Gorrish | Um Spaniens Freiheit | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Gorrish Um Spaniens Freiheit

Roman aus dem spanischen Bürgerkrieg
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-88021-518-4
Verlag: Verlag Neuer Weg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman aus dem spanischen Bürgerkrieg

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-88021-518-4
Verlag: Verlag Neuer Weg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Walter Gorrishs Roman aus dem spanischen Bürgerkrieg zeigt die Entwicklung des Bauernjungen Pablo zum bewußten Kämpfer in den Reihen der spanischen Volksarmee: Im Kampf gegen die Großgrundbesitzer erkennt er, dass der Widerstand gegen den franco-faschistischen Putsch Teil des internationalen Kampfes gegen Faschismus und Krieg ist. Am Beispiel seines Werdegangs erlebt der Leser die verschiedenen Stufen des bewaffneten Kampfes des spanischen Volkes von 1936 bis 1939 mit. Viel ist seit dem Tode Francos von 'schrittweiser Rückkehr zur Demokratie', vom 'spanischen Wunder' und 'schrittweiser Revolution' die Rede. Die Veränderungen haben aber weder etwas mit einem 'Wunder' noch mit einer 'Revolution' zu tun. Vielmehr versuchen die alten Kapitalisten, die alten Großgrundbesitzer, die 'Granden' mit dem Schachzug der 'Demokratisierung' noch einmal ihre Herrschaft zu retten. 'Um Spaniens Freiheit' zeigt anschaulich, dass allein der Kampf des Volkes gegen die Spalter und Verräter, gegen diejenigen, die den Weg der Zusammenarbeit mit den Feinden des Volkes gehen wollen, die Garantie für den Sieg der Demokratie bietet. Der bewaffnete Kampf des spanischen Volkes hat welthistorische Bedeutung. Er war ein Brennpunkt des weltweiten Kampfes gegen den Vormarsch des Faschismus und seine Weltkriegspläne. Auch heute zeigt er uns, wie auf der Grundlage der kämpferischen Einheit des ganzen Volkes, der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft einzig ein erfolgreicher Kampf gegen Faschismus und Kriegsgefahr geführt werden kann.

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I


Pablos erster Eindruck war nicht entscheidend für sein endgültiges Urteil. Wie ein ermüdeter Schwimmer ließ er sich treiben; und erst allmählich bekam er festen Boden unter den Füßen. Der Grund für sein vorsichtiges Tasten mochte wohl hauptsächlich darin liegen, daß er die Compañeros de la Brigada International nicht verstand. Auch war er wirklich enttäuscht, als er sie eines Tages in der glühenden Sonne wie die Sklaven mit Hacke und Schaufel schuften sah.

Einmal, als er die ausländischen Kameraden besuchte, stieß er auf Edgar und Jerry. Er hatte Edgar noch nie gesehen, doch als ihn der Student ansprach, duckte er sich blitzschnell, und in seinen Augen brannte ein dunkler Glanz. Und obwohl Edgar klein war und schwache Schultern hatte, stieg unwiderstehlich das Bild des Dicken in ihm auf.

Edgar lächelte hilflos. „Was mag er gegen mich haben?,“ wandte er sich an Jerry.

Wie die meisten Matrosen sprach Jerry etwas spanisch. „Was hast du?“ fragte er Pablo. „Springst herum wie ein neugeborenes Kalb.“

Pablo sah ein lustiges, mit unwahrscheinlich vielen Sommersprossen bedecktes Gesicht. Ohne Zweifel, dieser Compañero mit den schrecklich langen Beinen gefiel ihm.

Er ließ sich treiben. Was gingen ihn die beiden an. Trotzdem verfolgte er sie. Er wollte die Panzer, Flieger und Kanonen sehen, von denen so viel gesprochen wurde. Er war neugierig, er zitterte vor Gier nach dem Anblick der Waffen, die er als ein Werkzeug seiner Rache so sehnlichst herbeiwünschte. Pablo war verzweifelt, als er erkennen mußte, daß an all dem Gerede nichts dran war. Aber er hoffte noch. Vielleicht stand das alles außerhalb des Dorfes in den Seitentälern und verborgenen Schluchten der Sierra.

Bis auf wenige Häuser war das Dorf zerstört. Es machte den Eindruck einer vor Jahrhunderten untergegangenen Siedlung, auf der eine geheimnisvolle Stille und brütende Hitze lastete. Noch immer folgte Pablo den beiden. Um nicht aufzufallen, hielt er einen gewissen Abstand. Jerry sah ihn in den Scheiben eines offenstehenden Fensters.

„Er ist hinter uns her", sagte er zu Edgar. Und nach einer Pause: „Ich habe einmal einen Matrosen gekannt, ein altes versoffenes Luder. Kein Schiff nahm ihn mehr. Er schaffte sich einen Grünkramladen und einen Hund an. Es war schrecklich, wenn er das Tier verprügelte. Einmal riß er dem Vieh ein Ohr ab. Ich habe es ihm kräftig gegeben. Dem Kerl, meine ich."

Edgar verstand und sprach englisch. Aber jedesmal, wenn ihm Jerry längere Zeit was erzählte, verfiel er in seinen Londoner Dialekt, und Edgar fragte: „Wie, bitte?“

„Ich meine, daß der Köter menschenscheu wurde. Auch habe ich ihn nie mehr bellen gehört.“

Edgar hatte keine Zeit, seiner Verwunderung Ausdruck zu geben; denn Jerry rief den Jungen zu sich heran.

Langsam kam Pablo näher. Sein Benehmen war unsicher. Er wußte, daß er sich unhöflich, sogar sehr unhöflich benommen hatte. Was sollten die Compañeros bloß von ihm denken? Er streifte Jerry nur mit einem Blick, aber an Edgars Zügen saugte er sich für Sekunden fest. Mit dem schmalen Gesicht und der kühn hervorspringenden Nase glich er einem Katalonier. Nur schade, daß die Sprache des Fremden so klang wie die des Dicken, damals als er zu den beiden Männern gesprochen hatte. Ein wenig blaß ist er auch, sann Pablo. Ohne daß es ihm bewußt wurde, setzte er einen Fuß vor und drehte ein wenig die Schultern.

„Oho“, lachte Jerry, „willst wohl gleich anfangen zu boxen?“

Pablo lächelte nicht zurück. Den Kopf in die Schultern gezogen, wartete er ruhig ab, was Jerry von ihm wollte.

„Zum Teufel“, begann Jerry, aus der Ruhe gebracht, „das ist Edgar und ein Aleman obendrein.“

„Ich weiß es.“

„Woher weißt du es denn?“

„Ich weiß es“, gab Pablo halsstarrig zurüc.

„Ich bin Jerry und Engländer, und wenn du nichts dagegen hast, habe ich rote Haare.“

Nein, Pablo hatte nichts dagegen einzuwenden.

„Mit uns beiden ist es eine lange Geschichte“, fuhr Jerry auf Edgar zeigend fort. „Es hat eine Zeit gegeben, wo sich unsere Väter gegenüberlagen. Sie kannten sich gar nicht, trotzdem wandten sie alle Energie auf, um sich gegenseitig zu töten. Hast du jemals solch einen Blödsinn gehört?“

Nein, so etwas hatte er noch nie gehört.

„Was soll ich bloß mit diesem Fisch machen?“ wandte sich Jerry an Edgar.

Edgar hatte eine gute Idee. „Wir nehmen ihn mit zu uns“, schlug er Jerry vor.

Jerry übersetzte, und Pablo willigte ein. Unterwegs hielt Jerry einen Vortrag über das stupide Leben der Bauern. „Ein gutes Beispiel hast du hier an dem Jungen. Obwohl er von Natur aus ein intelligentes Gesicht hat, kann er kaum antworten. Ich wette, daß er nicht einmal weiß, warum er überhaupt kämpft. Aber wenn es ihm einmal jemand beibringt ... oha!“ Jerry zog die Brauen hoch und machte ein feierliches Gesicht.

Natürlich verstand Pablo kein Wort von dem Blödsinn, den Jerry verzapfte. Aus diesem Grunde hörte er auch nicht hin. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn er gewußt hätte, wo die Compañeros eigentlich alle steckten. Er wußte, daß ein ganzes Bataillon anwesend war, und es verblüffte ihn, daß er niemand sah. Erst als sie gemeinsam in ein einigermaßen erhaltenes Gehöft einbogen, stand er plötzlich vor einer Anzahl in Khakiuniform gekleideter Soldaten. Sie saßen um einen ebenso gekleideten Mann mit weißem Haar, der ihnen eine Rede hielt. Noch lange Zeit später dachte Pablo an sein erstes Zusammentreffen mit der Internationalen Brigade, später, als er wußte, daß hiermit seine eigentliche Entwicklung begann. Bis jetzt war er nur ein Samenkorn gewesen, das der Pflege bedurfte. Jetzt sollte er zum Sämann werden, dem der Samen anvertraut wurde.

Der Kommissar, wie ihn Jerry flüsternd über die Person des Mannes unterrichtete, hatte seine Ansprache beendet. Wenige Augenblicke später stand Jerry selbst in dem Kreis. Mit geschickten Griffen nahm er ein MG auseinander, und seine Schüler setzten es wieder zusammen.

„Wir haben drei Tage bis zu euch gebraucht“, erklärte er Pablo in einer Pause, „und haben nur noch zwei Tage Zeit, um aus ihnen Soldaten zu machen.“

Ungläubig starrte Pablo auf die Männer. An ihrer Sprache hörte er, daß die meisten Alemanos waren. Doch nicht das bedrückte ihn im Augenblick. Wenn sie keine schweren Waffen mitgebracht hatten, warum waren sie dann überhaupt gekommen? Sechshundert Mann hatten die MG schnell aufgefressen.

Während des Mittagessens beschäftigte sich Edgar mit ihm. Er sprach langsam, jedes Wort wiederholend, lateinisch. Widerwillig gab Pablo zu, daß er einige Worte begriffen hatte. Einmal verbesserte er sogar Edgar, das heißt, er übersetzte es in reines Kastilianisch.

Später, als Edgar versuchte, ihm das weiche lispelnde „c“ nachzusprechen, flog der Schatten eines Lächelns über sein Gesicht. Es waren merkwürdige Menschen, diese Ausländer. Ohne daß er es selbst merkte, legte er. im Verlauf der Unterhaltung ein wenig von seinem schroffen, abweisenden Benehmen ab. Es gab sogar Augenblicke, wo er seinen Kummer vergaß. Er war dann liebenswürdig und lebendig und verbesserte gerne Edgars fehlerhafte Aussprache. Doch dann kam es wieder über ihn. Es war plötzlich da, die Glut, die seine Gedanken verbrannte, sie in einen Haufen wertloser Asche verwandelte und ihn in eine tiefe Traurigkeit stieß. Er war wehrlos dagegen. Er war ein Schwerkranker, der sich selbst nicht helfen konnte.

Und darum half ihm Edgar. Man konnte nicht von ihm sagen, daß er ein lustiger Bursche war. Eher war er ein Grübler, der oft Schaden nur darum erlitten hatte, weil er sich bemühte, die Handlungen anderer Menschen zu verstehen. Daß ihn seine Menschenliebe sogar ins Zuchthaus, gebracht hatte, regte ihn weiter nicht auf. Im Gegenteil, es war das stärkste Argument in seiner Beweisführung. „Hätte mich das deutsche Volk begriffen“, pflegte er oftmals in Diskussionen zu sagen, „ich wäre bestimmt nicht ins Zuchthaus gekommen.“ Er war ein unverbesserlicher Optimist, wenn die Rede auf Deutschland kam. Trotzdem er alle, die ein Menschenantlitz trugen, als Menschen anerkannte, war er ein begeisterter Deutscher. Im Augenblick war er dabei, die spanische Aussprache besonders zu entstellen. Manchmal hatte er Erfolg und entlockte Pablo ein nachsichtiges Lächeln.

„Ich möchte nicht in seiner Haut stecken“, sägte er während des Essens, als er sich mit Jerry über Pablo unterhielt. „Nein, verdammt nicht; man glaubt, man sei tot bei lebendigem Leibe. Ich weiß, ich rede Unsinn, entschuldige mich.“

Nach der Siesta fand draußen eine Übung statt. Unter einem Feigenbaum sitzend sah Pablo zu. Schon nach kurzer Zeit entdeckte er in dem Auf und Ab des Vorgehens ein gewisses System. Und obwohl er den Sinn nicht begriff, merkte er sich doch alles ganz genau.

„Na“, triumphierte Jerry, „was hältst du davon? Außer ganz wenigen sind sie alle erst seit vier Tagen Soldat.“

Pablo hielt gar nichts davon. Schwieg aber. Jerry würde ihn ja doch nicht begreifen. Er hatte ja selbst alles mit angesehen. Wie die Schnecken waren die Compañeros durchs Gelände gekrochen. Hinter jedem Stein und Erdaufwurf hatten sie ihre Köpfe versteckt. Was sollte man davon halten? Die Höflichkeit Fremden gegenüber verbot es ihm, sie als Feiglinge zu bezeichnen, und doch konnte er es nicht unterlassen, verächtlich den Mund zu verziehen. Jedenfalls waren sie wie lahme Mulas umhergesprungen. Bei einem Sturm auf die Stellungen der Granden mußte man schnelle Beine, ein starkes Herz und gute Lungen haben. Pablo wußte Bescheid. In rasendem Lauf war er...



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