Göhre | Mo. Der Lebensroman des Friedrich Glauser | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 236 Seiten

Göhre Mo. Der Lebensroman des Friedrich Glauser

E-Book, Deutsch, 236 Seiten

ISBN: 978-3-944818-73-3
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ergänzte digitale Neuauflage. Über das Buch Friedrich Glauser (1896-1938), »Vater« der deutschsprachigen Kriminalliteratur, war seit früher Jugend süchtig. Zeitlebens war er vom Morphium beherrscht, vom »Mo«, wie er es nannte. Von seinen 42 Lebensjahren verbrachte er über acht Jahre in Irrenhäusern, psychiatrischen Anstalten und Kliniken. Dort interniert, schrieb er seine ersten »Wachtmeister Studer«-Romane. »Mo. Der Lebensroman des Friedrich Glauser« ist die literarische Aufarbeitung von Friedrich Glausers ungewöhnlicher Biografie. Frank Göhre erkundet die weißen Räume zwischen den biografischen Fakten. Er zeichnet das Bild eines in sich Verstrickten, eines Umtriebigen, dessen bewegtes Leben eine ebenso faszinierende wie tragische Suche nach innerer Ruhe, nach Beständigkeit ist und den verzweifelten Wunsch offenbart, »doch ein wenig anders leben« zu können. Frank Göhre geht mit seiner Hauptfigur respektvoll um, zeigt viel Liebe und Verständnis, ohne dabei unkritisch zu werden. In differenzierten Schilderungen und pointiert-lebendigen Dialogen wird der außergewöhnliche Mensch Friedrich Glauser sichtbar. Ein lesenswertes Lebensdenkmal! Das sagt die Presse »?Mo? ist ein Roman, der zutiefst berührt, weil er von nichts weniger erzählt als dem, was Ziel allen Lebens ist: Erlösung.« Volker Albers, Hamburger Abendblatt »Göhre erzählt geradezu im Stil des Film noir, in harten Schnitten und realistischen Dialogen. Er tut dies zudem mit viel Liebe und Verständnis für seine Hauptfigur. Er schildert, wie Glauser gedacht und gefühlt und gesprochen haben könnte, das ist seine Erfindung. Dabei stützt er sich auf die bekannten biografischen Daten und zieht auch einige schriftliche Zeugnisse Glausers heran (die im Text kursiv gesetzt sind).« Oliver Lüdi, Programm Zeitung »Weit mehr als eine Ehrenbezeigung«. Die Welt »Mit viel Zuneigung sieht Göhre dem unglücklichen Glauser beim Schreiben zu, beim Entzug, bei seinen Beziehungen, guten wie schlechten.« Wolfgang Bortlik, 20 Minuten, Zürich, 27.10.2009 »Eine ungemein packende Story über das zerrissene Leben des Schweizer Schriftstellers, der als ?Vater? des deutschsprachigen Kriminalromans gilt.« Hamburger Abendblatt, »Empathie hält der Autor für seine Figur bis zum Ende aufrecht, bleibt durchweg spannend und psychologisch differenziert in seinen Schilderungen.« www.literaturkritik.de,

Frank Göhre, Jahrgang 1943, arbeitete als Buchhändler, Bibliothekar, Verlagsangestellter und Hörfunkautor. Er lebt in Hamburg und schrieb neben Romanen (siehe www. pendragon.de) u. a. die Drehbücher zu den Kinofilmen »Abwärts«, »Die Ratte« und das mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichnete Drehbuch »St. Pauli Nacht« (Regie: Sönke Wortmann). Göhre ist Mitarbeiter bei CULTurMAG (www.culturmag.de).
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Zürich 1916/17
Er ist jung, noch nicht volljährig. Er hat ein schmales Gesicht, dunkles, glattes Haar und unter den dichten Augenbrauen blicken die großen Augen ein wenig melancholisch. Bekleidet ist er mit einem schwarzen Dreiteiler und darauf abgestimmter Krawatte. Seiner ersten Zimmerwirtin in der Bolleystraße 7 stellt er sich als Frédéric Glauser vor, nach Zürich gekommen, um an der nahe gelegenen Universität Chemie zu studieren. Es ist der Januar des Jahres 1916 und die neutrale Schweiz beherbergt zu dieser Zeit sowohl Pazifisten, Anarchisten und Revolutionäre (Lenin) wie auch die internationale künstlerische Avantgarde: »Angeekelt von den Schlächtereien des Weltkrieges 1914, gaben wir uns in Zürich den schönen Künsten hin. Während in der Ferne der Donner der Geschütze grollte, sangen, malten, lebten, dichteten wir aus Leibeskräften. Wir suchten eine elementare Kunst, die den Menschen vom Wahnsinn der Zeit heilen, und eine neue Ordnung, die das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle herstellen sollte«, schreibt der deutsch-französische Maler, Bildhauer und Lyriker Hans Arp, Mitbegründer der Dada-Bewegung. Die Erklärung des Wortes Dada ist umstritten. Die einen nennen ein französisches Wörterbuch als Quelle – dada, frz. für »Steckenpferd« –, andere ordnen es der Kleinkindersprache zu, und auch ein in diesen Jahren beliebtes Schweizer Haarwaschmittel namens DADA soll die internationale Künstlergruppe zur Namensgebung angeregt haben. Der soeben erst in Zürich eingetroffene Frédéric Glauser hört später noch eine andere Version: »... es ist außerdem noch eine doppelte Bejahung, ›ja, ja‹ heißt es, in den slawischen Sprachen wenigstens, und ich glaube, auch in der rumänischen.« Frédéric Glauser schreibt sich an der Uni ein und belegt die Fächer »Organische Experimentalchemie« und »Chemisch-analytisches Praktikum für Chemiker«. Doch allzu ernst nimmt er es mit dem Studium nicht. Gemeinsam mit einem Freund stellt er die erste Ausgabe einer Literaturzeitschrift – »Le Gong« – zusammen, in der natürlich auch Texte der beiden Herausgeber erscheinen sollen; von den französischen Symbolisten beeinflusste Prosaarbeiten und Nachdichtungen. Das nimmt ihn voll in Anspruch, und er ahnt nicht im Entferntesten, dass man nur wenig später »Erkundigungen« über sein Treiben einholen wird. Da ist dann protokolliert, er mache »auffallend viele ›Freitage‹, während welcher Zeit er sich nachts in leichtsinniger Gesellschaft herumtrieb und tagsüber dann in seinem Zimmer seine müden Glieder ausruhen ließ. Wegen dieser Unregelmäßigkeit seiner Lebensweise, welche oft den Nebenbewohnern ruhestörend war, wurde ihm das Logis gekündigt, und er verzog sich nach der Möhrlistr. 17 zu Hardmeier.« Diese polizeilich durchgeführten Ermittlungen hat der Vater veranlasst, der als gebürtiger Schweizer im fernen Mannheim an der Handelshochschule unterrichtet. Er misstraut dem Sohn seit jeher, hat ihn schon als Schüler der Lüge und des Diebstahls bezichtigt und glaubt, dass er nun als Student total verlottert. Aktuell kommt hinzu, dass Frédéric ihm per Brief erklärt hat: »Wenn die Gesellschaft, an deren Rand ich wohl leben werde, so ist, wie sie mir bis heute erscheint, und wenn Du wirklich glaubst, eine ihrer Stützen zu sein, dann bedanke ich mich. Ich ziehe es vor, weiterhin in freier Luft zu atmen, wie es mir entspricht, in einer Luft, die nicht vergiftet ist, und wenn Du mich für einen Querulanten, einen Bohemien, einen heruntergekommenen Menschen hältst, so mögen das Bezeichnungen sein, die für Dein Ohr bloß beleidigend klingen; ich dagegen rühme mich ihrer ...« Er geht nun gar nicht mehr zur Uni: »Ganze Tage blieb er im Bett, ohne krankheitshalber daran gebunden gewesen zu sein«, ist in dem Polizeiprotokoll zu lesen, »nachts ging er dann wieder seiner Gesellschaft nach, hielt sich nach seinen daselbst selber gemachten Angaben in den hiesigen Caféhäusern auf, machte Kleintheaterbesuche und Autofahrten, durch welche Veranstaltungen er nach gemachten Wahrnehmungen sehr viel Geld durchtat.« Das »Café Odeon« (Limmatquai 2), das (nicht mehr existierende) »Café des Banques« (am Beginn des Rennweges) und das Café und heutige Restaurant »Terrasse« (Limmatquai 3) sind die Lokalitäten, in denen Glauser jetzt Abend für Abend anzutreffen ist. Er liest und schreibt ein wenig, trinkt »große Quantitäten« Alkohol, raucht Kette und macht Bekanntschaften – »Damenbekanntschaften«. Noch erhält er vom Vater monatlich 170 Franken, doch damit kommt er bei dieser Lebensführung schon lange nicht mehr hin. Er macht Schulden, schnorrt und lebt weitgehend auf Pump. Es wird Herbst und er fasst den Plan, alles hinter sich zu lassen und nach Amerika auszuwandern. Doch just in diesen Tagen lernt er den österreichischen Maler »Mopp«, Max Oppenheimer, kennen und sitzt dann als literarisch ambitionierter und wissbegieriger »Fred« oder »Clauser« mit am Tisch der in Zürich aktiven Dadaisten Tristan Tzara und Hugo Ball, der Maler Marcel Janco und Hans Richter. Das ist ungemein anregend, und er saugt begierig auf, was bei ihnen Thema ist: »Ich muss in einer halben Stunde die Namen von etwa einem Dutzend mir vollkommen unbekannten Berühmtheiten kennen lernen und meine Unwissenheit bedrückt mich tief. Wer kannte damals Blaise Cendrars, Jakob, den Dounier, Rousseau, Picasso, Derain, Franz Marc und Kandinsky?« Die Runde lobt und kritisiert, debattiert bis tief in die Nacht über Individualismus und die Zerstörung bürgerlicher Ideale und Normen. Gefühle und Psychologie sind aus der Kunst auszumerzen. Propagiert wird die willkürliche und zufallsgesteuerte Aktion in Bild und Wort – »Dada« eben, Spontaneität, Anti-Routine, Anarchismus. Alles muss in Bewegung sein, springen und hüpfen wie die Silben in dem Lautgedicht »Karawane« von Hugo Ball. Die Autoren Hugo Ball und Tristan Tzara sind die Wortführer der durchzechten Nächte, in denen auch das gerade erst in Mode gekommene Kokain geschnupft wird: »Was kümmert uns der Sonnenschein? Hochaufgetürmte Tage stürzen ein ...« (Emmy Hennings). Von Hugo Ball ist der nicht mehr Student Glauser am meisten beeindruckt: »Während die anderen mir sehr fremd bleiben (ich habe immer den unangenehmen Eindruck, dass ich es nicht wagen darf, künstlerische und literarische Urteile zu fällen, denn alles, was mir gefallen hat, wird als sentimentaler Kitsch abgetan, mit Achselzucken und verächtlichem Schnaufen durch die Nase), ist Ball der einzige, der wie ein ruhiger, älterer Bruder wirkt.« Die Sympathie ist gegenseitig. »Glauser«, schreibt Ball an seine Lebensgefährtin Emmy Hennings, »Glauser ist ein sehr lieber Junge und ein wenig in mich verliebt. Er begleitet mich zu Fuß von Richters Wohnung bis in die Hornbachstraße (Nr. 68, Hugo Balls vorletzte Adresse in Zürich).« An einem der nächsten Abende kommt dann auch Emmy Hennings ins »Café Odeon«: »Ein kleines, blondes Geschöpf, dem auch der grünspanige Sweater nichts von seiner Zierlichkeit rauben kann, schleppt viel kalte Nebelluft von draußen in den Rauch des Lokals ... Sie blickt mich zuerst misstrauisch an. Ihre kleine Hand mit den abgebissenen Nägeln ist fieberheiß, und diese Hitze will gar nicht zu dem weißen Gesicht passen. Sehr erregt ist diese kleine Frau, sie zittert immer ein wenig, wie eine bunte Papierschlange vor einem Ventilator.« So notiert es Glauser, und keine Frage: Der noch Zwanzigjährige ist von der elf Jahre älteren, in Flensburg geborenen Kabarettistin nicht nur stark beeindruckt, er muss sich auch eingestehen, sich auf Anhieb in sie verliebt zu haben. Es sind die Wintermonate 1916/17. Ende Juli ist das erst im Februar 1916 eröffnete »Cabaret Voltaire« in der Spiegelgasse 1 geschlossen worden, der »Geburtsort des Dada«. Nur ein paar Häuser weiter, in der Nummer 14, grübelte da noch der Exilant Lenin über seine Strategie für einen bewaffneten Aufstand. In dem engen Zürcher Altstadtgässchen befanden sich damit zeitgleich zwei revolutionäre Keimzellen dicht beieinander: eine politische und eine künstlerische. Jetzt suchen Ball und Tzara neue Räume für ihre avantgardistischen Ausstellungen und spektakulären Veranstaltungen. Der befreundete und sie fördernde Buchhändler und Antiquar Han Corray stellt ihnen seine Galerie in der Bahnhofstraße 19, Eingang Tiefenhöfe 12, zur Verfügung, während Glauser, der sich inzwischen den Dadaisten zugehörig fühlt, »aus gleichen Gründen, wie bezüglich seinem ersten Logis« auch eine neue Unterkunft benötigt: »Er kam dann zu Arx in die Leonhardstraße 6. Hier war er nicht mehr imstande, sich Geld zu beschaffen, trotzdem er sich (nach seinen Äußerungen) dafür bemühte. Aus diesem Grunde (er sollte das Zimmer im voraus bezahlen) schickte ihn Frau von Arx wieder fort, nachdem sie hatte konstatieren müssen, dass er zu jeder Stunde, bei Tag und bei Nacht, Damenbesuche in sein Zimmer hatte kommen lassen.« – Damenbesuche! Die Emmy, die Hennings, die eigentlich mit Hugo Ball Liierte, munkelt man in den Künstlerkreisen, und obwohl nicht zu belegen, gänzlich von der Hand zu weisen ist es nicht. Als einen sehr hübschen und offenherzigen Jungen hält Emmy Hennings den aufgrund seiner Lebensführung gern als »praktischer Dadaist« titulierten Glauser in Erinnerung, zu dem nach und nach ein tieferes und stärkeres Interesse entstanden sei: »Er schien mir jedoch nicht das mindeste Geltungsbedürfnis zu haben. Ich glaube sogar, es fehlte ihm etwas an natürlichem Selbstbewusstsein. Er wußte oder dachte nicht daran, dass er...


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