohne einen Gedanken an Nadias Training oder Dads Herz oder den armen kleinen Cole zu verschwenden. Nein, sie hatte ihre Liebe für sie geopfert – oder vielmehr, ihre komplette Fähigkeit zu lieben –, um ihre Tochter vor den Avancen Jenes dort unten zu schützen. Denn Nadia war das Kind zweier magischer Erblinien; sie stammte sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits von Hexen ab, was sie zur perfekten Dienerin für Jenen dort unten machte.
Doch das Opfer ihrer Mutter war umsonst gewesen. Jener dort unten hatte einen anderen Weg gefunden, Nadia in seine Fänge zu bekommen.
Sie konnte jetzt nur hoffen, dass ihr eigenes Opfer ausreichend Macht besitzen würde. Nadia hatte sich Jenem dort unten verschrieben, um die Menschen in Captive’s Sound zu retten – vor allem ihre Familie, ihre beste Freundin Verlaine und natürlich Mateo. Immer wieder Mateo. Vielleicht wäre das langfristig ja genug, um sich selbst vor der Dunkelheit zu retten.
Andernfalls wäre sie auf ewig in die Dienste Jenes dort unten gezwungen – und müsste ihm dabei helfen, in die Welt der Sterblichen einzudringen und sie von Grund auf zu zerstören.
Sie hielten sich in Elizabeths Haus auf, in einem Raum, der dank des Zaubers, der auf ihm lag, wie ein ganz normales, gemütliches Wohnzimmer aussah – als hätte man es aus einem Einrichtungskatalog kopiert. Doch Nadia, die nun über die nötige Magie verfügte, um Elizabeths Tarnzauber zu durchschauen, wusste, dass das Zimmer eine einzige Ruine war. Dieses baufällige Holzhaus bildete seit mindestens hundert Jahren Elizabeths Zuhause, wahrscheinlich sogar noch länger; der Boden war von Glasscherben übersät, und in jeder Ecke hingen dicke Spinnennetze – gewebt von Spinnen, die unter Elizabeths Befehl standen. Reste der gemusterten Tapete, die vermutlich vor langer Zeit angebracht worden war, hingen in Fetzen von den Wänden, und von den paar altersschwachen Möbeln waren nur noch die maroden Gestelle der einstigen Sessel und Sofas übrig. Nadia und Elizabeth saßen neben dem Ofen, in dem irgendwas nicht Identifizierbares brannte, das niemals als Brennstoff gedacht gewesen war, so viel immerhin wusste Nadia.
Ich darf nicht so enden wie sie, dachte sie und ballte die Fäuste, so fest, dass sich die Fingernägel in ihre Handflächen bohrten. Elizabeth ist kaum mehr menschlich. Es muss einen Ausweg für mich geben. Es muss eine Möglichkeit geben, Jenen dort unten aufzuhalten.
Solange sie in den Diensten des Herrn der Hölle stand, war sie gezwungen, sich an bestimmte Regeln zu halten. Ihr blieb nur eine Chance, ihn – und Elizabeth – zu besiegen: Sie musste so tun, als sei sie eine loyale Schülerin der dunklen Magie.
Nein, Elizabeth war nicht so dumm, darauf hereinzufallen. Aber solange Nadia vorgab, eine Musterschülerin zu sein, blieb Elizabeth nichts anderes übrig, als die Musterlehrerin zu spielen. Sie waren beide an die Gesetze Jenes dort unten gebunden.
„Kann man sich dagegen verteidigen?“, fragte Nadia. „Gegen die perfekte Waffe, meine ich. Gegen Hass.“
Elizabeth antwortete nicht gleich. Noch immer hielt sie das glühende … Ding zwischen ihren Fingern, obwohl von ihnen mittlerweile dünne Rauchschwaden aufstiegen. Ihr Fleisch musste gebrannt haben, und sie musste den Schmerz gefühlt haben, aber es war ihr egal. Nadia wäre beeindruckt gewesen, wenn das Ganze sie nicht so angeekelt hätte.
Schließlich ließ Elizabeth das glühende Stück auf den Holzboden fallen, wo es noch einmal zischte und rot aufleuchtete, als es in Kontakt mit den alten verzogenen Dielen kam, ehe es erlosch. Erst jetzt hob Elizabeth den Blick, um Nadia anzuschauen. Sie hatte zarte sommersprossige Haut, viel heller als Nadias olivfarbener Teint, üppige kastanienbraune Locken und ein ovales Gesicht, das allen, die es nicht besser wussten, hinreißend süß erschien.
„Liebe“, sagte sie. „Liebe ist die einzige Verteidigung gegen Hass.“
Nadia bemühte sich um eine ausdruckslose Miene, doch innerlich klammerte sie sich an diese Information, drückte sie fest an ihr Herz. Endlich hatte sie einen Grund zur Hoffnung. Liebe besiegt Hass – natürlich tut sie das. Wie sollte es auch anders sein?
Elizabeth lächelte, als hätte sie Nadias Gedanken belauscht. Vielleicht hatte sie das ja. „Aber Liebe währt nicht ewig. Hass schon.“
„Nadia?“
Mateo wusste nur, dass er nach ihr suchte. Sie schien das Einzige zu sein, was auf der Welt zählte.
Nur, dass er offenbar nicht mehr in der normalen Welt war …
Wo bin ich?
Er war nicht sicher, aber allmählich drängte sich ihm der Gedanke auf, dass er vielleicht … vielleicht in der Hölle war.
Mateo hob den Kopf und versuchte, sich ein Bild von seiner Umgebung zu machen. Trotz der Dunkelheit konnte er erkennen, dass er sich in einer Höhle befand, aber einer, die von außen erleuchtet wurde, von einem derart starken Licht, dass es durch den Stein schimmerte wie glutrote Lava. Hitze und Feuchtigkeit legten sich auf ihn wie eine klebrige Schicht. Er musste nach Luft ringen. Und dieses tiefe Bum-bum, Bum-bum konnte nur das angstvolle Schlagen seines Herzens sein.
In dem flackernden roten Licht konnte Mateo nur schwache Umrisse ausmachen. Er sah schräge Wände, ein leicht gekrümmtes Dach und gewaltige Gewölbe um sich herum – härtere dunklere Strukturen im Stein …
Sie waren nicht aus Stein. Das waren … Rippen.
Schaudernd wurde Mateo klar, dass er nicht in einer Höhle festsaß, sondern im Inneren eines großen furchterregenden Lebewesens. Das Herz, das er schlagen hörte, war nicht sein eigenes. Es kam ihm vor, als hätte man ihn verschluckt oder bei lebendigem Leib verschlungen.
Aber er war nicht allein im Inneren der Bestie. Er konnte Stöhnen hören, Weinen, Schmerzensschreie, die durch das Fleisch dieser Kreatur hallten, aber weit entfernt zu sein schienen – bis jemand direkt neben ihm aufschrie.
Mateo drehte sich um und sah Nadia. Sie trug Schwarz, ihre Augen glitzerten vor Tränen, und sie schwebte in der Luft vor ihm. Doch der Schrei war von Verlaine gekommen, die sich an Nadia klammerte, um nicht zu fallen. Verlaines graues Haar peitschte hinter ihr, als sei es in einem Wirbelwind gefangen, den Mateo nicht spüren konnte, als er die Hand nach Nadia ausstreckte …
Er fuhr hoch, erwachte mit einem Ruck, unwillkürlich nach seiner Decke greifend, aber er war – wieder einmal – nicht in seinem Bett. Heute Nacht war er im Schlaf ans Ende des Landungsstegs gewandelt, fast bis in den Sund hinein.
Eines Tages werde ich gerade noch rechtzeitig aufwachen, um zu merken, dass ich ertrinke, dachte er.
Mateo setzte sich und begrub seine nackten Füße unter sich. Es war Anfang Dezember und viel zu kalt, um sich nur in Boxershorts und T-Shirt draußen rumzutreiben. Wenigstens war der Schnee, der vor zwei Tagen gefallen war, bereits wieder geschmolzen. Sonst wäre er vermutlich mit Frostbeulen aufgewacht. Er rappelte sich zitternd hoch, um nach Hause zu laufen, bevor Dad etwas von diesem unfreiwilligen Ausflug mitkriegte – sein Vater machte sich ohnehin schon zu viele Sorgen.
Aber dann sah er das Wasser, sah es richtig, und blieb wie erstarrt stehen.
Jeder andere, der in diesem Moment über die Meerenge schaute, würde einen Strandabschnitt in einer wolkigen Winternacht sehen: Sand, der im gedämpften Mondlicht silbergrau schimmerte, der dunkle Ozean fast zu glatt, der ferne Leuchtturm, der seinen blassen Lichtstrahl wieder und wieder losschickte.
Doch Mateo war Nadias Adjutant. Das bedeutete, dass er ihre Magie verstärkte; jeder Zauber, den sie in seiner Gegenwart wirkte, war viel mächtiger als üblich. Außerdem besaßen Adjutanten die Fähigkeit, Magie zu erkennen, die um sie herum am Werke war. Und dank Elizabeth war Magie untrennbar mit dem gesamten Gefüge von Captive’s Sound verstrickt; sie war überall sichtbar, verschlingend und dunkel.
Daher konnte Mateo sehen,...




