E-Book, Deutsch, 224 Seiten
González Mangroven - Manglares
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-85990-258-9
Verlag: edition 8
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gedichte (Spanisch - Deutsch)
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-85990-258-9
Verlag: edition 8
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Manglares (Mangroven) ist das einzige lyri- sche Werk des Romanciers Tomás González. Es ist seine poetische Autobiografie und deshalb ein Perpetuum mobile. So wie es von Mörike nur ein Buch gibt, das ständig gewachsen ist und sich verändert hat - seine Gedichte sind im Lauf von 26 Jahren in drei verschiedenen Ausgaben erschienen - und wie es Walt Whitman mit seinen Leaves of Grass (vier verschiedene Ausgaben in 37 Jahren) getan hat, so hat González sein Buch seit der ersten Veröffentlichung immer weiterentwickelt, hat Verse geändert, Gedichte herausgenommen, neue hinzugefügt. Zwischen 1997 und 2013 sind vier verschiedene Ausgaben von Manglares erschienen. Das vorliegende Buch ist die erste Ausgabe in einer anderen Sprache.
Tomás González, geboren 1950 in Medellín (Kolumbien). Studierte Philosophie in Bogotá und verbrachte 19 Jahre in den USA (drei Jahre in Miami und 16 Jahre in New York). 2002 Rück- kehr nach Kolumbien. Lebt zurückgezogen in den Bergen bei Cachipay (Cundinamarca), zwei Stunden von Bogotá entfernt. Bisherige Werke: Acht Romane, zwei Erzählungsbände - und Manglares (Gedichte). Armando Williams (Umschlagillustrationen), geboren 1956 in Lima (Peru). Lebte 13 Jahre in New York, wo er am Pratt Institute studierte. 1997 Rückkehr nach Lima. Er ist ein Künstler, der seine Bilder nicht 'Naturaleza muerta' (tote Natur = Stillleben), sondern 'Naturaleza viva' (lebendige stille Natur) nennt. Näheres unter www.armandowilliams.blogspot.com Karina Theurer, geboren 1980 in Münsingen, lebt in Berlin. Juristin mit Schwerpunkt Postkolonialismus und Recht, Übersetzerin aus dem Spanischen, Mitherausgeberin der zweisprachigen Literaturzeitschrift alba. lateinamerika lesen. Peter Schultze-Kraft, geboren 1937 in Berlin, lebt im Schwarzwald. Seit 46 Jahren Vermittler lateinamerikanischer Literatur im deutschsprachigen Raum. Betreut das Werk von Tomás González. Gert Loschütz, geboren 1946 in Genthin, freier Schriftsteller in Berlin. Zuletzt erschienen von ihm der Erzählungsband Das erleuchtete Fenster und das Kinderbuch Auf der Birnbaumwiese.
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EN LA SELVA aún oscura, en Mutatá, a mis ocho años de edad, las ruidosas guacamayas sobrevolaron el ulular pagano de los micos que elevaban columnas de aullidos monte adentro, mientras el sol salía para mí, para ellos, para todos, más allá de las ceibas, más allá de los robles, más allá del intrincado entrevero de la selva. Veinte años más tarde un barco de velas remendadas nos llevaría, a mí, a Dora, a todos, de Tolú a las islas San Bernardo. ¿Quién soy yo, entonces?, pregunto. ¿Quiénes son todos? Y desde la playa, con las velas ya plegadas, se vería sobre el agua transparente como suspendido en el aire: un tugurio flotante, un producto del sopor, un desatino. ES WAR NOCH DUNKEL im Urwald, in Mutatá, ich war acht Jahre alt, und die Aras flogen kreischend über den Höllenlärm der Affen hinweg, deren Gebrüll in Säulen aus dem Wald stieg, während die Sonne aufging, für mich, für sie, für alle, weit hinter den Ceibas, weit hinter den Eichen, weit hinter dem dichten Unterholz des Urwalds. Zwanzig Jahre danach brachte ein Boot mit geflickten Segeln mich, Dora, uns alle von Tolú zu den San Bernardo-Inseln. Wer bin ich also?, frage ich mich. Wer sind wir alle? Vom Strand aus sah man es, schon mit gerefftem Segel, über dem durchsichtigen Wasser wie eine Luftspiegelung: eine schwimmende Hütte, ein Traumbild, ein Hirngespinst. HONDA, 10 p.m. El murciélago en la noche, raso y huesos en lo oscuro, iba veloz y afilado bordeando con soltura mangos, palmas, archipiélagos de luces, ventanas iluminadas y la luz de mi mirada que brillaba en el borde eterno de su sombra. HONDA, UM ZEHN UHR NACHTS Die Fledermaus in der Nacht, bloß Satin und Knochen in der Dunkelheit, flog pfeilschnell und spitz mühelos an den Mangobäumen vorbei, den Palmen, Lichtinseln und erleuchteten Fenstern und am Lichthof meines Blicks, der an ihrer beweglichen Schattengrenze funkelte. TOLÚ, AÑO 1959 Gotear de los remos caño arriba, íbamos en silencio profundo entre los mangles, quietas nuestras vidas en medio del bullicio cercano de los pájaros. La luz venía del cielo y se volvía espesa bajando por las ramas, metiéndose en el agua, buscando el origen de los mangles, que venían desde el lodo y tocaban el agua con sus ramas. TOLÚ, 1959 Tropfen des Wassers von den Rudern, in tiefem Schweigen glitten wir zwischen den Mangroven dahin, inmitten des Vogelgeschreis war unser Leben zur Ruhe gekommen. Das Licht kam vom Himmel und schlängelte sich schwerfällig die Äste hinab ins Wasser, auf der Suche nach dem Ursprung der Mangroven, die aus dem Schlamm emporwuchsen und ihre Äste ins Wasser hängen ließen. TOLÚ, ESE MISMO AÑO El sol que sube, rojo, en el Atlántico, las canoas varadas en las playas, las atarrayas secándose en los patios, los sábalos tendidos en la arena —sus escamas brincando del cuchillo, sueltas, como monedas de aluminio—, el aeropuerto desierto, el DC3 cubierto de rocío y separado del tiempo, brillando en un aire que es frío todavía. Y de atrás, sobre ciénagas, sobre pastos, sobre vías asfaltadas, sobre palmas y ganado, sobre caños, sobre arenas que embellecen algas sueltas, y entrando al mar como si todo apenas hubiera comenzado, los sobrios alcatraces, que pasan enfilados. TOLÚ, IM SELBEN JAHR Die Sonne, die rot aus dem Atlantik steigt, die am Strand vertäuten Boote, die Netze, die in den Patios trocknen, die im Sand ausgebreiteten Sábalos – ihre Schuppen, die einzeln, wie Aluminiummünzen, von der Klinge wegspringen –, der verlassene Flugplatz, die DC3, die taufeucht und außerhalb der Zeit in der noch kalten Luft glitzert. Und von weit her kommend, über Sümpfe, über Weiden, über Landstraßen, über Palmen und Viehherden, über Flüsse und den an manchen Stellen von Algen verschönerten Sand hinaus aufs Meer, als finge alles erst an: die ernsten Albatrosse, die in langer Reihe vorbeiziehen. LODO Era en julio, creo, época de lluvias. Los caños, repletos, se habían derramado, llenando el mar de lodo. Estamos en Tolú, en el año, tal vez, 58. Las olas derrumbaban en la arena su barro estrepitoso. El barro corría por las calles y subía a los ijares de cebúes que mugían, arreados en la lluvia, al frente de jinetes ululantes. Como hiedras cafés, enredaderas turbias, el barro se trepaba por la lluvia al aire. Había barcos anclados frente al pueblo. Y los barcos anclados frente al pueblo que mecían su sombra en las tinieblas por momentos perdían sus fronteras y se unían sin remedio al lodazal eterno. SCHLAMM Es war im Juli, glaube ich, in der Regenzeit, 1958 vielleicht, in Tolú. Die Kanäle waren so voll, dass sie überliefen und den Schlamm ins Meer schwemmten. Die Wellen warfen ihn schäumend an den Strand zurück. Der Schlamm ergoß sich in die Straßen und stieg an den Flanken der Zebu-Rinder hoch, die, von fluchenden Reitern durch den strömenden Regen getrieben, laut brüllten. Wie kaffeebrauner Efeu kletterte der Schlamm am Regen empor in die Höhe. Beim Dorf lagen Schiffe vor Anker. Und die beim Dorf vor Anker liegenden Schiffe, die sich schemenhaft in der Dunkelheit wiegten, verloren für Augenblicke ihre Konturen und fügten sich umstandslos in die ewige Welt des Schlamms. CORRALEJA Recuerdo el circo hecho de guadua, la violencia del sol, los cebúes enloquecidos, los borrachos como trapos que toreaban con pañuelos a los toros. El espectáculo, sin forma, era explosivo. A un botellazo en la tribuna seguía un remolino donde bien habrían podido brillar las puñaladas. A una cornada benigna, una ovación, saludos, payasadas, billetes que volaban sobre el ruedo. Corraleja en Tolú, hace mucho tiempo. Hubo una cornada fea, marginal, que pocos vieron. Y nunca supe si al hombre, que sacaron entre cuatro cargadores que al mismo tiempo cargaban y bebían, lo sacaban del ruedo sólo herido o si aquellos ojos que giraban, aquella cal de tapia en las orejas, aquella boca abierta que el sol iluminaba era porque la muerte llegaba —pálida siempre, íntima, atenta, indiferente a cualquier otra fantasía— en mitad del descarrío total, en medio de la más desenfrenada algarabía. CORRALEJA Ich erinnere mich an den runden Sandplatz, an die Tribünen aus Bambusrohr, die gleißende Sonne, die bis aufs Blut gereizten Zebus, die Betrunkenen, die ihre Taschentücher vor den Stieren schwenkten. Ein Flaschenwurf auf der Tribüne führte zu einem Handgemenge, das in einer Messerstecherei hätte enden können. Ein gut parierter Angriff wurde mit Beifall bedacht, mit albernen Glückwünschen und in die Arena fliegenden Geldscheinen. Eine Corraleja in Tolú, vor langer Zeit. Ein tückischer Hornstoß nebenbei, kaum bemerkt, und niemals werde ich wissen, ob der Mann, der von vier Helfern hinausgetragen wurde (die beim Tragen weiter tranken), nur verletzt war oder ob jene weit aufgerissenen Augen, jene kalkweißen Ohren, jener offene Mund, in den die Sonne schien, den nahenden Tod anzeigten, den immer bleichen, intimen, gewissenhaften, allem Wünschen gegenüber gleichgültigen Tod, mitten in diesem entfesselten Treiben, mitten in diesem ausgelassenen Geschrei. EL AGUACERO QUEBRABA ramas de guamos y naranjos. Abajo la quebrada, usualmente musical, rugía monocorde entre las piedras. Caían rayos sobre cafetales deshechos por las nieblas. Los perros, aterrados, buscaban la oscuridad de las tarimas. El sol estaba detrás de nubes negras, y entonces el sonido se empezó a sentir, primero ambiguo, como la suelta arista de algún trueno lejano o como un...