Gray | Evernight | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 400 Seiten

Reihe: EVERNIGHT

Gray Evernight

Roman
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-641-03147-3
Verlag: Penhaligon
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Roman

E-Book, Deutsch, Band 1, 400 Seiten

Reihe: EVERNIGHT

ISBN: 978-3-641-03147-3
Verlag: Penhaligon
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Eine Liebe auf Leben und Tod
An jedem Ort wäre Bianca lieber als an diesem: Das Evernight-Internat ist eine Eliteschule, und die anderen Schüler sind einfach zu perfekt - zu clever, zu schön, zu rücksichtslos. Bianca weiß, dass sie niemals dazugehören wird, und reißt aus. Doch sie soll nicht weit kommen. Noch auf dem Gelände der Schule läuft sie Lucas in die Arme. Der junge Mann ist ebenso ein Einzelgänger wie sie, und er ist anscheinend fest entschlossen, das auch zu bleiben. Bianca merkt sehr schnell, dass es eine besondere Verbindung zwischen ihr und Lucas gibt, eine Anziehungskraft, die jedes normale Maß übersteigt. Doch sie muss auch erkennen, dass Lucas von dunklen Geheimnissen umgeben ist. Von Geheimnissen, die alles in Frage stellen, woran Bianca jemals geglaubt hat ...


Bevor Claudia Gray sich ganz dem Schreiben widmete, arbeitete sie als Anwältin, Journalistin und DJ. Seit ihrer Kindheit interessiert sie sich für Filmklassiker, die Stile vergangener Epochen und Architektur.

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1  
 
 
 
Es war der erste Schultag, was bedeutete: meine letzte Chance, noch davonzulaufen. Ich hatte keinen Rucksack voller Dinge, die man für ein Überleben in der Wildnis braucht, kein dickes Portemonnaie mit Bargeld, von dem ich mir ein Flugticket nach irgendwohin kaufen konnte, und auch keinen Freund, der am Ende der Straße in einem Fluchtauto auf mich wartete. Vor allem fehlte mir das, was jeder Mensch mit gesundem Verstand einen »Plan« nennen würde. Aber das spielte alles keine Rolle. Auf keinen Fall würde ich in der Evernight-Akademie bleiben. Kaum zeichnete sich das erste, gedämpfte Morgenlicht am Himmel ab, schlüpfte ich in meine Jeans und griff nach einem wärmenden, schwarzen Sweatshirt – so früh am Morgen und so hoch in den Hügeln fühlte sich selbst der September frisch an. Achtlos band ich meine langen, roten Haare im Nacken zu einem Knoten zusammen und zog meine Wanderstiefel an. Ich glaubte, leise sein zu müssen, obwohl ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, dass meine Eltern aufwachen könnten. Es reicht zu sagen, dass sie nicht gerade Morgenmenschen seien. Gewöhnlich schlafen sie wie Tote, bis der Wecker sie aus dem Schlaf reißt, und das würde erst in einigen Stunden geschehen. Was mir einen ordentlichen Vorsprung verschaffte. Vor meinem Schlafzimmerfenster starrte mich ein steinerner Wasserspeier an, riesige Reißzähne vervollständigten seinen zur Grimasse verzerrten Mund. Ich packte meine Jeansjacke und streckte dem Ungeheuer die Zunge heraus. »Vielleicht hast du ja Lust, in der Festung der Verdammten herumzuhängen«, murmelte ich. »Nur zu.« Bevor ich verschwand, machte ich mein Bett. Normalerweise kostete es meine Mutter ewige Nörgeleien, bis sie mich dazu brachte, aber diesmal wollte ich es selber. Mir war klar, dass meine Eltern heute auch so einen Anfall kriegen würden, und ich hatte das Gefühl, sie ein bisschen dafür zu entschädigen, wenn ich die Bettdecke glatt strich. Sie würden es vermutlich anders sehen, aber das hielt mich nicht davon ab. Als ich die Kissen aufschüttelte, blitzte plötzlich eine merkwürdige Erinnerung an etwas in mir auf, das ich in der Nacht zuvor geträumt hatte, und das Bild vor meinem geistigen Auge war so lebendig und unmittelbar, als träumte ich noch immer:  
Eine Blume in der Farbe von Blut. Der Wind heulte in den Bäumen um mich herum und peitschte die Äste in alle Richtungen. Am Himmel über mir wirbelten schwere, dunkle Wolken. Ich strich mir das sturmzerzauste Haar aus der Stirn. Ich wollte nichts anderes als mir die Blume ansehen. Jedes einzelne, regenbenetzte Blütenblatt war leuchtend rot, schmal und wie eine Klinge geformt, so wie es manchmal bei tropischen Orchideen der Fall ist. Doch die Blüte war auch üppig und gefüllt, und sie klammerte sich nahe an den Stängel wie eine Rose. Die Blume war das Exotischste, Bezauberndste, was ich je gesehen hatte. Ich musste sie unbedingt für mich haben.  
Warum ließ mich diese Erinnerung schaudern? Es war nur ein Traum. Ich holte tief Luft und versuchte, meine Gedanken wieder zu sammeln. Es war Zeit zu gehen. Meine Umhängetasche lag griffbereit, denn ich hatte sie bereits am Abend zuvor gepackt. Nur ein paar Dinge hatte ich hineingeworfen – ein Buch, meine Sonnenbrille und etwas Geld für den Fall, dass ich bis nach Riverton kommen musste. Der einzige Ort hier in der Gegend, den man ansatzweise als zivilisiert bezeichnen konnte. Diese Dinge würden mir über den Tag helfen. Ich lief also gar nicht weg. Jedenfalls nicht richtig, wie wenn man eine Pause einlegt, eine neue Identität annimmt, ich weiß auch nicht, zum Zirkus geht oder so was in der Art. Nein, was ich tat, war etwas anderes: Ich wollte etwas deutlich machen. Seit meine Eltern zum ersten Mal vorgeschlagen hatten, dass wir an die Evernight-Akademie wechseln sollten – sie als Lehrer, ich als Schülerin -, war ich dagegen gewesen. Wir hatten mein ganzes Leben lang in derselben Kleinstadt gelebt, und ich war in dieselbe Schule mit denselben Leuten gegangen, seit ich fünf Jahre alt war. Und genau so wollte ich es auch haben. Es gibt Menschen, die gerne Fremde kennenlernen, mühelos ein Gespräch beginnen und Freundschaften schließen, aber so war ich nie gewesen. Ganz im Gegenteil. Es ist komisch: Wenn einen die Leute »schüchtern« nennen, lächeln sie gewöhnlich dabei. Als wäre es ganz süß und eine Angewohnheit, die verschwinden würde, wenn man älter wurde, wie die Lücken zwischen den Zähnen, wenn die Milchzähne ausfielen. Wenn sie wüssten, wie es sich anfühlte, wirklich schüchtern zu sein, nicht nur ein wenig scheu anfänglich, dann würde ihnen das Lächeln vergehen. Wenn sie wüssten, wie das Gefühl als Knoten in deinem Magen wächst, deine Handflächen schweißnass und dich selbst unfähig macht, irgendetwas Sinnvolles von dir zu geben: Das ist überhaupt nicht süß. Meine Eltern lächelten nie, wenn sie das Wort aussprachen. Sie waren zu klug dafür, und ich hatte immer das Gefühl, dass sie mich verstanden, bis sie entschieden, dass sechzehn Jahre das richtige Alter für mich wäre, diese Schüchternheit irgendwie zu überwinden. Und wo könnte man besser damit beginnen als in einem Internat? Vor allem, wenn sie mit von der Partie wären. Irgendwie konnte ich verstehen, was sie dazu gebracht hatte. Aber das war nur Theorie. Vom ersten Moment an, in dem wir in die Auffahrt zur Evernight-Akademie eingebogen waren und ich das riesige, klotzige, mittelalterliche Steinmonstrum gesehen hatte, wusste ich, dass ich auf überhaupt gar keinen Fall hier zur Schule gehen konnte. Mum und Dad hatten mir keine Beachtung geschenkt. Also musste ich sie nun dazu bringen, mir zuzuhören. Auf Zehenspitzen schlich ich durch das kleine Fakultätsapartment, in dem meine Familie seit letztem Monat wohnte. Hinter der geschlossenen Tür zum Schlafzimmer meiner Eltern konnte ich meine Mutter leise schnarchen hören. Ich streifte mir meine Tasche über die Schulter, drehte langsam den Türknauf und begann, die Treppe hinunterzusteigen. Wir waren ganz oben in einem der Evernight-Türme untergebracht, was cooler klingt, als es ist. Es bedeutete, dass ich Stufen nehmen musste, die vor mehr als zwei Jahrhunderten aus dem Felsen gehauen worden waren, was lange genug her war, sodass sie jetzt abgenutzt und ganz schön unregelmäßig waren. Das lange Treppenhaus der Wendeltreppe hatte nur wenige Fenster, und noch war kein Licht an, sodass ein dunkler, schwieriger Weg vor mir lag.  
Als ich nach der Blume griff, raschelte es in der Hecke. Der Wind, dachte ich, aber es war nicht der Wind. Nein, die Hecke wuchs – wuchs so rasch, dass ich dabei zusehen konnte. Wein und Dornenranken schoben sich zwischen den Blättern hervor und wurden zu verschlungenem Gewirr. Noch ehe ich davonlaufen konnte, hatte die Hecke mich schon fast eingeschlossen und mit einem Wall von Zweigen und Blättern und Dornen umgeben.  
Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war, wieder meinen Albträumen nachzuhängen. Ich holte tief Luft und ging weiter hinunter, bis ich die große Halle im Erdgeschoss erreichte. Es war ein würdevoller Ort, so gestaltet, dass er einen inspirierte oder zumindest beeindruckte: Der Boden war mit Marmorfliesen bedeckt, die gewölbte Decke erstreckte sich hoch oben, und bunte Glasfenster reichten vom Boden bis zu den Dachsparren, jedes in einem anderen, kaleidoskopartigen Muster, abgesehen von einem einzigen genau in der Mitte, das aus schlichtem Glas bestand. Offensichtlich hatte man am Abend zuvor alles für die Ereignisse des heutigen Tages vorbereitet, denn es war bereits ein Podest für die Schulleiterin aufgestellt worden, um die Schüler zu begrüßen, die später am heutigen Tage ankommen würden. Niemand sonst schien schon wach zu sein, was bedeutete, dass es niemanden gab, der mich hätte aufhalten können. Mit einem kräftigen Ruck öffnete ich die schwere, geschnitzte Außentür, und dann war ich frei. Bläulich grauer Nebel waberte in Bodennähe, während ich über das Gelände lief. Als man im achtzehnten Jahrhundert die Evernight-Akademie gebaut hatte, war diese Gegend noch Wildnis gewesen. Auch wenn in der weiteren Umgebung einige kleinere Städtchen entstanden waren, hatte sich doch keines von ihnen bis in die Nähe von Evernight ausgedehnt, und trotz des schönen Ausblicks von den Hügeln und der dichten umliegenden Wälder hatte niemand je ein Haus in der Nähe gebaut. Wem konnte man es schon verübeln, dass er diesen Ort meiden wollte? Ich warf einen Blick auf die hohen Steintürme der Schule hinter mir, die beide mit den wasserspeienden Fratzen umringt waren, und schauderte. Noch einige Schritte und sie begannen mit dem Nebel zu verschmelzen.  
Evernight erhob sich drohend hinter mir, die Steinmauern der hohen Türme waren die einzige Barriere, der die Dornen nichts anhaben konnten. Ich hätte zur Schule rennen sollen, aber ich tat es nicht....


Gray, Claudia
Bevor Claudia Gray sich ganz dem Schreiben widmete, arbeitete sie als Anwältin, Journalistin und DJ. Seit ihrer Kindheit interessiert sie sich für Filmklassiker, die Stile vergangener Epochen und Architektur.



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