Goga | Es geschah in Schöneberg | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 336 Seiten

Reihe: Leo Wechsler

Goga Es geschah in Schöneberg

Kriminalroman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-423-42875-0
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 5, 336 Seiten

Reihe: Leo Wechsler

ISBN: 978-3-423-42875-0
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der fünfte Fall für Leo Wechsler Berlin 1927. Bei einer Modenschau im Romanischen Café werden zwei Vorführdamen verletzt: Ihre Kleider wurden mit einem Kontaktgift präpariert. Offenbar ein gezielter Anschlag gegen den Modesalon Morgenstern & Fink, den aufsteigenden Stern am Berliner Modehimmel. Kurz darauf wird in Schöneberg ein Toter gefunden. In seiner Wohnung entdeckt man einen Prospekt des Modesalons ... Leo Wechsler, inzwischen Oberkommissar bei der Berliner Kripo, nimmt die Ermittlungen auf.

Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler hat sie mehrere historische Romane veröffentlicht und wurde mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Goldenen HOMER für >Mord in Babelsberg< und dem Silbernen HOMER für >Nachts am Askanischen Platz<.
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1


10. Januar 1927

EIN NEUER STERN IM WESTEN
von Kurt Korff

)

Robert Walther faltete die zusammen, als sie am Zoo ausstiegen. Überall drängten Menschen zur Arbeit, rempelten einander an, in der Luft lag der Duft von hundert Parfüms und Rasierwässern, der sich mit den Schwaden vom Bratwurststand vor dem Bahnhof vermischten.

Sie gingen zu Fuß weiter in die Hardenbergstraße. Walther kam das ganze Tempo dieser Ermittlung sehr gemächlich vor, so etwas war er von Einsätzen bei Mordermittlungen nicht gewöhnt. Vor allem nicht, seit die Inspektion A im vergangenen Herbst ihren speziell gefertigten Einsatzwagen erhalten hatte, den die Presse rasch »Mordauto« getauft hatte. Ernst Gennat hatte das bahnbrechende Fahrzeug entworfen, das ein Büro und eine vollständige Ausrüstung zur Spurensicherung enthielt und Aufsehen erregte, wann immer die Kripo damit vorfuhr.

Ranke sah den Kollegen von der Seite an. »Schauen Sie nicht so, Walther, Sie dürfen bald wieder in die Inspektion A.«

Walther grinste verlegen. »Tut mir leid. Merkt man mir das so sehr an?«

»Ach was, so ist das eben, wenn man vorübergehend vom Olymp herabsteigt.«

Die Umstellung fiel Walther schwer, und er zählte die Tage, bis er wieder in die vertraute Umgebung zurückkehren konnte. Seine Freundin Jenny, die als Blumenverkäuferin arbeitete und auf eine Karriere als Sängerin hoffte, hatte ihn schon damit aufgezogen und gedroht, ein Lied über seinen Abstieg innerhalb der Kripo zu verfassen.

Ranke zeigte auf die gegenüberliegende Straßenseite. »Sehen Sie mal, schon für heute Abend.«

Nun bemerkte auch Walther die Arbeiter, die Absperrungen vor dem Ufa-Palast aufstellten. An der Fassade prangte in riesigen Lettern das Wort »Metropolis«, darunter, ähnlich groß, »Ein Film von Fritz Lang«, rechts und links eingerahmt vom charakteristischen Symbol der UFA.

»Oh, den will ich mir ansehen«, sagte er. »Letztes Jahr haben wir den Mordfall Viktor König bearbeitet. Seit König tot ist, ist Lang wieder Alleinherrscher des deutschen Films.«

Ranke zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht – wenn der Film sein Geld wert ist, müsste er schon ein Meisterwerk sein. Fünf Millionen Mark, stellen Sie sich das vor! Der teuerste Film, der je in Deutschland gedreht wurde.«

Als sie sich dem Kurfürstendamm näherten, kam Walther auf den Grund ihres Einsatzes zu sprechen. »Was genau ist bei Morgenstern passiert?«

»Komische Sache. Die Chefin ist heute Morgen ins Atelier gekommen und hatte sofort das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Keine Anzeichen von Gewalt an der Tür, kein Vandalismus, auf den ersten Blick nichts gestohlen.«

»Aber?«

»Sie sagt, die Atmosphäre sei anders gewesen.« Walther bemerkte Rankes leicht verächtlichen Ton. »Einige Entwürfe hätten nicht so gelegen wie zuvor. Entwürfe für die neue Kollektion.«

»Werksspionage?«, fragte Walther interessiert. Seltsam, genau das, was den Kollegen zu belustigen schien, ließ ihn die Angelegenheit ernster nehmen.

»Ich weiß nicht. Es klang alles sehr vage. Sie wissen schon, künstlerisch veranlagte Frauen neigen gelegentlich zur Hysterie …«

Walther schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, verkniff sich aber eine Antwort. Ranke wäre ein handfester Einbruch mit aufgestemmter Tür und herausgerissenem Safe vermutlich lieber gewesen. Er selbst hingegen war dankbar, wenn er sich die Zeit fern der Mordinspektion mit etwas Ausgefallenem vertreiben konnte.

»Die Presse berichtet lobend über Frau Morgenstern«, sagte er beiläufig.

»Ihr Modegeschmack ist sicher über jeden Zweifel erhaben. Aber ob wir es mit einem Verbrechen zu tun haben, wird sich noch zeigen.«

Sie betraten den Kurfürstendamm, der selbst am Vormittag von Menschen wimmelte. Die Theater und Kinos waren noch geschlossen, dafür drängte sich alles in den Cafés und Geschäften.

Walther kam privat nicht oft in diese Gegend, da viele der Vergnügungsstätten für einen Kriminalbeamten unerschwinglich waren. Vor ein paar Wochen war er mit Jenny im nahe gelegenen Lunapark gewesen, wo sie sich prächtig amüsiert hatten, obwohl der Park seine beste Zeit hinter sich hatte. Der Teddybär, den er für Jenny geschossen hatte, thronte seither auf einem Ehrenplatz in ihrem Wohnzimmer.

»Hier ist es.« Ranke war vor einem Ladenlokal mit zwei großen Schaufenstern stehengeblieben. Der Schriftzug über der Tür war in dezentem Gold gehalten, die Schaufensterpuppen waren aufwändig gestaltet, lenkten aber nicht von den Kleidern ab. Im rechten Fenster waren sportliche Ensembles ausgestellt, im linken herrliche Abendroben aus Seide und Brokat. In jedem Fenster stand ein Würfel aus transparentem Kunststoff, der mit den Unterschriften von Carl Fink und Lotte Morgenstern versehen war.

Die Modelle würden Jenny gefallen, dachte Walther flüchtig, doch sie überstiegen seine Möglichkeiten bei weitem. Wenn ihre Karriere als Sängerin an Schwung gewann, dann vielleicht …

Sie traten durch die Tür mit dem schönen Griff aus schwarzem, golden eingefasstem Bakelit.

Eine junge Frau kam ihnen entgegen. »Verzeihung, aber wir haben noch nicht geöffnet.«

Walther und Ranke wiesen sich aus.

»Kommen Sie bitte mit, ich führe Sie zu Frau Morgenstern.«

Walther versuchte, so viel wie möglich von den Räumen aufzunehmen – die Standspiegel, Paravents und Polstersessel, die zum Verweilen einluden. Modeillustrierte auf kleinen Tischen. Große Bodenvasen. Keine Bilder an den Wänden, nur Spiegel und vereinzelte gerahmte Modezeichnungen. Räume, in denen man sich wohlfühlen konnte und die gleichzeitig eine absolute Konzentration auf das Wesentliche erlaubten – auf die Kleider sowie die Kundinnen und ihre Wünsche.

Sein Blick fiel auf eine Schaufensterpuppe, die mit dem Rücken zum Betrachter stand. Sie trug ein dunkelgrünes Abendkleid mit einem tiefen Rückenausschnitt, über den sich Girlanden aus vergoldeten Efeublättern rankten. Ein »Fink-Rücken«, wie er nach der Lektüre in der Bahn jetzt wusste.

Lotte Morgenstern trug einen exakt geschnittenen Pagenkopf. Ihr dunkles Haar glänzte wie Lack, und sie wirkte auf den ersten Blick kühl und distanziert. Ihre grünen Augen blickten forschend, aber nicht unfreundlich, und als sich ihr Mund zu einem Lächeln verzog, trat eine unerwartete Wärme in ihre Züge. Sie trug ein weinrotes Kleid, dessen einziger Schmuck eine schwarze Knopfleiste war, die an ein Herrenhemd erinnerte.

»Danke, dass Sie so rasch gekommen sind.«

»Bitte erzählen Sie uns genau, was Ihren Verdacht geweckt hat, Frau Morgenstern«, sagte Ranke.

Walther holte sein Notizbuch heraus, um mitzustenographieren. Ihm fiel die Ruhe auf, die in den Räumen herrschte. Es war kaum zu glauben, dass das Modeatelier an einer der hektischsten Straßen Berlins lag, doch die dicken Teppiche und die Vorhänge, die die Räume geschickt unterteilten, schienen darauf angelegt, die Kundinnen von der Außenwelt abzuschirmen.

Lotte Morgenstern führte sie in einen großen, hellen Raum, dessen Fenster auf einen Innenhof hinausgingen. »Das Entwurfszimmer«, sagte sie. »Der hellste Raum. Wir brauchen viel Licht.«

Große Tische mit Zeichenutensilien, Regale voller Stoffmuster, zwei Schneiderpuppen, Modefotos aus Illustrierten an den Wänden, aufgeschlagene kostümgeschichtliche Bildbände.

»Wo sind Ihre Mitarbeiter?«, erkundigte sich Walther.

»Im Pausenraum. Ich war heute Morgen als Erste hier und wollte Ihnen den Raum so zeigen, wie ich ihn vorgefunden habe.«

»Danke, das war umsichtig von Ihnen. Oft werden Tatorte verändert, das erschwert uns die Arbeit«, sagte Ranke. »Daher bin ich Ihnen sehr dankbar. Kommen Sie, Walther, schauen wir uns um.«

An diesem Abend saßen Leo Wechsler und Robert Walther in der Kneipe Ecke Turmstraße und Emdener Straße, in der Nähe von Leos Wohnung. Da sie zurzeit nicht zusammenarbeiteten, trafen sie sich alle paar Tage auf ein Bier und hielten einander auf dem Laufenden. Die Kneipe war gut...


Goga, Susanne
Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler hat sie mehrere historische Romane veröffentlicht und wurde mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Goldenen HOMER für ›Mord in Babelsberg‹ und dem Silbernen HOMER für ›Nachts am Askanischen Platz‹.

Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler hat sie mehrere historische Romane veröffentlicht und wurde mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Goldenen HOMER für ›Mord in Babelsberg‹ und dem Silbernen HOMER für ›Nachts am Askanischen Platz‹.



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