E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Gralle Der dritte Tempel: Kriminalroman
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-944257-37-2
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-944257-37-2
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nach einem Einbruch in ihre Wohnung entdeckt die alleinerziehende Selma ein geheimnisvolles Schriftstück, das in den Familienerbstücken verborgen war. Mithilfe eines Archäologen gelingt es ihr die Schrift zu entschlüsseln. So erfährt Selma, dass sie die Nachfahrin von Petrus, einem der Jünger von Jesus, ist. Noch ahnt sie nicht, dass diese Botschaft sie mit Vincent zusammenführen wird, der sich als Gründer einer neuen Religion sieht. Außerdem will er einen dritten jüdischen Tempel mitten in Jerusalem errichten. Eine fixe Idee, doch keiner ahnt, dass er dafür bereit ist, über Leichen zu gehen...
Ein spannender Krimi über ein religiöses Thema, das bis heute brisant diskutiert wird.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Die Personen und die Handlung in diesem Roman sind frei erfunden, die politischen, kulturellen und religiösen Verhältnisse und Hintergründe sowie die im Buch genannten Institutionen existieren wirklich. Diese Geschichte könnte also eines Tages Wirklichkeit werden. Prolog
96 n. Chr., Damaskus, Provinz Syria Die alte Frau tastete nach der Tischkante. Der rasche Wechsel vom grellen Nachmittagslicht in das kühle Dämmerlicht des Lehmhauses ließ die Gegenstände im Dunkeln verschwimmen. Sie hatte diesen Zeitpunkt gewählt, weil alle draußen auf ihrem Stück Land vor der Stadt arbeiteten und sie in Ruhe ließen. Denn Ruhe brauchte sie bei dieser Arbeit. Hoffentlich ist noch niemandem aufgefallen, dass mein Name auf der Liste fehlt! Sie setzte sich. Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an das Zwielicht. Langsam atmete sie aus und ein, als wappnete sie sich für eine wichtige Handlung. „Ich habe das viel zu lange hinausgeschoben“, murmelte sie, stand auf und kniete sich ächzend neben die Wand, vor der eine einfache Strohmatratze lag. Sie schob sie zur Seite, hob den Bastteppich an und wischte mit der Hand über den Boden. Unter dem Lehmstaub wurde etwas Rundes sichtbar: ein verrosteter Metalldeckel, den sie jetzt hochhob. Darunter stand in einem quadratischen Loch ein Holzkästchen, so groß wie eine Männerfaust. Sie hob es heraus, blies den Staub vom Deckel und stellte es auf den Tisch. Im Ofen, der zwar von außen befeuert wurde, aber eine Öffnung nach innen hatte, fand sie noch Glut und zündete damit die Öllampe an, die an einer Kette von einem Deckenbalken hing. Sie setzte sich wieder, öffnete das Kästchen und entnahm ihm ein schmales Goldblech, so dick wie ein Stück Pergament, eine Scherbe geschliffenes Glas und eine Eisennadel. Sie legte das Gold vorsichtig auf den Tisch, hielt das Glasteil vor ihre Augen und fing an, winzige Buchstaben in das Blech zu ritzen, während sich ihre Lippen bewegten. Von draußen hörte sie Lärm, laute Männerstimmen. Sie horchte erschrocken auf. Ob sie jetzt kommen? Leise stand sie auf und schob den Riegel von innen vor. Sie musste zuerst ihre Arbeit zu Ende bringen. Hastig schrieb sie weiter, las halblaut die Worte, die sie in das Gold geritzt hatte, und nickte dabei.Mit der rechten Hand griff sie sich an den Hals und zog ein Schmuckstück unter dem Brusttuch hervor, das an einem Lederband hing. Mit zitternden Händen löste sie die Lederschnur und betrachtete die blinkende Silberkapsel, die so lang war wie ihr Zeigefinger. Wachs verschloss die untere Seite des Kleinods. Am oberen Teil war eine Öse für die Schnur angebracht. Rings um die Kapsel zogen sich feine Verzierungen. Sie kratzte das Wachs ab, holte eine kleine Kugel aus Blei heraus, schob das leicht eingerollte Goldblech in die Kapsel hinein, das den Innenraum ganz ausfüllte, hakte die Öllampe aus und stellte sie auf den Tisch. Plötzlich hämmerte jemand gegen die Tür. Die alte Frau zuckte zusammen und arbeitete fieberhaft weiter: Sie nahm die Bleikugel, klopfte sie mit einem Stein etwas breiter und drückte sie mit zitternden Händen in die Öffnung der Kapsel. Mit dem Zipfel ihres Kopftuchs am einen Ende drehte sie das andere Ende der Kapsel mit dem Bleiverschluss so lange über der Flammenspitze, bis der Pfropfen schließlich mit der Kapsel verschmolz. Gott segne meinen Vater, den Silberschmied, der mir dieses Gold überlassen und mir einiges beigebracht hat! Das Klopfen wiederholte sich und wurde drängender. Hastig fädelte sie die Lederschnur durch die Öse und hing sich die Kapsel um den Hals. „Reclude!“, brüllte jemand auf Latein. „Ja, ja, ich schließe gleich auf!“ Die Nadel legte sie in den Holzkasten und stellte das Ganze wieder in das Versteck, über das sie den Teppich und die Matratze legte. „Geschafft“, sagte sie zu sich selbst, blies die Lampe aus und ging zur Tür. Ich muss so tun, als ob ich keine Angst hätte. Grelles Licht empfing sie. Für einen Augenblick war sie geblendet und sah nur den Umriss zweier Gestalten. Bevor sie etwas sagen konnte, rief der eine schon auf Latein: „He! Frau! Heißt du Rabea?“ Sie richtete sich auf und sah den Mann an. Er war ein römischer Soldat. Auf seiner roten Stirn unter dem Lederhelm standen Schweißperlen. Er war es wohl, der die Sätze geschrien hatte. Der andere, ein Mann mit zwei Papyrusrollen unter dem Arm, war einen Kopf kleiner und blickte zu Boden. Ein paar Nachbarn mit halbwüchsigen Kindern hatten sich eingefunden. Sie nickte, sagte: „ Rabea sum“, und trat aus dem Haus. Mein Gott, das sind sie. Sie haben es also doch gemerkt! „Du fehlst auf der Opfergabenliste für den Kaiser und ein paar andere auch. Wahrscheinlich hast du es vergessen?“ Nun ist es also so weit, Herr! Ihr Unterkiefer zitterte und sie musste gewaltsam die wenigen Zähne, die ihr geblieben waren, aufeinanderbeißen. „Wir haben hier deinen Namen, Rabea, aber es fehlt das Zeichen auf der Liste, dass du ordnungsgemäß im kleinen Tempel oberhalb der Stadt dem Kaiser geopfert hast. Wenn du mit uns zum Tempel hinaufgehst, dann kannst du das Versäumte nachholen.“ Das Latein war zu schnell für sie und der andere Mann musste es ihr ins Aramäische übersetzen. „Non ascendo“, sagte die alte Frau leise, aber bestimmt. „Was? Wie? Du gehst nicht mit hinauf? Sollen wir dich etwa hintragen?“ Der Soldat stieß ein bellendes Lachen aus, bei dem Rabea zusammenzuckte. „Ich opfere dem Kaiser nicht, weil ich Christin bin.“ Der Satz kam langsam, stockend, aber deutlich auf Latein, damit es keine Missverständnisse gab. Einer der Jungen, die dabeistanden, drehte sich um und rannte zielstrebig in eine Richtung davon. Der Mann mit den Papyrusrollen unter dem Arm, offenbar ein Schreiber, stöhnte. „Schon wieder jemand! Es werden immer mehr.“ Er beugte sich zu Rabea hinüber und sagte schnell auf Aramäisch: „Hör mal, ich bin auch Christ. Das ist ein neues Gebot unseres Kaisers. Es ist doch nur ein kleiner, formeller Akt, nichts weiter. Was du in deinem Herzen glaubst, bleibt dir überlassen und geht niemanden etwas an.“ „He, Mann! Was flüsterst du da?“, rief der Soldat und stieß den Schreiber in die Seite. „Ich habe ihr nur gut zugeredet, sonst nichts.“ „Also!“, der Soldat sah Rabea an. „Willst du nun die Opferung durchführen oder nicht? Es dauert so lange, wie du brauchst, um deinen Bauch zu erleichtern.“ „Nein. Ich werde nicht opfern.“ „Dann müssen wir dich festnehmen.“ Er nickte dem Schreiber zu, der Rabeas Hand ergriff und sie festhielt. Offenbar dachte er, es sei überflüssig, eine alte Frau zu fesseln. „Tut mir leid, aber es geht nicht anders.“ „Ich möchte mich noch von meiner Familie verabschieden“, sagte Rabea langsam. „Bei Mercurius, wir können uns hier nicht tagelang aufhalten“, brummte der Soldat. „Wo sind deine Leute?“ Rabea blickte sich hilfesuchend um, da sah sie ein paar Menschen, die auf sie zukamen. Ihr Gesicht hellte sich auf. „Da kommen sie schon!“ Der Junge hat wohl allen Bescheid gesagt. Bald waren die beiden Männer von wild gestikulierenden Menschen umringt, die alle durcheinanderredeten. Der Schreiber ließ Rabeas Hand los, weil er nicht damit rechnete, dass sie weglaufen würde. Es wäre sowieso sinnlos gewesen. In der allgemeinen Aufregung machte Rabea einem jungen Mädchen ein Zeichen und es trat schüchtern neben sie. Unter ihrem Gewand holte Rabea ihre kleine Kapsel am Lederband hervor und drückte sie mitsamt dem Lederriemen ihrer Enkelin in die Hand. Dann blickte sie sie durchdringend an und flüsterte: „Bewahre den Schmuck gut auf und gib ihn deiner Tochter, bevor du stirbst, und sage ihr, sie solle ihn dann ihrer Tochter geben, bevor sie stirbt. Er soll unter den Frauen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Verstehst du mich? Das ist wichtig.“ Das Mädchen nickte ernsthaft ein paar Mal, dann ging es zu den anderen. Seufzend fuhr sich der römische Soldat über die schweißnasse Stirn. „Ich glaube, Krispus, wir haben es hier mit Verrückten zu tun. Sie wollen alle nicht dem Kaiser opfern. Wegen einer lächerlichen Opfergabe setzen sie ihr Leben aufs Spiel. Was ist das für eine Religion, die so etwas fordert?“ Er nahm seinen Helm ab, fuhr sich über die feuchten Haare und setzte lachend hinzu: „Bevor sich die neue Religion durchsetzt, sind ihre Anhänger ausgestorben! Aus lauter Korrektheit. Komisch, nicht?“ Krispus, der Schreiber, verzog den Mund...