Gould | Best Friends - So wie wir sind | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Gould Best Friends - So wie wir sind

Roman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-10-403473-7
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-10-403473-7
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Emily Gould erzählt in ihrem ersten Roman ?Best friends? die Geschichte einer Freundschaft von zwei Frauen um die dreißig mit Humor und Sympathie. Bev und Amy haben sich vor Jahren bei ihrem ersten richtigen Job in New York kennengelernt und sind seitdem beste Freundinnen. Beide sind knapp dreißig, überqualifiziert und unterbezahlt. Amy war eine erfolgreiche Bloggerin, langweilt sich jetzt aber in einer Online-Redaktion, chattet zur Ablenkung die meiste Zeit privat. Bev schlägt sich mit Zeitarbeit durch, um ihre Schulden abzustottern, und lebt in einer eher studentischen WG. Und jetzt ist sie auch noch ungeplant schwanger, und Amy entwickelt einen abwegigen Plan. Ob Amy und Bev bei Sushi und Zigaretten ablästern, sich gegenseitig bei den kleinen und großen Katastrophen des Alltags beistehen oder ihre Lebensentscheidungen kritisch hinterfragen, sie sind immer ehrlich und sehr lebendig.

Emily Gould, geboren 1981 in Silver Spring, Maryland, gelangte als Bloggerin zu großer Bekanntheit und arbeitet heute als freie Autorin und Verlegerin von Emily Books. Sie lebt in New York.
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1


Der Bewerbungsbogen dieser Zeitarbeitsfirma war nur vier Seiten lang, doch Bev war irgendwie nicht dazu gekommen, ihn auszufüllen. Sie hatte vorgehabt, das am Morgen des Vorstellungsgesprächs in der U-Bahn zu erledigen, und nun war der Zug so voll, dass sie das Formular nicht einmal aus der Tasche ziehen konnte. Außerdem stand J.R. Pinkman im selben Wagen und winkte ihr aus dem Gedränge in seiner Ecke zu. Bev lächelte – schön, in dieser Situation jemanden zu sehen, den man kannte und der einen daran erinnerte, wer man unter dem Kostüm eigentlich war. »Businesskleidung erwünscht«, hatte ihr die Frau von der Zeitarbeitsfirma per E-Mail mitgeteilt, weswegen Bev nun morgens um halb neun im B-Train über Rock und Blazer in leicht unterschiedlichen Schwarzschattierungen einen graubraunen Trenchcoat trug. Sie freute sich, ein bekanntes Gesicht zu sehen – aber reden wollte sie wirklich nicht mit J. R. Sie wollte nur einen Sitzplatz ergattern, wenn die Hälfte der Fahrgäste an der Grand Street ausgestiegen war, und die verbleibenden zehn Minuten Fahrzeit nutzen, um ihr Formular auszufüllen. Also winkte sie zurück, sah dann aber weg und senkte den Kopf, damit er begriff, wie konzentriert und beschäftigt sie war, und es ihr einfach nachtun konnte.

Als die Bahn an der Grand Street hielt, rempelte und schubste J. R. sich durch den ganzen Wagen zu Bev hinüber. Sie hatten zusammen bei Warwicke Smythe gearbeitet, einer Literaturagentur, und ganz zu Anfang hatte Bev vielleicht sogar ein bisschen für ihn geschwärmt. Doch das Licht morgens in der U-Bahn war für niemanden besonders vorteilhaft. Außerdem hatte J. R. mehrere leicht schmuddelige Stoffbeutel dabei, in denen vermutlich lauter miese Manuskripte steckten, zusätzlich zu dem, das er in der Hand hielt.

»Wo soll’s denn hingehen?«, fragte er und wies auf Bevs Outfit.

»Zeitarbeit«, antwortete sie. Bev fühlte sich wohl damit, es offen auszusprechen, aber weniger wohl mit dem anschließenden Schweigen.

»Ich dachte, du machst ein Aufbaustudium!«

»Hab ich auch, für ein Jahr.« Bev lächelte gequält. »Nur, dass es, äh, dass es mir irgendwann vorkam wie eine gigantische Geldverschwendung. Und jetzt muss ich so langsam die gigantische Summe zurückzahlen, die ich schon verschwendet habe.« Weil sie dringend das Thema wechseln und ihn (wie sich selbst) daran erinnern wollte, dass sie die Agentur aus guten Gründen verlassen hatte, wies sie auf das Manuskript, das er in der Hand hielt. »Ist das gut, was du da liest?«

J. R. schüttelte den dicken Packen ausgedruckter Seiten. »Ha, soll das ein Witz sein? Das sind immer noch Warwickes Memoiren.« J. R. war einer von mehreren Assistenten, deren Aufgabe vor allem darin bestand, die für die Schublade geschriebenen Memoiren ihres steinalten Chefs abzutippen und zu lektorieren und ihn darüber hinaus alle halbe Stunde zur Toilette zu schieben. »Ist bestimmt super für dich, dass du über solchen Mist nicht mehr nachdenken musst.«

»Ha, ja. Super. Arbeitslos sein ist super.«

Die Bahn kam an der Station Broadway-Lafayette mit einem Ruck zum Stehen. »Dann grüß alle schön von mir!«, sagte Bev, als J. R. seine Beutel zusammensuchte und aufbrach.

»Mach ich. Ich geb’s beim Morgen-Meeting bekannt«, schrie er, als die automatische Ansage schon bat, die Türen freizugeben.

»Aber nicht erzählen, dass ich Zeitarbeit mache!«, rief sie ihm nach, als er ausstieg, doch er ging einfach weiter, so dass Bev nicht wusste, ob er es gehört hatte.

Fünf Minuten vor Beginn des Vorstellungsgesprächs verließ sie die U-Bahn-Station und sah sich im Bryant Park nach einer Stelle um, wo sie sich hinhocken und den Bewerbungsbogen ausfüllen konnte. Als sie gerade ins Freie trat, fielen die ersten Regentropfen eines aufkommenden Sturmtiefs, so dass der graubraune Trench sofort hässliche dunkle Flecken bekam. Sie musste sich wohl einen Schirm bei einem Straßenhändler kaufen. Die kosteten nur fünf Dollar, taugten aber nichts, was immer ärgerlich war, zumal fünf Dollar einen deprimierend hohen Prozentsatz von Bevs augenblicklichem Nettoeinkommen darstellten. Also duckte sie sich unter einen Vorsprung an der Treppe zur Bibliothek und überprüfte den Sims in Ellbogenhöhe auf Taubenkacke, bevor sie das Formular darauflegte. Der Standardkram – Referenzen, beruflicher Werdegang – war rasch erledigt, doch als ihr nur noch eine Minute blieb, stand sie plötzlich ratlos vor einer Frage auf der letzten Seite des Bogens.

»Was sind Ihre wichtigsten Ziele?«

Es war Platz für drei wichtige Ziele vorgesehen, jeweils eine halbe Zeile. Das reichte nicht einmal für einen vollständigen Satz. Bev sah auf die Uhr und erstarrte dann einen unendlichen Augenblick lang in der Beobachtung zweier Finken, die im Gras herumhüpften und sich im Streit um einen zerbröselten Kaffeekettenkeks die Seelen aus den kleinen Hälsen schrien. Dieser blöden Frage war sie wahrscheinlich zuletzt auf der Highschool begegnet oder als Teenager in der Kirche. Sie stellte sich vor, wie sie als junge Bev die Leerstellen ausfüllte, ohne auch nur im Geringsten zu zögern: Hatte sie damals wirklich geglaubt, dass das ihr wahres Bestreben war? Im ersten Collegejahr hatten die wichtigen Ziele wahrscheinlich bereits eher gelautet:

Doch welche Ziele hatte sie jetzt und, wichtiger, welche konnte sie fingieren, damit auf der letzten Seite dieses verwünschten Formulars irgendetwas stand? Bev warf einen Blick auf ihr altes iPhone, um zu prüfen, ob ihre Armbanduhr richtig ging, sah, wie spät es war und kritzelte dann hastig los. Wie gewöhnlich fiel ihr vor allem, was sie hätte erfinden können, die Wahrheit ein.

»1. Finanzielle Stabilität erlangen« – so real wie offensichtlich.

»2. Dazugehören« – sehr allgemein, aber wen kümmerte das. Und:

»3. Das Gefühl haben, eine wichtige Rolle im Leben zu spielen« – vielleicht zu schräg, aber sonst fiel ihr nichts ein, und das war besser als eine leere Zeile.

Zehn Minuten später saß sie vor einer Frau mit freundlichem Gesicht an einem Tischchen in einem winzigen, fensterlosen, kahlen Zimmer. Es sah aus wie ein Verhörraum. Bev widerstand der Versuchung, darüber zu witzeln, dass sie ihren Anwalt dabeihaben wollte. Der Bewerbungsbogen lag zwischen ihnen auf dem Tisch, und die Frau blätterte ihn durch. Sie nickte, nickte, nickte und runzelte schließlich die Stirn.

»Da ist eine kleine Lücke im beruflichen Werdegang, Beverly. Darf ich fragen, warum?«

»O ja, Entschuldigung. Ich wusste nicht, wie ich angeben sollte, was da los war.«

Die Personalerin gab einen kurzen, zustimmenden Laut von sich, hob das Kinn und machte große Augen, als würde sie nun großzügig versuchen, an ihrer Offenheit festzuhalten.

»Ich hatte den Verlag verlassen, weil ich nach Madison gezogen bin, um bei meinem Freund zu sein, der dort Jura studierte. Ich habe ein Jahr dort gewohnt und als Bedienung gejobbt, in einem Weinlokal. Ich fand, dass das nicht der Rede wert ist, und habe da auch keine Zeugnisse oder so.«

»Dann sind Sie wieder hierhergezogen und waren in der Literaturagentur tätig?«

»Ja, vor drei Jahren.«

»Und dann haben Sie in der Agentur gekündigt, um ein Aufbaustudium zu beginnen.«

»Ich habe angefangen, meinen Master zu machen. Aber dann habe ich festgestellt, dass dieses Programm nichts für mich ist und ich mich vielleicht besser, äh, für ein anderes bewerbe. Irgendwann.«

Die Frau verzog das Gesicht, so kurz, dass es Bev beinahe nicht aufgefallen wäre. Sie trug eine Kaufhaushalskette aus übergroßen, unechten Gold- und Silberkugeln, in denen Bev ihr eigenes Gesicht als verzerrtes Spiegelbild sah. »Ist denn Ihr Freund schon fertig mit dem Jurastudium?«

»Ich nehme es an. Wir haben uns getrennt, und ich bin zurück nach New York gezogen. Ich meine, mir wäre es natürlich lieber gewesen, ich hätte meine Stelle behalten und wäre niemals zu ihm gezogen, aber was will man machen?«

»Tut mir sehr leid, ich wollte keine heiklen Themen ansprechen. Und für unser Vorstellungsgespräch ist das natürlich nicht von Belang. Ich denke, wir sagen am besten, Sie waren ein Jahr auf Reisen – wie wäre das?«

»Gern.«

»Und Sie sind Schriftstellerin?«

»Jap!«

»Ist ja cool! Was schreiben Sie denn so?«

»Oh, alles. Ich meine, alles Mögliche. Gerade arbeite ich an Erzählungen, die sozusagen … memoirenmäßig sind?«

»Das ist ja sehr interessant! Wo könnte ich Ihrer Arbeit denn schon begegnet sein? Ich liebe Memoiren! Mein Lesekreis liest gerade Ich liebe diese Autorin. Sie ist so … mutig, wissen Sie? Lässt einfach ihr ganzes Leben hinter sich und reist ein Jahr lang allein durch die Welt.«

»Ja, das war sehr mutig von ihr.«

»Was Sie gemacht haben, war irgendwie ähnlich!«

»Irgendwie!« Bev spürte, wie sich ihr Hals unwillkürlich verengte, als müsste sie gleich weinen. Sie bezwang dieses Gefühl, indem sie forsch den Kopf schüttelte und dabei hoffte, dass es nicht aufdringlich wirkte. »Und wohin vermitteln Sie mich, ich meine, mit meinen Qualifikationen … an was dachten Sie da? Die Freundin, die mich an Ihre Firma verwiesen hat,...


Gould, Emily
Emily Gould, geboren 1981 in Silver Spring, Maryland, gelangte als Bloggerin zu großer Bekanntheit und arbeitet heute als freie Autorin und Verlegerin von Emily Books. Sie lebt in New York.

Emily GouldEmily Gould, geboren 1981 in Silver Spring, Maryland, gelangte als Bloggerin zu großer Bekanntheit und arbeitet heute als freie Autorin und Verlegerin von Emily Books. Sie lebt in New York.

Emily Gould, geboren 1981 in Silver Spring, Maryland, gelangte als Bloggerin zu großer Bekanntheit und arbeitet heute als freie Autorin und Verlegerin von Emily Books. Sie lebt in New York.



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