Golabek / Cohen | Die Pianistin von Wien | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Golabek / Cohen Die Pianistin von Wien

Eine Geschichte von Überleben, Liebe und Musik
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-903083-70-7
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Geschichte von Überleben, Liebe und Musik

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-903083-70-7
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Vom Flüchtlingskind zur Konzertpianistin 'Halte an deiner Musik fest. Sie wird dein bester Freund fürs Leben sein.' Das sind die letzten Sätze, die Lisa Jura von ihrer Familie mit auf den Weg gegeben werden. 14 Jahre ist sie alt, ein Wunderkind am Klavier - und Jüdin im von den Nationalsozialisten besetzten Wien. Als ihre Eltern die Chance bekommen, eine ihrer Töchter mit einem Kindertransport nach Großbritannien zu schicken, entscheiden sie sich für Lisa. Untergebracht in einem Londoner Kinderheim in der Willesden Lane, wird Lisas Musik zu Trost und Hoffnung für andere Flüchtlingskinder in der Fremde. Sie fasst den Mut, für die Erfüllung ihrer musikalischen Träume zu kämpfen - und Konzertpianistin zu werden. Mona Golabek erzählt in ihrem Roman über die Macht der Musik: 'Die Pianistin von Wien' ist eine wahre Geschichte und Golabeks bewegende Reverenz an ihre Mutter Lisa.

Mona Golabek ist eine international erfolgreiche Konzertpianistin. Sie moderiert die Radioklassiksendung 'The Romantic Hours' und erhielt für ihre CD-Einspielungen eine Grammy-Nominierung. Für ihre One-Woman-Show 'The Pianist of Wildesten Lane', die bereits in New York, Chicago, Los Angeles und London zu sehen war, war sie für den New York Drama Desk Award nominiert. Der BBC-Spielfilm 'The Children of Wildesten Lane' und die Filmdokumentation 'I am a Pianist' über Lisa Jura werden 2018 veröffentlicht werden. In den USA hat Mona Golabek die Geschichte ihrer Mutter bereits vor mehr als 250 000 Studierenden erzählt, zuletzt sprach sie vor den Vereinten Nationen. Rabbi Lord Jonathan Sacks nannte ihr Buch 'beispielgebend für die Geschichte von Shoah-Überlebenden'. Die Autorin und Musikerin lebt in Los Angeles. Lee Cohen ist Journalist, Drehbuchautor und Dichter. Er ist Produzent der Filmdokumentation 'I am a Pianist' über Mona Golabek und ihre Mutter.

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1
Lisa Jura legte viel Wert auf ihr Äußeres. Eine Ewigkeit stand sie vor dem Spiegel und zupfte ihr dunkelrotes Haar zurecht, bis es topmodisch unter dem Wollhütchen hervorspitzte, das sie gerade im Geschäft für Gebrauchtmode gekauft hatte. Der Hut brauchte den perfekten schrägen Sitz … ja, so. Genau so, wie sie es bei den Modellen in den Modemagazinen gesehen hatte. Sie war entschlossen, reifer auszusehen, als sie es mit ihren vierzehn Jahren war. Sie fuhr zur Klavierstunde. Nichts war ihr wichtiger als das. Endlich wandte sie sich vom Spiegel ab und warf dem feschen jungen Mädchen, das sie darin erblickte, ein Lächeln zu. Leise, um die Familie nicht zu stören, schloss sie die Wohnungstür, ging treppab durch das menschenvolle Mietshaus und trat aus dem düsteren grauen Gebäude hinaus aufs Trottoir der Franzensbrückenstraße im Herzen der Leopoldstadt, des jüdischen Hauptbezirks von Wien. Wie an jedem Sonntag seit ihrem zehnten Lebensjahr bestieg Lisa die Trambahn und fuhr durch die Stadt zu Professor Lenz’ Klavierschule. Sie liebte diese Fahrt quer durch Wien, das war eine Reise in ein anderes Jahrhundert, in eine Epoche prachtvoller Palais und funkelnder Ballsäle. Straße um Straße aus Marmor und Granit, Kolonnaden und Fassaden. Der Turm des Stephansdoms tanzte vorbei. »Alter Steffl« nannte der Vater die Kirche. Ein dummer Name, dachte Lisa. Er passte nicht zu diesem grandiosen Gotteshaus. Als die Bahn den breiten Heumarkt hinunterfuhr, vorbei am Konzerthaus, schloss Lisa wie schon so oft die Augen und stellte sich vor, sie säße reglos auf der Bühne des großen Saales am Flügel. Stille senkte sich über das Publikum. Vor Lisa schimmerten die Tasten aus Ebenholz und Elfenbein. Innerlich hörte sie die Einleitung des heroischen Klavierkonzerts von Grieg, den anschwellenden Paukenwirbel, der ihrem Einsatz voranging. Kerzengerade nahm sie die elegante Pose ein, die ihre Mutter sie gelehrt hatte, und als die Spannung fast ins Unerträgliche gewachsen war, holte sie Atem und schlug an. Sie spürte die Erregung der Zuhörer und fühlte ihr Herz im Takt mit den ihren schlagen. Die Seligkeit, die Musik in sich zu hören, war so stark, dass das Gerassel der Fahrt und der Straßenlärm Lisa nicht mehr störten. Als sie endlich die Augen aufschlug, bog die Bahn gerade in die Ringstraße ein, den baumbestandenen Prachtboulevard, an dem die Staatsoper steht. Staunend blickte Lisa aus dem Fenster und wartete darauf, dass der Fahrer ihre Haltestelle ausrief. Dies war das Wien Mozarts, Beethovens, Schuberts, Mahlers und Strauss’, der größten Komponisten aller Zeiten. So viel hatte Lisas Mutter ihr von ihnen erzählt, und sie hatte sich insgeheim geschworen, ihren hohen Vorgaben nachzueifern. Sie hörte ihre Musik im Marmor der Bauten, im Pflaster der Straßen. Sie waren hier. Sie lauschten. Mit dröhnender Stimme rief der Fahrer ihre Haltestelle aus: »Mahlerstraße«. Bald schon würde sie »Meistersingerstraße« heißen. Dass eine so schöne Straße nach einem Juden benannt war, duldeten die Nazis nicht mehr. Wut stieg in Lisa auf, wenn sie daran dachte, jedoch sie beherrschte sich. Aufgeregtheit schadete nur ihrer Musik. Sie zwang sich, an die bevorstehende Stunde zu denken. Sie wusste nur zu gut, dass, saß sie einmal am Klavier, die Welt um sie herum versinken würde. Trotz der frühen Stunde summten die mit Cafés gesäumten Straßen schon wie ein Bienenstock. Walzerklänge der »Blauen Donau«, gemischt mit swingendem Dixieland-Jazz, ließen Lisa wieder lächeln. Der Duft von frischem Apfelstrudel weckte Sehnsucht nach dem Rezept ihrer Mutter – sie buk den besten Strudel von Wien! In den Kaffeehäusern nippten gut gekleidete junge Männer und Frauen, die in lebhafte Gespräche vertieft waren, an ihren Tassen. Lisa sah in ihnen Komponisten, Künstler, Dichter, die leidenschaftlich ihre neuen Werke verteidigten. Wie sie sich danach sehnte, zu ihnen zu gehören, in schicker Garderobe über Beethoven und Mozart zu sprechen – in der glanzvollen Kaffeehausgesellschaft zu verkehren. Eines Tages, nach ihrem musikalischen Debüt, würden diese Straßen, diese Cafés ihr gehören. Kurz vor dem Ziel stockte Lisas Schritt. Am Eingang des großen Hauses, das die Klavierschule von Professor Lenz beherbergte, stand, hochgewachsen und emotionslos, ein deutscher Soldat. Hart spiegelte sich die Sonne auf dem Karabiner, den er an seine braune Uniform drückte. Seit vier Jahren kam Lisa hierher, doch dies war das erste Mal, dass hier jemand Wache stand. Es hätte sie nicht überraschen sollen. Naziposten wurden zu einem zunehmend bedrohlichen Anblick auf den Straßen von Wien. »Was wollen Sie hier?«, fragte der Posten kalt. »Ich habe eine Klavierstunde«, erwiderte sie und versuchte, sich von der gebieterischen Erscheinung und der Schusswaffe des Soldaten nicht einschüchtern zu lassen. »Der Professor wird schon warten«, fügte sie laut und klar hinzu, wie um ihre Angst zu übertönen. Der Soldat blinzelte zum ersten Stock empor. Dort hinter dem Fenster stand eine Gestalt und winkte dem Mädchen heraufzukommen. Widerstrebend senkte der Soldat die Waffe, gab die Tür frei und ließ Lisa eintreten. »Kommen Sie herein, Fräulein Jura«, sagte der Professor und begrüßte Lisa mit dem gewohnt liebenswürdigen Händedruck. Vorbei an einer Beethovenbüste, die Sprünge hatte, und einem Regal mit gestapelten gelben Notenheften geleitete sie Lenz ins Unterrichtszimmer. Lisa sog den Duft seines Pfeifentabaks ein. Bilder und Gerüche, die sie liebte und die zu einer freundlichen Begrüßung geworden waren – zu einem Zeichen, dass sie in der kommenden Stunde alles hinter sich lassen und mit der Musik verschmelzen würde. In der Mitte des Raums stand der imposante Blüthner-Flügel des Professors. Er war hochglanzpoliert und hatte gedrechselte Beine. An der Wand hing eine Kostbarkeit – ein Foto von Franz Liszt im Alter, der von mehreren Klavierschülern umgeben war, unter ihnen der Lehrer des Professors. Er rühmte sich, in seiner Klavierpädagogik die Tradition des Meisters fortzuführen, und das Bild zeigte eine abgegriffene Stelle, auf die er wohl oft mit dem Finger gedeutet hatte. Wie üblich wurden nur wenige Worte gewechselt. Lisa legte die Noten für Beethovens Mondscheinsonate aufs Pult und setzte sich auf den abgewetzten Klavierstuhl. Sie schraubte ihn höher, so dass er ihrer Körpergröße entsprach. »Nun, Fräulein Jura, war es schwer?«, fragte der Professor. »Es war kinderleicht«, lächelte sie schelmisch. »Dann erwarte ich höchste Perfektion«, lächelte er zurück. Lisa begann mit der leisen Einleitung in cis-Moll. Der Professor beugte sich auf seinem Stuhl vor und verfolgte ihr Spiel in seinem Notenheft. Als über den einfachen Arpeggien das dunkelelegische Thema ertönte, blickte Lisa aus den Augenwinkeln auf ihren Lehrer, um zu sehen, wie er reagierte. Sie hoffte auf ein Lächeln. Schließlich hatte sie den komplizierten ersten Satz in nur einer Woche auswendig gelernt und ihren Lehrer oft sagen gehört, sie sei seine beste Schülerin. Doch er schwieg und lauschte mit stirnrunzelnder Konzentration. Sie führte diesen Gesichtsausdruck häufig auf Trauer darüber zurück, dass er selbst nicht mehr spielen konnte: Arthritis hatte seine Finger versteift, sodass er die richtigen Spieltechniken nicht mehr selber demonstrieren konnte. Welche Grausamkeit des Schicksals gegenüber einem Pianisten, dachte sie. Dass sie selbst vielleicht einmal nicht mehr würde spielen können – nicht auszudenken. Als Lehrmaterial ließ Professor Lenz oft Schallplatten für Lisa auf seinem Grammophon laufen. Horowitz, der Rachmaninow spielte, weckte seine staunende Bewunderung, doch am höchsten schätzte er Myra Hess’ lyrisch-gesangliche Beethoven-Interpretation. »Hören Sie nur den Ton ihres Legatospiels«, pflegte der Lehrer mit einem Seufzer zu sagen. Lisa lauschte, lauschte und lauschte. Den größten Teil der Stunde spielte sie, ohne dass sie unterbrochen wurde. Schweigend saß der Professor dabei und machte nur hin und wieder mit der Hand ein Akzentzeichen. Schließlich ließ er sein Notenheft sinken und hörte nur noch zu. Sie blickte ihn an und sah Niedergeschlagenheit in seinen Augen. Spielte sie so schlecht? Am Ende ihres Vortrags machte Lenz dazu keine Bemerkung. Lisa ging an ihr übliches Technikprogramm, ihre Tonleitern, und wartete eingeschüchtert auf sein Urteil. Abwesend kratzte der Professor den Kopf seiner Pfeife über dem Aschenbecher aus. »Darf ich für nächste Woche das Allegretto einüben?«, fragte sie. Sie liebte den zweiten Satz und brannte darauf, dem Lehrer zu zeigen, wie sich ihr Legatospiel verbessert hatte. Er sah sie lange an, und schließlich sprach er es aus, Verlegenheit und Beschämung im Blick: »Es tut...


Mona Golabek ist eine international erfolgreiche Konzertpianistin. Sie moderiert die Radioklassiksendung "The Romantic Hours" und erhielt für ihre CD-Einspielungen eine Grammy-Nominierung. Für ihre One-Woman-Show "The Pianist of Wildesten Lane", die bereits in New York, Chicago, Los Angeles und London zu sehen war, war sie für den New York Drama Desk Award nominiert. Der BBC-Spielfilm "The Children of Wildesten Lane" und die Filmdokumentation "I am a Pianist" über Lisa Jura werden 2018 veröffentlicht werden. In den USA hat Mona Golabek die Geschichte ihrer Mutter bereits vor mehr als 250 000 Studierenden erzählt, zuletzt sprach sie vor den Vereinten Nationen. Rabbi Lord Jonathan Sacks nannte ihr Buch "beispielgebend für die Geschichte von Shoah-Überlebenden". Die Autorin und Musikerin lebt in Los Angeles.

Lee Cohen ist Journalist, Drehbuchautor und Dichter. Er ist Produzent der Filmdokumentation "I am a Pianist" über Mona Golabek und ihre Mutter.



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