E-Book, Deutsch, Band 101, 96 Seiten, Format (B × H): 110 mm x 190 mm
Reihe: Ignatianische Impulse
Gottschlich Dein Licht ist Dunkelheit und Nacht
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-429-06696-3
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die „Dritte Woche“ der ignatianischen Exerzitien
E-Book, Deutsch, Band 101, 96 Seiten, Format (B × H): 110 mm x 190 mm
Reihe: Ignatianische Impulse
ISBN: 978-3-429-06696-3
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gottesferne, Glaubensverlust, Gebetstrockenheit – was auf den ersten Blick wie ein spiritueller Betriebsunfall aussieht, erweist sich bei näherer Betrachtung oft als das genaue Gegenteil: intensive, nie gekannte Gottesnähe, verwandelndes Feuer, geistliche Fruchtbarkeit. Allerdings unter der schwarzen Decke erlebter Dunkelheit und Nacht. Die Erfahrungen der „Dritten Woche“ sind kein Ausrutscher auf dem geistlichen Weg, sondern eine entscheidende Etappe, in die und durch die hindurch Gott selber führt. Hier geschehen eine Umwandlung und Tiefenheilung der Seele, die eine ganz neue Form der Gottesbeziehung begründen. Es wird wirklich Leid in vielen Formen durchlebt. Doch das lässt sich eher bewältigen, wenn man Ursache, Sinn und Ziel kennt – oder wenigstens erhoffen kann. Dazu möchte dieses Buch beitragen, ergänzt durch Vorschläge zur geistlichen Gestaltung dieser Zeit für Betroffene und BegleiterInnen.
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IV. Die Dritte Woche als Phase im geistlichen Lebensprozess
1. Sinn und Ziel
»Da sagte Thomas zu den anderen Jüngern: Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben!« (Joh 11,16). Thomas trifft seine Wahl bewusst, genau wissend, dass im Gefolge Jesu Leiden und Todesgefahr warten. In diesem Moment der Tapferkeit ist er allerdings buchstäblich noch meilenweit davon entfernt. Sobald dann das Mit-Leiden konkret gefordert wird, fällt seine Festigkeit wie ein Kartenhaus in sich zusammen und er flieht. Weiter sogar als die anderen, denn er braucht wesentlich länger, um wieder aufzutauchen (vgl. Joh 20,24.26). Im Angesicht des Leidens gerät selbst ein radikal entschlossenes Herz rasch ins Wanken. Das hat sich nicht geändert.Wer konsequent den Weg der Nachfolge geht, wird Leid erfahren. Denn dieser Weg ist ein Läuterungsweg (vgl. Mk 9,43–49; 1 Kor 3,13–15). Und Läuterung schmerzt. Christen verbindet seit der Taufe eine Schicksalsgemeinschaft mit Jesus, die auch die Teilnahme an seiner Passion miteinschließt: »Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.« (Mk 8,34).Widerspruch, Unverständnis, Verachtung, Spott, Benachteiligung, Hass, Verfolgung, zerbrochene Beziehungen, Verzicht, Glaubenszweifel bis hin zum Glaubensverlust, vielleicht ein gewaltsamer Tod kennzeichnen diesen gemeinsamen Weg (vgl. Mt 10,16–28).Wir wissen das. Doch wer damit konfrontiert wird, gerät in Versuchung, nur halbherzig zu folgen. Oder gar zu fliehen wie die Apostel, egal wie eng die Christusbeziehung vorher war. Die Angst zu verlieren, was einem wirklich kostbar ist, die Angst zu sterben, kann auch bei denjenigen übermächtig werden, die bedächtig und völlig ehrlich das »Banner Christi« mit seinen Konsequenzen gewählt haben. Auch bei mir. Deshalb muss ich diese lähmenden Verlustängste loswerden und das Herz festigen, bevor das Leid es vielleicht mit seiner ganzen Wucht trifft. Dazu kann und muss ich zunächst selbst noch aktiv etwas tun, bevor ich zur Passivität, zur Passion verurteilt bin.Wenn wir im Bild vom »Herzenshaus« bleiben:Vor Umbau und Erweiterung werden Stützpfeiler eingezogen, die alles zusammenhalten, wenn das Innere komplett entkernt wird. Und so greift Ignatius in den ersten beiden Betrachtungen der Dritten Woche (Abendmahlssaal und Getsemani, vgl. EB 190–207) zwei wesentliche Elemente vom Ende der Zweiten Woche wieder auf, die schon für die Wahl wichtig waren: Die vollkommene Demut (im Sklavendienst) und der absolute Gehorsam gegenüber Gottes Willen. Diese beiden inneren Haltungen sind das Kennzeichen Jesu und wer ihm wirklich folgen und in seiner Schicksalsgemeinschaft leben will, muss sie sich auch zu eigen machen: »Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht ...« (Phil 2,5–9). Sie bilden das Scharnier von der Zweiten in die Dritte Woche. Zur Erinnerung: Um die Wahl am Ende der Zweiten Woche vorzubereiten, lässt Ignatius sich für die Haltung der vollkommenen Demut entscheiden, die den Willen zur Leidensgemeinschaft mit Christus aus Liebe ausdrücklich einschließt, und davon ausgehend für »alle weiteren Tugenden« (vgl. EB 146, 165–167). In der Besinnung über das »Dritte Menschenpaar« gibt er als Ziel an: »Es will ... nur wollen oder nicht wollen, wie Gott, unser Herr, es in seinen Willen legen und es dem Betreffenden besser erscheinen wird, zu Dienst und Lobpreis für seine göttliche Majestät.« (EB 155). Jetzt werden diese beiden fundamentalen Haltungen in den ersten Betrachtungen der Dritten Woche noch tiefer als wesentlich für die Nachfolge begriffen und danach als fester und unverrückbarer Habitus eingeübt. Bisher hatte ich Gott in der Wahl ja lediglich angeboten, die Konsequenzen der Nachfolge zu tragen (vgl. EB 97f.). Ab jetzt müssen sie schonungslos und beharrlich wirklich praktiziert werden. Pures Lippenbekenntnis oder Halbheiten sind nicht mehr möglich. Nachfolge wird ernst. Der Umwandlungsprozess beginnt.Was bedeutet das konkret? Der Abendmahlssaal: Sklavendienst
Irgendwie kommt die Fußwaschung ein bisschen abrupt und unerwartet daher (vgl. Joh 13,1–17). Mitten im Mahl steht Jesus plötzlich auf, nimmt Handtuch und Schüssel und vollzieht diesen Dienst. Logischerweise hätte das vor den Beginn des Mahles gehört, wenn alle von der staubigen Straße kommen. Wieso aber jetzt? Was ist da passiert? Verständlicher wird das, wenn wir den Bericht bei Lukas parallel dazu lesen: »Es entstand unter ihnen ein Streit darüber, wer von ihnen wohl der Größte sei. Da sagte Jesus zu ihnen: Die Könige herrschen über ihre Völker und die Vollmacht über sie haben, lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste und der Führende soll werden wie der Dienende. Denn wer ist größer: Der bei Tisch sitzt oder der bedient? Ist es nicht der, der bei Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie der, der bedient. Ihr aber habt in meinen Prüfungen bei mir ausgeharrt. Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat: Ihr sollt in meinem Reich an meinem Tisch essen und trinken und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.« (Lk 22,24–30). Wie unfassbar und erschütternd! Alle wissen, dass die Katastrophe bevorsteht. Dieses Mahl ist die letzte große Sehnsucht Jesu für ein ungestörtes Zusammensein und Abschiednehmen, bevor der furchtbare Untergang über ihn hereinbrechen wird. Der ist unabwendbar. Die Zwölf müssten vor Trauer vergehen. Und haben doch nichts anderes im Sinn, als um das Erbe und ihre Position in der Gemeinschaft zu streiten – während Jesus noch dabeisitzt.Als wäre er schon tot. In der Politik geht es nicht zynischer zu. Nichts haben sie begriffen vom Weg Jesu.Wie kann das nur möglich sein nach all der Zeit, die sie zusammen mit ihm verbracht haben? Nun, sie glauben zwar, dass Jesus der Messias ist. Aber bitteschön nach ihren Vorstellungen und Bedingungen! Deshalb hören sie nicht wirklich auf das, was er sagt. Sie filtern nur heraus, was sie hören wollen: Sie sollen die Oberhäupter der neuen Zwölf Stämme sein. Ehrsucht und Machtgier verstopfen Ohr und Herz. Jesus hat das natürlich gemerkt und so mahnt er mehrmals eindringlich: »Wenn einer Ohren zum Hören hat, so höre er! ... Achtet auf das, was ihr hört!« »Achtet darauf, genau hinzuhören! (wörtl.: ... wie ihr hört!« (Mk 4,23f.; Lk 8,18). Sie hören nicht. Sie träumen ihren Traum. Auf dem Weg nach Jerusalem, auf den Thomas sie so entschlossen gedrängt hat, eskaliert das dann. Dreimal geraten sie in heftigen Streit darüber, wer denn nun der Größte unter ihnen sei. Sie gieren nach den besonderen Macht- und Ehrenplätzen rechts und links vom Messias und zwei von ihnen sind sich nicht zu schade, hintenherum die Mutter dafür vorzuschicken, die das unter der Hand schon mal klarmachen soll (vgl. Mt 20,20ff.). Jesus antwortet eindeutig: Groß in seinem Schülerkreis ist der, der den anderen dient. Der zum Sklaven aller wird. Sie hören es nicht. Und jetzt, beim Abschiedsmahl, geht es wieder los. An diesem Punkt greift Jesus zu Handtuch und Schüssel. Es wirkt beinahe wie eine Verzweiflungstat. Jetzt ist die allerletzte Gelegenheit.Vielleicht begreifen sie es ja doch noch, wenn sie es in einem ungeheuerlichen Zeichen sehen, wo er doch über das Wort seit Beginn nicht weiterkommt? Bilder prägen sich tiefer ein als Worte. Besonders dieses. Füße zu waschen ist der Dienst eines Sklaven. Der galt Römern weniger als ein Mensch; nur ein Ding. Selbst ein jüdischer Tischdiener konnte dazu nicht verpflichtet werden. Das Zeichen ist atemberaubend. Gottes Sohn kriecht vor den Menschen im Staub – als wertloser Sklave. Das ist vollkommene Demut.Tiefer, erniedrigter kann man auf dieser Erde nicht sein. Etwas scheint durchzudringen. Petrus schreckt vor diesem göttlichen Sklaven zurück. Doch auch das klarste Zeichen kann noch missdeutet werden. Deshalb erläutert Jesus seine Tat: »Der Führende soll werden wie der Dienende. ... Ich bin unter euch wie der, der bedient.« (s. o.). »Diakonon« sagt Jesus im griechischen Originaltext.Wir hören da schnell den heutigen Diakon heraus; meist in seiner glanzvollen liturgischen Gestalt. Ursprünglich aber ist es die Ableitung von »dia konis«, und das heißt nichts anderes als »sich durch den Staub arbeiten«, »im Staub arbeitend«. Jesus ist ganz unten und nur dort in dieser Erniedrigung hat man »teil an ihm«: Erlebt man also seine volle Gemeinschaft. Auch die 30 Silberstücke für Judas (vgl. Mt 26,15; dazu Ex 21,32: 30 Silberstücke sind der Wert eines Sklaven) und der Kreuzestod, der für Menschen zu grausam und deshalb von den Römern für Sklaven und Verbrecher reserviert war, zeigen nachdrücklich, mit welcher Konsequenz Jesus diese Position einnimmt – und was er von uns erwartet. Deshalb erklärt er sein Zeichen nicht nur. Er macht es testamentarisch zum festen Auftrag für jeden Jünger, künftig selbst wie er an den Menschen diesen Sklavendienst zu vollziehen, statt sich ständig um Rang und Ruhm zu...