E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Gralle Mordverdacht. Thriller
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-944257-36-5
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-944257-36-5
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Es hätte alles so schön sein können: Nach seiner schweren Scheidung hat sich der Krankenpfleger Frank Linde wieder verliebt. Seine Auserwählte ist die attraktive Journalistin Liva. Doch bevor sie ihre Liebe richtig genießen können, wird Livas Schwester tot aufgefunden. Da die beiden Schwestern kein gutes Verhältnis zueinander hatten, steht Liva bald als Hauptverdächtige im Mittelpunkt der Ermittlungen. Doch hat seine neue Freundin wirklich ihre eigene Schwester umgebracht? Frank weiß nicht, was er glauben soll und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln...
Ein nervenzerreißender Krimi zwischen Liebe, Verrat und der Frage, was passiert, wenn Geschwister sich hassen.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
Frank Linde dachte sofort an Schneewittchen, als er Liva Arth das erste Mal sah: pechschwarze, wilde Locken, die sich besonders von dem weißen Kopfkissenbezug abhoben. Blasse Haut und brombeerrot geschminkten Lippen, schon morgens vor dem Frühstück. Hinreißend in ihren Kontrasten. Er hätte sich als einer der sieben Zwerge verkleidet, nur um länger mit ihr zusammen zu sein. Ihr Bild blieb in seinem Gedächtnis haften wie ein Reklamezettel, der auf der nassen Windschutzscheibe klebt und die tapferen Bemühungen des Scheibenwischers ungerührt zur Kenntnis nimmt. Auch wenn Frank Salmiak umfüllte oder kurz vor dem Abendessen eine Leiche durch den Flur schob, bekam er Livas schwarz umlocktes Gesicht nicht aus dem Sinn. Für immer festgeklebt. Liva könnte ein Engel sein, dachte er, der aus dem Himmel auf seine Straße gefallen war. Natürlich Unsinn, aber vorstellbar. Nach ihren eigenen Worten war Liva in einem Krankenhaus in Tübingen geboren. Hatte die übliche Kindheit hinter sich. Aufgeschlagene Knie und karieslose Zähne, wegen der Fluorzahnpasta. War mit Pippi-Langstrumpf-Büchern aufgewachsen, hatte als Elfjährige Sammelbilder eingeklebt und besaß nach all den Jahren immer noch ihren alten Teddybär mit dem dritten Augenpaar. Liva und Frank kannten sich noch nicht lange. Ein paar Mal waren sie bei Dr. Nudel essen gegangen. Dr. Nudel servierte raffinierte Nudelgerichte, und die Tische standen weit genug auseinander, um ungestört zu essen. Frank war von Beruf Krankenpfleger mit Abitur. Vor fünfzehn Jahren als Zivi im Krankenhaus hängen geblieben. Er lernte Liva kennen, als man ihr den Wurmfortsatz entfernte und er morgens regelmäßig das Thermometer in ihrem Bett suchen musste. Chronisch unterversorgte Frauenstation. Frank war nicht der strahlende Prinz, der Schneewittchen in ihrem Glassarg entdeckte und sie dann ins Leben zurückrief. Eher zurückhaltend, aber dann auch wieder überraschend hemmungslos. Wenig Ehrgeiz. Schüchtern und unbeholfen am Anfang, aber dann wiederum treu wie ein Labrador. Ohne die Suchaktionen mit dem Thermometer hätte er nicht gewagt, Liva überhaupt anzusprechen und sie später zum Essen einzuladen. Fürchtete, bei ihr abzublitzen und war überrascht, dass sie annahm. Frank war morgens eins achtzig, abends eins achtundsiebzig. Dünnes, blondes Haar wie Seide und die rötlich empfindsame Haut der Blonden. Sein leichter Ansatz zum Bauch war noch nicht bedrohlich. Es gab angenehme Seiten an ihm, die ihm nicht immer klar waren: sein schüchternes Lächeln bezauberte manchmal Krankenschwestern, wenn sie sich Zeit nahmen, ihn überhaupt wahrzunehmen. Beim Kaffeetrinken im Schwesternzimmer zum Beispiel. Aber meistens verhinderte die Hektik männlich-weibliche Ruhezonen. Man konnte sich bei ihm gut vorstellen, dass er in entscheidenden Situationen sensibel reagierte. Etwa feinfühlige Augenblicke mit nachdenklichem Schweigen bei einer Todesnachricht. Frank unterentwickelte ständig seine Fähigkeiten. Typ verkanntes Genie, wobei nicht klar war, auf welchem Gebiet. Seine Fähigkeiten lagen sozusagen im Glassarg und warteten auf die Stolpernummer der Zwerge. Liva, die aussah wie Schneewittchen, und Frank, der sie liebte, passten irgendwie auf eine verschrobene Art zusammen. Dass Livas Bild in Franks Gedanken immer mehr Raum einnahm, regte ihn an und ärgerte ihn gleichzeitig. Denn er hatte sich fest vorgenommen, während des ersten halben Jahres nach Sabines Weggang keine neuen Beziehungen anzufangen. Fünfzehn Jahre gemeinsames Leben mit Sabine! Aber dann hatte sie wegen einer offenen Spülmaschinentür das Weite gesucht. Sie war an einem Abend ausgerutscht und unglücklich auf das Besteckfach mit den Messern gefallen. Narbe am Unterarm als Zeichen der Trennung. Seitdem stellte Frank die Messer immer mit den Klingen nach unten in den Besteckkorb. Das sei aber nur der letzte Tropfen gewesen, sagte Sabine, als Frank sensibel neben ihr saß, während sie genäht wurde. Frank sei eben der Typ, der immer alles offen ließ, aus Angst, sich festzulegen: Wohnzimmertüren, Autotüren, Termine, Fenster, Fragen ... Und jetzt auch noch den Geschirrspüler. „Aber ich habe mich doch auf dich festgelegt“, wagte er zu widersprechen. Sie halte es bei ihm einfach nicht mehr aus, sagte sie, ohne seinen Einwand aufzugreifen. Erst hinterher merkte Frank, wie wertvoll Sabine für ihn gewesen war. Aber das hatte er nicht gewusst, als sie noch zusammen waren. Ihr ständiges Gemecker ging ihm auf die Nerven. Er würde, sagte sie mehrmals, in diesem Krankenhaus noch als Patient enden. Sie selbst mache ständig Fortbildungen und versuche vorwärts zu kommen, während er es höchstens zum OP-Pfleger bringen könne. Und selbst das wolle er nicht. Aber Frank wollte sich eben lieber mit wachen Kranken beschäftigen. Narkotisierte Patienten sind wenig kommunikativ. Und dann noch Sabines stummer Vorwurf, dass sie keine Kinder hatten. Sie war beim Arzt gewesen, und der hatte bei ihr nichts Unnormales feststellen können. Die ganzen weiblichen Innereien seien tadellos in Schuss. Also konnte es doch nur an ihm liegen. Frank hatte sich deswegen sogar eine Zeit lang große Mühe mit der Fortpflanzung gegeben, hatte pfundweise Sellerie und rohe Eier gegessen. Aber ohne Ergebnis. Wahrscheinlich wollte er im tiefsten Innern keine Kinder haben. Traute sich vielleicht nicht zu, sie zu erziehen. Kinderphobie. Und jetzt, nach Sabines Weggang, merkte er, dass sie es eigentlich gut mit ihm gemeint hatte. Hatte an seine höheren Fähigkeiten geglaubt, an seinen inneren Helden sozusagen. Aber sie konnte einfach den heldenhaften, erfolgreichen, Türen schließenden Frank nicht herauslocken. Vermutlich war er zwischen offener Tür und Wand festgeklemmt worden. Seltsam, eigentlich waren es eher Kleinigkeiten, an die Frank sich später erinnerte: Wie Sabine zum Beispiel ihre Lippen spitzte, wenn sie sich konzentrierte, oder wie gerne sie Western sah, die für ihn immer nach dem gleichen Muster abliefen. Oder die Art, das Besteck nach dem Essen wegzulegen. Oder sich mit dem kleinen Finger hinter dem Ohr zu kratzen. Solche idiotischen Dinge verfolgten ihn, seitdem Sabine durch die offene Spülmaschine aus seinem Leben verschwunden war. Manchmal, beim Fernsehen, rechnete er damit, dass sie gleich mit dem Knabberzeug zur Tür hereinkäme. Dann kam Liva und ihr Thermometer dazwischen. Wahrscheinlich war er doch reif für eine neue Frau gewesen. Frauen spüren das. Vielleicht hatte Liva tief in ihrem Unterbewusstsein geahnt, dass sie nun in sein Leben treten müsste. Frank hatte übrigens den Eindruck, dass Liva nicht nur äußerlich eine tolle Frau war, sondern auch von innen durch und durch Frau. Sie konnte diese typischen weiblichen Fragen stellen, auf die ein Mann nie kommen würde, wie zum Beispiel: „Hast du gesehen, wie diese Ärztin neulich mit betont offener Jacke herumgegangen ist, damit jeder sehen konnte, dass ihr Rock zu ihren Ohrringen passte und zu der Strumpfhose, die das gleiche Muster wie ihr Pullover hatte, wenn er ein Muster gehabt hätte?“ Frank war und blieb hingerissen von Liva und ging mit ihr aus. Sie erzählte ihm freimütig von einer Affäre mit einem verheirateten Mann, die vor ein paar Monaten zu Ende gegangen war. Und dann hatte sie ungewöhnliche Hobbys. So beschäftigte sie sich etwa mit alten Sprachen, hatte eine Wulfilabibel zu Hause, weil sie behauptete, es sei irre, bekannte Sätze auf gotisch zu hören. Und dann, eines Abends, saßen sie wieder einmal bei Dr. Nudel. Frank hatte sich Korkenzieher-Pasta mit Erdnuss-Chili-Soße bestellt und Liva – wegen der OP – milde Maultaschen mit Ei und Röstzwiebeln. „Und was machst du so...? Ich meine als Hobby?“, fragte Liva und schob ein Stück Maultasche in den Mund. „Ich sehe gerne Filme.“ „Was für Filme?“ Frank lächelte leicht verschämt. Sein Lächeln, das Krankenschwestern verzauberte. „Na ja, so Filmklassiker: Das Appartement, Schlaflos in Seattle, Ewig grüßt das ...“ „Ach so“, unterbrach sie ihn mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Kitschige Liebesfilme.“ „Das sind Klassiker, die ...“ „Schon klar! Kitschklassiker!“ Frank war etwas verstimmt und sagte nichts. Liva dafür umso mehr. „Warum siehst du dir nicht mal einen richtigen Film an?“ „Was denn für einen?“, brummte Frank. „Zum Beispiel einen von Wim Wenders. Paris, Texas. Nastasja Kinski in einer Traumrolle ...“ „Na ja, mal sehen ...“ Plötzlich sagte sie ohne Zusammenhang zu ihm: „Sag mal, kennst du das auch, dass du das Gefühl hast, in dir steckt etwas Besonderes?“ Sie hielt inne, schien nachzudenken und fuhr fort: „Oder dass sich etwas Ungewöhnliches um dich herum aufbaut?“ Frank blickte sie verblüfft an, denn er hatte gleich bei ihrer ersten Thermometerbegegnung im Krankenhaus das Gefühl gehabt, sie sei etwas Besonderes. Schon ihr Name war ungewöhnlich. Er hatte in den einschlägigen Vornamenbüchern nachgeschlagen,...